Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Debatte hat es — das haben Millionen miterleben können — für diejenigen, die sie inszeniert haben, einige Pannen gegeben. Es ist jetzt doch ganz klar, was der Sinn dieser Debatte ist, und es ist auch ganz klar, wie die Kräfte aussehen, die unserem deutschen Volk das Elend eines neuen Krieges und unserer Jugend eine neue Kasernenhofzukunft bringen wollen.
Ich bin gezwungen, zu einigen Fragen Stellung zu nehmen,
die in Zusammenhang stehen mit der „Kontroverse", die hier zwischen Herrn Schmid und dem Herrn Bundeskanzler geführt wurde. Mein Kollege Reimann hat gestern unserem deutschen Volke in aller Offenheit die Bedingungen des Generalvertrags und der diskriminierenden Zusatzverträge unterbreitet. All das hat heute der Sozialdemokrat Carlo Schmid mit seinen Worten — spät jedoch, aber doch! — bestätigt. Ich stelle darum die Frage: Warum die SPD-Führung so lange? Warum unterrichtete sie nicht die eigene Partei und unser eigenes Volk von den Vorgängen, die in den Geheimverhandlungen der letzten Wochen auf der Tagesordnung standen?
Das waren die Lebensfragen unseres deutschen Vol-kes: Generalvertrag und ein neues Wehrgesetz. Es
ist also erwiesen — was wir immer gesagt haben —,
daß die sozialdemokratische Parteiführung in diesen Geheimverhandlungen mit dem Herrn Bundeskanzler über jede Frage der offiziellen Politik in Westdeutschland, also der Adenauer-Regierung, genauestens, bis in alle Einzelheiten unterrichtet wurde.
Wer so lange schweigt, wer dies nicht einmal seinen eigenen Parteigenossen und seiner eigenen Fraktion gegenüber offen zum Ausdruck bringt, ist nicht ohne Schuld an all den fürchterlichen Gefahren, die die Adenauer-Regierung mit ihrer Politik der Remilitarisierung und der Versklavung unseres deutschen Volkes heute auf sich lädt.
Herr Schmid kennt also den Wortlaut des Generalvertrages und der Zusatzverträge, und Herr Ollenhauer ebenfalls!
Was denkt unser deutsches Volk darüber, unser deutsches Volk, das heute Gelegenheit hat, die Debatte über diese Schicksalsfrage mit anzuhören und das sich — darüber kann kein Zweifel bestehen — eine eigene Meinung bildet — von der Politik der sozialdemokratischen Parteiführung gar nicht erst zu reden — über die Politik der Militarisierung und Faschisierung durch das Adenauer-Kabinett?
Was ist also los?
Der Sozialdemokrat Schmid wurde von Dr. Adenauer unterrichtet. Herr Carlo Schmid und Herr Ollenhauer zogen es jedoch vor, nicht einmal die eigene Partei zu unterrichten. Das ist ein neues Eingeständnis der Adenauerschen Geheimpolitik gegen unser Volk, das von seiner Regierung Klarheit, Sauberkeit und Offenheit verlangt.
Das Vorenthalten so unerhörter Tatsachen, wie sie im Generalvertrag und in den Zusatzverträgen unserem Volke aufgezwungen werden sollen, bedeutet doch, daß die Position dieser Regierung Adenauer gegenüber dem einmütigen Willen unseres deutschen Volkes heute unhaltbar geworden ist. Das ist die einzige logische Schlußfolgerung, die jeder anständige Mensch aus dem Ergebnis der heutigen Debatte
und aus den Enthüllungen, die sie gebracht hat — das war nicht vorgesehen! —, zu ziehen hat.
Herr Adenauer aber stellte sich gestern hierhin und sagte, alle Angaben meines Kollegen Reimann über den Inhalt des Generalvertrags, über seine diskriminierenden Bestimmungen, über seine Einschränkungen und über seine Verbote seien falsch. Herr Adenauer hat es also vorgezogen, wider besseres Wissen hier in diesem Parlament öffentlich, angesichts unseres ganzen deutschen Volkes, die Unwahrheit zu sprechen. Herr Adenauer hat also
das Parlament und unser deutsches Volk erneut bewußt falsch unterrichtet.
Der Herr Bundeskanzler wußte auf die Charakterisierung des Generalvertrags durch meinen Kollegen Reimann nur zu sagen, alle diese Angaben seien nicht richtig, sie seien falsch.
Diese Methode der Dementis und Abschwörungen ist typisch für die Politik Dr. Adenauers. Als die Spatzen von allen Dächern die Remilitarisierung in Westdeutschland verkündeten,
als .die Presse des In- und Auslandes spaltenlang über diese Remilitarisierung berichtete, antwortete der Herr Bundeskanzler auf eine konkrete Frage meiner Fraktion fünfmal mit einem entschiedenen Nein. Nun frage ich alle einfachen Menschen unseres Volkes: Was soll man von einem solchen Kanzler halten, der auf konkrete Fragen, die einen offensichtlich Wahrheitsgehalt haben, nur die stereotype Antwort hat: Nein, nein und nochmals nein!?
Das traurige, schäbige Vertuschungsspiel mit der sogenannten Dienststelle Blank ist ein weiterer Beweis für die Tatsache, daß Dementis aus Bonn als Eingeständnis der bestrittenen Tatsache zu werten sind. Herr Blank sollte — das ist doch wohl bekannt, und das weiß auch unser Volk — angeblich Wohnräume für alliierte Truppenverbände beschaffen. Was aber tut diese famose Dienststelle heute? Über 30 Hitler-Offiziere arbeiten bereits den Mobilmachungsplan für die neue Wehrmacht aus. Sie sind dabei, den Herren Industriellen die Aufträge für die Errichtung einer neuen deutschen Wehrmacht schon zuzuschieben.
I Der Bundeskanzler hat in seinen Regierungserklärungen sehr richtig darauf hingewiesen, daß eine Einheit besteht zwischen Schumanplan, Generalvertrag und diesem Wehrgesetz, das man so oder so der deutschen Jugend oktroyieren will. In der Tat, so ist es. Warum aber verschweigt er dem deutschen Volke den Inhalt dieser Verträge?
Der Inhalt der Artikel des Generalvertrages wird durch die heutige Debatte bestätigt. Die einzelnen Artikel beschäftigen sich in der Hauptsache mit den militärischen Verpflichtungen gegenüber den drei Besatzungsmächten. Damit wird von vornherein der Verzicht auf die Souveränität durch die Adenauer-Regierung klar umrissen festgelegt. Das bedeutet die Fortsetzung der Einmischung durch die westlichen imperialistischen Staaten in alle innerdeutschen Angelegenheiten, insbesondere in solche Fragen, die die deutsche Einheit, also die Wiederherstellung unseres deutschen Vaterlandes betreffen. In Art. 3 Abs. 3 wird beispielsweise erklärt, daß die Bundesrepublik ein untrennbarer Bestandteil in der Gemeinschaft europäischer Völker sei; aber in Art. 4 Abs. 4 wird gesagt, daß die Bundesrepublik sich in Anbetracht ihrer besonderen Lage feierlich zum Verzicht auf gewisse souveräne Rechte, die in dem Zusatzabkommen zu diesem Vertrag festgelegt sind, verpflichte.
Das heißt, daß sich die alliierten Regierungen in
vollem Einverständnis mit der Bundesregierung -im
Falle der Notwendigkeit das Recht der Einmischung
und der Rücknahme der Macht vorbehalten. Das ist
genau das, was mein Kollege Reimann gestern über
den Inhalt dieses Generalvertrags auseinandergesetzt und woraus er die Schlußfolgerung gezogen hat, daß dies die offene Vorbereitung einer faschistischen Militärdiktatur zur Vorbereitung eines Krieges bedeutet.
Unser deutsches Volk verlangt nach der Rede von Carlo Schmid und den Ausführungen Adenauers die sofortige Offenlegung des im geheimen ausgearbeiteten Generalvertrags und seiner Zusatzverträge.
Das deutsche Volk hat ein Recht darauf. Wenn die ganzen Debatten überhaupt einen Sinn haben sollen, dann muß das deutsche Volk endgültig Klarheit haben über alle die Absichten, die heute seitens der Adenauer-Regierung und auch einiger Führer der sogenannten Opposition im Hinblick auf die Versklavung unseres deutschen Volkes und insbesondere der deutschen Jugend bestehen. Herr Acheson erklärte, wie Herr Carlo Schmid heute vorgetragen hat: Generalvertrag — ja, aber nur gegen deutsche Soldaten! — Da haben Sie doch die Frage der Gleichberechtigung! Damit ist doch erwiesen, daß es im System der imperialistischen Staaten des Westens überhaupt keine Gleichberechtigung geben kann. Der Krieg wird von den amerikanischen Imperialisten auf westdeutschem Boden vorbereitet. Hier wird man die Ausgangsbasis für ein neues imperialistisches Abenteuer gegen die Völker des Ostens schaffen wollen. Das heißt: kommt es dazu, was sich die Herren Acheson, Truman und die anderen Imperialisten vorgenommen haben, dann wird Deutschland zur Wüste, dann wird unsere Heimat in eine Landschaft der Born- benkrater verwandelt werden. Und das wollen wir nicht. Darum sind wir gegen den Generalvertrag. Darum sind wir gegen seine Zusatzverträge. Darum ist unsere deutsche Jugend gegen ein Wehrgesetz.
Nun noch ein weiteres zur Haltung der SPD. Die SPD-Haltung läuft im Endresultat darauf hinaus, für die deutschen Imperialisten nur alle Rechte, und ich möchte sagen: sogar alle Vorrechte auszuhandeln. Das ist das gleiche Spiel, das bereits in der Frage des Schumanplans hier in diesem Bundestag von den SPD-Führern gespielt wurde. Da sagt man: Gleiche Opfer,
gleiche Chancen, gleiche Rechte! Wo gibt es denn die im System der Vorbereitung eines Krieges? Ein Krieg wird von vornherein alle gleichen Rechte, alle gleichen Chancen und alle gleichen Opfer unmöglich machen; denn die amerikanischen Imperialisten wollen unsere deutschen Jungen für ihre blutigen Geschäfte in einem neuen Weltkrieg nur mißbrauchen.
Das Nein der sozialdemokratischen Partei ist darum nicht nur im Grunde genommen ein Ja, sondern weit mehr. Dieses Nein ist die Politik der deutschen Imperialisten, die darauf hinstreben, die Führung im europäischen politischen Konzert zu erhalten.
Dr. Schmid fordert die Erfüllung der Voraussetzungen für den Wehrbeitrag. Was sind das aber für Voraussetzungen? Er fordert mehr Truppen an der Elbe, um dann den Stoß, wie -er bereits früher er-
klärte, über die Elbe hinaus, über die Weichsel und den Njemen gegen die Völker des Ostens vortragen zu können.
Wenn ich den Kollegen Schmid richtig verstehe, dann fordert die SPD die Beteiligung in diesem militärischen Verteidigungsbeirat, in diesem Dreierausschuß. Das will unsere deutsche Jugend nicht. Unsere deutsche Jugend will nirgendwo beteiligt sein, wo es darum geht, den Krieg vorzubereiten. Die sozialdemokratische Parteiführung will, daß Deutschland, daß die deutschen Imperialisten die Führung im Kampfe gegen die Sowjetunion vorbehaltlos übernehmen können.
Das ist die blutige Konsequenz der von der sozialdemokratischen Führung betriebenen Antisowjethetze. Herr Schmid hat hier ein böses Wort .gebraucht, eine Beleidigung der Völker. Er sprach davon, daß die Völker, die heute um ihre nationale Freiheit und Unabhängigkeit kämpfen, deklassierte Völker seien. Eine solche Beleidigung der Völker ist unzulässig;
denn die Völker kämpfen in Ägypten, Vietnam, Indonesien und in Tunis für ihre demokratischen Rechte und Freiheiten.
Das sind jene Argumente, mit denen Hitlers SS gegen das französische Volk und gegen die Völker des Ostens getrieben wurde.