Rede von
Heinz
Frommhold
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(Fraktionslos)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DRP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich im Zusammenhang mit den gestrigen ausgezeichneten Ausführungen des Herrn Professors Dr. Wahl einiges sage. Man muß sich meines Erachtens im Zusammenhang mit der gestrigen und heutigen Aussprache nicht nur aus psychologischen Gründen mit einem Überbleibsel aus dem Zeitalter der Okkupationspolitik auseinandersetzen, nämlich mit den Prozessen, die als Folge eines verlorenen totalen Krieges gegen deutsche Soldaten geführt worden sind. Es erscheint mir unumgänglich, einige Betrachtungen über die Beziehungen von Befehl und Gehorsam und über den vielzitierten Begriff des neuen Soldatentyps in einer künftigen Europa-Armee anzustellen.
Es gibt Leute, die der Auffassung sind, aus politischem Taktgefühl sollte die Frage der Kriegsverbrecher nicht angeschnitten werden. Aber der Takt hört dann auf, wenn vielleicht in absehbarer Zeit deutsche Kompanien am Zuchthaus Werl vorbeimarschieren sollten, hinter dessen Mauern, mit polnischen Kriminellen unter einem Dach,
der Feldmarschall von Manstein sitzt, der von vielen Seiten als einer der größten lebenden Strategen bezeichnet wird und dessen soldatische Ehrenhaftigkeit selbst von seinen früheren Gegnern nicht bestritten wird.
Es ist hier viel davon gesprochen worden, daß es keine Diskriminierung des deutschen Soldaten mehr geben soll. Aber wir kommen über die Tatsache nicht hinweg, daß diese Diskriminierung so lange bestehen bleibt, wie auf der Siegerrechtsbasis von Nürnberg verurteilte Soldaten stellvertretend für das deutsche Heer im Gefängnis sitzen. Es geht nämlich dann um die Ehre der Nation. Montgomery sagte einmal: „Männer müssen lernen, Befehlen zu gehorchen, auch wenn alles in ihnen nach Nichtbefolgung schreit." Dieses Fundament aller Armeen der Welt hat man zerstört, um nach dem Zusammenbruch deutsche Soldaten zu verurteilen. Man kann bei solchen absoluten Werten jeder Armee
nicht mit Konjunkturgesichtspunkten arbeiten. Man kann nicht sagen: damals hättest du ungehorsam sein müssen; heute mußt du gehorchen. Es gibt nur eine unbedingte Gehorsamspflicht des Soldaten gegenüber dem höheren Befehl und gegenüber dem Staat. Auf unbedingtem uneingeschränktem Gehorsam beruhen Manneszucht und Schlagkraft jeder Armee. Ohne diesen Gehorsam wird die Armee zur Gefahr für den Staat.
Dann noch etwas anderes. Wir sind im Laufe unserer Diskussionen des öfteren Überlegungen über ein Wehrgesetz in Deutschland begegnet. Überlegungen über ein Wehrgesetz in unserer Lage dürften nicht primär sein. Die Dinge sind bei uns sogar auf den Kopf gestellt. Strategische Erwägungen, die Beurteilung der Lage unter operativen Gesichtspunkten sind die Basis für das Wehrgesetz. Was wir brauchen, meine Damen und Herren, ist die hochqualifizierte Feuerwehr, von der so oft schon gesprochen worden ist, eine Feuerwehr, die jederzeit eingesetzt werden kann. Der Kalte Krieg kann binnen Stunde zum Heißen Krieg werden, und in Deutschland vor allem kommt es dann darauf an, daß man Minuten nutzt. Wenn man an die Aufstellung deutscher Verbände nur unter dem Gesichtspunkt herangeht, wie man die Zahl der westlichen Divisionen vermehren kann, dann sollte man lieber die Hände davonlassen. Die Forderung nach deutschen Verbänden kann nur aus strategischen und operativen Überlegungen kommen. Aus diesen Gründen schon brauchen wir ein Heer neuen Typs.
Man redet von der Demokratie unter den Soldaten. Ein Mann, der wohl über allen Zweifel erhaben ist, nicht Demokrat zu sein, nämlich der Generalstabschef der schweizerischen Armee, der Oberstkorpskommandeur von Sprenger, sagte:
Fürs erste gilt es zu sagen und offen zu bekennen, daß das moderne Heerwesen und so
auch das schweizerische eine Anstalt ist, die
mit irgendwelchen demokratischen Ideen nichts
zu schaffen hat, die sich gar nicht damit verträgt, j a geradezu die Negation aller Demokratie und Selbstbestimmung darstellt.
Und wenn Herr Lenz davon sprach, daß wir auch einen solchen Soldaten neuen Typs brauchten, so glaube ich, die Alliierten werden weniger den Wunsch nach dem neuen Soldaten nach dem Typ des Herrn Lenz haben, als den Wunsch nach dem alten deutschen Soldaten von Tobruk, El Alamein, Tscherkassy, Wolchow und Moskwa, der zu einem Begriff der Tapferkeit, der Zähigkeit, des Angriffsgeistes und der Standfestigkeit wurde.
Man polemisiert viel über die Frage, ob wir einen Parademarsch brauchen oder nicht. Wir wollen eins nicht vergessen, die Grenadiere Friedrichs des Großen waren wegen ihres Parademarsches berühmt; aber darauf kam es nicht an, sie konnten auch den Friedhof von Leuthen in einem großartigen Sturmangriff nehmen.
— Ich sage ja, darauf kommt es nicht an. Ich will damit nur sagen, daß man hier über Nebensächlichkeiten diskutiert, auf die es nicht ankommt. Das friderizianische Heer konnte das, und es war gleichzeitig ein Heer, wie es selten in der Geschichte gewesen ist.
— Ja, nicht deswegen.
Wenn man darüber sinniert, wie man wohl neue demokratische Ausbildungsvorschriften zusammenstellen kann, sollte man einmal daran denken, daß sich die Türken im Korea-Krieg bestens bewährt haben. Sie sind im Angriff vorbildlich gewesen und sie sind diejenigen gewesen, die als letzte zurückgingen.
Die äußere Form des deutschen Heeres hat sich ständig geändert. Geist und Haltung des deutschen Soldaten aber waren stets soldatisch anständig. In diesem Zusammenhang ist das Wesentliche, daß die Bevölkerung das sichere Gefühl hat, sich auf seine Armee im Ernstfall verlassen zu können.
Ich darf im Anschluß an das, was mein Freund von Thadden heute früh ausgeführt hat, noch folgendes sagen. Wir sehen in dem Recht eines Volkes, seine Unabhängigkeit mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln, also selbstverständlich auch mit der Waffe, zu verteidigen, die historische Grundlage der Existenz freier Völker. Auch in Deutschland ist die Ausübung dieses Rechts auf der Basis der allgemeinen Wehrpflicht erfolgt. Nach beiden Weltkriegen wurde die Ausübung dieses Rechts für Deutschland durch gewaltsamen Eingriff von außen unterbrochen. Das ändert jedoch nichts an der Existenz dieses Naturrechts. Infolgedessen wäre ein souveränes Deutschland in der Lage, dieses Recht jederzeit wieder auszuüben, wozu es keiner umständlichen verfassungsändernden Prozedur bedürfte. Ob und in welcher Form, unter welchen vertraglichen Bindungen an andere Staaten Deutschland dieses Recht auf Selbstverteidigung mit der Waffe praktisch ausüben soll, ist eine rein politische Entscheidung, die mit dem Gesamtkomplex der Außenpolitik unlöslich verbunden ist. Die Entscheidung kann nur j a oder nein lauten. Unsere Entscheidung wird ein Ja sein, wenn die Änderungen der außenpolitischen Gesamtlage so weitreichend sind, wie sie in den vorliegenden Anträgen, deren Annahme ich hiermit befürworten möchte, gefordert werden.