Rede von
Hans-Gerd
Fröhlich
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Partei schließt sich der von verschiedenen Fraktionen dieses Hohen Hauses ausgesprochenen Kritik darüber an, daß die Bundesregierung nicht vor dem Beginn der Verhandlungen über den deutschen Verteidigungsbeitrag, die seit Januar 1950 im Gange sind, Gelegenheit genommen hat, sich durch eine Besprechung in diesem Gremium die Grundlagen und Richtlinien für die Verhandlungen geben zu lassen. Wir sind der Auffassung, daß manche unerfreulichen Mißverständnisse in diesem Hause vermieden worden wären und daß auch manches Mißtrauen in der Öffentlichkeit auf diese Weise 'hätte beseitigt werden können, wenn das geschehen wäre.
Bei uns — und ich glaube sagen zu können: auch in der großen Öffentlichkeit, im ganzen deutschen Volke — herrscht tiefe Besorgnis darüber, daß die Bundesregierung und die Fraktionen der Regierungskoalition auf der einen und die Opposition auf der anderen Seite in dieser schicksalsschweren Frage bis zum heutigen Tage nicht 'zu gemeinsamen Auffassungen und zu einer neuen Basis der Zusammenarbeit gekommen sind. Ich bitte, es nicht als eine Anmaßung aufzufassen, wenn ich die Bitte ausspreche, trotz der neuerlichen Mißverständnisse auf beiden Seiten den Versuch zu unternehmen, diese Basis gemeinsamer Zusammenarbeit doch noch zu finden.
Meine Damen und Herren! Wir sind uns in der Beurteilung der politischen Lage, wie sie hier an dieser Stelle vom Herrn Bundeskanzler dargestellt worden ist, vollkommen einig. Es ist auffallend, daß es die Sowjetunion gerade in einer Zeit — nach dem Zusammenbruch von 1945 —, in der die westlichen Siegermächte bis auf ein Minimum ihre Streitkräfte abrüsteten, unternommen hat, sich ein militärisches Potential zu schaffen, das nicht nur der Verteidigung dient, sondern ein Überpotential, das nach meiner Auffassung nur den Sinn haben kann, zu gegebener Zeit den kalten Krieg durch einen heißen zu ersetzen. Alle, die der Meinung sind, daß eine solche Gefahr nicht besteht, weil die
Sowjetunion bisher von dem Mittel des heißen Krieges keinen Gebrauch gemacht hat, irren sich. Ich glaube, wir müssen zu jeder Zeit damit rechnen, daß die Sowjetunion dieses Überpotential einsetzt. Nach unserer Auffassung wäre es unverantwortlich, wenn man dieser Gefahr gegenüber die Hände in den Schoß legen würde.
Es wäre gegenüber dem, was wir nach 1945 in unsäglichen Mühen und Opfern schon wieder erreicht haben, unverantwortlich!
Heute ist viel über die Einheit Deutschlands gesprochen worden. Wir Ostdeutsche haben es nicht nötig, hierüber noch irgend etwas zu sagen. Aber eines glaube ich aussprechen zu müssen: Es bilde sich keiner unserer Landsleute aus dem deutschen Osten ein, daß uns die Ostgebiete durch Bitten und Betteln von allein in den Schoß fallen!
Wenn wir überhaupt den Glauben haben, daß uns diese Gebiete im Frieden zurückgegeben werden, dann nur so, daß die Kräfte der freien Völker des Westens zusammengefaßt werden, um dann in einer gleichstarken Position mit der anderen Seite zu Verhandlungen zu kommen, die uns unserem Ziele eher näherbringen würden als aus einer Phase der Ohnmacht heraus.
Meine Damen und Herren, wir bedauern es außerordentlich, daß die französische Regierung in einer Zeit, in der es die Bundesregierung und dieses Parlament nicht leicht haben, es unternommen hat, dem Bundeskanzler, der Bundesregierung, dem Parlament und dem gesamten deutschen Volk dadurch in den Rücken zu fallen, daß sie Herrn Grandval zum Botschafter im Saargebiet gemacht hat. Ich glaube, die Franzosen haben sich damit selber einen schlechten Dienst erwiesen.
Sie kritisieren sonst immer, daß in der Bundesrepublik radikalistische Tendenzen vorhanden sind. Ich muß sagen, daß die Ernennung des Botschafters Grandval dazu angetan ist, diese Radikalisierung nicht zu hemmen, sondern zu fördern.
Es steht außer Zweifel, daß das Saargebiet immer
deutsch war und deutsch bleiben muß. Wir lehnen
es auch ab, daß das Saargebiet über den Umweg
der Europäisierung auf kaltem Wege von Deutschland losgetrennt wird. Wenn eine solche Europäisierung überhaupt einmal in Frage kommen
kann, kann es erst dann sein, nachdem das Saargebiet zu Deutschland zurückgegliedert ist und
wenn Deutschland es aus freiem Willen europäisiert. Ich glaube, daß es nicht anders geht. Denn,
meine Damen und Herren, können wir mit Recht
die Forderung auf Rückgabe der deutschen Ostgebiete stellen, wenn wir auf der anderen Seite
zulassen, daß vom Westen her ein Teil Deutschlands in einer kalten Annexion weggerissen wird?!
Das ist eine Unmöglichkeit. Wir können von dieser Stelle aus nur an die französische Regierung appellieren und darum bitten, daß man den Parteien in Deutschland nicht weitere Schwierigkeiten in dieser Angelegenheit macht.
Nun zur Frage des Wehrbeitrags. Es ist eine Tatsache, daß ein großer Teil der deutschen Bevölkerung heute einen Wehrbeitrag ablehnt. Es ist auffallend, daß im besonderen die deutsche Jugend noch nicht eine innere Bereitschaft zeigt, einen Wehrbeitrag zu leisten. Ob uns das angenehm oder unangenehm ist: es ist notwendig, in aller Sachlichkeit diese Feststellung zu treffen. Ich glaube, der Grund für diese Abneigung heute ist zum großen Teil darin zu suchen, daß die Besatzungsmächte nach dem Zusammenbruch von 1945 die deutschen Soldaten und das deutsche Volk bitter enttäuscht haben, daß sie oftmals die gleichen Mittel gegen die Deutschen anwandten, für deren Anwendung Deutsche bitter hart bestraft worden sind. Aus diesem Grunde bestehen tiefe Ressentiments innerhalb unserer deutschen Jugend. Wir haben uns damit abzufinden. Es wird notwendig sein, diese Ressentiments langsam, aber sicher abzubauen.
— Es ist richtig; der Politiker kann auf der Basis von Ressentiments keine Politik machen. Aber ich glaube, wir würden zuviel verlangen, wenn wir das von allen andern erwarten würden.
Hierzu sind Aufklärung und Arbeit notwendig.
Ich erinnere auch an die von den Westmächten, unseren zukünftigen Partnern, noch zurückgehaltenen deutschen Kriegsgefangenen. Ich habe die Entschließung der Regierungsparteien hierzu gelesen. Es ist nicht notwendig, hierüber weitere Ausführungen zu machen. Mir ist auch bekannt, daß die Bundesregierung in stiller Arbeit versucht hat, das Los dieser Ärmsten der Armen zu lindern. Es ist vielleicht richtig gewesen, daß man das nicht mit lauten Paukenschlägen getan hat, sondern auf diese Art; man hätte ihnen sonst wenig genützt. Wir können nur hoffen, daß dieser Zustand sehr bald beseitigt wird.
Es sind auch noch andere Dinge, die unsere Jugend davon abhalten, zu dem Wehrbeitrag im Augenblick „ja" zu sagen. Es ist vielleicht gut, daß man einmal über diese Dinge spricht. Ich erinnere mich sehr wohl an die Zeit nach dem Zusammenbruch, als wir Soldaten versucht haben, uns eine neue Existenz zu gründen. Für viele war es um so schwieriger, als sie nach diesem harten Kriegsausgang auch noch ihre Heimat und damit jegliche Unterstützung verloren hatten. Wir haben es damals erlebt, daß die Besatzungsmächte den deutschen Soldaten oft verhöhnt und seine Ehre beschmutzt haben. Es waren aber nicht nur die Besatzungsmächte, sondern bedauerlicherweise auch manche deutschen Dienststellen. Ich habe es selber erlebt, daß mir in dieser Zeit die Besatzungsmacht die einfache Arbeit mit einem Monatsverdienst von 150 Mark für meine fünfköpfige Familie erlaubte, während der Leiter eines Arbeitsamtes erklärt hat: Sie haben kein Recht auf Arbeit, Sie sind ein Militarist.
Das ist kein Einzelfall. Es ist Hunderttausenden so gegangen. Diese Herrschaften haben nach 1945 Beförderungen erlebt, die es in der deutschen Wehrmacht nie gegeben hat. Bei uns in der Wehrmacht war es nicht möglich, es in fünf Jahren bis zum Stabsoffizier zu bringen. Aber diesen Herrschaften
ist es gelungen, in fünf Jahren bis zum Regierungsrat zu kommen. Ob sie das verdient haben, ist eine andere Frage.
— Das kann ich Ihnen nachher gern sagen.
Es kamen dann noch die unglückselige Entnazifizierung und weitere Maßnahmen der Entmilitarisierung hinzu. Ich erinnere mich da an ein Spruchkammerurteil, in dem stand: Er wird zu zwei Jahren Sonderarbeit verurteilt; von einer Geldstrafe wird nur deshalb abgesehen, weil er Heimatvertriebener ist und weil ihm Anschuldigungen nach Paragraph sowieso — als Militarist — nicht nachgewiesen werden können. Das heißt also: Du wirst wegen Diebstahls verurteilt; aber wir können dir nicht nachweisen, daß du gestohlen hast. Diese Dinge spielen heute noch bei unserer Jugend eine. sehr wesentliche Rolle. Es wäre nun gut, wenn in dieser Zwischenzeit alles getan würde, um diese diskriminierenden Dinge irgendwie zu beseitigen.
Wir haben festgestellt, daß in dem zukünftigen Vertrag über den Wehrbeitrag erfreulicherweise mehrfach festgelegt ist, diskriminierende Maßnahmen gegenüber der Bundesrepublik könnten nicht mehr Anwendung finden. Ich glaube aber, sagen zu müssen, daß das für uns auch die Verpflichtung in sich schließt, alle diskriminierenden Maßnahmen gegen deutsche Soldaten, die heute noch in unseren Gesetzen verankert sind, nunmehr schnellstens zu beseitigen. Diese Bitte richte ich an die Bundesregierung. Wir können nicht auf der einen Seite verlangen, daß wir in der europäischen Verteidigungsgemeinschaft nicht benachteiligt werden; wir müssen daraus aber auch die Konsequenzen ziehen: wir selbst müssen diese Diskriminierungen des deutschen Soldaten in allen Gesetzen beseitigen. Ich erinnere da noch an manches Unerfreuliche, was in dem Gesetz zu Art. 131 steht: Nichtanerkennung von Beförderungen, Nichtanerkennung der Zeit der Gefangenschaft usw.
— Das hat materielle Gründe; aber, Herr Kollege, wenn man daran denkt, daß wir heute 10 Milliarden für den Wehrbeitrag angeboten haben, dann wäre es damals vielleicht auch möglich gewesen, hier etwas mehr zu tun und diese Dinge wegzulassen.
Wir sind der Auffassung, daß die bolschewistische Ideologie nicht allein mit Bajonetten, Panzern und Atombomben überwunden werden kann, sondern wir meinen, daß die Lösung der sozialen Fragen vordringlich ist: Wohnungsbau, ein echter Lastenausgleich mit der Eingliederung der Kriegsgeschädigten im Sinne einer sozialen Neuordnung. Lassen Sie mich hierüber in aller Sachlichkeit einige wenige Worte sagen. Die bisherigen Leistungen im Wohnungsbau haben keine spürbare Entlastung gebracht. Das liegt nicht an der Bundesregierung, sondern es liegt in der Natur der Verhältnisse. Wir werden in Zukunft gerade im Hinblick darauf, daß manches freigemacht werden muß, um neue Menschen unterzubringen, in dieser Beziehung wesentlich mehr tun müssen. Es ist eine Tatsache, daß fast 500 000 Menschen heute noch in Lagern vegetieren. Hunderttausende leben noch in Elendswohnungen, und es mag Hunderttausende von Menschen geben, die noch nicht ein eigenes Bett und einen eigenen Tisch haben. Der derzeitige Lastenausgleich ist nach unserer Auffassung keine echte Vermögensumschichtung, und die Leistungen nach diesem Lastenausgleich reichen nicht aus, um eine schnelle Eingliederung dieser Kriegsgeschädigten zu vollziehen. Es war doch so, daß das Bundesfinanzministerium zu Beginn der Verhandlungen um den Lastenausgleich festgestellt hat, der deutsche Steuerzahler könne im Jahre höchstens etwa 2 Milliarden leisten..Wir hatten damals eine Besatzungskostenlast von etwa 4 Milliarden; später wurden es 71/2 Milliarden. Nun hören die Menschen draußen, die seit langem auf den Lastenausgleich, auf die Aufwertung der Ostsparguthaben usw. warten, daß die Bundesregierung für den Wehrbeitrag ein Minimum, möchte ich annehmen, von etwa 10 Milliarden zur Verfügung stellen will.
Die Frage ist nun, ob es nicht zweckmäßiger gewesen wäre, wenn man bereits vorzeitig die für den Lastenausgleich aufzubringenden Mittel um diese 3 Milliarden erhöht hätte, um dann auf der anderen Seite hart den Standpunkt zu vertreten, daß wir über die bisherige Leistung von 71/2 Milliarden nicht hinausgehen können. Ich muß Ihnen sagen, daß uns draußen in vielen Versammlungen der Kriegsgeschädigten heute entgegengehalten wird, es bestehe der Verdacht, daß die Frage des deutschen Wehrbeitrags bereits zu Beginn der Verhandlungen um den Lastenausgleich eine entscheidende Rolle gespielt habe. Ich selbst enthalte mich hier eines Urteils,
aber der Verdacht wird sehr, sehr häufig geäußert.
— Hoffentlich– ist er unbegründet. Hoffentlich bleibt es dabei, daß die Möglichkeiten für eine soziale Neuordnung, wie wir sie alle anstreben, bestehen bleiben werden.
Noch einige wenige Worte zur deutschen Jugend. Die deutsche Jugend hat — das ist eine bitter traurige Feststellung — bisher keine innere Bindung zur parlamentarischen Demokratie und zum heutigen Staat. Das stellen wir bedauerlicherweise in allen Diskussionen immer wieder fest.
— Sehr mit Unterschied? Die Ausnahme bestätigt immer die Regel.
— Darin kann ich Ihnen nicht recht geben: aber ich sage: die Ausnahme bestätigt die Regel.
Der Vorwurf, daß die Jugend die innere Bindung zum Staat noch nicht gefunden hat, trifft nach meiner Auffassung nicht so sehr die Jugend selbst, als uns alle, auch die Regierung. Ich glaube, daß es für die Zukunft unsere Aufgabe sein wird, diese innere Bindung der Jugend zum Staat von uns aus wiederherzustellen. Wenn der verehrte Herr Bundestagspräsident vorhin davon ge-
sprochen hat, daß das Gespräch um den Wehrbeitrag nicht mehr abreißen wird, dann glaube ich sagen zu müssen, daß es unser aller Aufgabe sein sollte, im besonderen das Gespräch mit der deutschen Jugend zu führen.
Lassen Sie mich zusammenfassen. Meine Partei fordert gleiches Recht für alle in der Innen- und Außenpolitik. Als Voraussetzung hierzu sieht sie die Lösung der dringendsten sozialen Fragen wie Wohnungsbau, einen echten Lastenausgleich und die Eingliederung der Vertriebenen und sonstigen Kriegsgeschädigten im Sinne einer sozialen Neuordnung an. Im Zuge solcher Maßnahmen bedarf es eines einmaligen großen materiellen Opfern durch die deutschen Besitzenden und durch alle für die Freiheit kämpfenden Völker. Ohne soziale Befriedung ist eine echte Volksgemeinschaft mit einem gesunden Wehrwillen nicht möglich, und ein Wehrbeitrag darf in keinem Fall die soziale Entwicklung des deutschen Volkes hemmen oder gefährden. Der BHE ist davon überzeugt, daß die Überwindung uns wesensfremder Ideologien nur durch eine bessere soziale Ordnung zu erreichen ist. Er fordert eine völlige außenpolitische Gleichberechtigung mit allen für die Freiheit kämpfenden Nationen. Dazu gehört neben der Wiederherstellung der deutschen Soldatenehre auch die Überstellung der als sogenannte Kriegsverbrecher festgehaltenen Deutschen. Der BHE wehrt sich ferner gegen eine Verknüpfung von Generalvertrag und Wehrbeitrag sowie gegen Beschränkungen in der Produktion, in der Forschung und im Außenhandel. Nur unter diesen Voraussetzungen könnten wir für die Aufstellung eines deutschen Kontingents in der europäischen Verteidigungsgemeinschaft zur Sicherung des Friedens und zum Schutz der Heimat eintreten; nur so können wir unsere Frauen und Mütter, deren unauslöschliche Friedenssehnsucht sich überall kundtut, zur Zustimmung zu einem deutschen Wehrbeitrag bewegen. Der BHE wird sich aber niemals bereit erklären, denen die Hand zu reichen, die in unverantwortlicher Weise, bewußt oder unbewußt, den „Ohne-mich-Standpunkt" propagieren.