Rede:
ID0119101600

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 10
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. Frau: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Wessel: 1
    7. von: 1
    8. der: 1
    9. Föderalistischen: 1
    10. Union.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 191. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. rebruar 1952 8149 191. Sitzung Bonn, Freitag, den 8. Februar 1952 Geschäftliche Mitteilungen 8149C Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung (Frage eines deutschen Verteidigungsbeitrags und der Errichtung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft usw.) 8149C Dr. Kather (CDU) 8149D von Thadden (Fraktionslos) . . . 8151C Dr. Arndt (SPD) 8154A Dr. Adenauer, Bundeskanzler 8158B, 8196B, 8201B Dr. Schäfer (FDP) 8161A Frau Brauksiepe (CDU) 8166B Dr.-Ing. Decker (FU) 8168D Frau Wessel (FU) 8170B Dr. Bertram (FU) 8172D Dr. Etzel (Bamberg) (FU): zur Sache 8175B persönliche Erklärung 8243C Dr. Jaeger (CSU) 817'7A Loritz (Fraktionslos) . . . . 8179B, 8224D Frau Thiele (KPD) 8181A Hedler (Fraktionslos) 8183B Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) 8183D, 8201A Dr. von Merkatz (DP) 8201C Goetzendorff (Fraktionslos) . . . 8206D Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 8207D Dr. Richter (Niedersachsen) (Fraktionslos) 8211B Dr. Ehlers (CDU) 8213B Fröhlich (BHE-DG) 8218C Dr. Mühlenfeld (DP) 8221B Frommhold (Fraktionslos) 8223C Löfflad (DP) 8225C Rische (KPD) . . . . 8226A Dr. von Brentano (CDU): zur Sache 8228B, 8238C zur Abstimmung 8242D Dr. Preusker (FDP) 8232D Ollenhauer (SPD) 8234B Ewers (DP) 8239D Euler (FDP) 8240C Dr. Reismann (FU) 8240D Schoettle (SPD) (zur Abstimmung) 8241D Abstimmungen 8242B Namentliche Abstimmung . . . 8242D, 8248 Nächste Sitzung 8243D Schriftliche Erklärung der Fraktion der SPD zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der FDP, CDU/CSU und DP (Nr. 3078 der Drucksachen): Wehner (SPD) 8244 Zusammenstellung der namentlichen Abstimmung über die Entschließung der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP (Nr. 3074 der Drucksachen) 8245 Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
  • folderAnlagen
    *) Vergl. das endgültige Ergebnis S. 8248. Anlage zum Stenographischen Bericht der 191. Sitzung Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Wehner (SPD) gemäß § 59 der Geschäftsordnung für die Fraktion der SPD zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der FDP, CDU/CSU und DP (Nr. 3078 der Drucksachen) Die SPD-Fraktion brachte am 25. April 1951 eine Interpellation (Nr. 2187 der Drucksachen) ein, betreffend kriegsgefangene Deutsche im Westen. Diese Interpellation — zu der die Bundesregierung eine Art vorläufige Altwort schriftlich ausgearbeitet hatte — wurde infolge der Bedenken, die das Auswärtige Amt durch Staatssekretär Hallstein gegen eine öffentliche Behandlung zu jenem Zeitpunkt zum Ausdruck gebracht hatte, von der SPD-Fraktion in einen Antrag umgewandelt, der dem Auswärtigen Ausschuß überwiesen und dort — sowie im Unterausschuß für Kriegsgefangenenfragen — beraten wurde. Nach ausführlicher Behandlung, zu der Sachverständige — z. B. Verteidiger — zugezogen wurden, faßte der Auswärtige Ausschuß am 15. November 1951 einstimmig einen Beschluß, der der Bundesregierung in einem Schreiben zugeleitet wurde. Dieser Beschluß enthält ganz genau umrissene Forderungen, die a 11e im Westen verurteilten deutschen Kriegsgefangenen betreffen. Der Ausschuß beschloß, diesen Beschluß dann dem Plenum vorzulegen, sobald ein Bericht der Bundesregierung über das Resultat der von ihr im Sinne des Beschlusses unternommenen Schritte vorliegen würde. Die Vertreter der SPD-Fraktion im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten erklärten bei dieser Gelegenheit, daß sie darauf bestehen müßten, den Bericht des Ausschusses zu gegebener Zeit (in Abstimmung mit der Regierung) im Plenum zur Diskussion und Entscheidung zu stellen. Der heute vorgelegte Antrag der Regierungsparteien, Drucksache Nr. 3078, stellt — im Hinblick auf die am 15. November 1951 einstimmig gefaßte und der Bundesregierung übermittelte Resolution mit ihren präzisen Empfehlungen, die alle im Westen verurteilten kriegsgefangenen Deutschen betreffen — leider keinen Fortschritt dar. Es kann in dieser Situation nicht Aufgabe des Bundestages sein, sich mit einer bloßen Resolution zu begnügen. Die SPD-Fraktion ist nicht imstande, diesem Antrag zuzustimmen, sondern erwartet, daß die Bundesregierung über ihre konkreten Schritte zugunsten der- im Westen verurteilten kriegsgefangenen Deutschen berichtet. Herbert Wehner. Namentliche Abstimmung über die Entschließung der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP (Nr. 3074 der Drucksachen) Name Abstimmung Name Abstimmung CDU/CSU Dr. Horlacher Ja Horn Ja Dr. Adenauer Ja Huth Ja Albers Ja Dr. Jaeger Ja" Junglas Ja Bauereisen Ja Kahn Ja Bauknecht . . . . . . . . . Ja Kaiser Ja Dr. Baur (Württemberg) . . . . Ja Karpf Ja Bausch Ja Dr. Kather Ja Becker (Pirmasens) Ja Kemmer Ja Blank (Dortmund) Ja Kemper Ja Bodensteiner Ja Kern Ja Frau Brauksiepe Ja Dr. von Brentano . . . . . . Ja Kiesinger Ja Brese Ja Dr. Kleindinst Ja Frau Dr. Brökelschen . . . . . Ja Dr. Köhler Ja Dr. Brönner . . . . . . . . Ja Dr. Kopf Ja Brookmann Ja Kühling Ja Dr. Bucerius Ja Kuntscher Ja Frau Dietz Ja Kunze Ja Dr. Dresbach . . . . . . . . .Ja Dr. Laforet Ja Eckstein Ja Dr. Dr. h. c. Lehr Ja Dr. Edert Ja Leibfried Ja Dr. Ehlers Ja Lenz Ja Ehren Ja Leonhard Ja Dr. Erhard. — Lücke Ja Etzel (Duisburg) Ja Majonica Ja Etzenbach . . . . . . . . . Ja Massoth . . . . . • Ja Even Ja Mayer (Rheinland-Pfalz) Ja Feldmann . . . . . . . • • Ja Mehs Ja Dr. Fink Ja Mensing Ja Dr. Frey Ja Morgenthaler Ja Fuchs Ja Muckermann Ja Dr. Freiherr von Fürstenberg . . Ja Mühlenberg Ja Fürst Fugger von Glött . . . Ja Dr.Dr. Müller (Bonn) Ja Ja Funk Ja Müller-Hermann Ja Gengler Gerns Ja Naegel Ja Dr. Gerstenmaier beurlaubt Neber Ja Gibbert beurlaubt Nellen Ja Giencke Ja Neuburger Ja Dr. Glasmeyer Ja Nickl Ja Glüsing Ja Frau Niggemeyer Ja Gockeln Ja Dr. Niklas krank Dr. Götz Ja Dr. Oesterle krank Frau Dr. Gröwel Ja Dr. Orth Ja Günther Ja Pelster - Ja Hagge Ja Pfender Ja Frau Heiler Ja Dr. Pferdmenges Ja Heix Ja Dr. Povel Ja- Dr. Henle beurlaubt Hilbert Ja Frau Dr. Probst .Ja Höfler Ja Dr. Pünder Ja Hohl Ja Raestrup Ja Dr. Holzapfel . . . . . . . . Ja Rahn _ Ja Hoogen Ja Frau Dr. Rehling . Ja HODDe Ja . Frau Rösch Ja Name Abstimmung Name Abstimmung Rümmele Ja Dannebom Nein Sabel Ja Diel Nein Schaffer Ja Frau Döhring Nein Scharnberg . . . . . . . . . Ja Eichler Nein Dr.Schatz . . . . . . . . . Ja Ekstrand Nein Schill Ja Erler Nein Schmitt (Mainz) . . . . . . . Ja Faller Nein Schmitz Ja Franke . . . . . . . . . . Nein Schmücker . . . . . . . Ja Freidhof Nein Dr. Schröder (Düsseldorf) . . . Ja Freitag Nein Schröter (Kiel) Ja Geritzmann Nein Schüttler - Ja Gleisner Nein Schütz Ja Görlinger Nein Schuler Ja Graf Nein Schulze-Pellengahr Ja Dr. Greve Nein Dr. Semler Ja Dr. Gülich Nein Dr. Serres Ja Happe Nein Siebel Ja Heiland Nein Dr. Solleder Ja Hennig Nein Spies Ja Henßler Nein Grat von Spreti Ja Herrmann Nein Stauch Ja Hoecker Nein Frau Dr. Steinbiß Ja Höhne Nein Storch Ja Frau Dr. Hubert . . . . . . . Nein Strauß Ja Imig Nein Struve Ja Jacobi -Nein Stucklen Ja Jacobs Nein Dr. Vogel Ja Jahn Nein Wacker Ja Kalbfell Nein Wackerzapp Ja Kalbitzer Nein Dr. Wahl Ja Frau Keilhack Nein Frau Dr. Weber (Essen) . . . Ja Keuning Nein Dr. Weber (Koblenz) Ja Kinat Nein Dr. Weiß Ja Frau Kipp-Kaule Nein Winkelheide Ja Knothe Nein Dr. Wuermeling . . . . . . . Ja Dr. Koch Nein Frau Korspeter Nein Frau Krahnstöver Nein Dr. Kreyssig Nein Kriedemann Nein Kurlbaum Nein Lange Nein SPD Lausen krank Frau Lockmann Nein Frau Albertz Nein Lohmüller beurlaubt Frau Albrecht Nein Ludwig Nein Altmaier Nein Dr. Luetkens Nein Frau Ansorge Nein Maier (Freiburg) Nein Dr. Arndt Nein Marx Nein Arnholz Nein Matzner Nein Dr. Baade Nein Meitmann Nein Dr. Bärsch Nein Mellies Nein Baur (Augsburg) Nein Dr. Menzel Nein Bazille krank Merten Nein Behrisch Nein Mertins Nein Bergmann Nein Meyer (Hagen) . . . . . . . . Nein Dr. Bergstraeßer . . . .. . . . Nein Meyer (Bremen) . Nein Berlin Nein Frau Meyer-Laule Nein Bettgenhäuser Nein Mißmahl Nein Bielig Nein Dr. Mommer Nein Birkelbach Nein Dr. Mücke Nein Blachstein Nein Müller (Hessen) Nein Dr. Bleiß Nein Müller (Worms) . . . . . . . Nein Böhm Nein Frau Nadig . . . . . . . . Nein Dr. Brill Nein Dr.Nölting . . . . . . . . Nein Bromme Nein Nowack (Harburg) Nein Brünen Nein Odenthal Nein Cramer Nein Ohlig Nein Name Abstimmung Name Abstimmung Ollenhauer Nein Frau Dr. Ilk Ja Paul (Württemberg) Nein Juncker Ja Peters Nein Dr. Kneipp Ja Pohle Nein Kühn Ja Dr. Preller Nein Langer Ja - Priebe Nein Dr. Luchtenberg . . . . . Ja Reitzner Nein Margulies entschuld. Richter (Frankfurt) Nein Mayer (Stuttgart) krank Ritzel Nein Dr. Mende Ja Ruhnke Nein Dr. Miessner . . . . . , . Ja Runge Nein Neumayer Ja Sander Nein Dr. Dr. Nöll von der Nahmer . entschuld. Sassnick . . . . . . . . . Nein Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) . Ja Frau Schanzenbach Nein Onnen Ja Dr. Schmid (Tübingen) Nein Dr. Pfleiderer Ja Dr. Schmidt (Niedersachsen) . . . Nein Dr. Preiß Ja Dr. Schöne Nein Dr. Preusker Ja Schoettle Nein Rademacher entschuld. Dr. Schumacher krank Rath Ja Segitz Nein Dr. Freiherr von Rechenberg . Ja Seuffert Nein Revenstorff . . . . . . . . Ja Stech Nein Dr. Schäfer Ja Steinhörster Nein Dr. Schneider Ja Stierle Nein Stahl Ja Striebeck Nein Stegner Ja Frau Strobel Nein Dr. Trischler Ja Temmen Nein Dr. Wellhausen entschuld. Tenhagen Nein Wildermuth Ja Troppenz . . . . .. . . . . Nein Wirths Ja Dr. Veit Nein Dr. Zawadil entschuld. Wagner Nein Wehner Nein Weinhold Nein DP Welke Nein Weltner Nein Ahrens entschuld. Dr. Wenzel Nein Bahlburg Ja Wönner Nein Eickhoff Ja Zühlke Nein Ewers Ja Farke Ja Hellwege Ja Jaffé Ja Frau Kalinke Ja Kuhlemann . . . . . . . . Ja FDP Dr. Leuchtgens Ja Löfflad Ja Matthes Ja Dr. von Merkatz Ja Dr. Atzenroth Ja Dr. Mühlenfeld . . . . . . . Ja Dr. Becker (Hersfeld) beurlaubt Paschek Ja Dr. Blank (Oberhausen) . . . . Ja Reindl Ja Blücher Ja Schmidt (Bayern) Ja Dannemann entschuld. Schuster Ja Dr. Dehler Ja Dr.Seebohm . . . . . . . . Ja Dirscherl beurlaubt Tobaben Ja Euler Ja Wallner entschuld. Faßbender Ja Walter . . . . . . . . . . Ja Freudenberg — Wittenburg Ja Frühwald Ja Wittmann Ja Funcke Ja _ Gaul Ja Dr. von Golitschek Ja Grundmann Ja FU Dr. Hammer Ja Dr. Hasemann entschuld. Freiherr von Aretin Ja Dr. Hoffmann (Lübeck) . . . . Ja Frau Arnold . . . . . . . Nein Dr. Hoffmann (Schönau) . . . . Ja Dr. Bertram . . . . . . . . entschuld. Frau Hütter beurlaubt Dr. Besold enthalten Name Abstimmung Name Abstimmung Clausen entschuld. Renner Nein Dr.-Ing. Decker Nein Rische Nein - Determann entschuld. Frau Strohbach Nein Eichner Nein Frau Thiele Nein Dr. Etzel (Bamberg) Nein Vesper entschuld. Hoffmann (Lindlar) Nein Lampl . . enthalten Mayerhofer Nein Dr. Meitinger Nein BHE-DG Fürst zu Oettingen-Wallerstein . enthalten Pannenbecker . . . . . . . . Nein Dr. Friedrich Ja Parzinger Nein Fröhlich . . . . . . . - enthalten . Dr. Reismann . . . . . . . . Nein - Dr. Ott enthalten Ribbeheger ........e ntschuld. Tichi enthalten Volkholz — Weickert entschuld. Wartner Nein Frau Wessel . . . . . . . Nein Willenberg Nein Fraktionslos KPD Aumer Nein Agatz Nein Donhauser Ja Fisch Nein Dr. Doris Nein Gundelach Nein Frommhold Ja Harig Nein Goetzendorff entschuld. Kohl (Stuttgart) Nein Hedler entschuld. Müller (Frankfurt) Nein Loritz Nein Niebergall Nein Müller (Hannover) — Paul (Düsseldorf) . . . . .. . Nein Dr. Richter (Niedersachsen) . . . Nein Reimann Nein von Thadden Ja Zusammenstellung der Abstimmung: Abgegebene Stimmen , 366 Davon: Ja 204 Nein 156 Stimmenthaltung 6 Zusammen wie oben 366 Berliner Abgeordnete: Name Abstimmung Name Abstimmung CDU/CSU Neumann beurlaubt Schellenberg entschuld. Dr. Friedensburg beurlaubt Frau Schroeder (Berlin) . . . . Nein Dr. Krone Ja Schröter (Berlin) entschuld. Lemmer beurlaubt Frau Wolff — Frau Dr. Maxsein --- Dr. Tillmanns — FDP SPD Dr. Henn Ja Brandt beurlaubt lluebner Ja Dr. Koenigswarter -- Frau Dr. Mulert Ja Löbe Nein Dr. Reif Ja Neubauer Nein Dr. Will krank
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hugo Decker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Föderalistischen Union hat durch ihre beiden Anträge die gestrige und heutige Debatte ausgelöst. Es steht ihr daher wohl zu, zu dem Verlauf der Debatte Stellung zu nehmen. Der Herr Bundeskanzler ist der Ansicht, daß durch den Wortlaut unseres Antrags das Thema nach seiner Breite wie nach seiner Tiefe eng umgrenzt ist. Wir können es ihm nicht verdenken, daß er es bei dem etwas angesprungenen Porzellan seiner Politik vermeidet, diese Grenzen sehr weit zu ziehen. Die Debatte ist infolgedessen dadurch gekennzeichnet, daß der Bundestag und mit ihm das deutsche Volk auch seit gestern über den Generalvertrag und über den Wehrbeitrag nicht viel mehr wissen, als die Presse schon längst geschrieben hat.
    Es steht außer Diskussion, daß unsere Heimat, unser Volk und unsere Kultur gegen Angriffe, woher sie auch kommen mögen, verteidigt werden müssen. Nun ist es die Aufgabe einer verantwortungsbewußten Staatsführung und Heerführung, den Schwerpunkt der Verteidigung dahin zu legen, wo der Angriff zu erwarten ist. Hier stehen wir vor dem Kernpunkt des Problems. Lenin hat sich einmal dahin geäußert, daß Europa nicht durch Kriege, sondern durch den Zusammenbruch seiner


    (Dr.-Ing. Decker)

    wirtschaftlichen und sozialen Struktur als reifer Apfel in den Schoß der Sowjets fallen werde. Ein Angriff vom Osten ist also zuerst nicht auf militärischem Gebiet zu erwarten, sondern auf dem politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Sektor.

    (Abg. Strauß: Da ist er schon erfolgt!)

    — Es ist richtig, er ist schon im Gange. Die Aufrüstung ist deshalb nicht der Weisheit letzter Schluß. Wir müssen uns vielmehr zuvörderst fragen, ob vorher schon alles geschehen ist, um uns auf politischem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet stark und widerstandsfähig zu machen.
    Die barsche und unvermittelte Methode, Volk und Parlament vor Tatsachen zu stellen, hat Mißtrauen und Unsicherheit bis zum äußersten erregt. In der Frage des Wehrbeitrags ist unvermutet die Katze aus dem Sack gelassen worden; dann kam noch eine Katze und dann noch eine Katze, und wir fragen uns: wieviel Katzen stecken noch in diesem Sack, und springt nicht zuletzt ein arger Kater heraus?

    (Heiterkeit.)

    Der psychologische Boden für eine Wiederaufrüstung ist durch die Regierung und die Besatzungsmächte denkbar unfruchtbar gemacht worden. Die Jugend kann es nicht vereinen, wie man ihr einerseits durch Verfassung und Gesetz das Recht auf Kriegsdienstverweigerung gibt und andererseits von ihr verlangt, daß sie mit Begeisterung in das Lied „Volk, ans Gewehr!" einstimmt. Viele unserer jungen Leute fragen: Werden wir, wenn es tatsächlich zum Ernstfall kommt, Mitkämpfer finden, die Kameraden auf Leben und Tod sind, an unserer Seite aushalten und uns im Ernstfall nicht im Stich lassen?
    Und eine andere Frage wühlt die wehrfähige Jugend ebenso auf; die Frage: Können wir Vertrauen zu einer obersten Führung haben, an deren Spitze ein Mann steht, der Hunderttausende Deutscher, die sich ihm und seinem Staat im Vertrauen auf Fairneß und Recht ergeben haben, an die Russen ausgeliefert hat, wie man eine Viehherde ausliefert? Sein Staat trägt die Mitschuld daran, daß der europäischer Kultur geheiligte Boden Weimars heute von asiatischen Truppen betreten wird.
    Über diese ernstem Fragen sind unsere jungen Leute auch nicht durch Aussichten auf militärische Idyllen und eine Verteidigungslyrik hinwegzutäuschen, die anscheinend an die Stelle des früheren preußischen Kasernenhofdrills treten sollen. Tun wir wirklich von einer Plattform gegenseitigen europäischen Vertrauens den Schritt zu einer europäischen Wehrmacht? Die politischen Ereignisse der letzten Tage lehren uns, daß das nicht der Fall .ist. Manche Stimme für den Schumanplan mag im Vertrauen auf eine loyale Haltung Frankreichs in der Saarfrage abgegeben worden sein. Unser Vertrauen ist zutiefst erschüttert worden, und gestern noch hat uns die Mitteilung des Kanzlers über die Presseverlautbarung Berards gezeigt, daß Frankreich die Hand, die ihm das deutsche Volk freundschaftlich entgegenstrecken will, mit der das deutsche Volk Frankreich Kameradschaft zeigen möchte, nicht annehmen will. Und Kameradschaftsgeist ist doch die erste Voraussetzung für eine gemeinsame Wehrmacht.
    Wir wissen auch nicht, ob die Diskriminierungen tatsächlich bis zum letzten und bis zum kleinsten fallen werden. Das Wortspiel „Gleichberechtigung bedeutet nicht Gleichbehandlung" beweist uns, daß unsere Partner an eine tatsächliche und restlose
    Aufhebung der Diskriminierung nicht denken.
    Wir haben immer wieder gehört, daß die Zeit drängt. Das mag vielleicht richtig sein.

    (Abg. Dr. Jaeger: Das ist sicher richtig!)

    Aber die Zeit drängt nicht nur uns Deutsche, sie drängt auch Frankreich, Großbritannien, Italien und alle anderen europäischen Staaten; denn sie dürfen sich nicht einbilden, daß sie im Ernstfall auch nur eine Stunde länger Ruhe haben werden als wir. Darum können wir auch verlangen, daß sie die Vora issetzungen für die Gleichberechtigung und einen Wehrbeitrag mit derselben Eile schaffen, die sie von uns hinsichtlich des Wehrbeitrags fordern.
    Eine weit über den Rahmen der nationalen Belange hinausgehende Voraussetzung für einen Wehrbeitrag ist eine zweifelsfreie Klarstellung des völkerrechtlichen Status der deutschen Soldaten und der Gehorsamspflicht. Sollen wir es erleben, daß deutsche Soldaten in einen Zwiespalt kommen zwischen Anweisungen ihres supranationalen Kommandeurs und Anweisungen, die sie aus der Heimat erhalten, .und daß schließlich nur noch die Frage offenbleibt: Wer von den beiden ist berechtigt, den Soldaten wegen Gehorsamsverweigerung zu erschießen?

    (Abg. Kemmer: O mei, o mei!)

    Die Regierung kann keine Sicherheit dafür geben, daß Deutschland in einer etwaigen militärischen Auseinandersetzung mit dem Osten nicht doch eine Vorfeldstellung zugedacht ist. Die Erklärung, daß Deutschland verteidigt werden soll, genügt uns nicht. Wir kennen vom Feldherrn Schicklgruber her auch eine „elastische Verteidigung", und Sie wissen, was es heißt, wenn in einer „elastischen Verteidigung" die Feuerwalze hin- und herrollt. Es ist das Ende. Es muß möglich sein, und unsere Regierung muß darauf hindrängen, daß unsere Partner eine bindende Erklärung abgeben, Deutschland so zu verteidigen, daß es möglichst wenig Schaden erleidet.

    (Sehr richtig! bei der FU.)

    Eine innerdeutsche Voraussetzung zur Wiederaufrüstung ist in ihrer ganzen Bedeutung noch nicht genügend gewertet worden. Vor der Schaffung eines militärischen Potentials muß weitgehend für den Schutz der Frauen und Kinder gesorgt werden. Bis in die letzten Jahre sind die Bunker, die vom vorigen Krieg übernommen sind, rücksichtslos und auf Kosten der deutschen Steuerzahler gesprengt worden. Wir bedauern es, daß die Bundesregierung die Aktivität, die sie in den Maßnahmen zur Wiederaufrüstung gezeigt hat, nicht auf den Schutz der Zivilbevölkerung ausgedehnt hat. Wo sind denn heute neue Bunker? Wo sind die Schutzeinrichtungen bei Neubauten von Häusern? Wo ist die Unterrichtung und die Schulung der Bevölkerung? Wo ist eine organisierte Schar von Arzten und Helfern, die ausgebildet ist, um radioaktive Schädigungen zu behandeln? Wir wissen, daß ein Großteil der Japaner, die durch die Atombombe radioaktiv bestrahlt worden sind, hätte gerettet werden können, wenn ausgebildete Arzte dagewesen wären.
    Ich führe, zusammenfassend, die Voraussetzungen an, die für unsere Stellungnahme zu einem Verteidigungsbeitrag maßgebend sind:
    1. Ein überzeugender Beweis, daß die Aufrüstung der einzige Weg zur Sicherung Europas ist und daß über die Westmächte alle anderen möglichen Mittel versucht worden sind, der Versuch aber zwecklos gewesen ist;


    (Dr.-Ing. Decker)

    2. Ausbau der sozialen, wirtschaftlichen und psychologischen Abwehr;
    3. volle und restlose Gleichberechtigung;
    4. keine Ein führung der allgemeinen Wehrpflicht;
    5. Klarstellung des völkerrechtlichen Status etwaiger deutscher Soldaten und der Gehorsamspflicht in der europäischen Armee;
    6. sofortiger und wirksamer Ausbau des Schutzes für die Zivilbevölkerung;
    7. landsmannschaftliche Gliederung und Führung eines deutschen Kontingents;
    8. echte Verteidigung der Bundesrepublik an der Ostzonengrenze;
    9. restlose Klärung aller verfassungsrechtlichen Fragen und
    10. eingehende Kenntnis des Generalvertrags und des europäischen Verteidigungsbeitrags.
    Aus dem Gefühl tiefster Verantwortung für das ganze deutsche Volk und für Europa, für Glück und Leben von Millionen müssen wir uns die volle Freiheit der Entscheidung vorbehalten, solange diese Voraussetzungen weder erfüllt noch abgelehnt sind. In der gegenwärtigen Lage müssen wir allerdings ein Nein sagen.

    (Beifall bei der Föderalistischen Union.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wessel von der Föderalistischen Union.

(Abg. Kemmer: Jetzt wird's Tag!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helene Wessel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zuvor einige Bemerkungen den Kollegen gegenüber, die gestern und heute die Freundlichkeit hatten, die Tätigkeit der „Notgemeinschaft für den Frieden Europas" in ihren Reden zu erwähnen. Eigentlich müßte ich mich ja für diese Propaganda bedanken, denn als die Notgemeinschaft im November gegründet wurde, schrieb eine westdeutsche Zeitung: „In Bonner Parlamentskreisen mißt man der Notgemeinschaft keine große Bedeutung zu". Aber ich kann Sie über Charakter und Umfang der Notgemeinschaft beruhigen. Sie besteht aus genau 10 Mitgliedern, die verschiedensten Parteien und Konfessionen angehören und die — das dürfen Sie glauben — nach ihrer politischen Einstellung völlig einwandfrei sind. Durch diese 10 Träger der Notgemeinschaft sind wir vor jeder Gefahr einer Unterminierung gesichert. Natürlich kann sich jeder zu den Zielen der Notgemeinschaft bekennen, wenn er sie für richtig hält. Und wenn, Herr Kollege Kiesinger, auch ehemalige Berufssoldaten bis zu den höchsten Chargen gegen die Wiederaufrüstungspolitik der Bundesregierung sind,
    — ist das so überraschend, und sollte sich diese Tatsache noch nicht bis zu diesem Hohen Hause herumgesprochen haben?

    (Abg. Kiesinger: Die sind aber aus anderen Gründen dagegen als Sie!)

    — Wenn die Notgemeinschaft einen so starken Anklang findet, wenn bei ihren Versammlungen die größten Säle überfüllt sind, — —

    (Abg. Kiesinger: Aber mit was für Leuten!)

    — Fragen Sie doch einmal sich selbst, ob es nicht die unruhig gewordenen, in Angst und Sorge lebenden Menschen sind, die von Ihnen nicht aufgeklärt worden sind,

    (Zuruf von der Mitte: die Sie mißbrauchen!)

    wie Kollegin Brauksiepe selber erklärt hat! Hier
    kann man doch nur das eine sagen: es ist die
    Schuld und es ist das Versäumnis der die Regierung tragenden Parteien, daß sie es nicht verstanden haben, für ihre Politik das entsprechende Echo zu finden.

    (Lebhafter Beifall bei der FU und links.) Nicht zuletzt dürfte es doch nicht uninteressant sein, daß sich Menschen aus allen Parteikreisen der Notgemeinschaft zur Verfügung stellen, und, meine Herren von den Regierungsparteien, staunen Sie doch einmal! Ihre Vertreter in der Bürgerschaft sogar, Ihre Landtagsabgeordneten, Ihre Ortsparteivorsitzenden leiten die Versammlungen dieser Notgemeinschaft!


    (Abg. Kiesinger: Weil sie immer noch nicht gemerkt haben, was dahintersteckt!)

    Sie haben also nicht das Recht, hier von einer Arbeit zu sprechen, die verhängnisvoll sei! Ich bin der festen Überzeugung: man wird uns noch einmal dankbar sein, weil wir den Mut gefunden haben, die Menschen vor der Propaganda der Kommunisten zu bewahren.

    (Lachen und Zurufe von den Regierungsparteien. — Abg. Kiesinger: Sie machen die Propaganda für die Kommunisten!)

    Aber lassen Sie mich auch noch eines sagen, Frau Kollegin Brauksiepe. Ich kann aus meiner mehr als 37jährigen politischen Vergangenheit einige Fakten anführen.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Ich, meine Damen und Herren, habe 1933 als preußische Landtagsabgeordnete den Mut gehabt, dem Ermächtigungsgesetz des Herrn Goring nicht zuzustimmen!

    (Beifall bei der FU und links.)

    Fragen Sie einmal die Kolleginnen und Kollegen aus Ihren Parteien, wer das gemacht hat!

    (Erneuter Beifall bei der FU und links.)

    Ich habe den Mut gehabt, weil ich als national unzuverlässig galt, mit nur 80 Pfennig Stundenlohn in einem Krankenhaus anzufangen, und ich war froh, wenn ich mal 100 Mark im Monat hatte! Und noch ein Letztes, Frau Kollegin Brauksiepe: Erkundigen Sie sich mal bei Frau Kultusminister Teusch, ob ich es nicht gewesen bin, ob ich nicht, als sie im Krankenhaus Neheim-Hüsten verhaftet war, zu ihr gefahren bin in der Erwartung, dann selbst verhaftet zu werden!

    (Zuruf von der Mitte: Was hat das mit dem Verteidigungsbeitrag zu tun?)

    — Ich mußte einmal etwas aus der Vergangenheit erwähnen, weil hier in Pathetik gemacht wird, auch von Kollegen, die auf Grund ihrer politischen Vergangenheit nicht so einwandfrei auftreten können.

    (Lebhafte Zustimmung bei der FU und links. — Anhaltende Zurufe von der Mitte.)

    Aber nun zum eigentlichen Thema. Bei meinen Ausführungen, die ich zum Für und Wider eines deutschen Verteidigungsbeitrags machen möchte, geht es mir nicht um das Problem der Wehrlosigkeit, sondern um die Frage, ob die Aufrüstung und Eingliederung der Bundesrepublik in den Westblock angesichts des zweigeteilten Deutschlands nicht nur für Deutschland, sondern überhaupt in der gegenwärtigen Weltsituation der rechte Weg ist, um die Freiheit und den Frieden zu sichern. Der Grundsatz des Verteidigungsrechts eines Volkes und Staates soll in keiner Weise verneint werden.

    (Sehr gut! bei der FU.)



    (Frau Wessel)

    Auch muß gesagt werden, daß es begreiflich ist, wenn der Herr Bundeskanzler und deutsche Politiker den Standpunkt vertreten, Westdeutschland dürfe sich als unmittelbarer Nachbar der sowjetischen Satellitenstaaten sowie der sowjetisch besetzten Ostzone zum Zwecke der militärischen Verteidigung gegenüber dem Osten einer Aufrüstung nicht entziehen; einer Staatsführung müsse bei dieser Lage das Recht zuerkannt werden, um ihren Auftrag der Erhaltung von Recht, Freiheit und Frieden durchführen zu können.
    Von meinen Vorrednern ist das Für und Wider einer deutschen Aufrüstung von den verschiedensten Gesichtspunkten aus dargelegt worden. Es ist von den Vorschußleistungen gesprochen worden, die man von uns verlangt, von der uns nicht gewährten vollen Souveränität im Generalvertrag, von der Frage, ob die Wehrpflicht nach dem Grundgesetz möglich ist, von den finanziellen Lasten, die uns die Aufrüstung auferlegt und die notwendigerweise unsere sozialen Möglichkeiten beschränkt. So wesentlich alle diese Gesichtspunkte sind, so scheint mir doch das Gewicht darauf zu liegen, ob durch einen deutschen Verteidigungsbeitrag die Friedenschancen verstärkt oder die Möglichkeiten eines Krieges vermehrt werden.

    (Sehr gut! links.)

    In dieser ernsten und verantwortungsvollen Debatte sollten wir, meine Damen und Herren, eines als selbstverständlich voraussetzen — jedenfalls tue ich es —: daß jeder, ob er für oder wider die Aufrüstung spricht, von dem ernsthaften Bemühen erfüllt ist, dem deutschen Volke den Frieden zu erhalten, und auch wer anderer Meinung ist als der Herr Bundeskanzler, sollte jeden Vorwurf zurückweisen, daß der Herr Bundeskanzler nicht von ehrlichem Willen erfüllt ist, durch seine Politik dem deutschen Volke den Frieden zu sichern. Wir sollten nicht die Methode der Diffamierung benutzen, wenn es um die Schicksalsfrage unseres Volkes geht.

    (Lebhafte Zustimmung bei der FU.)

    Ein weiteres möchte ich den Abgeordneten der KPD sagen. Wären Sie nicht in dieser einseitigen Weise die Satelliten der Sowjets, würden Sie nicht diese gehässige Propaganda gegen alles machen, was im Westen geschieht, dann wäre höchstwahrscheinlich der Wille des deutschen Volkes zur Verständigung mit dem Osten stärker. Wenn Herr Reimann nach seiner gestrigen Rede dafür sorgte, daß in der Ostzone die politischen Gefangenen aus den Zuchthäusern entlassen würden, daß die in _ Rußland noch zurückgehaltenen Kriegsgefangenen endlich zurückkämen, hätte er mehr Berechtigung, so zu sprechen, wie es gestern geschehen ist.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Sie, Herr . Reimann, werfen dem Herrn Bundeskanzler Amerikahörigkeit vor und sprechen gleichzeitig von dem „großen Stalin". So geht es nun auch nicht, meine Herren von der KPD!

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren! „Man dürfe niemals daran denken" — so schrieb in diesen Tagen Liddell Hart in der „Daily Mail" — „wie gewisse Ereignisse auf einen selbst wirken; man müsse sich auch immer in das Denken des andern einfühlen." Gerade wir Deutschen sollten aus den Erfahrungen einer schweren Vergangenheit heraus am ehesten beurteilen können, daß in Liddell Harts Mahnung viel Wahrheit steckt. So scheint es mir notwendig zu sein, daß im Hinblick sowohl
    auf den Westen wie auf den Osten die Besonderheit der deutschen Lage, nämlich des zweigeteilten Deutschlands, in den Überlegungen über eine Wiederaufrüstung gesehen werden muß. Wir haben gestern gehört, daß der Herr Bundeskanzler den Standpunkt vertritt, westdeutsche Aufrüstung und Eingliederung in den Westblock sei der Weg zur Wiederherstellung der deutschen Einheit. Der „Münchner Merkur" brachte am 31. Januar 1952 Ausführungen der Schweizer Zeitung „Die Tat". Darin heißt es — ich möchte es mit Genehmigung des Herrn Präsidenten verlesen —:
    Die Westmächte haben bisher großes Gewicht darauf gelegt — und Frankreich ganz besonders —, daß die Integration Westdeutschlands in das geplante neue Europa nur als Gesamtheit konzipiert werden dürfe . . Adenauer hat sich damit einverstanden erklärt. Er tat dies in der Absicht, Westdeutschland unlösbar mit dem Westen zu amalgamieren. Dieser Absicht brachte er ein gewaltiges Opfer dar: er verzichtete stillschweigend auf die Einheit Deutschlands,

    (Hört! Hört! links)

    auf die Möglichkeit, den geteilten Staatskörper Deutschlands je wieder zusammenzufügen. Denn in dem Augenblick, da deutsche Truppen im Rahmen der Europa- Armee dienen und die deutsche Schwerindustrie mit den Montanindustrien des übrigen Westeuropa vereinigt
    ist, muß die Sowjetunion jedes Interesse an
    einer noch so problematischen Freigabe der sowjetischen Zone Deutschlands oder an einer Revision der Oder-Neiße-Grenze verlieren. Adenauer brachte diese Opfer um den Preis der Gleichberechtigung.
    Das steht in einer Zeitung, von der man nicht sagen kann, daß sie kommunistisch sei.

    (Zurufe: Das sind schlechte Dichter! — Was beweist das? — Weitere lebhafte Zurufe in der Mitte und rechts.)

    Hier liegt der Kernpunkt der Frage: wird es nach der Eingliederung Westdeutschlands in den Verteidigungsblock des Westens ohne die Gefahr eines Krieges, d. h. auf friedliche Weise möglich sein, die Russen zu veranlassen, ihre Zustimmung zu gesamtdeutschen Wahlen und damit zur Befreiung der 18 Millionen Menschen in der Ostzone von dem sowjetischen System zu geben? Werden nicht vielmehr die Russen — und diese Frage müssen wir uns doch auch einmal stellen — aus Angst vor einem aufgerüsteten Westdeutschland die Ostzone als Faustpfand behalten und ihrerseits nun in weit verstärktem Maße als bisher aufrüsten? Gegen westdeutsche Divisionen können ostdeutsche gesetzt und so d:e deutschen Menschen hier und drüben in den Rüstungsaufmarsch der Weltmächte einbezogen werden. Wir stehen hier vor der Frage, ob die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands nicht in Frage gestellt wird, wenn West- und Ostdeutschland in die Blockbildungen der Weltmächte eingruppiert sind. Die Wiedervereinigung Deutschlands ist aber nicht nur ein brennender Wunsch des deutschen Volkes, sondern würde eine akute Gefahr des Weltfriedens beseitigen.
    Meine Damen und Herren! Wir haben in diesem Hohen Hause am Mittwoch die Notwendigkeit gesamtdeutscher Wahlen mit dem Ziel der Bildung einer gesamtdeutschen Regierung erneut angesprochen. Wir sind uns dabei durchaus der Schwierig-


    (Frau Wessel)

    keiten bewußt, die der Erreichung dieses Ziels entgegenstehen. Daß es nicht erreicht werden kann ohne die Zustimmung, d. h. gegen den Willen Rußlands, ist nun einmal eine Realität, die gesehen werden sollte.

    (Sehr richtig! links.)

    Ebenso scheint es mir eine Realität zu sein, daß Rußland aus Angstgefühl und Sicherheitsbedürfnis heraus nicht ohne weiteres bereit sein wird, seine Zustimmung zu gesamtdeutschen Wahlén und damit zur Preisgabe seines Systems in der Ostzone zu geben, wenn Westdeutschland jetzt aufrüstet. Also steht die Frage so: Ist Rußland bereit, eine gesamtdeutsche Regierung aus freien Wahlen entstehen zu lassen und damit das kommunistische System in Deutschland zu opfern — hören Sie gut zu, Herr Renner —, wenn der Westen als Preis dafür den Verzicht auf westdeutsche Aufrüstung anbietet? Das müßte aber auch bei den Bemühungen, festzustellen — darauf kommt es doch an —, ob eine Verständigung mit Rußland zu erreichen ist, ausgesprochen werden.

    (Zurufe rechts.)

    Meine Damen und Herren, die Wiedergewinnung von 18 Millionen Deutschen für die Ordnung der freiheitlichen Demokratie für den Westen scheint mir ein größerer Vorteil für die Erhaltung und Sicherung des Friedens zu sein, als es die Eingliederung von West- und Ostdeutschland in den Rüstungswettlauf der beiden Mächtegruppen bieten kann.

    (Beifall in der Mitte und bei der FU und SPD.)

    Entsteht aber heute eine westdeutsche Armee, dann scheint mir diese Chance der Zukunft von vornherein ausgeschlossen zu sein.

    (Zuruf von der Mitte: Wie kommen Sie dazu?)

    Gegenüber dem Argument, daß ein unbewaffnetes Deutschland

    (anhaltende lebhafte Zurufe von der Mitte)

    — meine Damen und Herren, ich gehöre nicht zu den Neutralisten, um das einmal festzustellen! (erneute lebhafte Zurufe)

    daß ein unbewaffnetes Deutschland mit sehr viel — —

    (Stürmische Zurufe von der Mitte.)

    — Hören Sie doch einmal zu! Sie können ja gar nicht mehr ruhig zuhören. Sie meinen nur, alles müsse von vornherein klar sein!

    (Lebhafter Beifall bei der FU und bei der SPD.)

    Gegenüber dem Argument, daß ein unbewaffnetes Deutschland nach Durchführung gesamtdeutscher Wahlen ein Opfer des Bolschewismus werden könnte, ist zu antworten: Eine gesamtdeutsche Regierung bedeutet keine Neutralisierung, denn Deutschland wird auch unter einer gesamtdeutschen Regierung bis zu einem Friedensvertrag besetztes Land bleiben. Alle Fragen der Sicherung Deutschlands und seiner Nachbarn werden erst dann akut, wenn eine Entspannung unter den Weltmächten den Abschluß eines gemeinsamen Friedensvertrags

    (Sehr gut! links)

    mit Deutschland

    (Beifall bei der FU, der SPD und der KPD)

    und eine gemeinsame Räumung seiner Gebiete erlaubt.

    (Zurufe von der Mitte: Hört! Hört! Die KPD spendet Beifall!)

    Wenn es mit Übereinstimmung aller vier Besatzungsmächte zu einer Räumung Deutschlands kommt, dann entsteht die Frage des Schutzes und seiner Sicherung gegen eine Antastung seiner freiheitlichen Ordnung oder seiner Gebiete. Wenn aber die vier Besatzungsmächte — ich sage: die vier Besatzungsmächte — sich über eine gemeinsame Räumung Deutschlands verständigt haben, dann sieht die Welt anders aus,

    (lebhafte Zurufe von der Mitte)

    und nicht mehr so gefahrvoll wie heute.
    Sie werden mir vielleicht sagen — das möchte ich Ihnen auch noch zugeben —, diese meine Ausführungen berücksichtigten nicht genügend die' Realität eines kommunistischen Systems

    (Abg. Kiesinger: Sehr richtig!)

    mit seinen weltumspannenden revolutionären Zielen. Die „Hamburger Freie Presse" schrieb am 16. November 1951:
    Es gibt in der Tat nur zwei Wege zur Beseitigung der Gefahr eines Krieges. Der eine heißt radikaler Abbau der Rüstungen, um die Gefahr der Selbstentladung, die in diesen Rüstungen liegt, zu vermindern, der andere heißt Wiederherstellung eines Vertrauens, gegründet auf der Erkenntnis, daß die Erde Raum genug hat nicht nur für eine Weltmacht und nicht nur für eine Weltideologie.

    (Lebhafte Zurufe von der Mitte: Leider! — Wem sagen Sie das?!)

    Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Der Tenor dieser Debatte heißt doch von uns allen: sich retten vor einem Krieg! Das ist es, worum es in der Sache Deutschlands und Europas heute geht.

    (Abg. Kiesinger: Und die Freiheit behalten, Frau Wessel! — Weitere stürmische Zurufe.)

    Denn Europa hat keine Zukunft als nur eine Zukunft in Frieden.
    Zu dieser Erkenntnis kommt noch eine zweite, mit der ich schließen möchte: Krieg löst nicht die Streitfragen der Völker! Abraham Lincoln schrieb am 4. März 1861:
    Gesetzt, ihr entschließt euch zum Kriege. Ihr könnt nicht immer weiter kämpfen und wenn ihr — nach mancherlei Verlust auf beiden Seiten und keinerlei Gewinn hüben und drüben — den Kampf einstellt, dann stehen dieselben alten Fragen nach den Bedingungen des Zusammenlebens wieder vor euch!

    (Lebhafter Beifall bei der FU, der SPD und der KPD. — Abg. Euler: Das soll ja verhindert werden! — Abg. Dr. Hasemann: Wer will denn den Krieg, Fray Wessel? — Weitere Zurufe von der Mitte: Sie führen ihn aber herbei! — Sie ahnungsloser Engel!)

    Vizeprasident Dr. Schmid: Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.

    (Zuruf von der Mitte: Ist das jetzt dieselbe Posaune oder die andere?)