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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 191. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. rebruar 1952 8149 191. Sitzung Bonn, Freitag, den 8. Februar 1952 Geschäftliche Mitteilungen 8149C Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung (Frage eines deutschen Verteidigungsbeitrags und der Errichtung einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft usw.) 8149C Dr. Kather (CDU) 8149D von Thadden (Fraktionslos) . . . 8151C Dr. Arndt (SPD) 8154A Dr. Adenauer, Bundeskanzler 8158B, 8196B, 8201B Dr. Schäfer (FDP) 8161A Frau Brauksiepe (CDU) 8166B Dr.-Ing. Decker (FU) 8168D Frau Wessel (FU) 8170B Dr. Bertram (FU) 8172D Dr. Etzel (Bamberg) (FU): zur Sache 8175B persönliche Erklärung 8243C Dr. Jaeger (CSU) 817'7A Loritz (Fraktionslos) . . . . 8179B, 8224D Frau Thiele (KPD) 8181A Hedler (Fraktionslos) 8183B Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) 8183D, 8201A Dr. von Merkatz (DP) 8201C Goetzendorff (Fraktionslos) . . . 8206D Dr. Schröder (Düsseldorf) (CDU) . 8207D Dr. Richter (Niedersachsen) (Fraktionslos) 8211B Dr. Ehlers (CDU) 8213B Fröhlich (BHE-DG) 8218C Dr. Mühlenfeld (DP) 8221B Frommhold (Fraktionslos) 8223C Löfflad (DP) 8225C Rische (KPD) . . . . 8226A Dr. von Brentano (CDU): zur Sache 8228B, 8238C zur Abstimmung 8242D Dr. Preusker (FDP) 8232D Ollenhauer (SPD) 8234B Ewers (DP) 8239D Euler (FDP) 8240C Dr. Reismann (FU) 8240D Schoettle (SPD) (zur Abstimmung) 8241D Abstimmungen 8242B Namentliche Abstimmung . . . 8242D, 8248 Nächste Sitzung 8243D Schriftliche Erklärung der Fraktion der SPD zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der FDP, CDU/CSU und DP (Nr. 3078 der Drucksachen): Wehner (SPD) 8244 Zusammenstellung der namentlichen Abstimmung über die Entschließung der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP (Nr. 3074 der Drucksachen) 8245 Die Sitzung wird um 9 Uhr 3 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    *) Vergl. das endgültige Ergebnis S. 8248. Anlage zum Stenographischen Bericht der 191. Sitzung Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Wehner (SPD) gemäß § 59 der Geschäftsordnung für die Fraktion der SPD zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der FDP, CDU/CSU und DP (Nr. 3078 der Drucksachen) Die SPD-Fraktion brachte am 25. April 1951 eine Interpellation (Nr. 2187 der Drucksachen) ein, betreffend kriegsgefangene Deutsche im Westen. Diese Interpellation — zu der die Bundesregierung eine Art vorläufige Altwort schriftlich ausgearbeitet hatte — wurde infolge der Bedenken, die das Auswärtige Amt durch Staatssekretär Hallstein gegen eine öffentliche Behandlung zu jenem Zeitpunkt zum Ausdruck gebracht hatte, von der SPD-Fraktion in einen Antrag umgewandelt, der dem Auswärtigen Ausschuß überwiesen und dort — sowie im Unterausschuß für Kriegsgefangenenfragen — beraten wurde. Nach ausführlicher Behandlung, zu der Sachverständige — z. B. Verteidiger — zugezogen wurden, faßte der Auswärtige Ausschuß am 15. November 1951 einstimmig einen Beschluß, der der Bundesregierung in einem Schreiben zugeleitet wurde. Dieser Beschluß enthält ganz genau umrissene Forderungen, die a 11e im Westen verurteilten deutschen Kriegsgefangenen betreffen. Der Ausschuß beschloß, diesen Beschluß dann dem Plenum vorzulegen, sobald ein Bericht der Bundesregierung über das Resultat der von ihr im Sinne des Beschlusses unternommenen Schritte vorliegen würde. Die Vertreter der SPD-Fraktion im Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten erklärten bei dieser Gelegenheit, daß sie darauf bestehen müßten, den Bericht des Ausschusses zu gegebener Zeit (in Abstimmung mit der Regierung) im Plenum zur Diskussion und Entscheidung zu stellen. Der heute vorgelegte Antrag der Regierungsparteien, Drucksache Nr. 3078, stellt — im Hinblick auf die am 15. November 1951 einstimmig gefaßte und der Bundesregierung übermittelte Resolution mit ihren präzisen Empfehlungen, die alle im Westen verurteilten kriegsgefangenen Deutschen betreffen — leider keinen Fortschritt dar. Es kann in dieser Situation nicht Aufgabe des Bundestages sein, sich mit einer bloßen Resolution zu begnügen. Die SPD-Fraktion ist nicht imstande, diesem Antrag zuzustimmen, sondern erwartet, daß die Bundesregierung über ihre konkreten Schritte zugunsten der- im Westen verurteilten kriegsgefangenen Deutschen berichtet. Herbert Wehner. Namentliche Abstimmung über die Entschließung der Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP (Nr. 3074 der Drucksachen) Name Abstimmung Name Abstimmung CDU/CSU Dr. Horlacher Ja Horn Ja Dr. Adenauer Ja Huth Ja Albers Ja Dr. Jaeger Ja" Junglas Ja Bauereisen Ja Kahn Ja Bauknecht . . . . . . . . . Ja Kaiser Ja Dr. Baur (Württemberg) . . . . Ja Karpf Ja Bausch Ja Dr. Kather Ja Becker (Pirmasens) Ja Kemmer Ja Blank (Dortmund) Ja Kemper Ja Bodensteiner Ja Kern Ja Frau Brauksiepe Ja Dr. von Brentano . . . . . . Ja Kiesinger Ja Brese Ja Dr. Kleindinst Ja Frau Dr. Brökelschen . . . . . Ja Dr. Köhler Ja Dr. Brönner . . . . . . . . Ja Dr. Kopf Ja Brookmann Ja Kühling Ja Dr. Bucerius Ja Kuntscher Ja Frau Dietz Ja Kunze Ja Dr. Dresbach . . . . . . . . .Ja Dr. Laforet Ja Eckstein Ja Dr. Dr. h. c. Lehr Ja Dr. Edert Ja Leibfried Ja Dr. Ehlers Ja Lenz Ja Ehren Ja Leonhard Ja Dr. Erhard. — Lücke Ja Etzel (Duisburg) Ja Majonica Ja Etzenbach . . . . . . . . . Ja Massoth . . . . . • Ja Even Ja Mayer (Rheinland-Pfalz) Ja Feldmann . . . . . . . • • Ja Mehs Ja Dr. Fink Ja Mensing Ja Dr. Frey Ja Morgenthaler Ja Fuchs Ja Muckermann Ja Dr. Freiherr von Fürstenberg . . Ja Mühlenberg Ja Fürst Fugger von Glött . . . Ja Dr.Dr. Müller (Bonn) Ja Ja Funk Ja Müller-Hermann Ja Gengler Gerns Ja Naegel Ja Dr. Gerstenmaier beurlaubt Neber Ja Gibbert beurlaubt Nellen Ja Giencke Ja Neuburger Ja Dr. Glasmeyer Ja Nickl Ja Glüsing Ja Frau Niggemeyer Ja Gockeln Ja Dr. Niklas krank Dr. Götz Ja Dr. Oesterle krank Frau Dr. Gröwel Ja Dr. Orth Ja Günther Ja Pelster - Ja Hagge Ja Pfender Ja Frau Heiler Ja Dr. Pferdmenges Ja Heix Ja Dr. Povel Ja- Dr. Henle beurlaubt Hilbert Ja Frau Dr. Probst .Ja Höfler Ja Dr. Pünder Ja Hohl Ja Raestrup Ja Dr. Holzapfel . . . . . . . . Ja Rahn _ Ja Hoogen Ja Frau Dr. Rehling . Ja HODDe Ja . Frau Rösch Ja Name Abstimmung Name Abstimmung Rümmele Ja Dannebom Nein Sabel Ja Diel Nein Schaffer Ja Frau Döhring Nein Scharnberg . . . . . . . . . Ja Eichler Nein Dr.Schatz . . . . . . . . . Ja Ekstrand Nein Schill Ja Erler Nein Schmitt (Mainz) . . . . . . . Ja Faller Nein Schmitz Ja Franke . . . . . . . . . . Nein Schmücker . . . . . . . Ja Freidhof Nein Dr. Schröder (Düsseldorf) . . . Ja Freitag Nein Schröter (Kiel) Ja Geritzmann Nein Schüttler - Ja Gleisner Nein Schütz Ja Görlinger Nein Schuler Ja Graf Nein Schulze-Pellengahr Ja Dr. Greve Nein Dr. Semler Ja Dr. Gülich Nein Dr. Serres Ja Happe Nein Siebel Ja Heiland Nein Dr. Solleder Ja Hennig Nein Spies Ja Henßler Nein Grat von Spreti Ja Herrmann Nein Stauch Ja Hoecker Nein Frau Dr. Steinbiß Ja Höhne Nein Storch Ja Frau Dr. Hubert . . . . . . . Nein Strauß Ja Imig Nein Struve Ja Jacobi -Nein Stucklen Ja Jacobs Nein Dr. Vogel Ja Jahn Nein Wacker Ja Kalbfell Nein Wackerzapp Ja Kalbitzer Nein Dr. Wahl Ja Frau Keilhack Nein Frau Dr. Weber (Essen) . . . Ja Keuning Nein Dr. Weber (Koblenz) Ja Kinat Nein Dr. Weiß Ja Frau Kipp-Kaule Nein Winkelheide Ja Knothe Nein Dr. Wuermeling . . . . . . . Ja Dr. Koch Nein Frau Korspeter Nein Frau Krahnstöver Nein Dr. Kreyssig Nein Kriedemann Nein Kurlbaum Nein Lange Nein SPD Lausen krank Frau Lockmann Nein Frau Albertz Nein Lohmüller beurlaubt Frau Albrecht Nein Ludwig Nein Altmaier Nein Dr. Luetkens Nein Frau Ansorge Nein Maier (Freiburg) Nein Dr. Arndt Nein Marx Nein Arnholz Nein Matzner Nein Dr. Baade Nein Meitmann Nein Dr. Bärsch Nein Mellies Nein Baur (Augsburg) Nein Dr. Menzel Nein Bazille krank Merten Nein Behrisch Nein Mertins Nein Bergmann Nein Meyer (Hagen) . . . . . . . . Nein Dr. Bergstraeßer . . . .. . . . Nein Meyer (Bremen) . Nein Berlin Nein Frau Meyer-Laule Nein Bettgenhäuser Nein Mißmahl Nein Bielig Nein Dr. Mommer Nein Birkelbach Nein Dr. Mücke Nein Blachstein Nein Müller (Hessen) Nein Dr. Bleiß Nein Müller (Worms) . . . . . . . Nein Böhm Nein Frau Nadig . . . . . . . . Nein Dr. Brill Nein Dr.Nölting . . . . . . . . Nein Bromme Nein Nowack (Harburg) Nein Brünen Nein Odenthal Nein Cramer Nein Ohlig Nein Name Abstimmung Name Abstimmung Ollenhauer Nein Frau Dr. Ilk Ja Paul (Württemberg) Nein Juncker Ja Peters Nein Dr. Kneipp Ja Pohle Nein Kühn Ja Dr. Preller Nein Langer Ja - Priebe Nein Dr. Luchtenberg . . . . . Ja Reitzner Nein Margulies entschuld. Richter (Frankfurt) Nein Mayer (Stuttgart) krank Ritzel Nein Dr. Mende Ja Ruhnke Nein Dr. Miessner . . . . . , . Ja Runge Nein Neumayer Ja Sander Nein Dr. Dr. Nöll von der Nahmer . entschuld. Sassnick . . . . . . . . . Nein Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) . Ja Frau Schanzenbach Nein Onnen Ja Dr. Schmid (Tübingen) Nein Dr. Pfleiderer Ja Dr. Schmidt (Niedersachsen) . . . Nein Dr. Preiß Ja Dr. Schöne Nein Dr. Preusker Ja Schoettle Nein Rademacher entschuld. Dr. Schumacher krank Rath Ja Segitz Nein Dr. Freiherr von Rechenberg . Ja Seuffert Nein Revenstorff . . . . . . . . Ja Stech Nein Dr. Schäfer Ja Steinhörster Nein Dr. Schneider Ja Stierle Nein Stahl Ja Striebeck Nein Stegner Ja Frau Strobel Nein Dr. Trischler Ja Temmen Nein Dr. Wellhausen entschuld. Tenhagen Nein Wildermuth Ja Troppenz . . . . .. . . . . Nein Wirths Ja Dr. Veit Nein Dr. Zawadil entschuld. Wagner Nein Wehner Nein Weinhold Nein DP Welke Nein Weltner Nein Ahrens entschuld. Dr. Wenzel Nein Bahlburg Ja Wönner Nein Eickhoff Ja Zühlke Nein Ewers Ja Farke Ja Hellwege Ja Jaffé Ja Frau Kalinke Ja Kuhlemann . . . . . . . . Ja FDP Dr. Leuchtgens Ja Löfflad Ja Matthes Ja Dr. von Merkatz Ja Dr. Atzenroth Ja Dr. Mühlenfeld . . . . . . . Ja Dr. Becker (Hersfeld) beurlaubt Paschek Ja Dr. Blank (Oberhausen) . . . . Ja Reindl Ja Blücher Ja Schmidt (Bayern) Ja Dannemann entschuld. Schuster Ja Dr. Dehler Ja Dr.Seebohm . . . . . . . . Ja Dirscherl beurlaubt Tobaben Ja Euler Ja Wallner entschuld. Faßbender Ja Walter . . . . . . . . . . Ja Freudenberg — Wittenburg Ja Frühwald Ja Wittmann Ja Funcke Ja _ Gaul Ja Dr. von Golitschek Ja Grundmann Ja FU Dr. Hammer Ja Dr. Hasemann entschuld. Freiherr von Aretin Ja Dr. Hoffmann (Lübeck) . . . . Ja Frau Arnold . . . . . . . Nein Dr. Hoffmann (Schönau) . . . . Ja Dr. Bertram . . . . . . . . entschuld. Frau Hütter beurlaubt Dr. Besold enthalten Name Abstimmung Name Abstimmung Clausen entschuld. Renner Nein Dr.-Ing. Decker Nein Rische Nein - Determann entschuld. Frau Strohbach Nein Eichner Nein Frau Thiele Nein Dr. Etzel (Bamberg) Nein Vesper entschuld. Hoffmann (Lindlar) Nein Lampl . . enthalten Mayerhofer Nein Dr. Meitinger Nein BHE-DG Fürst zu Oettingen-Wallerstein . enthalten Pannenbecker . . . . . . . . Nein Dr. Friedrich Ja Parzinger Nein Fröhlich . . . . . . . - enthalten . Dr. Reismann . . . . . . . . Nein - Dr. Ott enthalten Ribbeheger ........e ntschuld. Tichi enthalten Volkholz — Weickert entschuld. Wartner Nein Frau Wessel . . . . . . . Nein Willenberg Nein Fraktionslos KPD Aumer Nein Agatz Nein Donhauser Ja Fisch Nein Dr. Doris Nein Gundelach Nein Frommhold Ja Harig Nein Goetzendorff entschuld. Kohl (Stuttgart) Nein Hedler entschuld. Müller (Frankfurt) Nein Loritz Nein Niebergall Nein Müller (Hannover) — Paul (Düsseldorf) . . . . .. . Nein Dr. Richter (Niedersachsen) . . . Nein Reimann Nein von Thadden Ja Zusammenstellung der Abstimmung: Abgegebene Stimmen , 366 Davon: Ja 204 Nein 156 Stimmenthaltung 6 Zusammen wie oben 366 Berliner Abgeordnete: Name Abstimmung Name Abstimmung CDU/CSU Neumann beurlaubt Schellenberg entschuld. Dr. Friedensburg beurlaubt Frau Schroeder (Berlin) . . . . Nein Dr. Krone Ja Schröter (Berlin) entschuld. Lemmer beurlaubt Frau Wolff — Frau Dr. Maxsein --- Dr. Tillmanns — FDP SPD Dr. Henn Ja Brandt beurlaubt lluebner Ja Dr. Koenigswarter -- Frau Dr. Mulert Ja Löbe Nein Dr. Reif Ja Neubauer Nein Dr. Will krank
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hermann Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Diese Erörterung, glaube ich, ist etwas über das hinausgegangen, was heute überhaupt erörtert werden kann. Wir stehen noch nicht unmittelbar vor Abschlüssen von Verträgen;

    (Sehr richtig! bei der FDP)

    so handelt es sich um Entscheidungen, die weder paraphiert noch unterzeichnet sind; es handelt sich vielmehr um unsere Stellungnahme in einem Vor-oder Zwischenstadium der politischen Entwicklung, das erst demnächst zu bestimmten Niederschlägen in Verträgen und Abmachungen führen soll. Wenn das aber so ist, dann scheinen mir Darlegungen, die sich schon mit den weitestgehenden Ausführungsbestimmungen, etwa mit der Bremsvorrichtung von Panzerfahrzeugen und dergleichen, beschäftigen, nicht ganz zeitgemäß zu sein.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Man verliert sich nämlich damit in Details, in technische oder auch in juristische Einzelheiten, die von dem ablenken, was von uns eigentlich hier an Grundsatzerklärung zu geben ist.

    (Zustimmung bei der FDP und in der Mitte.) Es kommt hier nicht darauf an — und darauf will ich meine Ausführungen abstellen —, Rezepte zu verschreiben, sondern Tendenzen zu erregen.


    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Und die allgemeine Tendenz, die erregt werden muß, das ist die Einsicht in unsere eigene geschichtliche Situation.

    (Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Sehr gut!)

    Hier gibt es zwei Wege zu unterscheiden, zwei Gänge der Entwicklung, die sich gegenwärtig überschneiden. Es geht auf der einen Seite darum, aus dem Abgrund, in den uns ein furchtbares Schicksal gestürzt hat, herauszukommen zu einer eigenstaatlichen Entwicklung, zu einer selbständigen und freien Volksordnung nach unseren eigenen Überlegungen; auf der anderen Seite gilt es, die Sicherheit für eine solche freiheitliche Entwicklung unseres eigenen Volkes nicht nur durch Bekenntnisse und papierne Deklamationen zu erreichen, sondern sie zu sichern, indem wir sie hineinstellen in die Solidarität einer kollektiven Sicherheit der freien Welt.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    An diesem Schnittpunkt der Entwicklung stehen wir, und um sie hat die Auseinandersetzung zu gehen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Da sollten wir doch nicht vergessen, welchen Weg wir zurückgelegt haben. Wissen Sie noch, meine Damen und Herren, wie die Dinge im Frühjahr 1945 ausgesehen haben? Und wissen noch diejenigen, die hier mit im Parlamentarischen Rat waren, wie wir damals ein Ziel hatten: die Besatzungswillkür in ein Besatzungsrecht umzuwandeln, wie wir nach einem Besatzungsstatut gerufen haben? Und heute stehen wir nun vor der Frage, wie wir dieses Besatzungsstatut überwinden durch eine freie Rechtsordnung unseres Volkes zwischen den Völkern.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.) Ich weiß nicht, ob man, wenn man sich diesen Weg von Stufe zu Stufe vorstellt, nicht dann schon sagen kann, daß diejenigen, die auf diesem Stufenweg der letzten zwei Jahre die Führung gehabt haben, den Beweis dafür erbracht haben, daß sie fähig sind, die Stufenfolge richtig zu beurteilen und richtig zu bemessen.


    (Lebhafter Beifall und Bravo-Rufe bei den Regierungsparteien.)

    Ich finde, dieser Aufstieg von der unbedingten Kapitulation über das Besatzungsstatut und das Petersberger Abkommen bis zu der heutigen Erörterung um die Ablösung des Besatzungsstatuts durch einen Generalvertrag zeigt an den zurückgelegten Phasen der Entwicklung und an ihren Ergebnissen, daß diejenigen, die als Träger der Verantwortung darüber nachgedacht und gegrübelt, die darum gerungen und gekämpft haben, zum mindesten Maß und Weg der Möglichkeiten gesehen, aber über das Maß hinaus auch den Willen zur Verwirklichung ihrer Forderungen bewiesen und bewährt haben.

    (Erneuter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    In diesem Rahmen möchte ich aber, um jede Mißdeutung von draußen her abzuwehren, doch noch eines hinzufügen. Es ist uns nicht nur darum zu tun, unser eigenes nationales Schicksal wieder zu festigen, zu bessern, zu vervollkommnen und zu formen; sondern wir sind uns darüber klar, daß das Ringen eines einzelnen Volkes in dieser weltgeschichtlichen Situation um seine Eigenwünsche und Eigensüchte nicht ausreicht, um ausreichende Erkenntnisse über das, was außènpolitisch sicher und klug ist, zu vermitteln. Wir sind uns von vornherein darüber klar, daß unsere eigene Förderung und die Zukunft der ganzen freien Welt nicht auf den Rahmen der nationalstaatlichen Eigenentwicklung beschränkt ist, sondern sich nur in den Formen der kollektiven Sicherheit, insbesondere aber nur in der Einheit einer europäischen Gemeinschaftsbildung vollziehen kann.
    Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zu der Frage nach der Friedenspolitik. Worum geht denn letzten Endes alle politische Bemühung um außenpolitische Einsicht und Erkenntnis? Doch wohl darum, daß man den Menschen das Gefühl des Friedens und der Sicherheit bringt. Um was wir uns hier streiten und eigentlich allein streiten dürfen, ist nicht die Frage, ob wir diesen oder jenen populären Erfolg haben, sondern ob wir den sinnvollsten Beitrag zur Sicherung des Friedens in der Welt finden.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ja, meine Damen und Herren, was ist denn das eigentlich, was den Frieden stört, seit Jahrtausenden stört? Das sind Menschen und Menschengruppen, die die Anbetung der Macht auf ihr Panier geschrieben haben,

    (Sehr gut! in der Mitte und rechts)

    die mit der Gewalt der Waffen andere unterwerfen und unterjochen wollen und meinen, der Sinn der Politik sei die Machtentfaltung schlechthin. In Wirklichkeit kommt es darauf an zu erkennen, daß Friedenspolitik im Grunde genommen eine statische Aufgabe ist, nämlich ein Versuch, zwischen den Völkern und zwischen den Mächten ein solches Gleichgewicht zu schaffen, ein solches gegenseitiges Aufheben von Macht zu bewirken, daß sich die Macht wechselseitig reduziert und so um ihre Virulenz, um ihre ansteckenden und töd-
    8162 deutscher Bundestag — 191. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Februar 1952

    (Dr. Schäfer)

    lichen Wirkungen gebracht wird. Das ist der Sinn des Friedensstrebens. Nun, was tut denn ein Statiker, wenn er ein Gebäude errichtet, wenn er eine Eisenkonstruktion erstellt? Dann überlegt er sich doch zuerst, wie er Kraft gegen Kraft setzt, wie er Zugfestigkeit gegen Druckfestigkeit setzt, wie er Anziehungskraft und wie er unter Umständen abstoßende Wirkungen so gegeneinander einstellt, daß sich die Dynamik der wirkenden Kräfte wechselseitig aufhebt, damit eine Stabilität eintritt. Anders ist es in der Politik auch nicht. Wir kommen nur dann zu einer Politik des Friedens, wenn wir den Kräften der Zerstörung, der Kräfteverschiebung, die Gegenkräfte der Stetigkeit entgegensetzen. Das ist das Ziel, um das es hier geht! Ich brauche nicht zu wiederholen — denn es ist schon genügend darüber gesprochen worden — von wo heute die Kräfte ausgehen, die das Weltbild wandeln und den Menschen ihre Tyrannei aufzwingen wollen. Aber immerhin sollte man doch immer wieder an das erinnern, was da geschieht, weil es zu leicht vergessen wird. Ach, es gibt so viele Menschen, die meinen, sie wären klug, wenn sie wie jener berühmte Vogel den Kopf in den Sand stecken und dann mit den Pleureusen wackeln.

    (Sehr gut! rechts.)

    Wir können uns das nicht leisten. Das Bild der Völker des Ostens steht vor uns. Was ist denn da immer wieder dieselbe Methode? Die Bildung von Prätorianergarden aus Menschen mit asozialen Instinkten, zu denen insbesondere auch ein starker Hordeninstinkt gehört. Mit Hilfe einer solchen machtpolitischen Hordenbildung dann die Ausschaltung jeder freiheitlichen Entwicklung und jeder Möglichkeit, in einer echten Auseinandersetzung der Geister mit wechselnden Übergewichten von Koalitionen und Oppositionen weiter die Entwicklung zu fördern!

    (Abg. Rische: Das haben Sie von Goebbels abgelesen! Ganz genau!)

    — Nein! Ich kann Ihnen verraten, daß ich mich genauer gerade mit Ihrer eigenen Literatur beschäftigt habe.

    (Zuruf des Abg. Rische.)

    Aber ich habe jetzt den Zitatenschatz nicht da; er würde mich auch von anderen, wichtigeren Dingen ablenken.

    (Erneuter Zuruf des Abg. Rische. — Glocke des Präsidenten.)

    — Ach, ich will Ihnen einmal etwas sagen und Sie auf eines aufmerksam machen: Lesen Sie doch einmal die Berichte eines Journalisten aus dem Krim-Kriege über die Methoden und die Anlagen des russischen Volkes in bezug auf die Staatenbildung und über die Gefährdung der künftigen europäischen Entwicklung!

    (Anhaltende Zurufe von links.)

    Es war ein sehr interessanter Mann für Sie; er hieß nämlich Karl Marx.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber ich will jetzt nicht mit diesen Einzelheiten aufhalten.
    Wir stehen vor der Tatsache, daß sich die heutige Wirrnis wieder einmal im Anschluß an einen Koalitionskrieg ergeben hat. Es ist immer das geschichtliche Verhängnis, daß Koalitionskriege geführt werden und daß am Ende von Koalitionskriegen die Friedensbildung nicht gelingt, weil sich die Koalitionspartner im Streit um die Beute nicht einig werden, insbesondere dann, wenn der eine Partner von völlig anderen politischen und moralischen Prinzipien ausgeht als der andere.
    Innerhalb solcher Bedingtheiten haben wir zunächst einmal ganz allgemein von der Außenpolitik zu sprechen. Wenn ich das, was ich als die statische Aufgabe der Friedenssicherung bezeichnete, auf unsere Wirklichkeit anwende, dann bedeutet das für uns die Folgerung: Wir müssen zwischen den Völkern Konstellationen bewirken, fördern oder verstärken, die dem Zweck dienen, den Störern des Gleichgewichts,- den Vertretern rein machtpolitischer Prinzipien entgegenzustehen und entgegenzuwirken.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Das ist die Aufgabe einer echten Friedenspolitik! Sie besteht darin, für den Angriffslustigen den Anreiz zum ersten militärischen Gewaltakt dadurch herabzusetzen, daß man die Einsicht vom Wagnis des Verlustes, des Endes, vergrößert. Nur der dient dem Frieden, der den Anreiz zum Angriff durch die Betonung und Verdeutlichung der Gefahren des Endergebnisses vermindert.

    (Sehr richtig! und Beifall in der Mitte und rechts.)

    Damit, meine Damen und Herren, möchte ich aber nicht den Eindruck aufkommen lassen, als bereiteten uns alle diese Überlegungen ein Vergnügen! Wir wären weiß Gott lieber damit beschäftigt, uns ausschließlich um unsere — ach so zahllosen — inneren Probleme zu bekümmern.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Es ist wirklich kein Vergnügen, sich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Es liegt uns keine Vorstellung ferner als das Bild von der schimmernden Wehr und ähnlichen Traumgesichten der Vergangenheit! Im Gegenteil: Mit viel Beklemmung und viel Verdruß gehen wir an diese Überlegungen heran! Weil wir selbst mit dieser inneren Hemmung und diesen inneren Vorbehalten gegenüber einer als realistisch erkannten Notwendigkeit denken und handeln, sind wir natürlich um so stärker gezwungen, die politischen und psychologischen Voraussetzungen zu untersuchen, die erfüllt sein müssen, wenn wir mit Aussicht auf Wirksamkeit unsere Bereitschaft zu einer Beteiligung an der europäischen Verteidigung aussprechen.

    (Abg. Dr. Mende: Sehr richtig!)

    Auf diese Voraussetzungen kommt es wesentlich an; nicht, weil wir da besondere Vorteile herausholen wollen! Es ist ja gar nicht unsere Schuld, daß Generalvertrag und Verteidigungsbeitrag in einen zeitlichen Zusammenhang und damit in ein Junktim gebracht werden, wie das in der Außenpolitik und in der Diplomatie heute leider Gottes üblich geworden ist. Die verfluchte Politik des Junktims ist eine -ungeheure Erschwerung. Statt daß man daran geht, jedes Problem zunächst einmal für sich zu lösen und zu ordnen, fabriziert man dauernd ein neues Junktim — übrigens auch in unserer Innenpolitik —, das die Entscheidungen ungeheuer verwickelt, kompliziert und erschwert. Aber wir stehen nun einmal vor der Tatsache dieser schlechten Gewohnheit.
    Ich will nicht alles wiederholen, was gestern über die Schwierigkeiten psychologischer Art und über die Hemmnisse auch in der Vorstellung des deutschen Bürgers ausgeführt worden ist. Sie müssen beseitigt werden, bevor er die Folgerungen für sich zieht. Man hat gesagt, was an Beschränkungen unserer Lebensrechte aufgehoben werden


    (Dr. Schäfer)

    muß, ehe wir das Vertrauen haben können, einer echten überstaatlichen Solidaritätsgemeinschaft anzugehören. Noch sind wir von diesem Ergebnis entfernt. Mein Kollege Euler hat sich gestern schon ausführlich mit konkreten Details, vor allem auch den Gegenständen der Zusatzverträge, beschäftigt. Ich brauche daher auf diese Einzelheiten nicht einzugehen, möchte aber auf eines hinweisen: Es erscheint mir allerdings als selbstverständlich, daß man einen Vertrag, der zu außenpolitischen Zwecken hinsichtlich gemeinsamer Maßnahmen Souveränitätsrechte des eigenen - Volkes abtritt, nur in dem Maße schließen kann, in dem auch 'die anderen Beschränkungen ihrer Souveränität auf sich nehmen.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Mari kann aber niemals einem Vertragswerk zustimmen, das darauf hinausläuft — beispielsweise durch die Festlegung von innerpolitischen Regelungen —, das Gesetzgebungsrecht des Parlaments für bestimmte Zeiträume einfach einzuschränken.

    (Erneute Zustimmung bei der FDP.)

    Man muß ferner auch jeden solcher Verträge unter dem Gesichtspunkt einer gewissen Zeitbedingtheit ansehen; diese ändert nichts an der Absicht der Durchführung der gemeinsamen Ziele. Wie man die gemeinsamen Ziele anstrebt und verwirklicht, ist aber doch auch wandelbar, ist Wandlungsmöglichkeiten ausgesetzt. Eine zeitliche Unbeschränktheit. von Abmachungen ohne Revisionsmöglichkeit auf bestimmten Gebieten ist infolgedessen eine praktische Unmöglichkeit, zumal wenn es sich darum handelt, Souveränitätsrechte abzutreten. Dabei ist- auch zu beachten, daß die Abtretung solcher eigenstaatlichen Rechte für die verschiedenen Partner unter Umständen durchaus verschiedene Wirkungen hat. Eine formale Rechtsgleichheit bedeutet noch lange nicht immer Gleichgewichtigkeit.
    Diese Überlegung muß also hinzukommen, wenn wir uns eine Vorstellung von der Bedeutung dieser Abmachungen machen wollen. Zur Gleichrangigkeit gehört natürlich auch, daß bei der Durchführung von Verteidigungsbeiträgen nicht etwa eine Zurücksetzung deutscher Soldaten hinsichtlich der grundsätzlichen Möglichkeiten stattfindet, bis in die Entscheidungen der obersten Instanzen des ganzen vielschichtigen Verteidigungsgebäudes mitzuwirken. Ich habe heute in der Zeitung gelesen, daß gestern ein belgisches Regierungsmitglied in der belgischen Kammer eine gegenteilige Feststellung getroffen hat. Dazu kann ich nur sagen, daß dabei die eigentlichen Voraussetzungen einer echten Partnerschaft wohl übersehen oder verkannt worden sind.

    (Abg. Dr. Mende: Sehr _gut!)

    Es geht, bis wir uns zu dieser europäischen Solidarität und zu dieser atlantischen Verteidigungsgemeinschaft für die freie Welt durchentwickeln, allerdings auch von Stufe zu Stufe. Es sind nicht nur bei uns psychologische Hemmnisse zu beseitigen und Hindernisse für unsere Bereitschaft, mitzutun, auszuräumen, sondern es ist gleichzeitig ein Ungeist abzubauen, der immer wieder neue Schwierigkeiten auftürmt; es ist die Internationale der Chauvinisten, die es zu bekämpfen gilt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es ist ein ewiges Verhängnis, daß sich die Chauvinisten in allen Ländern fortgesetzt die Bälle wechselseitig zuwerfen.

    (Erneute Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Das haben wir in der Weimarer Zeit erlebt und erleben es heute wieder. Da wird so ein Willkürakt durchgeführt oder so eine Angelegenheit vollzogen, die mit allen Abmachungen und Überlegungen der letzten Zeit nicht vereinbar ist, wie etwa die Berufung des französischen Botschafters im Saarland. Prompt wird verständlicherweise von unserer Seite zugespitzt reagiert. Dann folgt in der ausländischen Presse eine Entstellung, eine Verzerrung des deutschen Standpunktes, die verhängnisvoll ist. So spielt man sich wechselseitig die Argumente in die Hand, um die Völker gegeneinander aufzuhetzen.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Gegen diese Verschwörung des bösen Willens gilt es genau so den Kampf zu führen wie gegen den Chauvinismus im eigenen Land.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Unter diesem Gesichtspunkt, glaube ich, sollten wir die Saarangelegenheit in erster Linie betrachten.

    (Vizepräsident Dr. Schmid übernimmt den Vorsitz.)

    Bei voller Würdigung unseres Rechts, unserer Ansprüche, die hier in diesem Hause in früheren Rechtsverwahrungen deutlich 'ausgesprochen worden sind, sollten wir uns doch alle Möglichkeiten überlegen, um den Chauvinisten hüben und drüben keine Gelegenheit zu geben, aus diesem Vorkommnis etwas zu machen, was die europäische Föderation, die europäische Integration verhindert. Wir sollten endlich die Möglichkeit suchen, nun über alle alten Vorurteile, über vergangenheitshörige Vorstellungen hinweg auch hier auf den Weg in die Freiheit einer europäischen Entwicklung zu gelangen, die davon ausgeht, daß jedes Volk ein Recht auf Wahrung der Menschenrechte, auf völlige Freiheit seiner innenpolitischen Ordnung, insbesondere aber ein Recht auf sein historisches und angestammtes Territorium hat.
    Ich habe ja schon gesagt: Gleichberechtigung ist nicht allein eine formale Angelegenheit. Es kommt auch auf die Berücksichtigung der Gewichte an. Da kommt es natürlich auch sehr' auf die Lasten an, die ein Volk als die Folgen einer schrecklichen Vergangenheit an sich schon trägt. Es wird also bei den Fragen des gemeinsamen Wehrhaushaltes Rücksicht zu nehmen sein auf die Besonderheit unserer Vorbelastungen, insbesondere auf die Kriegsfolgelasten.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Es wird an unsere exponierte Stellung als Frontgebiet der europäischen Verteidigung zu denken sein.

    (Erneute Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Dabei wird zu beachten sein, daß die innere Stetigkeit, aber auch die Überlegenheit der westlichen Welt an der deutschen Entwicklung in einer besonderen Überlegenheit der öffentlichen Ordnung und des öffentlichen Wohlstandes in den weiten Schichten der Bevölkerung demonstriert werden muß.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Auch diese Funktion als Schaufenster der westlichen Welt sollte als ein wesentliches Element der Verteidigung `beachtet werden. Verteidigung wird ja nicht nur mit Waffen, sondern auch mit sehr


    (Dr. Schäfer)

    wichtigen psychologischen Einwirkungen und Methoden gemacht. Dabei kommt es nicht auf raffinierte Spekulationen an, sondern auf die Darstellung einfacher Wirklichkeiten, die überzeugend ist.
    In diesem Zusammenhang muß aber auch eines auf der anderen Seite erkannt werden: Der Lebensstil, der gewisse Teile der bisherigen Besatzung in einen merkwürdigen Gegensatz 'zur deutschen Bevölkerung gebracht hat,

    (Sehr richtig! bei der CDU)

    ist kein Mittel der Verstärkung der psychologischen Verteidigung.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Man muß da sehr gründlich erkennen, was man angerichtet und was man schleunigst zu beseitigen hat.

    (Erneute Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Nun sind gegen den Standpunkt der Regierung und der Koalitionsparteien — soweit in diesem Stadium der Übergänge von einem Standpunkt die Rede sein kann — von seiten der Opposition mancherlei Argumente ins Treffen geführt worden. Ich mu 3 allerdings sagen, ich habe versucht, sehr aufmerksam zuzuhören; aber mir ist eigentlich nicht klar geworden, was denn die Opposition nun an positiven Dingen anzubieten hat.

    (Sehr gut! bei der CDU. — Weiterer Zuruf: Gar nichts!)

    Wo ist auch nur der Versuch eines konstruktiven Gedankens in all dem gewesen, was hier ausgeführt worden ist?

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Ich habe verschwommene Geschichten gehört. Also möchte ich beinahe sagen: Namentlich die Rede des Herrn Kollegen Ollenhauer war ein wunderbares Beispiel für eine Politik des Hell-Dunkels,

    (Heiterkeit bei den Regierungsparteien)

    d. h. man strahlte einen besonders heftigen Lichtkegel auf ein Nein, und darum herum war dann eine Fülle von schattenhaften Vorbehalten, die als „Umstände" bezeichnet werden. Ich würde so furchtbar gern hören, was der Herr Kollege Ollenhauer denn unter den anderen Umständen versteht, die nun der „Konzeption" der Regierung, wie er gesagt hat, entgegenzustellen sind.

    (Abg. Mellies: Wir würden gern hören, was Sie Schatten nennen!)

    — Ich habe schon von einer Reihe von Schatten gesprochen, indem ich eine ganze Fülle von Dingen genannt habe, die Hindernisse darstellen, die zu überwinden sind und die eben in diesem Stadium der Verhandlungen von uns als sehr ernste Hemmnisse für eine Vereinbarung angesehen werden.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Abg. Mellies: Ich spreche von den Schatten in der Rede Ollenhauers; und da scheinen Sie sehr Helles plötzlich als Schatten zu sehen!)

    — Ich habe nicht von Schatten geredet, sondern ich habe gesagt, daß da eine Fülle von Andeutungen, von halben Bereitschaften, ja zu sagen, war, von Anerkennung der Verteidigungsprinzipien, von Abkehr von einem, sagen wir einmal, ideologischen, sektiererischen Pazifismus und ähnlichen Dingen, aber nie mit dem Willen, nun an der entscheidenden Stelle zur Beleuchtung der konstruktiven Gedanken durchzudringen, die man, wenn man schon im Endergebnis verneint, als Methoden und Prinzipien
    einer Außenpolitik der Politik der Bundesregierung entgegenzustellen vermöchte.
    Es ist dann gesagt worden: Also um Gottes Willen kein „Appell an das Gefühl". Ja, meine Damen und Herren, Appell an das Gefühl! — Ich weiß nicht, was wir nun heute gehört haben, was uns z. B. heute morgen von Herrn Kollegen Arndt vorgeführt worden ist. Ich muß sagen, das war doch ein heftiger Appell an das Gefühl. Ist es nicht überhaupt einmal nötig, zu unterscheiden, was populär und was vulgär in der Politik ist. Ich fürchte, daß man diesen Unterschied bei der Debatte nicht immer gemacht hat-. Ist es nicht z. B. Gefühlspolitik, wenn man durch Verharmlosung der Weltgefahren Beruhigungspillen verabfolgt? Sie sind doch eben durch das, was der Herr Bundeskanzler aus dem Memorandum des vorigen Jahres verlesen hat, ganz hübsch illustriert worden. Inzwischen hat sich j a sogar noch einiges gegenüber dem verändert, was dort an Tatbeständen aufgezeigt war. Ich weiß nicht, ob es so ganz völlig frei von Gefühlspolitik ist, Beruhigungspillen zu versetzen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Ich gebe zu, Herr Kollege Ollenhauer hat sich nicht identisch gemacht mit denjenigen, die das Chloroform überhaupt zum Mittel der Politik machen, indem sie sagen: Na ja, wir wollen den Frieden, also machen wir Methode Coué und versuchen wir, den Frieden durch psychosomatische Behandlung von Diktatoren herbeizuführen.

    (Lebhafte Heiterkeit rechts und in der Mitte.)

    Ich muß sagen, es ist mir nicht mehr möglich, diese Dinge zu begreifen. Ich sehe den guten Willen; aber man kann doch nicht in Wunschvorstellungen Grundlagen sehen

    (Abg. Mellies: Sehr richtig, Herr Schäfer, sehr richtig!)

    für das, was man erreichen will und was herbeizuführen gelingt. — Ja, Herr Mellies, dann noch eins, wenn wir schon so weit sind, daß wir uns unterhalten müssen. Es ist bei Ihnen auch so schrecklich viel davon die Rede gewesen, als ob Sie die Idee der Demokratie so in einer besonderen Reinheit für sich allein gepachtet hätten.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Ich darf doch einmal darauf aufmerksam machen, daß es auch in der Demokratie so etwas wie eine Teilung der Funktionen gibt. Menschengruppen sind nämlich nur handlungsfähig, wenn man zwischen Führung und Ausführung eine Funktionenteilung durchführt. Das hat zur Konsequenz, daß man jemand, den man mit der Durchführung bestimmter politischer Maßnahmen beauftragt, auch Handlungsfreiheit geben muß. Ich bestreite also, daß eine gesunde Außenpolitik dadurch herbeigeführt werden könnte, daß in jedem Stadium einer außenpolitischen Verhandlung immer wieder öffentliche Auseinandersetzungen kommen.

    (Sehr richtig! bei der FDP und in der Mitte.)

    Selbst wenn ich mir vorstelle, daß wir in diesem Hause das nötige Maß von Verschwiegenheit erreichen könnten, was wird dann immer geschehen? Die Verschwörung des bösen Willens, von dem ich gesprochen habe, würde schon aus Sensationshunger durch fortgesetzte Kreuz- und Quermeldungen in der Presse die Herstellung der europäischen Einheit und die Verwirklichung eines Friedens hintertreiben!

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



    (Dr. Schäfer)

    Es ist dann von der sozialen Sicherheit gesprochen worden. Ich habe es auch schon getan, meine Damen und Herren. Sie ist wirklich in unserer Frontsituation mit der besonderen Notwendigkeit ausreichender Lebenshaltung eine ungeheuer schwere Sache, wenn man nach dem Bankrott des diktatorischen Staates so viel aufzuholen hat. Darum ist von sozialer Sicherung und ihrer Notwendigkeit zu sprechen. Aber ich weiß nicht, ob es genügt, nur den ganzen Kanon oder ganze Variationen von solchen Kanons der sozialen Sicherheit immer wieder herauf- und herunterzukomponieren, wenn man sich über eine sehr primitive Einsicht klar ist: daß nämlich alles Mühen um soziale Sicherheit sinnlos und ergebnislos ist, solange sie nicht eingebettet ist in den Rahmen einer politischen Sicherheit.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich will aber das nicht in der Weise sagen, wie Sie in der Opposition das so gern tun. Sie sagen immer, dies muß als erstes und jenes als zweites geschehen. Diese Regieanweisungen sind für die Herstellung eines Films ganz nett. Die Politik und die Durchführung einer politischen Entwicklung vollzieht sich selten nach einem Drehbuch, sondern sie besteht, wenn sie gescheit ist, in der Wahrnehmung der wechselnden Gelegenheiten und Gegebenheiten, und infolgedessen hat sie sich nicht nach einem starren Programm zu vollziehen.

    (Abg. Mellies: Aber auch nicht ohne Konzeption!)

    — Im Endziel und in den Grundzügen muß natürlich eine Konzeption da sein. Ich habe am Anfang ja ausdrücklich gesagt: Nicht Rezepte verschreiben, sondern Tendenzen erregen! Das ist der Sinn unserer ganzen Beratungen und Verhandlungen. Und um Tendenzen habe ich mich bisher in meinen Darlegungen bemüht und versucht, Tendenzen zu entwickeln. Wir müssen uns also klar sein, daß ein unlösbarer Zusammenhang zwischen sozialer und politischer Sicherheit besteht. Wer da sagt, das eine zuerst und dann das andere, der täuscht sich selbst über die Möglichkeiten. Das eine geht ohne das andere nicht; das eine ist ohne das andere gar nicht zu verwirklichen.
    Da wir gerade vom Thema Demokratie sprechen und wohl auch unter dem Gesichtspunkt des demokratischen Denkens an die Fragestellung der heutigen Debatte heranzutreten haben, darf ich noch eines sagen. Wer ein richtiger, überzeugter Demokrat ist, der betrachtet es als eine Konsequenz seines demokratischen Wollens, gegenüber jeder Tyrannei auf die Barrikaden zu gehen.

    (Abg. Rische: Treten Sie gegen Lehr an!)

    Aber ich frage Sie, meine Damen und Herren: Muß man immer warten, bis der Tyrann da ist, um die Barrikaden zu bauen?

    (Sehr richtig! bei der FDP und in der Mitte.)

    Sollte es nicht die Pflicht der Demokraten sein, die Barrikaden vorher zu errichten, ehe der Tyrann wieder einmal gekommen ist?

    (Sehr richtig!)

    Ich denke, wir haben einiges gelernt auf diesem Gebiet.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Der ist kein konsequenter Demokrat, der nicht bereit ist, gegenüber einer drohenden Tyrannei die Barrikade zu errichten, solange er noch die Gelegenheit dazu hat.

    (Sehr gut! in der Mitte. — Abg. Rische: Alles sehr richtig, was Sie sagen; treten Sie aber gegen Adenauer an!)

    Dann noch eins, meine Damen und Herren! Es ist von der Legitimation des Bundestags viel gesprochen worden. Das haben wir schon im Jahre 1950 gehört, und ich will nicht wiederholen, was ich damals ausgeführt habe. Es ist eine merkwürdige Auffassung, die völlig den Prinzipien der repräsentativen Demokratie, wie wir sie im Grundgesetz haben, widerspricht,

    (Abg. Dr. Mende: Sehr gut! Das müßte Arndt vor allem kennen!)

    einen programmatischen Inhalt mit einem Mandat zu verbinden. Ein Abgeordneter wird gewählt, weil man ihm und seinen Darlegungen, seinen Überzeugungen und seinen Auffassungen Vertrauen entgegenbringt. Damit erhält er eine zeitlich begrenzte Vollmacht. Die Vollmacht ist inhaltlich nicht begrenzt. Es ist aber für einen Abgeordneten nach meiner Meinung geradezu eine Pflichtwidrigkeit, zu behaupten, daß er in bestimmten Dingen nicht Stellung nehmen könne, und sich deswegen — entgegen der klaren und eindeutigen Ordnung des Grundgesetzes — bei irgendwelchen ihm unerwünschten Beschlüssen unter dem Vorwand von Neuwahlen der persönlichen Verantwortung und Entscheidung zu entziehen.

    (Sehr gut! und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber da sind allerdings noch andere Überlegungen, die mir sehr bedenklich erscheinen. Man vertritt den Standpunkt, daß bestimmte Fragen eine solche Wichtigkeit haben, daß man sie zum Gegenstand einer Volksabstimmung machen -kann: Nun, wir sind damals im Parlamentarischen Rat uns darüber klar gewesen, daß im modernen Massenstaat das Plebiszit eine durch seine Psychosenwirkung gefährliche Bedrohung für die Demokratie schlechthin ist. Wir stützen uns da auf die Erfahrung, daß fast jede Tyrannis in der Welt durch eine Art von Plebiszit in die Höhe gekommen ist.

    (Sehr gut! rechts.)

    Wer die Diktatur bannen will, darf nicht selber mit verschleiert plebiszitären Bestrebungen beginnen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Im übrigen sollten wir bei aller Bereitschaft, ehe wir endgültig entscheiden, die Verträge und ihre Texte und die in ihren Formulierungen bekundeten Gesinnungen genau prüfen und uns auch darüber klar sein, daß es so etwas wie eine Gestaltungskraft der Fakten gibt. Wer Europa ernstlich will, muß europäische Tatsachen schaffen.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Um das zu erreichen, kann man sich nicht zuerst über die Verzierungen und Arabesken oder die Einrichtung von Kellern usw. unterhalten. Wir stehen in der ungeheuren Gefahr — nicht nur bei uns, sondern überhaupt in allen europäischen Staaten —, daß wegen des Gezänks um alle möglichen Nebendinge, um die Erker in dem Gebäude „Europa", die eigentliche Idee in Vergessenheit gerät, ja, in Gefahr gebracht wird. Ich weiß nicht, ob wir dabei die Größe dieser Zielsetzung übersehen können. Bei all den Vorbehalten, die wir zu machen haben und in denen wir teilweise durchaus mit der Opposition übereinstimmen, sind wir uns auf der anderen Seite aber auch darüber klar, daß man dort, wo es sich um Grundideen und Grundsätze handelt wie etwa bei dem Versuch, die Qesetzgebungsvollmacht des


    (Dr. Schäfer)

    Parlaments durch Versteinerung von Besatzungsrecht oder ähnliche Dinge einzuschränken, zugleich den Glauben an die Macht neuer Fakten bekunden muß, wenn man das Neue auf Grund einer fortschrittlichen Gesinnung wirklich will.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Es geht hier um sehr einfache Entscheidungen, und alles Wortgeklingel kann nicht darüber hinwegtäuschen. Es handelt sich um die Lebensfrage für die Bundesrepublik: Sicherheit — j a oder nein? Es handelt sich um die Frage: Freiheit — ja oder nein? Es handelt sich um die Frage: Europa — ja oder nein? Es handelt sich um die Frage: Rechtsstaat — j a oder nein? All das steckt in diesen Entscheidungen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU und der FDP.)

    Wer ohne den Willen zu konstruktiven Lösungen nur das Nein ausspricht, muß sich darüber klar sein, daß er damit die Sicherheit und die Freiheit in die größte Gefahr bringt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, die große geistige Richtung des Humanismus hat auch die Vorstellungen von der Verabscheuungswürdigkeit des Krieges hervorgebracht. Wir sind heute in einem Stadium, wo derjenige, der die Humanität erstrebt, sagen muß: Die Bestialität droht die Humanität zu verschlingen. Und deswegen bin ich zu dem Ergebnis gekommen, daß nur ein wehrhafter Humanismus eine wahrhafte Humanität verwirklicht.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Da möchte ich mit einem Hinweis schließen, der über die Grenzen hinausgeht. Man sollte endlich uns gegenüber einsehen, daß, wenn wir nichts anderes fordern als Menschenrecht, Demokratie und Rechtsstaat, wir damit die seelischen Überzeugungskräfte eines glaubhaften Verteidigungsbeitrages kräftigen. Und man sollte handeln nach der Erkenntnis, daß Politik der praktischen Vernunft nicht moralisierende Deklamation, sondern angewandte Ethik ist.

    (Lebhafter, langanhaltender Beifall bei den Regierungsparteien. — Lebhafte Zurufe von der KPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Brauksiepe.

(Abg. Rische: Vernichtung der Völker, das war die Ethik des deutschen Imperialismus! — Zuruf von der CDU: Ruhe im Kreml! Ruhe, Rische! — Abg. Rische: Auf diese Schwätzereien könnte man pfeifen. Darauf fällt doch niemand mehr hinein!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Aenne Brauksiepe


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen!

    (Abg. Rische: Auschwitz! Buchenwald!)

    Wenn ich in dieser Stunde dem so erregten Gespräch der Männer als Frau etwas hinzufügen möchte, dann darum, weil der Bundestag an dem inneren Kampf zwischen Herz und Verstand, der sich in den letzten Wochen in unzähligen Frauenherzen entsponnen hat, am Widerstreit der Gedanken und Gefühle nicht vorübergehen kann und weil ich der Meinung bin, daß das Ja zum kleineren Übel nicht nur von den Männern gesprochen werden muß.

    (Abg. Rische: Sie bekommen eine Uniform!)

    Die Frauen sind zu allen Zeiten, vor allem aber an den Kreuzpunkten ihrer Geschichte, die unsichtbaren Pfeiler der Geschichte gewesen,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    von deren Tragfähigkeit unendlich viel abhängt, mehr, als man sich seit der letzten Bundestagsdebatte im November 1950 offenbar hier klargemacht hat. Damals wie heute verfolge ich mit steigender Erregung, wie man sich landauf, landab und wiederholt auch bei den Neinsagern dieses Hauses von der ursprünglichen Frage entfernt und wie sich diese Verlagerung von dem absoluten Ausgangspunkt in unserem Volke bereits verhängnisvoll auswirkt. Meine Herren und Damen! Man soll uns Frauen nicht fragen, welchen Beitrag wir zum Krieg zu geben bereit sind, sondern was wir für den Frieden zu geben bereit sind.

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Erst wenn wir von dieser Ausgangsfrage her den tiefen Sinn der Sicherung des Friedens, vor allem aber des friedendienenden Verteidigungsinstruments aufhellen, dann werden sich auch die zaghaftesten unter den Frauen wieder ihrer Tapferkeit entsinnen, die immer dann in den Herzen der Frauen aufgebrochen ist, wenn' sie von tiefem Erbarmen mit der Not ihres Volkes erfüllt waren. Stattdessen — und das bedaure ich auf das tiefste — hat man hier versäumt, früh genug und klar _genug der Infiltration der Angstpropaganda von der anderen Seite ein kontinuierliches und gelassenes Aufklären entgegenzusetzen, eine Informationsarbeit entgegenzusetzen, die von vornherein Klarheit auch bei den zaghaften Frauen geschaffen hätte; statt dessen hat man es zugelassen, daß eine geradezu babylonische Sprachverwirrung um sich gegriffen hat, daß man mit gleichen Vokabeln im doppelten Sinn arbeitet, daß man mit abgewerteten Schagworten uns Frauen zu bearbeiten versuchte, und wir haben dem nicht beizeiten die ganz klare Antwort entgegengesetz, die wir alle in Zeiten der Not fordern.
    Wenn wir eines Tages — wir brauchen es noch nicht heute — aber wenn wir eines Tages das Ja von allen Frauen haben wollen, das freiwillige Ja zu dem der Sicherung des Friedens dienenden Verteidigungsinstrument, das Ja auch von den 750 000 Witwen, das Ja auch von den Frauen, die heute noch auf die Heimkehrer warten, das Ja auch von all denen, die nach wie vor in die Gefangenenlager Pakete schicken, dann allerdings müssen wir anfangen, die hieb- und stichfeste Sprache, die gestern hier von vielen meiner Kollegen gesprochen wurde, mutvoll und furchtlos in die Öffentlichkeit hineinzutragen und der irreführenden KPD-Propaganda, die auch den Frieden, aber den Kirchhofsfrieden will, unsere Auffassung vom Frieden entgegenzusetzen.

    (Sehr gut! und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ebenso furchtlos und klar muß man den Frauen und Männern im Lande die Sinnlosigkeit der von Frau Wessel eingeschlagenen Wege klarmachen,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    die weiß Gott in dieser Stunde ihrem Volke einen schlechten Dienst erwiesen hat.

    (Erneute Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Fast bin ich versucht zu sagen, verehrte Frau Kollegin: wenn Sie Ihren Standpunkt und Ihre Zukunftsillusionen hier am Pulte klarmachen wollen, dann müßten Sie schon beinahe mit Flügeln hier


    (Frau Brauksiepe)

    herüberfliegen; denn ihre Füße erreichen schon gar
    nicht mehr den Boden der konkreten Wirklichkeit.

    (Heiterkeit und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sie reden und reisen durch das Land, als seien seit 1946 — und damals sah noch manches nach Sanftmut aus, was längst demaskiert ist! — weder eine Luftbelagerung Berlins noch ein Bürgerkrieg in Griechenland noch die Putsche in Prag, in Warschau, in Bukarest und in Budapest gewesen, sei endlich und nicht zuletzt, was in Korea ist, nicht geschehen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sie scheinen mit den Leuten, die Ihnen Glauben
    schenken, gutgläubiger zu sein als viele von uns.
    Wir versuchten, aus der Vergangenheit etwas zu
    lernen und in die Zukunft hinein zu bauen. Aber
    ich bezweifle — das sage ich hier ganz aufrichtig
    — den echten Friedenswillen des Ostens, der so häufig in schamloser Offenheit die wegweisenden Leitsätze in die Welt hineingesprochen und -geschrieben hat. Und wenn die Tatsachen seit 1946 nicht ausreichen sollten, so würde vielleicht ein Hinweis aus dem „Wörterbuch der Fremdsprachen" vom Moskauer Staatsverlag, Seite 484, ausreichen, um den Gutgläubigen einmal zu sagen, was man selbst dort drüben z. B. über den Pazifismus denkt.
    Pazifismus
    — heißt es dort —
    ist eine bourgeoise Bewegung, die sich jedem Krieg widersetzt. Indem sie sich heuchlerisch hinter dem Wort „Pazifismus" verkriechen,
    — heißt es da weiter —
    sträuben sich diese Reaktionäre gegen Kriege der nationalen Verteidigung,

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien)

    Kriege der Revolution, Bürgerkriege und andere gerechte Kriege,

    (erneute Hört! Hört!-Rufe von den Regierungsparteien — Zuruf von der CDU: Hören Sie zu, Herr Renner!)

    deren Ziel es ist, die Völker aus der kapitalistischen Versklavung zu befreien, die Kolonialländer und die von der kapitalistischen Unterjochung abhängigen Gebiete zu befreien. So trägt die Politik der Pazifisten
    — heißt és wörtlich —
    zu den ungerechten kriegerischen Aggressionen der Imperialisten bei.
    Wörtlich im Buche nachzulesen! Vielleicht nicht am wenigsten interessiert eine andere Stelle aus der „Theorie und Praxis unserer Partei". Sie (zur KPD) werden es besser kennen als ich; ich muß es leider ablesen. Da steht:
    Die Stellung des Marxismus und Leninismus
    zum Kriege: Aus vielen Beispielen
    — wörtlich — _
    geht hervor, daß wir niemals mit einer Schablone an einen Krieg herangehen dürfen, sondern jeweils konkret untersuchen müssen, ob der Krieg einen gerechten oder ungerechten Charakter trägt.
    Und jetzt kommt das Wesentliche:
    Dabei spielt die Frage des Angriffs- oder Verteidigungskrieges gar keine Rolle.

    (Lebhaftes Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.)

    Meine verehrten Zuhörer! Diese Worte reden für jene, die der Praxis nicht glauben konnen, die der Theorie eher glauben wollen. Es ist eine wahrhaftig offene und unzweideutige Sprache. Die Leute hinter dem Eisernen Vorhang, vor allem aber die Frauen, kennen diese Sprache zur Genüge. Wahrhaftig, Frau Wessel, Sie haben auch den Frauen hinter dem Eisernen Vorhang einen schlechten Dienst erwiesen.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Wir aber nehmen diese Worte, diese Definitionen ganz klar in uns auf und ubermitteln sie ebenso klar auch den zaghaftesten Frauen. Darum knupfe ich an das, was mein Kollege Strauß gestern hier leidenschaftlich vorgetragen, hat: Diese von uns langst durchschaute Ostpropaganda ist es gewesen, die die wahre Notgemeinschaft hergestellt hat, die die wahre Notgemeinschaft hier schmieden geholfen hat. In der Notgemeinschaft sind alle Frauen des Westens einbegriffen,

    (Bravo! in der Mitte)

    nicht nur die deutschen Frauen und Mütter; in dieser Notgemeinschaft sind die Frauen, aller westlichen Lander, nicht wir deutschen Frauen allein. Es geht ja gar nicht nur um Deutschland; denn Deutschland ist nicht der Mittelpunkt der Welt. In diesen Stunden der kommenden politischen Entscheidung geht meine Sorge genau so gut nach Frankreich, diesem Lande, daß trotz der vielen hrschutterungen einen so kraftvollen Aufbruch in der Familienbewegung gezeigt hat.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien)

    geht meine Sorge ebenso gut nach Italien, das von
    Kommunisten durchsetzt ist und in dem so unsterbliche Werte von dem Geist getragen sind,
    den wir unter allen Umständen zu erhalten suchen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Diese Notgemeinschaft verbindet uns Frauen und Manner des deutschen Volkes mit all jenen Ländern, in denen die moralische Kraft noch von dem unzahmbaren Drang nach der Sicherung der Familie, der freien Persolnichkeit und des christlichen Menschenbildes überhaupt erfüllt ist.

    (Anhaltender Beifall bei den Regierungsparteien.)

    In dieser Stunde möchte ich dem Bundeskanzler die Versicherung geben: es gibt noch eine Phalanx von Frauen,

    (Zurufe von der KPD: Ei, ei!)

    denen die Sicherung dieser Werte heilig ist, eine Phalanx von Frauen, zusammengeschmiedet mit tapferen Herzen, und dahin gehoren nicht zuletzt die Mütter derer, die in Korea kämpfen.

    (Sehr gut! und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Sagen wir doch nicht fortgesetzt: Wir gehen nach Europa.

    (Zuruf von der KPD: NS-Frauenschaft!)

    Ich sage in dieser Stunde: Wir brauchen nicht erst nach Europa zu gehen, wir sind mitten drin in Europa!

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der KPD: Wir marschieren!)

    Wir gehören schon längst dazu, und wir sind einander so nah in der wachsenden Sorge über die Gefahrdung und Sicherung des Friedens und der Freiheit. Wenn wir Europa meinen, haben wir


    (Frau Brauksiepe)

    eine Konzeption. Der Regierungschef h a t eine Konzeption von Europa; der Negierungschef hat sie nicht.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Immun geworden, schon längst immun geworden, und in dem zähen Daseinswillen, der zum Ausdruck gekommen und uns offenbar geworden ist, angefangen bei dem beispielhaften Kampf um Berlin bis zum letzten Eigenheimsparer hier in Deutschland, und in der tausendfach erwiesenen heimschaffenden Kraft unserer Frauen lassen wir uns in gar nichts mehr lähmen. Von hier aus, glaube ich, wird eines Tages, wenn es von uns gefragt ist — heute wird lediglich darüber debattiert —, auch vielleicht manch eine Frau das Ja finden.
    Meine Herren und Damen! Es gehört in der Tat sehr viel Böswilligkeit dazu, den Befürwortern eines deutschen Friedensbeitrags, eines — das wiederhole ich immer wieder — dem Frieden dienenden Verteidigungsinstruments, das gelassen und ernst seine Wächteraufgabe erfüllt, zu unterschieben, sie wollten nicht den Frieden. Niemand unter den vielen Nein-Sagern im Lande oder hier im Hause, niemand unter den Neutralitätsaposteln war einfallsreich genug, etwa eine europäische Wach- und Schließgesellschaft zu erfinden, die für uns, aber ohne unser Dazutun, auf Wache gezogen wäre und uns vor Überraschungen behütet hätte.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Das Ja ist allerdings ein Risiko, aber es fand sich kein geringeres. Die Lösungen, die angeboten wurden, sind keine Lösungen. Niemand nimmt uns hier die geschichtliche Notwendigkeit des Ja- oder Nein-Sagens ab, und ein Ausweichen in die Neutralität ist nicht möglich. Das werden Kollegen von mir noch erläutern, die es wahrscheinlich viel besser können als ich.
    Eines aber ist in dieser Auseinandersetzung und in dieser Debatte wichtig: die Freiheit, Ja sagen zu können. Das ist das große Privileg vor den Völkern, die längst nicht mehr die Freiheit haben, das ich persönlich empfinde: die Freiheit, ungestraft über eine so lebenswichtige Aufgabe das Ja oder das Nein zu künden.

    (Sehr gut! und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Noch können wir Menschen einer freien Welt, als sittlich freie Persönlichkeiten geachtet, unser Opfer freiwillig bringen, das wir vielleicht eines Tages nicht mehr freiwillig bringen können und in zehnfacher Höhe zu bringen gezwungen werden.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Von diesem Blickpunkt aus betrachtet mag es mancher Frau leichter sein, das Wort, von zwei Übeln das kleinere zu wählen, eines Tages gelassen zu überdenken. Von da aus findet sie vielleicht eher die Bereitschaft, sich für den Frieden zu entscheiden, den wir meinen, und nicht für den Kirchhofsfrieden, den die anderen mit leeren Parolen propagieren. Für diesen Frieden werden wir auch die Opfer bringen können, um die Wächter auf die Beine zu stellen, damit nie wieder an unseren Grenzen das furchtbare Wort in die Ohren der Frauen hineingeht: „Frau, komm mit!"

    (Zuruf von der KPD: Das fehlte noch!)

    Wenn die christlichen Frauen in den kommenden Wochen und Monaten ihr klares und freiwilliges Ja sagen sollen, dann kommt es tief und mutig und klar, wenn sie erfahren, daß die hier zu treffenden
    politischen Entscheidungen, die einen so hohen Mut erfordern, ihnen nach menschlichem Ermessen die Ruhepause sichern, die sie nach dem Schock und nach der Zerstörung weiß Gott verdient haben, wenn die politischen Entscheidungen, die hier getroffen werden, basieren auf dem unbeirrbaren Glauben an die Unantastbarkeit der freien Persönlichkeit und an die unzerstörbaren Werte, die eine Familie innerhalb des Volkes und der Völker wahrhaftig bedeutet. Dann werden die Frauen nicht nur mit dem Herzen ihr Ja sagen, aber auch nicht, wie soviele Männer, nur mit dem Verstand; dann werden sie, so hoffe ich, mit beherztem Verstand an die Dinge herangehen.
    Meine verehrten Zuhörér! Wenn ich in diesem Augenblick diese meine Meinung zur Opferbereitschaft, zum Frieden zum Ausdruck bringe, dann als eine Frau, die in einer Stadt gewählt wurde, die zu den schwerst heimgesuchten Orten dieses Landes gehört, dann als eine Frau, die die Endphase des wahnwitzigen totalen Krieges im Ruhrkessel erlebt hat. Der totale Krieg bedeutet ja heute für die Frau nicht mehr nur, daß sie als Frau und Mutter getroffen wird, d. h. daß sie ihren Sohn oder ihren Mann verliert; im totalen Krieg wird sie selber preisgegeben. Ich sage das als eine Frau, die monatelang gewartet hat, bis sie ihren anfänglich vermißten Mann fand. Ich komme und spreche im Namen sehr vieler Frauen der Stadt, die mich gewählt hat, der Stadt, die noch in der vergangenen Woche um des Friedens und nicht um des Krieges willen, unabhängig von Konfession oder Partei, einstimmig eine Orgel für das großzügige Mahnmal der Weltfriedenskirche in Hiroshima gestiftet hat, aus dem Friedensgedanken und nicht aus dem Kriegsgedanken. Weil mich das zutiefst erfüllt, weil mich das bis in mein Innerstes bewegt, stehe ich hier auf und bringe diesen winzigen Beitrag der Frau zum Gespräch der Männer.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)