Rede von
August-Martin
Euler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wünschten uns sehr, die Verhältnisse wären so, daß hier Verteidigungsdebatten nicht geführt zu werden brauchten. Wir wünschten uns sehr, der Friedenswille unseres Volkes würde hinreichen, um ihm den Frieden zu gewährleisten. Wir wünschten uns sehr, existenzbedrohende Gefahren wären in unserem Umkreise nicht sichtbar, und wir könnten ganz ungestört lediglich dem einen hingegeben sein: dem Wiederaufbau, der Neuordnung unserer wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, der Überwindung all der Not, die der letzte Weltkrieg über uns gebracht hat. Aber das Expansionsstreben der sowjetischen Welt nötigt uns dazu, Verteidigungsmaßnahmen in Betracht zu
ziehen, über die wir am liebsten nicht nachdenken möchten. Trotz riesiger Landgewinne ist das sowjetische Expansionsstreben nicht zu stillen gewesen. Kollege Strauß hat schon auf die Rooseveltsche Politik und ihren tragischen Fehlschlag hingewiesen. Es bedarf noch der Hervorhebung, welches Motiv diese Rooseveltsche Politik des äußersten Entgegenkommens gegenüber den Sowjets getragen hat. Das Motiv war dies: Es sollte den Sowjets damit das Mißtrauen genommen werden, daß nach dem zweiten Weltkriege die von ihnen so genannte kapitalistische Welt zu einer neuen Einheit gegen sie zusammentreten könnte. Es sollte damit die Vertrauensgrundlage geschaffen werden für eine Zusammenarbeit in den Vereinten Nationen mit dem Ziele, die internationale Abrüstung sicherzustellen und die kollektive Sicherheit zu verbürgen.
Diese Politik hat sich als illusionär erwiesen; sie ist tragischerweise gescheitert. Die Gründe hat schon Kollege Strauß im wesentlichen dargelegt; aber es bedarf noch eines Hinweises. Über den 180 sowjetischen Divisionen dürfen die 60 Divisionen nicht vergessen werden, die die Sowjets inzwischen in den Satellitenstaaten geschaffen haben: 12 in der Tschechei, 16 in Polen, 10 in Ungarn, 10 in Bulgarien, 12 in Rumänien; und es kämen noch 32 Tito-Divisionen hinzu, wenn nicht Tito inzwischen aus der Erkenntnis des Verhängnisses, das seinem Volk im sowjetischen Lager droht, das Lager gewechselt hätte. Alle diese Satellitendivisionen sind , in Ländern entstanden, die mit allen Mitteln der List und der Gewalttat unter dem Versprechen, einem demokratischen Regime entgegengeführt zu werden, allmählich vergewaltigt worden sind.
Nachdem wir die Aggressionen in aller Welt erlebt haben, die zwar die Sowjets formell nicht selbst gemacht haben, die sie aber durch andere, durch Abhängige haben machen lassen, nachdem wir insbesondere die Hungerblockade gegen Berlin erlebt haben, müssen wir uns fragen: Wie kann der Frieden gesichert werden? Und es gibt nur eine Antwort darauf: durch eine gemeinsame Abwehrfront aller freien Völker. Denn nur auf diese Weise kann eine Risikosteigerung erzielt werden, die die Gefahr für den Angreifer derart erhöht, daß er sich sagen muß, der Angriff ist Selbstmord, und daß er deshalb von dem Angriff Abstand nimmt. In diesem Sinne ist das Ziel der Verteidigungsbemühungen der westlichen Welt nicht, die Auskunft auf die Frage sicherzustellen, wo die erste oder die letzte Schlacht geschlagen wird, sondern sicherzustellen, daß die erste Schlacht nicht geschlagen wird,
nicht' geschlagen zu werden braucht.
Sollen wir durch eigene Anstrengungen zur Stärkung dieser Abwehrfront beitragen, damit die erste Schlacht nicht stattfinde? Wir sagen „Ja" darauf, allerdings unter Voraussetzungen, die den Verteidigungswert und die Kampfkraft des deutschen Soldaten erst einmal wiederherzustellen haben.
Lassen Sie mich aber noch einen Augenblick bei dem bleiben, was notwendigerweise die Aggressionskraft der Sowjets zur Folge hat. Das Expansionsstreben der Sowjets hat zur Folge, daß diese jede Position offensiv verstehen. Jeder Position
geben sie eine offensive Bedeutung, und die offensive Bedeutung der Positionen, die sie in Händen halten, ist um so gefährlicher, je mehr die ihnen gegenüberliegenden Positionen der freien Welt in sich gefährdet, in sich schwach, in sich weich sind.
Die offensive Bedeutung der sowjetischen Zone ergibt sich zunächst einmal aus ihrer geographischen Lage. Von Ostdeutschland aus hoffen die Sowjets den Weg über Westdeutschland anzutreten, um sich dann nach Frankreich, nach dem Süden und nach dem Norden wenden zu können. Es spricht nichts, aber auch gar nichts dafür, daß die Sowjets inzwischen ihre offensiven Absichten fallengelassen hätten; im Gegenteil, gerade ihr Verhalten gegenüber dem Anliegen, das in der UNO an sie gestellt worden ist, hat klar und deutlich erwiesen, daß sie im Augenblick zu keinerlei ernsthaften 'Zugeständnissen bereit sind, die die Verhältnisse in der Sowjetzone ändern würden. Die Zeit dafür ist noch nicht gekommen. Was sie im Augenblick treiben, ist Propagandageflüster, auf Wirkung nach außen angelegt. Es soll hier verwirren; es soll verhindern, daß hier eine Abwehrbereitschaft in Erscheinung tritt, von der die Sowjets befürchten müßten, daß sie das Gesamtpotential der freien Welt nicht unerheblich erhöhen würde.
In Anbetracht dieser Lage darf die Bundesrepublik niemals ein Feld für risikolose Aggressionen werden.
Es ist die Aufgabe unserer Politik, das absolut sicherzustellen. Damit ist das entschiedenste Nein gegen jede Art von Neutralitätspolitik gesagt.
Mit Abzug der westlichen Besatzungstruppen, die wir demnächst als Sicherheits- und bundesgenossenschaftliche Truppen verstehen, würde die Bundesrepublik schutzlos werden. Gerade dadurch würde in Deutschland die koreanische Situation geschaffen werden.
Der Friede und unsere Sicherheit, unsere Freiheit und unser Bemühen um das Recht würden dann allein von sowjetischer Garantie abhängen. Wir wissen, wie geduldig für die Sowjets das Papier ist, wie gern sie, wenn es die Verhältnisse nur irgend zulassen, von Versicherungen, von Zusagen, von vertraglichen Abreden zurücktreten, sie fallenlassen, sie verleugnen, um das Handeln zu exerzieren, von dem sie sich einen momentanen oder längerdauernden Erfolg versprechen.
Würde auf internationale Garantie hin nach Räumung der Bundesrepublik von den westlichen Besatzungsmächten in einem Augenblick die Lage eintreten, daß sich die Sowjets sagen dürften, ein Überfall werde keine Intervention der anderen Garantiemächte auslösen, dann gäbe es für uns nur noch zwei Möglichkeiten: entweder wehrlos der Sklaverei zu verfallen, oder aber wir hätten, falls dann doch verspätet die westlichen Garantiemächte eingreifen sollten, den Krieg mitten in Deutschland; wir hätten ihn von vornherein an der Rheinlinie.
Damit wende ich mich an Frau Wessel, von der ich annehme, daß sie zugegen ist. Ihre Politik bedeutet, wenn man diese Umstände erwägt, eine unverantwortliche Gefährdung der Zukunft des deutschen Volkes. Sie spielen — Frau Wessel, Herr
Heinemann, Herr Noack und wie sie alle heißen — das Spiel der Sowjets, ob sie das wissen oder nicht, ob sie das wollen oder nicht.
Nicht auf dem Wege dieser Politik ist der Frieden zu sichern, sondern der Weg, der von diesen Neutralitätspolitikern empfohlen wird, führt nur dazu, den Sowjets die Chance des risikolosen Angriffs zu geben, führt nur dazu, daß die Bundesrepublik als Opfer für einen sowjetischen Angriff im geeigneten Augenblick präpariert wird. Das wollen wir allerdings nicht zulassen. Dem werden wir uns mit aller Leidenschaft widersetzen. Wir müssen es verhüten, daß in Deutschland eine Situation entsteht, die so beschaffen ist, daß es lediglich eine Frage der Zeit wäre, wann wir Opfer einer sowjetischen Aggression würden.
Wenn diese Neutralitätspolitiker noch so konsequent wären, daß sie wenigstens dieselben Erwägungen anstellten, wie sie in anderen neutralen Ländern, in der Schweiz und in Schweden angestellt werden! Diese Länder sind schon vor dem zweiten Weltkrieg zu einer außerordentlich starken Defensivrüstung übergegangen. Es wäre also nach den Erfahrungen dieser neutralen europäischen Länder, die dadurch, daß sie auch im zweiten Weltkrieg ihre Neutralität nur durch eine außerordentliche Heeresstärke, durch eine auf den modernsten Stand gebrachte Rüstung wahren konnten, nur konsequent, wenn unsere Neutralitätspolitiker im gleichen Atemzug, in dem sie von Neutralität sprechen, auch eine entsprechend starke Defensivrüstung forderten.
Das tun sie nicht. Während sie von Neutralität sprechen, reden sie auch noch von Kriegsdienstverweigerung und tun damit das, was die Sowjets von ihnen erwarten. Die Sowjets hoffen darauf, daß sie Verbündete finden, die dafür sorgen, daß die Bereitschaft anderer Völker, sich zu verteidigen, von innen her unterwühlt wird.
Man kann nicht entschieden genug sagen, wie verhängnisvoll und wie verantwortungslos diese Neutralitätstheorien, die mit absoluter Waffenlosigkeit Hand in Hand gehen, in ihrer Auswirkung für uns sind.
Betrachten wir unsere Situation nüchtern und objektiv, ohne uns durch Gefühle der Sympathie oder Antipathie stören zu lassen, dann sieht diese Situation so aus, daß unser gegenwärtiger Schutz lediglich auf der Anwesenheit fremder Truppen beruht, vornehmlich — soweit es auf das Machtgewicht ankommt — der Truppen der USA. Denn an der Gegenwart dieser Truppen hängt das Risiko des Weltkriegs für die Sowjets. Entscheidend für die Größe dieses Risikos ist nicht, ob hier 12 oder 18 amerikanische Divisionen stehen, sondern daß hier überhaupt welche stehen und daß die Sowjets mit aller Deutlichkeit wissen: der Angriff auf diese Divisionen bedeutet für sie den dritten Weltkrieg. Darin liegt unser Schutz.
Betrachten wir nun diesen unseren Schutz- und Friedensfaktor USA, dann können wir erfreulicherweise feststellen, daß die Sicherheit für uns seit anderthalb Jahren wesentlich gewachsen ist durch die immerhin bemerkenswerte Defensivrüstung, die die USA endlich durchgeführt haben, nachdem vorher jahrelang eine Abrüstung betrieben worden
war, die schon geradezu unverantwortlich war gegenüber der ständig steigenden Rüstung der Sowjets und der sowjetischen Satellitenstaaten. Die Gefahr, die sich für uns ergeben kann, ist gebannt, solange diese amerikanischen Truppen hier sind. Aber die Gefahr liegt darin, daß das amerikanische Volk sich von der Politik der allumfassenden Friedens- und Freiheitssicherung abwenden könnte, und wenn das nicht allgemein geschehen sollte, dann doch von solchen Ländern, die sich in besonders gefährdeter Lage befinden und dennoch nicht zur Verteidigung bereit sind. Herr Kollege Ollenhauer hat geglaubt, die Ernsthaftigkeit dieses Arguments verkleinern zu dürfen. Aber wie oft haben wir schon sehr plötzliche Umschwünge der Politik in demokratischen Ländern erlebt infolge eines aus mannigfachen Ursachen sich entwickelnden plötzlichen Umschwungs der öffentlichen Meinung?!
Wenn man sagt, so große Fehler könnten die Amerikaner gar nicht machen, sie könnten sich aus ihrem heutigen Engagement für die freiheitliche Welt gar nicht herauslösen, dann muß darauf hingewiesen werden: was haben wir denn in gewissen Abständen erlebt? Nichts als gigantische politische Fehler! Es waren die weitblickenden Politiker im Lager der westlichen Demokratien nach dem ersten Weltkrieg, die voraussagten, daß das Versailler Diktat nach seinem damaligen Inhalt für Europa und die Welt die Gefahr eines zweiten Weltkriegs innerhalb von 30 Jahren heraufbeschwören würde.
Trotz dieser Voraussagen aller weitblickenden Politiker ist der Vertrag, das Diktat, in der Tat so unerbittlich ausgefallen, wie wir es erlebt haben. Wer hätte geglaubt, daß sich im Deutschland der dreißiger Jahre eine Politik auf tyrannischer, diktatorischer Basis durchsetzen würde, die zur Folge hatte, daß für Deutschland 1939 der zweite Weltkrieg begann, während der erste 1918 zu Ende gegangen war?! Wer schließlich hätte 1943 geglaubt, daß entgegen allen Warnungen der amerikanischen Politiker und Freunde Roosevelts sich diese Politik einer völlig illusionären Einschätzung der Sowjets durchsetzen würde, die zu den Abkommen von Jalta und Teheran führte? Woher nimmt man also das Recht, darauf zu vertrauen, daß die schlimmsten Fehler nicht geschehen, daß die USA nicht gegen ihre wohlverstandenen Interessen verstoßen werden? Der Sinn der Außenpolitik kann nur darin gefunden werden, die ungünstigsten Entwicklungen durch Vorkehrungen auszuschließen, die auf sie angelegt sind. Die Völker sind eigentlich nur immer dann von Katastrophen verheert worden, wenn sich ein ruchloser Optimismus durchsetzte, der glaubte, den ungünstigsten Fall vernachlässigen zu können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Abkehr der USA von Ländern, die fortgesetzt enttäuschend auf das amerikanische Volk wirken, ist ein sehr ernsthaftes Motiv, muß ein sehr ernsthaftes Motiv unserer Betrachtungsweise sein, wenn wir nachteiligste Entwicklungen, die für uns wirklich lebensgefährlich wären, ausschließen wollen. Unser Lebensinteresse kann nur darin gefunden werden, daß wir eine weltumspannende Friedensfront mit dem Ziele stärken, die erste Schlacht zu verhindern. Wenn aber der Kriegsfall, der verhindert werden soll, dennoch einträte, weil die Sowjets unter Unterschätzung ihres Risikos angreifen, dann wird
die Gewähr, daß der sowjetische Angriff mit offensiver Verteidigung abgewehrt werden kann, um so mehr gegeben sein, als deutsche Divisionen vorhanden sind.
Es wird kaum möglich sein, die anderen Völker zu bewegen, ein gefährdetes Gebiet zu halten. Aber die Aussicht auf eine offensive Verteidigung mit der Möglichkeit, die erste Schlacht dahin zu verlegen, wohin sie Herr Dr. Schumacher und auch wir für den Fall haben wollen, daß sie nicht vermeidbar sein sollte, hat zur Voraussetzung, daß gerade deutsche Devisionen dabei sind.
Indem wir die Friedensfront der freien Völker stärken, dienen wir dem eigenen Vorteil am meisten. Wären wir auf uns selbst und wären die anderen europäischen Völker auf sich selbst gestellt, so wären wir unter den Auspizien, wie sie heute sind, allesamt früher oder später dem Untergang geweiht. Aber durch die Verbundenheit mit der weiteren atlantischen Gemeinschaft haben die Völker die Möglichkeit, Bedingungen für ihre Wohlfahrt und Sicherheit zu schaffen, die sonst für sie unerreichbar wären. Die Sowjets spekulieren darauf, daß ihnen ihr bester Bundesgenosse erhalten bleibt. Das ist für die Feinde Europas immer die europäische Anarchie, die nationalstaatliche Zersplitterung gewesen. Solange diese Zersplitterung fortbesteht, haben die Sowjets immerhin noch die Hoffnung, daß sich irgendwann einmal für sie eine Chance des Eingreifens bietet, besteht immerhin für sie noch die Hoffnung, daß sie das eine oder andere Volk in ihren Machtbereich hineinbringen können. An dieser Hoffnung hängt die offensive Bedeutung der mitteldeutschen Position der Sowjets, ihrer Position in der sowjetischen Zone Deutschlands. Wir müssen dieser Position die offensive Bedeutung dadurch nehmen, daß wir den Sowjets in Europa die Aussicht auf ein Auseinanderfallen der europäischen Völker, auf das Fortdauern der nationalstaatlichen Zersplitterung, auf das Herauswachsen neuer Konflikte aus dieser Zersplitterung ein für allemal nehmen. Wir haben das im Wirtschaftlichen durch den Schumanplan als einem Anfangspunkt der Entwicklung in dieser Richtung getan. Der Ausgangspunkt für die entsprechende politische Entwicklung ist die Verteidigungsgemeinschaft. Es handelt sich um zwei Seiten derselben Sache, für uns in der Richtung liegend, uns nicht nur die Sicherheit gegen sowjetische Übergriffe zu geben, sondern darüber hinaus die mitteldeutsche Position der Sowjets zu entwerten.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ein sehr großer Irrtum, ja es ist eine Lüge, zu behaupten, man glaube, die Sicherungsmaßnahmen seien entbehrlich oder müßten zurückgestellt werden, bis ein hinreichender Grad sozialer Wohlfahrt sichergestellt sei. So sehr wir darum bemüht sind, den Lebensstandard zu erhöhen, — je mehr er erhöht wird, um so verlockender wird für die Sowjets ein Eingreifen in die westeuropäischen Gebiete, um so verlockender wird die Beute. Aber umgekehrt: um so gefährlicher für sie ist eine prosperierende Entwicklung in Westeuropa, weil die Differenz im Lebensstandard ständig größer wird. Deshalb ist der Schutz unentbehrlich.
Es gibt ein Argument, das von vielen Leuten zur Zeit ausgesprochen wird, die zweifellos keine Kommunisten sind, aber einen unglücklichen Hang zu Zukunftsspekulationen haben. Das Argument geht dahin, es wäre, wenn sich nun die gesamten westlichen Völker zusammenschließen, eine Entwicklung vorstellbar, daß der Zeitpunkt herannahe, zu dem die USA zu einem Präventivkrieg schreiten könnten. Nun haben entgegen der sowjetischen Macht die USA keine Präventivkriege geführt. Das Gerede vom Präventivkrieg der USA wird von denselben Leuten in Lauf gesetzt, die seit 1946 jede Gelegenheit zu Aggressionen wahrgenommen haben. Die Amerikaner sind 'von einer außerordentlich starken Zuversicht getragen, daß es immer noch andere Möglichkeiten als die des Krieges gibt, um schwierige Situationen zu meistern. Aber gesetzt den Fall, die USA wären eines Tages bereit, einen- Präventivkrieg zu führen, wäre dann — frage ich Sie — die abhaltende Kraft der europäischen Völker diesem Willen gegenüber größer oder geringer je nach dem, ob sie sich auf eigene Divisionen stützen könnten oder nicht? Ich glaube, diese Frage stellen, heißt sie in dem Sinne zu beantworten, daß, falls ein Präventivkrieg vom Westen her einmal in den Bereich der Wahrscheinlichkeit rücken sollte, dann gerade die europäischen Divisionen eine außerordentlich starke inhibierende Wirkung haben könnten. Dafür müssen aber diese Divisionen erst einmal da sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Frage spitzt sich dahin zu: Jetzt schon oder in absehbarer Zeit? Ist die Verteidigungsgemeinschaft so aktuell, daß man sie für die nächste Zeit in Betracht ziehen muß? Kollege Ollenhauer verneinte die Dringlichkeit des Zeitmoments. Sie kann aber nicht geleugnet werden, wenn man ins Auge faßt, was in der sowjetischen Welt kraft eines Kommandos für den riesigen Raum geschieht, und wenn man demgegenüber erblickt, wie schwer es fällt, die europäischen und die andern Völker der Welt zu einigen, wie mühsam doch alle Fortschritte sind; bis nur die ersten Integrationsmaßnahmen in Europa zum Tragen kommen.
Seit anderthalb Jahren wird über den Schumanplan verhandelt, und noch trennt uns, nachdem er jetzt ratifiziert ist, längere Zeit von dem Beginn seiner Wirksamkeit. Man muß also, wenn man einerseits die Schnelligkeit des Handelns unter dem diktatorischen Kommando im sowjetischen Bereich und andererseits die Langsamkeit freiheitlichen Entwicklungstempos in der demokratischen Welt betrachtet, Sorgen haben. Wir hoffen aber zuversichtlich, daß gerade diese Aussprache dazu beiträgt, in den weitergehenden Verhandlungen jene politischen Momente zur Auslösung zu bringen, die im bisherigen Verlauf der Verhandlungen meines Erachtens noch nicht gebührend gewürdigt worden sind.
Die zweite Frage, die unter dem Gesichtspunkt „bald" eine Rolle spielt: Ist der Schirm der ausländischen Divisionen inzwischen stark genug geworden? Dem Hinweis des Kollegen Ollenhauer, daß die Stärke des Schirms noch nicht ausreichend sei, muß man folgendes entgegenhalten. Die effektive Wirkung dieses Schirms ausländischer Divisionen hängt nicht allein von den Erdtruppen, diesen 131/2 Divisionen Engländer, Kanadier, Franzosen, Belgier und Amerikaner ab, sondern es ist wesentlich, in welcher Zeit eine operative Luftwaffe mit Atombomben zum Eingreifen gebracht werden kann. Davon abgesehen liegt, wie ich erneut hervorheben darf, der eigentliche Schutz dieser Besatzungsdivisionen zur Verhütung eines dritten
8132 Deutscher Bundestag — 19o. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den. Februar 1992
Weltkrieges darin, daß mit ihrer Anwesenheit das Wissen für die Sowjets verbunden ist: ein Angriff auf diese Divisionen löst den Weltkrieg aus. Das Risiko eines Weltkrieges haben die Sowjets inden vergangenen Jahren nicht tragen wollen. Es wäre vor anderthalb Jahren für sie sehr viel naheliegender gewesen als jetzt. Jeder Tag, der weiter vergeht, der die Defensivrüstung der westlichen Welt stärker zum Tragen bringt, macht es unwahrscheinlicher, daß die Sowjets das Risiko eines dritten Weltkrieges tragen wollen, der durch eine Angriffsaktion ausgelöst wird.
Sollen wir uns abwartend verhalten bis zu dem Zeitpunkt, in dem die deutsche Einheit wiederhergestellt ist? Dann würde sie nie wieder hergestellt;
denn die Sowjets haben gar keinen Anlaß, unseren Forderungen entgegenzukommen. Sie sehen im Augenblick keinen Anlaß, ernsthaft zu verhandeln. Sie stehen jetzt noch zu der Linie, ihre offensive Position in Mitteldeutschland durch eine schädigende Propaganda in Westdeutschland möglichst stark auszubauen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wünschen sehr, die entscheidenden Verhandlungen würden recht schnell die Voraussetzungen sicherstellen, von deren Vorhandensein der Wert der wiedererstehenden deutschen Truppen abhängt. Denn es liegt im europäischen Interesse, daß der deutsche Soldat der Zukunft die innere Gewißheit hat, er dient der Sicherstellung einer europäischen Ordnung, die auf gleiches Recht zum Schutze derselben Freiheit für jeden einzelnen Teilnehmer gegründet ist.
Die innere Gewißheit muß jedem deutschen Soldaten gegeben werden, daß die Vergangenheit abgeschlossen ist, daß es keine Sieger und Besiegten mehr, sondern nur noch Kameraden für die gemeinsame große Sache gibt, die in der Lebenssicherung aller europäischen Völker liegt. Die Streitkräfte des Westens haben keinen Platz für Soldaten zweiter Klasse, sie haben keinen Platz für Repräsentanten einer zweitklassigen Moral. Militärs haben das schon immer gewußt; Militärs sind gewöhnt, auf die Realitäten abzustellen; sie wissen, was für den effektiven Verteidigungswert eines Soldaten seine Moral bedeutet. Deshalb ist es kein Zufall, daß es unter den Ausländern Eisenhower war, der als erster und in unzweideutiger Form die These verkündet hat, dem deutschen Volke müsse die Gleichberechtigung in dem Augenblick gewährt sein, wo eine Verteidigungsverpflichtung für dieses Volk wirksam werden soll.
Wie soll das Gefühl der europäischen Kameradschaft zwischen den Angehörigen der Divisionen aus den verschiedensten Teilnehmerstaaten entstehen können, wenn auch heute noch Deutsche festgehalten werden, deren Verurteilung auf sehr zweifelhaften Rechtsgrundsätzen beruht und unter Anwendung sehr zweifelhafter Methoden der Rechtsfindung zustande kam, oder gar, wenn noch Deutsche festgehalten werden, denen überhaupt noch kein Prozeß gemacht wurde?
Sieben Jahre fast nach Einstellung der Kampfhandlungen wurde ihnen noch nicht die Anklage zugestellt. Wie dürftig muß das Beweismaterial sein, daß es in sieben Jahren nicht gelang, den Prozeß in Gang zu bringen und ein fundiertes Urteil in die Welt zu setzen!
Über diese Dinge muß hier mit großer Entschiedenheit gesprochen werden. Wir sprechen damit nicht für Menschen, die nach alten international anerkannten Rechtssätzen, auch nach deutschem Urteil sich unzweifelhaft schwerer Verbrechen schuldig gemacht haben. Aber es ist nicht zu rechtfertigen, daß z. B. deutsche Soldaten festgehalten werden, die nichts anderes taten, als ihr Leben und das ihrer Kameraden gegen die heimtückische Kriegführung von Zivilisten zu 'schützen.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß neue deutsche Truppen unter den Fenstern des Gefängnisses von Werl vorbeimarschieren, solange da außer den Generalfeldmarschällen von Manstein und Kesselring viele verdiente Offiziere und gemeine Leute sitzen, denen man nichts anderes nachsagen kann, als daß sie von Möglichkeiten der Kriegsführung Gebrauch gemacht haben, die gegeben sein müssen, auch nach internationalem Recht gegeben sind, um einfach das blanke Leben gegen eine heimtückische, grausame Kriegführung sicherzustellen. Schließlich konnten sich auch die amerikanischen Truppen in Korea in der Auseinandersetzung mit heimtückischen, grausamen Banditen nicht anders zur Wehr setzen. Diese Dinge müssen klar angesprochen werden. Es war Lord Hankey, der vor nicht allzu langer Zeit im englischen Unterhaus gesagt hat, kein Engländer würde es gutheißen, wenn sich England mit Völkern verbände, die noch Engländer von einem vergangenen Kriege her in Gefangenschaft hielten.
Erst in diesen Tagen hat sich der bedeutende englische Jurist und Unterhausabgeordnete Paget gegenüber der „Deutschen Rundschau" in einem Interview geäußert, in dem es heißt — ich darf mit Genehmigung des Herrn Präsidenten den entsprechenden Passus vorlesen -:
Wenn die Alliierten wollen, daß ehrenhafte deutsche Männer aus freiem Willen in einer europäischen Armee dienen, nicht bloß Abenteurer und Söldner, dann sollen sie dafür sorgen, das Manstein und diejenigen unter seinen Mitgefangenen, die nicht wegen persönlicher Vergehen ins Gefängnis geworfen wurden, in Freiheit gesetzt werden. Man kann nicht erwarten, daß ein ehrenhafter Deutscher unter Oberbefehlshabern dient, welche Nationen angehören, die seine früheren Kommandeure im Gefängnis halten aus Gründen, die er und viele Leute außerhalb Deutschlands nicht für Gründe der Gerechtigkeit halten.
Diesen Äußerungen eines Engländers habe ich nichts hinzuzufügen.
Der zweite herbe Punkt, in dem während der Verhandlungen der nächsten Wochen Wandel geschafft werden muß — und ich möchte wünschen, daß der Wandel schnell geschieht —, ist der Inhalt des Generalvertrags und der Inhalt der Zusatzabkommen zum Generalvertrag. Wir wissen es sehr zu schätzen, daß der Vertrag über die Verteidigungsgemeinschaft die Gleichberechtigung in einem ganz anderen Maße verwirklicht hat als nach dem gegenwärtigen Verhandlungsstand der Generalvertrag und seine Zusatzabkommen. Wenn die Voraussetzungen für die Verteidigungsgemeinschaft geschaffen werden sollen, wird es erforderlich sein, hier noch in vielen Vertragspunkten einen gründlichen Wandel herbeizuführen.
Die Verbindung zwischen Ablösung des Besatzungsstatuts und Verteidigungsgemeinschaft ist ein ursprünglich von den Alliierten aufgestelltes Junktim. Nun, im Gegensatz zu dem Kollegen Ollenhauer haben wir nichts gegen dieses Junktim. Wir verstehen es aber so, wie man es vom deutschen Standpunkt allein verstehen kann, nämlich dahin: die Ablösung des Besatzungsstatuts unter vertraglichen Umständen, die die Wiederherstellung der deutschen Gleichberechtigung bieten, muß in dem Augenblick gewährleistet sein, wo die Verteidigungsgemeinschaft zustande kommt.
Der Inhalt des Generalvertrages wird für jeden Deutschen entscheidenden Aufschluß über die Entschiedenheit des Willens unserer zukünftigen Partner geben, die deutsche Gleichberechtigung herzustellen. Befriedigend kann der Vertragsinhalt danach nur sein, wenn die Gleichberechtigung nach Lage der Umstände im höchstmöglichen Maße hergestellt ist. Wir sind bereit, in demselben Maße auf Souveränitätsrechte' zu verzichten wie andere Völker. Wir haben das bereits beim Schumanplan bewiesen. Wir werden es bei der Verteidigungsgemeinschaft wieder beweisen. Wir beweisen es in der Bereitschaft zu einem europäischen Bund. Aber wir sind nicht bereit, in einem größeren Maße, als es nach den Umständen geboten ist, auf die Wiederherstellung der Souveränität zu verzichten und damit eine gegenüber den anderen Völkern ungleiche Lage einzunehmen. Insbesondere darf der Vertragsinhalt nicht eine Umkleidung für die Fixierung besatzungsrechtlicher Vergangenheit werden.
Man muß sagen, nach dem gegenwärtigen Stande ist die Gesamtheit der vorläufigen Ergebnisse zu sehr vergangenheitsbezogen, noch zu sehr von der Absicht der Alliierten getragen, die Vergangenheit einzufrieren. Wir empfinden das insbesondere in folgenden Punkten, die nur beispielhaft erwähnt seien. Im Truppenvertrag muß sichergestellt werden, daß wir die Unterhaltsleistungen durch deutsche Behörden sichern lassen, daß wir von dem Requisitionssystem abkommen. In den Übergangsbestimmungen zum Generalvertrag ist der sehr lobenswerte Grundsatz verankert, daß das Besatzungsrecht zur freien Disposition des Gesetzgebers steht. Aber es gibt Ausnahmen, die sich auf Programmpunkte der Vergangenheit beziehen und bis zur Erreichung ihres Zwecks in Kraft bleiben sollen, derart daß sie vom deutschen Gesetzgeber nicht ohne alliierte Zustimmung aufgehoben werden können. Auch mit einer solchen Betonierung vergangenheitsbezogener Programme würden wir nicht einverstanden sein können.
Darüber hinaus droht die Gefahr, daß für ausländische Vermögen in Deutschland Privilegien geschaffen bzw. frühere Privilegien ausgebaut werden. Wir können es nicht für gut halten, ausländisches Vermögen für etwa sechs Jahre — oder seien es auch nur drei Jahre — vom Lastenausgleich zu befreien.
Es droht zum letzten die Gefahr, daß in die Zusatzabkommen zum Generalvertrag Regelungen einbezogen werden, die dem Friedensvertrag vorbehalten sein sollten, wie beispielsweise die Reparationen. Es wäre die unglücklichste Verbindung, die man sich vorstellen könnte, der Vorgriff auf eine Zukunft, die am besten jetzt noch nicht ge-
regelt wird, und die Zementierung einer Vergangenheit, die jetzt überwunden werden müßte.
Es liegt uns sehr am Herzen, daß die Finanzierung des Verteidigungsbeitrages auf eine Weise erfolgt, daß wir nacht übermäßig mit Lasten beschwert sind, die unsere wirtschaftliche Erholung und unsere soziale Sicherung gefährden. Es wäre unseres Erachtens unter keinen Umständen tragbar, wenn uns eine Finanzierung auferlegt würde, die wir nicht anders bewältigen könnten als durch die Erhöhung jetziger Steuern oder aber durch die Einführung neuer Steuern, also durch eine Vergrößerung der Steuerlast, die ohnehin in Deutschland schon bei weitem höher ist als in jedem anderen Lande der westlichen Welt. Schließlich erbringen wir trotz der ungeheuren Belastungen, die der Krieg uns gebracht hat — 91/2 Millionen Heimatvertriebene und Ostvertriebene, 31/2 Millionen Kriegsversehrte, Kriegerwaisen und Kriegerwitwen sowie 21/2 Millionen zerstörte Wohnungen —, einen ganz außerordentlichen Sicherheitsbeitrag nicht nur für uns, sondern für die Gesamtheit der europäischen Völker und letzten Endes für die Gesamtheit der westlichen Welt dadurch, daß wir diese Notstände weiterhin mit der Kraft und Entschlossenheit bekämpfen, wie wir es bisher getan haben.
Das darf uns nicht mehr erschwert werden. Es wäre der Gesamtheit der Völker Europas nicht gedient, wenn außer ein paar Divisionen deutscher Soldaten Armeekorps deutscher Verelendeter über das heute schon vorhandene Maß hinaus entstünden.
Wir vertreten deshalb nicht ein deutsches, sondern ein gesamteuropäisches Lebensinteresse, wenn wir mit Nachdruck hervorheben, daß eine Überspitzung der Belastung Deutschlands mit finanziellen Anliegen zur Bewältigung des Verteidigungsbeitrages ein Verfahren ist, das sich gegen Europa selbst richtet.
Wir halten es für unerläßlich, daß die Bundesrepublik möglichst bald Mitglied der NATO wird. Sollten im Augenblick nicht bereits alle dafür zu gewinnen sein, dann, meine ich, müßte doch in den nächsten zwei Monaten sichergestellt werden, daß uns die Aufnahme für den Fall des Beginns der Wirksamkeit der europäischen Verteidigungsgemeinschaft auf eine verbindliche Weise in Aussicht gestellt oder zugesichert wird. Man muß sich darüber im klaren sein, es fallen wichtigste Beschlüsse militärischer und politischer Art über die Kommandostellen der NATO, die ihrerseits in den wichtigsten Fragen durch einstimmige Beschlüsse des Ministerrates der NATO gedeckt sind. Es ist uns nicht zumutbar, auf die Dauer im Gegensatz zu allen anderen Mitgliedern der europäischen Verteidigungsgemeinschaft, die auch direkt Mitglieder der NATO sind, als einziger Staat auf die Mitgliedschaft in der NATO zu verzichten.
Lassen Sie mich zum Schluß noch ein paar Worte zur Saarfrage sagen. Ich glaube nicht, daß die Sozialdemokratie ein inneres Anrecht darauf hat, zu sagen, sie habe die Entwicklung richtig gesehen. Wir wußten, daß angesichts der mangelnden Bereitschaft der großen Mächte eine Lösung der Saarfrage noch nicht zu erreichen war. Wir haben uns
aber dessen ungeachtet nicht .daran hindern lassen, die europäische Integration voranzutragen. Ich glaube, das hat Deutschland nicht geschadet, sondern das hat die deutsche Position ganz entschieden gestärkt.
Die moralische Position in der Vertretung unserer berechtigten Anliegen hat sich gebessert. Unser Anliegen ist nicht überspitzt. Unser Anliegen bedeutet nicht, daß die Saarfrage jetzt endgültig gelöst wird,
sondern es bedeutet, daß, wenn denn ein so provisorischer Zustand bestehen soll, dieser zunächst einmal so gestaltet wird, daß er den einseitigen Beeinflussungen Frankreichs zu seinem Vorteil und unseren Lasten entzogen wird.
— Eine der wichtigsten Voraussetzungen, Herr Mellies, die da erst einmal auch als Voraussetzung einer späteren endgültigen Lösung zu schaffen ist, ist die Herstellung einwandfrei demokratischer Verhältnisse an der Saar, die Herstellung staatsbürgerlicher Rechte und Freiheiten, die Beendigung des Zustands, daß Deutsche deshalb verfolgt werden, weil sie sich zu Deutschland bekennen.
Ich glaube, daß jetzt eine Vereinbarung erreichbar ist, die es ausschließt, daß einseitige Tatsachen, die Frankreich schafft, ohne vorher irgend jemand gefragt oder verständigt zu haben, eine Quelle dauernder Beunruhigung bleiben. Die europäische Integration darf nicht durch eine einseitige Beeinflussung der Verhältnisse an der Saar im nationalstaatlich-egoistischen Interesse Frankreichs dauernd zu unseren Lasten verändert werden können. Ich glaube, unser moralischer Anspruch darauf, daß das sichergestellt wird, Herr Mellies, hat sich gerade dadurch entschieden verbessert, daß wir den Schumanplan abgeschlossen haben. Unsere internationale Position ist dabei besser geworden.
Herr Kollege Ollenhauer hat so etwa gesagt, wenn die Gleichberechtigung nicht gegeben sei, so werde seine Fraktion der Verteidigungsgemeinschaft nicht zustimmen. Umgekehrt darf man daraus schließen, daß, wenn die Gleichberechtigung gegeben ist, dann auch die Zustimmung gegeben wird. Nun, unsere Meinung ist keine andere, nur wünschen wir, daß die Verhandlungen beschleunigt werden und einen entscheidenden politischen Impuls bekommen, damit sich ein neuer Geist durchsetzt, der auf der Ebene der Berater und Berichterstatter häufig nicht zu finden war. Wir wissen, was davon abhängt: der Sieg der politischen Vernunft, der zugleich der Sieg der Zukunft über die Vergangenheit sein wird.