Rede von
Walter
Brookmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben den Bericht des Herrn Bundeskanzlers über die Behandlung der deutschen Frage durch die Vereinten Nationen mit großer Befriedigung zur Kenntnis genommen. Wir haben diesem Bericht entnehmen dürfen, daß Deutschland in der Welt jetzt doch wieder eine gewisse Achtung genießt, daß das Vertrauen zu Deutschland in der Welt im Steigen begriffen ist, und wir sind mit der Bundesregierung glücklich darüber, daß die Behandlung der deutschen Frage, der Frage der Wiedervereinigung, von der Tagesordnung der Vereinten Nationen nun nicht mehr herunterkommen kann.
Ich will mich jetzt mit der von Herrn Bundesminister Kaiser verlesenen Regierungserklärung beschäftigen und insbesondere mit deren Kern, nämlich der Wahlordnung, die dem Hohen Hause bekanntgegeben wurde. Es handelt sich um die Drucksache Nr. 3063 die den Entwurf eines Ge- setzes über die Grundsätze für die Freie Wahl einer Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung enthält. Es sollte in diesem Hause eigentlich nicht notwendig sein, über eine Wahlordnung, die nach demokratischen Prinzipien aufgestellt ist, irgend etwas zu sagen. Ich halte es aber für notwendig im Hinblick darauf, daß auf der äußersten Linken einige Damen und Herren sitzen, die diese Prinzipien einer demokratischen Wahlordnung nicht kennen. Es sei mir daher gestattet, in Ergänzung dessen, was Herr Bundesminister Kaiser an wesentlichen und entscheidenden Punkten aus der Wahlordnung behandelt hat, noch auf einige Punkte hinzuweisen.
Nach Art. 1 sollen in den vier Besatzungszonen Deutschlands und in Groß-Berlin freie, geheime, allgemeine, gleiche und direkte Wahlen zu einer Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung stattfinden. Einige wesentliche Punkte, die Herr Bundesminister Kaiser aus dieser Wahlordnung nicht genannt hat, sind folgende. Die Freiheit der politischen Betätigung zur Vorbereitung und Durchführung der Wahl muß gewährleistet sein. Alle Beschränkungen im Personenverkehr zwischen den Besatzungszonen einschließlich Groß-Berlins sind spätestens drei Monate vor der Wahl aufzuheben. Jedem Wahlbewerber muß die unbedingte persönliche Freiheit gewährleistet sein. Die Verbreitung von Zeitungen, Zeitschriften und sonstigem Druckmaterial, die in einem deutschen Lande erscheinen, sowie der Empfang von Rundfunksendungen sind im ganzen Wahlgebiet ungehindert zuzulassen. Das Wahlgeheimnis ist zu gewährleisten. Vorbereitung und Durchführung der Wahl haben unter internationalem Schutz und unter internationaler Kontrolle zu stehen. Über die Aufgabe der Nationalversammlung hat der Herr Bundesminister Kaiser bereits Auskunft gegeben.
Mein Herr Vorredner hat schon darauf hingewiesen, daß die sogenannte Deutsche Demokratische Republik vor kurzer Zeit ebenfalls eine sogenannte Wahlordnung vorgelegt hat. Herr Wehner hat mit Recht gesagt, sie sei sehr umfangreich und umfasse 5 große Abschnitte mit insgesamt 48 Paragraphen. Bei näherer Betrachtung müssen wir jedoch feststellen, daß dieser Wahlgesetzentwurf lediglich Bestimmungen über die Technik des Wahlvorgangs enthält, nicht aber die Garantie für eine echte, unbehinderte Durchführung des Wahlkampfes und der Wahlhandlung selbst. Vorbereitung und Durchführung der Wahl sollen einem zentralen Wahlausschuß obliegen, der durch gesamtdeutsche Beratungen gebildet werden soll.
Meine Damen und Herren, wir haben von jener Seite statt eines Bekenntnisses zur Abhaltung von Wahlen für die Wiedervereinigung Deutschlands immer nur etwas von gesamtdeutschen Beratungen gehört. Was von solchen gesamtdeutschen Beratungen zu halten ist, darüber brauche ich hier nichts zu sagen. Bisher waren es jedenfalls nur leere Deklamationen. Was wir wollen, ist nichts weiter, als so schnell wie möglich zu einer Verfassunggebenden Deutschen Nationalversammlung zu wählen. Wir wollen nicht reden, wir wollen nicht beraten. Ich gehe nicht so weit wie Herr Abgeordneter Wehner, der meinte, über gewisse technische Einzelheiten könne man mit den Herren in der Sowjetzone beraten. Nein, nicht einmal das: denn wir wissen ja, was bei solchen Beratungen auf höchster internationaler Ebene bisher herausgekommen ist.
Wir wollen also nicht beraten, weil wir wissen. daß am Schluß dieser Konferenzen stets nichts weiter steht als ein zynisches Nein, sondern wir wollen wählen. Wir wollen aber nicht nur zu einer
Deutschen Nationalversammlung wählen, sondern wir wollen bei dieser Gelegenheit uns gleichzeitig auch zu einem vereinten Europa bekennen.