Rede von
Dr.
Ludwig
Preller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 27 hat sich durch die Entwicklung der Dinge zum Kern der Frage der Selbstverwaltung entwickelt. Wir dürfen wohl feststellen, daß es ein Grundrecht der Selbstverwaltung in allen Selbstverwaltungskörpern ist, ihre entscheidenden Funktionäre selbst auszuwählen. Wir kennen diesen Grundsatz in dem deutschen Gemeinderecht. Wir haben eine entsprechende Bestimmung in der Selbstverwaltung der Sozialversicherung, wo der Geschäftsführer von den Selbstverwaltungsorganen gewählt wird und die Behörde nur teilweise ein
Bestätigungsrecht hat. In diesem Gesetz soll es aber nun nach dem Willen der Regierungsparteien anders sein. Die Präsidenten der Bundesanstalt und der Landesarbeitsämter sollen von der Bundesregierung vorgeschlagen werden. Das Selbstverwaltungsorgan der Bundesanstalt, in diesem Falle also der Verwaltungsrat, braucht nur angehört zu werden.
Nun ist im Ausschuß, worüber ja der Berichterstatter berichtet hat, noch ein Zusatz gemacht worden, nach dem die Bundesregierung von der Stellungnahme des Verwaltungsrates nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes abweichen kann oder soll. Aber selbst dieses angebliche Entgegenkommen ist durch die Erklärung eines Mitglieds der Regierungskoalition wieder entwertet worden, daß es Sache der Bundesregierung selbst sein müsse, festzustellen, ob ein wichtiger Grund vorliege. Dies ist noch verschärft worden durch den weiteren Zusatz, daß diese Feststellung der Bundesregierung keiner gerichtlichen Nachprüfung unterliegen dürfe. Der Ausschuß hat dann mit Mehrheit dieser Fassung und dieser Stellungnahme zugestimmt.
Meine Damen und Herren, damit hat die Bundesregierung praktisch freie Hand in der Auswahl des Präsidenten der Bundesanstalt selbst und der Präsidenten der Landesarbeitsämter. Die entscheidende Position der Selbstverwaltung wird dadurch nach unserer Auffassung illusorisch gemacht, und dies, obwohl doch die Bundesregierung im Verwaltungsrat — nachdem wir die Dreiteilung beschlossen haben — nach der Vorlage von den dreizehn Mitgliedern der öffentlicher Körperschaften fünf selbst stellt. Ich glaube, wir sollten hier offen aussprechen, daß dahinter doch ein sehr eindeutiger politischer Wille steht; denn daß sachlich gegen die jetzigen Präsidenten der Landesarbeitsämter etwas einzuwenden ist, kann, glaube ich, nicht behauptet werden.
haben aber nun dadurch die Möglichkeit, auch die Tätigkeit dieser Herren zu überprüfen. Es wäre begreiflich, wenn es sich um die Besetzung der entscheidenden Stellen der Bundesanstalt nach organisationspolitischen Gesichtspunkten handeln würde, also etwa in der Aushandlung zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen. Aber gerade wenn das als Selbstverwaltung angesehen würde, müßte das Selbstverwaltungsorgan — also eben der Verwaltungsrat — die Hauptentscheidung selbst zu fällen haben. Wie dagegen hier die Regelung vorgeschlagen worden ist, kann es sich doch praktisch nur darum handeln, in der Sache bewährte Männer nach anderen Gesichtspunkten noch einmal zu überprüfen.
Dazu kommt noch etwas anderes. Der Vorschlag, wie er nach der Ausschußfassung vorgesehen ist, knüpft insbesondere den Präsidenten der Bundesanstalt viel stärker mit der Bundesregierung zusammen als mit dem Selbstverwaltungsorgan. Die Meinung der Bundesregierung muß für diesen Präsidenten — so, wie die Dinge hier gestaltet sind — wesentlicher sein als die eines — nur anzuhörenden — Verwaltungsrates. Damit bekommt dieser Präsident ein behördliches, ja, ich möchte
fast sagen, ein autoritatives Gesicht. Wenn man die Fassung des jetzigen § 27 ansieht, kann man sich den künftigen Präsidenten in etwa vorstellen. Er wird voraussichtlich eine etwas autoritative Fär-
bung haben, und bei aller Qualifikation, die er sicherlich mitbringen wird, wird er doch der Bundesanstalt seinen voraussichtlich sehr eigenwilligen Stempel aufzudrücken versuchen. Gewiß, das Wesen und der Wert der ihm gegenüberstehenden Selbstverwaltung werden damit vielleicht sogar gestärkt. Sie wird sich gegenüber einem solchen Präsidenten noch stärker durchzusetzen versuchen. Aber sollte man nicht besser vorher in der Gesetzgebung selbst eine Übereinstimmung zwischen Verwaltungsrat und Regierung herstellen, anstatt hier im Plenum durch etwas, was doch nur das Ergebnis einer Kampfabstimmung sein kann, die Bundesanstalt sowie ihren Präsidenten von vornherein mit einer, wie wir glauben, nicht leichten politischen Hypothek zu belasten?
Es ist seinerzeit gesagt worden, diese Regelung, wie sie vorgeschlagen worden ist, sei notwendig wegen der erheblichen Hoheitsrechte, die die Bundesanstalt wahrzunehmen habe, und diese Rechte bedingten vor allem, daß der Präsident, der ja ein Beamter sein soll, insbesondere auch mit der Bundesregierung verbunden sein müsse. Meine Damen und Herren, dieses Argument ist erst im Ausschuß geboren worden. Die Bundesregierung hatte bei ihren ersten Vorschlägen an diese Dinge gar nicht gedacht und in diesen ihren ersten Vorschlägen noch die, wie wir glauben, echte Selbstverwaltung auch in diesem Paragraphen vorgesehen.
Hinzu kommt doch noch, daß, wie wir wissen, der Bundesrat gerade auf diesem Gebiet einen eindeutigen Willen hat. Soll nun etwas, das man doch eigentlich nur als ein Satyrspiel bezeichnen kann — nämlich das Spiel zwischen Annahme und Ablehnung durch Bundestag und Bundesrat —, sich noch einmal oder vielleicht sogar mehrere Male wiederholen? Ich glaube, daß die Bevölkerung — also die Gewerkschaftler und auch die Arbeitgeber — wenig Verständnis dafür haben werden. Ich erinnere daran, daß Herr Dr. Erdmann, der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, im vorigen Jahr in der Arbeitsrechtszeitschrift ausdrücklich mit Bezug auf diesen § 27 darauf hingewiesen hat, daß bei einer Fassung wie der jetzt vorgeschlagenen ,das Schwergewicht der Verwaltung der künftigen Anstalt letztlich doch wieder auf den Behördenaufbau" fallen würde. Wollen wir tatsächlich durch eine wegen politischer Ziele heraufbeschworenen Entscheidung eventuell die Errichtung der Bundesanstalt noch einmal verzögern? Wollen wir damit eine einheitliche Arbeitsmarktpolitik hinausschieben und wollen wir die sozialpolitische Selbstverwaltung an einer wichtigen Stelle aushöhlen, was meines Erachtens niemand von uns gutheißen kann? Wir Sozialdemokraten jedenfalls können uns mit einer Politik dieser Art nicht einverstanden erklären. Wir haben deshalb den Vorschlag des Vermittlungsausschusses aufgegriffen, der Ihnen ja vorliegt, und möchten an Sie den sehr ernsten Appell richten: Versetzen Sie der sozialpolitischen Selbstverwaltung nicht diesen Schlag, der ihr versetzt würde, wenn der § 27 in der Ausschußfassung angenommen würde. Das Recht der Selbstverwaltung sollte uns allen doch höher stehen als augenblickliche taktische Erfolge.