Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 16. November 1951 hat das Bundeskabinett beschlossen, beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu beantragen, die Kommunistische Partei Deutschlands für verfassungswidrig zu erklären und sie aufzulösen. Seitdem ist das Vorverfahren in dieser Sache in Gang gekommen. Am 8. Dezember wurde der Kommunistischen Partei die Antragsbegründung der Bundesregierung zugestellt. Innerhalb der gesetzten Frist hat sich die Kommunistische Partei zu dieser Antragsbegründung der Bundesregierung geäußert. Sie hat ihrerseits den Antrag gestellt, den Antrag der Bundesregierung als unzulässig und unbegründet zurückzuweisen und demgemäß keine Verhandlung durchzuführen.
Schon die Methode, die die Bundesregierung bei diesem Vorverfahren angewandt hat, ist bezeichnend für den ganzen Charakter der Angelegenheit. In ihrer Schrift spricht sie von Beweisdokumenten, und bei der Einreichung ihres Antrages hat sie erklärt, sie werde dem Bundesverfassungsgericht die erwähnten Beweisdokumente unverzüglich nachreichen. Ich stelle hier fest, daß bis zum heutigen Tage, also 10 Tage nach Ablauf der meiner Partei für eine Rückäußerung gesetzten Frist, es die Bundesregierung nicht für nötig gehalten hat, dem Verfassungsgericht diese Beweisdokumente vorzulegen.
Das ist wohl Ausdruck der 'Geringschätzung, die die Bundesregierung der rechtlichen Seite dieser Sache und damit auch dem Bundesverfassungsgericht selbst entgegenbringt. Für sie genügt es offenbar, daß die Amerikaner ein Verbot wollen; damit glaubt sie sich jeder Sorge enthoben, für ihre Behauptungen das entsprechende Beweismaterial beizubringen.
Warum bringen wir diese Angelegenheit vor den Bundestag? Weil wir der Meinung sind, daß es sich hier nicht um die Sache einer Partei allein handelt, weil wir der Meinung sind, daß es sich um eine Frage nicht nur von nationaler, sondern darüber hinaus von großer internationaler Bedeutung handelt.
Der Parteivorstand der Sozialdemokratischen Partei hat im November unmittelbar nach Bekanntwerden der Absicht der Bundesregierung eine Erklärung in dieser Sache herausgegeben. Darin hat er erklärt:
Der Antrag, die Kommunistische Partei zu verbieten, erhält seine besondere Bedeutung noch dadurch, daß er in einem Augenblick erfolgt, in dem das Thema der deutschen Einheit auf der politischen Tagesordnung steht. Die Einheit darf nicht durch die Anwendung falscher Mittel in der notwendigen Bekämpfung der Kommunistischen Partei vereitelt oder auch nur erschwert werden.
Ich möchte mich nicht länger dabei aufhalten, daß es die Sozialdemokratische Partei für angebracht hält, bei einem solchen Anlaß auf die gleiche Pauke zu hauen wie die Bundesregierung. Aber immerhin muß unterstrichen werden, daß auch diese Partei das Vorgehen der Bundesregierung für unvereinbar mit der politischen Situation hält und darum dagegen ist. Ich bin gespannt, ob die sozialdemokratische Fraktion dieses Hauses zu dieser ihrer damals geäußerten Stellungnahme auch heute stehen wird.
Die Bundesregierung will mit scheinjuristischen Mitteln eine politische Entscheidung erzwingen, zu der sie von amerikanischer Seite her inspiriert worden ist.
Als im November die Dinge zum ersten Male in der Presse kommentiert wurden, lasen wir einen interessanten Hinweis, nämlich, daß zwei der Hohen Kommissare der Bundesregierung von diesem Verfahren abgeraten hätten. Da wir aber in der Bundesrepublik drei dieser hohen Herren haben, läßt sich leicht ausrechnen, daß der Dritte im Spiele eine andere Empfehlung gegeben hat, und ich glaube, es ist nicht daneben geraten, wenn ich sage, daß dieser dritte Herr, der der Bundesregierung diese Empfehlung gegeben hat, Mr. McCloy heißt.
Es ist auch kein Zufall, daß der Verbotsantrag der Bundesregierung gerade . mit einer Reihe schärfster Aggressionen der amerikanischen Kriegstreiber gegen die deutsche Nation zeitlich zusammenfällt. Es ist doch kein Zufall, daß wir diese Sache zur gleichen Zeit erleben, in der Dr. Adenauer hinter dem Rücken des deutschen Volkes und selbst des Bundestages mit den westalliierten Regierungen Verhandlungen über die Bereitstellung von Menschen und Material für die amerikanischen Kriegspläne führt. Den sogenannten Generalvertrag wollte man in Washington noch vor Weih-
7932 Deutsche- Bundestag — 186. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. Januar 1952
nachten unter Dach und Fach bringen, das westdeutsche Wehrgesetz sollte ebenfalls noch im alten Jahr herauskommen, und den Schumanplan wollte Herr Dr. Adenauer bekanntlich gleichfalls noch vor Weihnachten durch den Bundestag jagen, damit er noch im alten Jahr mit seiner Vollzugsmeldung antreten konnte.
Ist es ein Zufall, daß eine sehr bedeutende Persönlichkeit der Bundesrepublik Mitte Dezember verlauten ließ, man habe ursprünglich beabsichtigt, das Verfahren gegen die Kommunistische Partei Deutschlands auch vor Weihnachten starten zu lassen? Es ist klar, ein solches Zusammenfallen ist kein Zufall. Man ist in Washington sehr ungehalten darüber, daß es im Jahre 1951 nicht gelungen ist, den Zeitplan für die Remilitarisierung Westdeutschlands einzuhalten. Man weiß in Washington zwei Dinge sehr genau. Man weiß erstens, daß der Widerstand in der deutschen Bevölkerung, vor allem in der deutschen Jugend, gegen die Remilitarisierungspläne immer stärker wird und täglich weitere Kreise erfaßt; man weiß in Washington aber zweitens, daß die aktivsten und konsequentesten Kräfte im Kampf um die friedliche Wiedervereinigung Deutschlands und damit auch gegen die Remilitarisierung durch die Kommunistische Partei Deutschlands gestellt werden. Das ist der entscheidende politische Grund für den Versuch, die KPD zu unterdrücken, koste es, was es wolle, und möge die Begründung auch noch so lächerlich sein.
In einem ihrer Dokumente hat die KPD erklärt: Es ist das natürliche Recht des deutschen Volkes, die Herstellung der Einheit Deutschlands und seine Wiedergeburt auf demokratischer und friedlicher Grundlage in die eigenen Hände zu nehmen.
Jeder anständige Mensch würde sich diesen Grundsatz zu eigen machen, jeder würde ihn mit Begeisterung gegen alle Widersacher verteidigen. Anders die Bundesregierung. Sie nimmt sich gerade diesen Satz heraus, zitiert ihn auf Seite 27 der Begründung ihres Antrags 'gegen die KPD und sieht in ihm ein verbotswürdiges Verbrechen. Kommt denn darin nicht am deutlichsten zum Ausdruck, wovor die Bundesregierung Angst hat und was sie mit dem KPD-Verbot zu verhindern trachtet — nämlich, daß sich das deutsche Volk der Bevormundung durch fremde Kräfte entwindet, daß es sein Schicksal in die eigenen Hände nimmt, daß es seine Vertreter zu einer gesamtdeutschen Beratung entsendet .und daß es auf diesem Wege der Selbstbestimmung zu gesamtdeutschen freien Wahlen, zu einer Nationalversammlung kommt? Das ist es, was Adenauer verhindern will.
Die Rechnung des Herrn Dr. Adenauer ist einfach. Ohne sogenannten Wehrbeitrag Westdeutschlands ist der amerikanische Aufmarsch- und Kriegsplan nicht durchführbar. Wenn es aber kein separates westdeutsches Staatsgebilde mehr gibt, dann gibt es auch keinen Wehrbeitrag. Schuman-plan und Generalvertrag sind ohnedies nur denkbar auf der Grundlage eines gespaltenen Deutschlands. Aus diesem Grunde steht und fällt die ganze Politik Adenauers mit der Aufrechterhaltung der Spaltung Deutschlands. Darum ist er bestrebt, eine gesamtdeutsche Beratung und 'gesamtdeutsche freie Wahlen mit allen Mitteln zu verhindern, und darum hält er ein Verbot der Kommunistischen Partei Deutschlands für unumgänglich, der Partei, die am entschiedensten für diesen Weg eintritt.
Nun noch zwei interessante Dinge aus der Antragsbegründung des Herrn Dr. Lehr. In dieser Schrift gibt es einen Punkt, wo man von der sogenannten inneren Aggression der KPD spricht. Was ist das für ein Begriff? In der deutschen Rechtsprechung sowie im Bonner Grundgesetz ist er unbekannt. In unserer Erwiderungsschrift sagen wir, daß Aggression ein völkerrechtlicher Tatbestand ist und darum auf Beziehungen innerhalb ein und derselben Nation nicht angewandt werden kann. Man fragt sich, was will die Bundesregierung eigentlich mit der Einführung dieses Begriffs? Wenn man die Herkunft studiert, dann erhält man die Antwort darauf. Dabei ergibt sich, daß es sich gar nicht um eine Originalerfindung der Bundesregierung handelt, sondern um eine amerikanische Zweckkonstruktion, die man bei der Abfassung des Atlantikpaktes geschaffen hat. In der außenpolitischen Kommission des amerikanischen Senats wurde der Art. V des Atlantikpaktes in der Weise erläutert, daß innere Unruhen innerhalb der amerikanischen Einflußsphäre als Aggression gewertet und somit als willkommener Anlaß für die Auslösung des Kriegsmechanismus verwandt werden können. Der Begriff der inneren Aggression ist von amerikanischer Seite speziell zu dem einen Zweck geschaffen worden, jede Einmischung in die inneren Verhältnisse eines Landes an jedem gewünschten Punkte mit dem Schein des Rechts zu umgeben. Deutlicher gesprochen, wenn die Chinesen den Strolch Tschiang-Kai-Schek aus ihrem Lande hinausgeworfen haben, so ist das eine innere Aggression. Der Ruf „Ägypten den Ägyptern!" ist eine innere Aggression. Die Losung „Das persische Öl idem persischen Volke!" ist eine innere Aggression.
Die ganze Geschichte der Menschheit ist eine Kette solcher „inneren Aggressionen" von Menschen, die um ihre Freiheit kämpfen. Nur die Amerikaner sollen machen dürfen, was sie machen wollen. Diesen Begriff der inneren Aggression hat Herr Dr. Lehr — es ist ja gleich, auf wessen Diktat hin — in sein Dokument aufgenommen.
Damit ist zweierlei festgestellt, erstens, daß die Bundesregierung -die Forderung des amerikanischen Imperialismus auf gewaltsame Einmischung in die inneren Verhältnisse prinzipiell gutheißt, begrüßt und ermuntert, und zweitens, daß der Verbotsantrag der Bundesregierung ein Bestandteil der Außenpolitik aggressiver, gegen die Interessen des deutschen Volkes gerichteter Kräfte ist.
Zweite Frage! In der Erklärung der Bundesregierung wird die Errichtung des Sozialismus als Endziel der KPD als eine Ideologie bezeichnet, die mit der sogenannten demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik nicht vereinbar sei. Die Bundesregierung ist wahrlich gar nicht einmal originell, sie hätte eine solche Verbotsbegründung doch sehr viel einfacher aus der Hinterlassenschaft des Fürsten von Bismarck abschreiben können. Das ist zwar schon 70 Jahre her. Aber damals wurde ja der gleiche Versuch mit den gleichen Mitteln gemacht, Herr Dr. Lehr. 'Sie wissen, wie die Sache zu Ende gegangen ist. Seit den Tagen ihrer Gründung — und wie Sie wissen, ist das mehr als 33 Jahre her — hat sich die KPD stets bekannt und sie bekennt sich heute wie stets zum Sozialismus. Zum Sozialismus hat sich das Kommunistische Manifest vor mehr als 100 Jahren bekannt. Zum Sozialismus bekennen sich Millionen sozialdemo-
kratischer Mitglieder und Anhänger. Die Bundesregierung will verbieten, daß man sich zum Sozialismus bekennt,
dem Traum und der Hoffnung von vielen Millionen Menschen auf der ganzen Erde. Wenn die Bundesregierung es wagte, die KPD wegen dieses ihres Endziels zu unterdrücken, so würde sie damit gleichzeitig einen Schlag gegen Millionen von Sozialdemokraten führen und sie würde die politischen Rechte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ernsthaft gefährden.
Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen nur zwei dieser Punkte dargelegt. Wir werden Gelegenheit haben, an anderer Stelle auf die ganze Serie sonstiger unhaltbarer Behauptungen der Bundesregierung, die durch nichts belegt sind, einzugehen. Ich könnte Ihnen zur Charakterisierung der Beweisführung eine ganze Reihe bewußter Fälschungen und Entstellungen darlegen, deren sich Herr Dr. Lehr und seine Schreiberlinge bedient haben.
Wir behalten uns vor, das gleichfalls bei anderer Gelegenheit -vorzutragen. Heute scheint mir der Hinweis das Entscheidendste zu sein, daß beabsichtigt ist, mit dem Schlag gegen die KPD einen Schlag gegen die demokratischen Rechte des Volkes überhaupt zu führen. So fing es 1932 und 1933 auch an. Man schlug zuerst gegen die KPD, dann schlug man gegen die SPD und dann gegen alle anderen Parteien, die es außer der NSDAP noch gab. Ich möchte die Bundesregierung darauf hinweisen, auch Hitler und Göring haben es einstmals versucht, die KPD zu unterdrücken. Sie taten dies, damit sie ihren Krieg ungestört vorbereiten konnten. Herr Lehr weiß genau, wie dieses Abenteuer für unser Volk, aber auch für seine, Herrn Lehrs Vorbilder, Hitler und Göring, geendet hat. Herr Lehr und seine Freunde mögen hieraus rechtzeitig die Lehre ziehen.
Die kommunistische Fraktion hat den Antrag gestellt, die Bundesregierung aufzufordern, ihren Antrag beim Bundesverfassungsgericht zurückzuziehen. Wenn die Bundesregierung so sicher ist, daß ihre Politik richtig ist, so braucht sie eine politische Auseinandersetzung nicht zu fürchten. Aber Sie, meine Damen und Herren, sollten die Bundesregierung daran hindern, Rechts- und Verfassungsbruch zu Hilfe zu nehmen, um eine politisch verwerfliche Politik durchzusetzen.