Rede von
August-Martin
Euler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mein Herr Vorredner hat soeben darzulegen versucht, es bestünden keine Bedenken dagegen, das Neugliederungsgesetz dieses Hohen Hauses nun, nachdem die Volksabstimmung stattgefunden hat, aufzuhalten und auf unabsehbare Zeit seiner Wirkung zu berauben. Nun, dieses Gesetz des Bundestages hat ja einer Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht unterlegen. Dabei wurden nicht nur alle nur irgend denkbaren, von den Antragstellern erhobenen Bedenken positivrechtlicher Art überprüft, sondern auch gerade die Gesichtspunkte des sogenannten überpositiven Rechts, von denen mein Herr Vorredner gesprochen hat. Wenn die sehr gründlichen Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts, die zu dem Ergebnis geführt haben, daß das antragstellende Land Baden abgewiesen wurde, nun nicht anerkannt werden, heißt das einfach, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Zweifel ziehen.
Daß es nicht klug ist, die Autorität des Bundesverfassungsgerichts Mer vor diesem Hause zu schwächen, indem einer der ersten Sprüche dieses Gerichts in 'Zweifel gezogen wird, darüber kann man wohl nicht streiten.
Wir erblicken in jeder Hemmung, die das Gesetz infolge der Annahme des Gesetzentwurfs der Kollegen Hilbert und Genossen erleiden würde, einen Verfassungsverstoß, einen Verstoß gegen den demokratischen Grundgehalt, gegen die demokratische essentia des Grundgesetzes. Das Gesetz über die Neugliederung im Südwestraum ist doch auf Grund einer besonderen verfassungsrechtlichen Möglichkeit ergangen, die der Parlamentarische Rat mit dem Art. 118 des Grundgesetzes geschaffen hat. Dieser Art. 118 ist damals im Parlamentarischen Rat aus dem Wissen hervorgegangen, wie sehr dringlich die Neuordnung im Südwestraum ist. Die Dringlichkeit trat damals so stark hervor, daß sich sogar die Militärgouverneure dem nicht entziehen konnten und bei ihrem Vorbehalt, den sie gegen den Art. 29 des Grundgesetzes erhoben haben, eine Ausnahme für die Neuordnung im Südwestraum gemacht haben. Gegen den Art. 118 haben sie nicht denselben Vorbehalt geltend gemacht wie gegen den Art. 29.
Nun sind es seltsamerweise Deutsche, die die Dringlichkeit dieser Neuordnung bestreiten, die schon damals dazu geführt hat, daß der Art. 118 überhaupt geschaffen wurde. Da das Gesetz über die Neuordnung im Südwestraum aus einer besonderen Möglichkeit hervorgegangen ist, die der
Verfassunggeber geschaffen hat, da ferner die Volksabstimmung, die nach dem Bundesgesetz das konstitutive Element für die Begründung des Südweststaates ist, stattgefunden hat, wäre es eine unheilbare Schädigung des demokratischen Gedankens in Deutschland, wenn sich nun herausstellen würde, daß außer der früheren Volksbefragung auch die letzte Volksabstimmung vom 9. Dezember ohne die Folgen bleiben sollte, die die ganz überwältigende Mehrheit der Bevölkerung im Südwestraum gewünscht hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ganz davon abgesehen, daß eine Verfassungswidrigkeit dieses neuen Gesetzentwurfes unter dem soeben von mir behandelten Gesichtspunkt vorliegt, — es handelt sich auch darum, daß eine Verfassungswidrigkeit gegeben ist, weil der Art. 118 damit praktisch annulliert wird. Der Art. 118 wurde geschaffen als Ausdruck eines besonderen, auch von den Militärgouverneuren damals anerkannten vordringlichen Bedürfnisses.
Nicht zuletzt sollten wir nicht außer acht lassen, daß sich der Gesetzesantrag, der uns heute vorliegt, gegen das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts wendet insofern, als das Urteil des Verfassungsgerichts bedeutungslos würde in der Sanktion, die es dem Neugliederungsgesetz für den Südwestraum gegeben hat. Das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts würde auf eine sehr entschiedene Weise gemindert, wenn ohne zureichende Gründe dieses Hohe Haus heute das Gesetz praktisch aufhöbe, das es vor einigen Monaten hier verabschiedet hat und das zur Volksabstimmung nur über eine Nachprüfung und Sanktion des Bundesverfassungsgerichts führen konnte.
Diese Gründe sind meines Erachtens dagegen geschützt, durch irgendwelche Scheineinwände verwirrt zu werden, und sie müssen wohl bei der heutigen Beratung nicht nur stehenbleiben, sondern sie 'sollten eine hinreichend starke Mehrheit dieses Hohen Hauses zu der Überzeugung führen können, daß es nur eine Notwendigkeit geben kann, nämlich den Gesetzentwurf der Kollegen Hilbert, Kopf und anderer heute hier zum Erliegen zu .bringen.
Ich habe vorhin den Antrag gestellt, die erste und zweite Lesung nacheinander stattfinden zu lassen, damit wir die Bevölkerung im Südwestraum von der Beunruhigung freistellen, es könnte dieses letzte Störmanöver Erfolg haben wie viele andere, die ihm vorausgegangen sind.
Die Bildung des Südweststaates vollzieht sich inzwischen nach den Etappen, die wir, an bestimmte Fristen gebunden, im Gesetz von vornherein vorgesehen haben! Es darf nicht sein, daß, nachdem das konstitutive Element für den Südweststaat, nämlich die Volksabstimmung, stattgefunden hat, die stufenweise Ausrüstung dieses neuen Staates mit den Staatsorganen nun deshalb gehemmt wird, weil Herr Wohleb den letzten Versuch macht, weiterzukämpfen. Heute und hier muß entschieden werden, daß am 9. März die Verfassunggebende Versammlung des neuen Landes gewählt wird.