Rede von
Dr.
Hermann
Pünder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist noch nicht ganz fünf Stunden her, da haben wir im Auswärtigen Ausschuß unter dem Vorsitz meines verehrten Herrn Kollegen Schmid beiläufig auch die Saarangelegenheiten erörtert; und wir haben übereinstimmend — es ist kein Vertrauensbruch, wenn ich das hier sage — beschlossen, den Herrn Bundeskanzler zu bitten, möglichst schon in der nächsten Sitzung des Auswärtigen Ausschusses über die Haltung der Bundesregierung zum gesamten Saarproblem zu uns zu sprechen. Wir haben keinerlei Veranlassung anzunehmen, daß der Herr Bundeskanzler diesem einstimmig gefaßten Beschluß des Auswärtigen Ausschusses nicht Rechnung tragen wird. Ich hatte mir im Auswärtigen Ausschuß auch den Hinweis erlaubt, ob es unter diesen Umständen wohl sehr zweckmäßig wäre, heute nachmittag im Plenum in extenso über die Saarfrage zu sprechen. Es wurde mir zwar auch zugegeben, daß es nicht ganz zweckmäßig wäre, aber immerhin stehen wir doch jetzt in dieser Debatte. Mir persönlich und auch meinen politischen Freunden wäre es richtiger erschienen, wenn vielleicht die nächste Sitzung des Auswärtigen Ausschusses mit den Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers abgewartet worden wäre. Nun. das ist nicht geschehen. Zu dem, was der Herr Bundeskanzler zu der Interpellation des Herrn Kollegen Ollenhauer gesagt hat, wenige Worte:
Es ist völlig zutreffend, was der Herr Bundeskanzler sagte, daß er überhaupt noch gar nicht in der Lage war, im Sinne der Interpellation vorzugehen, in welcher Weise er nämlich inzwischen im Ministerrat des Europarats zum Durchsetzen der Ansprüche unserer deutschen Note tätig gewesen
wäre; denn es hat inzwischen noch gar keine Ministerratssitzung des Europarats stattgefunden. Die nächste Sitzung — das haben wir eben gehört — ist zweifellos erst frühestens Ende des nächsten Monats.
Auf die sachliche Seite ist der Herr Bundeskanzler eben eingegangen. Von uns aus möchten wir keinen zusätzlichen Beitrag zu den sachlichen Auseinandersetzungen bezüglich des Saarproblems liefern, denn es scheint uns, daß gewisse Dinge besser voranschreiten und vorangetrieben werden, wenn man nicht in jedem passenden und namentlich unpassenden Augenblick über die Dinge redet.
Wir haben durchaus die Auffassung, daß eine mündliche Aussprache im Ministerrat einem weiteren Notenaustausch weit vorzuziehen ist, der sich dann unter einem Feuerwerk vor der ganzen Weltöffentlichkeit vollziehen würde.
Was die sachliche Seite des Saarproblems angeht, so haben wir nur diesen einen Satz hinzuzufügen, daß nach dem, was wir eben gehört haben und was wir aus der Vergangenheit wissen, der deutsche Standpunkt von der Bundesregierung und dem Herrn Bundesaußenminister auch weiterhin in Würde und mit Energie vertreten werden wird.
Auf den zweiten Punkt, der zwar nicht gedruckt in der Interpellation steht, den aber Herr Ollenhauer auch berührt hat, ist der Herr Bundeskanzler nicht eingegangen. Ich weiß nicht, warum, vielleicht aus Versehen, vielleicht mit Absicht. Jedenfalls sehe ich nicht ein, warum wir das nicht kurz streifen sollten. Herr Ollenhauer hat mit Recht darauf hingewiesen, daß wir jetzt in die zweifellos sehr schwierigen Verhandlungen über die Ablösung des Besatzungsstatuts und über den etwa kommenden Verteidigungsbeitrag, über den Generalvertrag usw. eintreten werden. Herr Ollenhauer hat wörtlich gesagt: „Wir sind sehr beunruhigt, daß wir in dieser Hinsicht noch keine Erklärung der Regierung zu hören bekommen haben."
Auch hierzu, Herr Ollenhauer, muß ich doch in allem Freimut feststellen, daß nach unserer Meinung zu diesem Mißtrauen kein Anlaß vorliegt. Wir haben selber im Plenum seinerzeit für gut befunden, gerade für diese Fragen einen Sonder-Unterausschuß des Auswärtigen Ausschusses zu bestellen, den bekannten Sechserausschuß, der auch unter dem Vorsitz des verehrten Kollegen Schmid steht, dem auch zwei Herren Ihrer Fraktion angehören und dem anzugehören auch ich die Ehre habe. In diesem Sechserausschuß stehen uns der Herr Bundeskanzler und das Auswärtige Amt, wie Sie bestimmt zugeben werden, laufend in vollem Freimut und zu voller Erschöpfung der Probleme zur Verfügung. Eine solche Sitzung haben wir gerade gestern morgen um 8 Uhr wieder gehabt. Sie werden — bei aller Vertraulichkeit darf ich darauf hinweisen — doch auch wissen, daß die Dinge eben im Augenblick noch nicht so weit sind, daß abschließende offizielle Erklärungen über die Pläne — nicht über das fertige Werk; das ist überhaupt noch gar nicht vorhanden — abgegeben werden könnten. Obschon also der Herr Bundeskanzler dazu nicht gesprochen hat, glaubte ich mich doch im Interesse der Wahrheit und der Orientierung der Öffentlichkeit verpflichtet, auch auf diesen Punkt hinzuweisen.
Die nächste Frage bezieht sich auf die Haltung des Herrn Staatssekretärs Hallstein. Auch hierzu muß ich sagen, daß ich in vollem Umfange dem beistimme, was der Herr Bundeskanzler gesagt hat. Ich bin vielleicht — es ist hoffentlich nicht unbescheiden, wenn ich das sage — mit in erster Linie berufen, eine solche Erklärung abzugeben, da ich ja aus der Weimarer Zeit über sehr reichliche Erfahrungen gerade äuf diesem Gebiet verfüge.
— Manches war in der Weimarer Zeit falsch; aber in bezug auf die Geschäftsordnung der Reichsregierung und die Position der Staatssekretäre hat das sehr gut geklappt, und es wäre nur zu begrüßen, wenn sich diese alte Tradition wieder mehr und mehr einbürgerte. Da war es genau so, wie der Herr Bundeskanzler eben sagte, daß der zuständige Minister auch verantwortlich war für die Erklärung, die sein Staatssekretär abgab.
Herr Staatssekretär Hallstein steht naturgemäß im Augenblick besonders im Blickwinkel der Öffentlichkeit. Wir haben bekanntlich keinen hauptamtlichen Bundesaußenminister. Die Gründe sind bekannt. Der Herr Bundeskanzler hat selber gesagt, daß er im passenden Augenblick — als solchen bezeichnete er seinerzeit die Verabschiedung des eben von mir skizzierten großen weiteren Gesetzgebungswerks — unter allen Umständen dem Herrn Bundespräsidenten einen hauptamtlichen Bundesaußenminister zur Berufung vorschlagen würde. Augenblicklich sind wir aber noch in dem Übergangszustand, und es ist selbstverständlich, daß dann der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes stärker in den Vordergrund rücken muß als jeder andere Staatssekretär. Ich bin der Überzeugung — ich muß das klar aussprechen und bin überzeugt, daß die Mehrheit des Hauses dem beitritt —, daß Herr Staatssekretär Hallstein diese seine besonders schwierige Aufgabe mit großem Takt und mit Geschicklichkeit erfüllt hat.
Ich kann nicht zugeben, daß er bei den verschiedenen Fällen, die in der Interpellation angezogen sind, seine Grenzen und Aufgaben überschritten hätte.
Was nun die Debatte fiber den Schumanplan angeht, so hat auch der Herr Bundeskanzler in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß Herr Hallstein hier gerade auch seine Auffassung zum Ausdruck gebracht hätte. Das kann ich nur unterstreichen. Rein äußerlich trat das auch dadurch in Erscheinung, daß der Herr Bundeskanzler fast regelmäßig in den langen Tages- und Nachtsitzungen auf seinem Stuhl saß, während gerade Herr Hallstein von diesem Pult mehrfach das Wort ergreifen mußte. Dadurch trat ganz evident in Erscheinung, daß das, was vom Staatssekretär gesagt wurde, die Auffassung des Regierungschefs war.
Wenn Sie. Herr Ollenhauer, kritisiert haben, daß z. B. die Herren Minister Erhard, Dehler und Storch nicht gesprochen haben, und dann glauben, das sei früher anders gewesen, so muß ich leider aus meiner Kenntnis der Dinge betonen, daß das auch nicht stimmt. Ich kenne sehr, sehr viele entscheidend wichtige Verhandlungen des Reichstages aus der Weimarer Zeit von 1926 bis 1932, in denen auch nur der jeweilige Reichskanzler gesprochen hat, weil es lebenswichtige Fragen deutscher Zukunft waren. Damals waren eben die Ausführungen des Reichskanzlers getragen von einem völlig übereinstimmenden Kabinettsbeschluß. Und so ist es — wir haben keinen Anlaß, daran zu zweifeln
— offenbar auch im vorliegenden Fall gewesen. Jedenfalls liegt nach meiner Kenntnis der Dinge, die wohl recht genau ist, keine Erklärung nach der Richtung vor, daß z. B. die Herren Minister Erhard, Dehler und Storch in bezug auf den Schumanplan anderer Meinung gewesen wären, als der Herr Bundeskanzler sie dargelegt hat. Ich kann also nicht anerkennen, daß es bedauerlich ist, daß nicht auch die Minister hier gesprochen haben.
Was den vierten Punkt, die Kriegsgefangenen, angeht, so müssen auch wir feststellen, daß die Bundesregierung diesem unserem Beschluß vom 21. Februar vorigen Jahres entsprochen hat. Wir haben sehnsüchtig auf diesen Bericht gewartet. Insofern ist es, dankbar zu begrüßen, daß gerade dieser Punkt in die große Interpellation eingebettet war. Dadurch gerade werden die Zahlen, die wir soeben aus dem Munde des Herrn Bundeskanzlers gehört haben, der ganzen Weltöffentlichkeit bekannt. Es sind schaurige Zahlen, die so richtig die Tragödie des deutschen Volkes, ausgelöst durch den Zusammenbruch des Hitler-Regimes, umreißen. Diese verschleppten Personen und Kriegsgefangenen sind eine Herzenssache des ganzen deutschen Volkes.
Wir können die Bundesregierung nur ermuntern und immer wieder bitten, auf diesem Wege mit äußerstem Nachdruck voranzugehen. Dieser Appell muß auch von uns als den Vertretern des ganzen deutschen Volkes in die Welt hinausschallen an alle, die hier mitarbeiten können und müssen, an alle Völker der Erde im Westen und namentlich auch im Osten. Wenn es ernst ist mit einer wahren Befriedung der Welt, der muß dazu beitragen, daß die Sorge um die verschleppten deutschen Zivilpersonen und die armen tapferen Kriegsgefangenen endlich befriedigend behoben wird.
Also auch in dieser Frage findet die Beantwortung der Interpellation der SPD durch die Bundesregierung unsere volle Billigung.