Meine Damen und Herren, damit ist die Rednerliste erschöpft. Ich schließe die allgemeine Aussprache der ersten Beratung.
Ich darf Ihre Zustimmung unterstellen, daß dieser Gesetzentwurf dem Ausschuß für Beamtenrecht überwiesen wird.
Nunmehr rufe ich auf den Punkt 1 der Tagesordnung:
a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Beantwortung von Fragen, die anläßlich der Beratung des Haushalts des Auswärtigen Amtes gestellt wurden ;
b) Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten über die Entschließung der Fraktion der FDP zur zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951, hier: Einzelplan IV a — Haushalt des Auswärtigen Amtes (Nrn. 2838, 2500, 2604 der Drucksachen, Umdruck Nr. 341).
Ich darf zunächst Herrn Abgeordneten Ollenhauer das Wort zur Begründung der Großen Anfrage geben und Ihnen vorschlagen, entsprechend dem Vorschlag des Ältestenrats für die Begründung der Großen Anfrage 20 Minuten und für die
Gesamtaussprache über den Punkt 90 Minuten vorzusehen. — Das Haus ist damit einverstanden.
Bitte, Herr Abgeordneter!
Ollenhauer , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Große Anfrage — Drucksache Nr. 2773 — nimmt Bezug auf die Debatte, die wir hier im Plenum des Bundestags über den Haushalt des Auswärtigen Amtes am 16. Oktober gehabt haben. Wir haben uns gezwungen gesehen, diese Große Anfrage einzubringen, weil nach unserer Überzeugung der Herr Bundeskanzler in seiner Antwort auf unsere Etatrede nicht auf die konkreten Fragen eingegangen ist, die wir ihm in dieser Rede gestellt hatten. Wir sind der Auffassung, daß Etatdebatten unter anderem und nicht zuletzt die Aufgabe haben, die Regierung zu veranlassen, auf Fragen aus der Mitte des Parlaments unmittelbar zu antworten.
Wir bedauern, daß gerade in diesem Falle der Herr Bundeskanzler jede Antwort auf unsere Fragen in seiner Rede am 16. Oktober verweigert hat. Er hat nicht zur Sache gesprochen; er hat sich auf unsere Forderung nach mehr Informationen lediglich auf eine Unterhaltung bezogen, die meine Freunde Schumacher und Schmid und ich selbst mit Herrn McCloy gehabt hatten.
Ich glaube, daß diese Beantwortung eine unmögliche Art der Auseinandersetzung zwischen Regierung und Parlament ist.
Wir möchten deshalb diese Große Anfrage benutzen, um in diesem Punkt unseren Standpunkt völlig klarzumachen und den Herrn Bundeskanzler nun durch die Aufstellung der einzelnen Fragen zu veranlassen, seiner Auskunftspflicht gegenüber dem Parlament nachzukommen. Wir glauben, daß diese Anfrage heute insofern noch eine besondere aktuelle Bedeutung dadurch gewonnen hat, daß bei der dritten Lesung des Ratifizierungsgesetzes zum Schumanplan auch die Frage der Beziehungen zwischen Regierung und Opposition vom Herrn Bundeskanzler erneut zur Diskussion gestellt wurde.
Ich habe schon am letzten Freitag darauf hingewiesen, daß die erste Voraussetzung für jede Unterhaltung über dieses Kapitel ist, daß die Regierung, in diesem Fall der Herr Bundeskanzler und Außenminister, die SPD laufend und ausführlich über alle wichtigen Vorgänge auf dem Gebiet der Außenpolitik unterrichtet, und zwar nicht erst im Stadium vorgeschrittener Verhandlungen. sondern am Beginn derartiger Verhandlungen.
Abgesehen von diesem Punkt: wir sind der Meinung, daß die Regierung in Erfüllung ihrer Auskunftspflicht gegenüber dem Parlament viel mehr tun sollte, als sie bisher getan hat, und zwar noch aus einem anderen Grunde. Wir haben seit der Konstituierung der Bundesrepublik die Erfahrung gemacht, daß in der deutschen Bürokratie — in den Ländern und auch hier im Bund — bis zum heutigen Tage sehr oft jedes Verständnis für das Verhältnis zwischen Bürokratie und Parlament in der Demokratie fehlt.
Ich glaube, jede Regierung kann in der Erziehung
der Bürokratie zum Respekt vor dem Parlament
sehr viel beitragen, wenn sie selbst ihr Verhältnis zum Parlament auf dieser Basis der Respektierung des Parlaments als der höchsten verantwortlichen Instanz in einer Demokratie regelt.
Wir sind der Überzeugung, daß das Verhalten des Herrn Bundeskanzlers gegenüber dem Parlament in diesem konkreten Fall, über den ich heute spreche, aber auch bei anderen Gelegenheiten sehr viel dazu beiträgt, daß die notwendige Umerziehung der Bürokratie im Sinne der Demokratie nur sehr langsame Fortschritte macht.
Ich meine, es sollte das Anliegen des ganzen Hauses sein, hier den Standpunkt zu vertreten: wenn von diesem Platz aus ein Abgeordneter des Hauses an die Regierung oder an einzelne Mitglieder der Regierung Fragen richtet, dann sollte die Regierung in jedem Falle auf diese Fragen antworten.
Nur so kann klargemacht werden, daß jeder Minister jeder Regierung jedem Abgeordneten, als dem Repräsentanten des Volkes für sein Tun und Lassen hier verantwortlich ist.
Es ist unser Wunsch, daß der Herr Bundeskanzler in dieser Beziehung den Mitgliedern seiner Regierung mit gutem Beispiel vorangeht,
dies um so mehr, als wir ja — und zwar in meiner Rede zum Etat des Auswärtigen Amtes — eine Reihe von Fragen gestellt haben, die nun wirklich keine Lappalien betreffen. Wir haben sie nicht zum Vergnügen gestellt, und wir haben sie nicht gestellt, um unserer Kritik am Auswärtigen Amt und seiner Politik noch einige Lichter aufzustecken, sondern wir haben sie gestellt, weil wir glauben, daß das Parlament und das Volk, die deutsche Öffentlichkeit einen Anspruch darauf haben, Antworten auf diese Fragen von sehr weittragender Bedeutung für unser Geschick und für unsere auswärtige Politik zu erhalten.
Ich will heute bei der Begründung dieser Interpellation in der Sache nicht auf alle Einzelheiten eingehen; aber ich will die Fragen noch einmal stellen und ich will unterstreichen, welche Überlegungen uns bei den einzelnen Fragen geleitet haben.
Die erste Frage unserer Großen Anfrage bezieht sich auf die Saar. Wir haben in der letzten Woche im Zusammenhang mit der Ratifizierung des Schumanplans eine Diskussion über diese Angelegenheit gehabt. Wir müssen aber leider feststellen, daß wir in der Sache selbst in bezug auf die Pläne und Absichten der Regierung auch durch diese neuerliche Debatte um keinen Schritt vorangekommen sind. Es genügt nicht — und ich glaube, es ist wirklich für niemanden befriedigend —, wenn der Herr Bundeskanzler in dieser Frage seinen Optimismus erneut unterstreicht und der Zuversicht Ausdruck gibt, daß in absehbarer Zeit eine befriedigende Regelung erfolgen würde. Wir möchten wissen — und deshalb wiederhole ich heute die Frage noch einmal —, was der Herr Bundeskanzler und Außenminister zu tun gedenkt, wenn in der nächsten Sitzung des Ministerrats in Straßburg der Herr Bundeskanzler diese Frage, wie er zugesagt hat, zur Diskussion stellt. Welches sind seine Vorstellungen über den Inhalt seiner Intervention, welches sind seine Pläne für die Behandlung der Angelegenheit in diesem Gremium?
— Herr Wuermeling, es handelt sich nicht darum, daß wir hier im einzelnen eine Auskunft darüber wunschen, in welcher Form der Herr Bundeskanzler diese Verhandlungen fuhrt. Aber die Vorstellungen, von denen er ausgeht, bilden doch eine so wichtige politische Angelegenheit, daß das Parlament ein Recht darauf hat oder erheben kann, sie vorher kennenzulernen. Wir koenen doch unmöglich in der Praxis fortfahren, daß das Parlament immer erst am Ende öder nach Abschluß von Verhandlungen über deren Richtung und Inhalt informiert wird.
Zu der zweiten Frage möchte ich folgendes sagen. Ich finde, das ist eine Frage, von der man geradezu sagen könnte, sie könnte von der Regierung bei der Opposition bestellt sein; denn sie gibt der Negierung die Moglichkeit, in einer sehr entscheidenden Angelegenheit die Initiative zu ergreisen. Sie wissen, mit welchem Nachdruck wir bei der Debatte über den Haushalt des Auswärtigen Amtes die Frage der Zuständigkeit, die Frage der Kompetenz der Bundesrepublik behandelt haben. Ich will nichts von unseren Argumenten aus der damaligen Debatte wiederholen; aber ich mache Sie noch einmal darauf aufmerksam, wie merkwürdig die Situation ist, in der wir uns zur Zeit als Bundesrepublik befinden.
Die Bundesregierung verhandelt seit Wochen, ja, seit Monaten, über einen Generalvertrag. Dieser soll nach dem Willen der Alliierten und sicher auch nach den Erwartungen der Bundesregierung das Besatzungsstatut ablosen und für die Bundesrepublik eine Ordnung schaffen, die bis zu einem endgültigen Friedensvertrag gültig bleiben soll, d. h. es ist ein Dokument von außerordentlicher Tragweite. Was wir wissen möchten, ist folgendes. Verhandelt die Regierung mit den Alliierten über diesen Vertrag auf der Basis unserer gemeinsamen Auffassung, daß die Bundesregierung stellvertretend für das ganze deutsche Volk spricht, so wie es die Alliierten im Herbst vorvorigen Jahres selber anerkannt haben? Oder aber betrachten die Verhandlungspartner die Bundesregierung nur, wie es in der Note vom 29. Mai 1951 heißt, als Partner für das Gebiet Deutschlands, in dem heute das Grundgesetz Gültigkeit hat?
Meine Damen und Herren, es kann doch niemand darüber im Zweifel sein, daß es sich um eine Frage von elementarster Bedeutung handelt. Was wir wissen möchten, ist: Hat die Bundesregierung bei Beginn dieser Verhandlungen die Alliierten vor die Frage gestellt, welches Mandat sie der Bundesregierung in diesen Verhandlungen zubilligen, welcher ihrer Standpunkte der maßgebende für die Verhandlungen ist? Gibt es irgendeine Stellungnahme, eine Note, irgendeine Intervention der Bundesregierung in dieser Angelegenheit gegenüber den Verfassern der Note vom 29. Mai 1951? Ich muß sagen, wir sind außerordentlich darüber beunruhigt, daß bis heute keine verantwortliche Erklärung der Regierung dazu vorliegt. Ich meine, es ist Zeit, daß wir die Auffassung des Herrn Bundeskanzlers kennenlernen und jetzt insbesondere erfahren: Hat der Herr Bundeskanzler zu diesem Punkt der Note offiziell Stellung genommen, ist ein Schritt bei den Alliierten erfolgt, und wie ist
die Lage im Zusammenhang mit den Verhandlungen über den Generalvertrag? Das ist ein Punkt, der unter allen Umständen geklärt werden muß, ehe wir hier in eine Debatte über den materiellen Inhalt der jetzt zur Verhandlung stehenden Verträge eintreten können.
Nun, meine Damen und Herren, zu dem dritten Punkt unserer Interpellation. Wir haben uns da mit gewissen Aktivitäten des Herrn Staatssekretärs Professor Hallstein beschäftigt. Ich habe nicht die Absicht, ebenso wenig wie mein Freund Walter Menzel, der hier bei der Beratung des Beamtengesetzes dieses Thema auch schon kurz erwähnt hat, sie gehabt hat, eine persönliche Attacke gegen den Herrn Staatssekretär zu reiten. Was wir an seiner politischen Haltung auszusetzen haben, kann Gegenstand von Auseinandersetzungen bei anderen Gelegenheiten und an anderer Stelle sein. Sie wissen, daß wir allerlei auszusetzen haben. Wir haben diesen Punkt vielmehr wiederum aus der Überlegung heraus aufgegriffen, daß es notwendig ist, das Verhältnis der politischen Beamten der Bundesregierung zur Regierung und zum Parlament zu klären: Das System der Kommissare, das System der politisierenden Staatssekretäre ist einfach unerträglich;
denn, meine Damen und Herren, es verschiebt die Verantwortlichkeit zugunsten der Bürokratie in bedenklicher Weise.
Wir können uns über die Frage der Staatssekretäre unterhalten. Ich bedauere, daß eine solche Unterhaltung nicht bei der Konstituierung der Bundesrepublik und bei der Bildung ihrer ersten Regierung stattgefunden hat. Wenn die Regierung der Meinung ist, daß sie Staatssekretäre braucht, und zwar nicht nur als jeweils ersten Mann in der Verwaltung, sondern als die politischen Stellvertreter der Minister, dann, bitte, schaffen Sie das System der parlamentarischen Staatssekretäre, von denen dann jedermann weiß, daß sie wie Minister dem Parlament für ihr Tun und Lassen verantwortlich sind.
Sie sind diesen Weg nicht gegangen. Sie haben eine Art von Mittelding geschaffen. Ich weiß nicht, ob es in der Absicht gelegen hat oder ob es sich durch die Aktivitäten der Staatssekretäre so entwickelt hat. Das Parlament bringen Sie damit in die Position, daß es diesen Typ des Beamten bei wichtigen politischen Fragen hier nicht zur Verantwortung ziehen kann, weil der Staatssekretär vom Parlament natürlich nicht in der Form wie ein Minister behandelt werden kann.
— Der Minister hat seine Verantwortlichkeit für seine Beamten im Gebiet der Verwaltung; aber es ist eine völlig andere Sache, wenn wir immer wieder erleben, daß Staatssekretäre dieser Regierung völlig selbständig neben dem verantwortlichen Minister öffentlich agieren.
— Lesen Sie die Reden und hören Sie den Rundfunk, dann werden Sie wahrscheinlich auch darauf kommen, daß das eine Eigenmächtigkeit ist, die doch wohl nicht in Übereinstimmung ist mit den Grundsätzen, die in der parlamentarischen Demokratie angewendet werden sollen.
Meine Damen und Herren, nehmen Sie die Dinge nicht leicht. Wohin dieses System führt, haben wir mit aller Klarheit und Eindeutigkeit in der vergangenen Woche gesehen. Das Verhalten der Regierung in der Schumanplan-Debatte war mit das Erstaunlichste, was man in einer parlamentarischen Demokratie erleben konnte.
Wir haben erlebt, daß der Herr Bundeskanzler, der selbstverständlich in dieser entscheidenden Frage der Wortführer der Regierung sein mußte, völlig allein die Sache der Regierung vertreten hat.
— Ich habe j a gar nicht gesagt, daß er es schlecht gemacht hat!
— Die Situation war die, daß der Staatssekretär, sicherlich aus seiner intimen Kenntnis der Vertragsverhandlungen und des Vertragswerkes, in jedem speziellen Falle der einzige Sprecher neben dem Bundeskanzler für die Regierung war. Es wäre sehr interessant für das Haus gewesen, z. B. zu den wirtschaftspolitischen Fragen den Herrn Wirtschaftsminister zu hören,
der ja doch sonst auch sehr redegewandt und redefreudig ist; es wäre sehr interessant gewesen, zu hören, was der Herr Justizminister zu den außerordentlich wichtigen verfassungsrechtlichen Fragen zu sagen hat,
und es war doch bemerkenswert, daß zu dem Komplex der Sozialpolitik der Herr Arbeitsminister hier nicht ein einziges Wort vorgebracht hat,
so daß wir tatsächlich die einzige Mitwirkung der Mitglieder der Regierung bei diesem wichtigen Vertragswerk sich darin erschöpfen sahen, daß sie bei der Abstimmung auch mit Ja stimmten. Ich meine, das ist eine ungenügende Erfüllung der Aufgabe, und es ist vor allem auch eine absolut ungewöhnliche und, glaube ich, untragbare Herausstellung des verantwortlichen Staatssekretärs, der ja hier im Parlament nicht als Repräsentant der Regierung agieren und nicht zur Verantwortung gezogen werden kann.
Diese Frage möchten wir ebenfalls hier aufgebracht haben, mit der Bitte, daß der Herr Bundeskanzler über seine Auffassung und seine Vorstellungen von der Abgrenzung dieser Funktionen eine klare und eindeutige Antwort gibt. Wir bringen das heute vor, weil wir noch nicht am Ende dieser Entwicklung sind. Ich will späteren Debatten nicht vorgreifen; aber, meine Damen und Herren, finden Sie nicht auch, daß wir in eine unmögliche Position kommen, wenn _das deutsche Volk z. B. wichtige Einzelheiten über die Pariser Verhandlungen über den sogenannten deutschen Wehrbeitrag nicht etwa aus dem Munde eines verantwortlichen Ministers in einer Erklärung gegenüber dem Parlament erhält, sondern durch den Leiter eines Spezialamtes, der dort in einer technisch-politischen Funktion eine konkrete Aufgabe zu erfüllen hat, der aber doch nicht der Sprecher der Regierung in einer solchen Lebensfrage sein kann?
Sie wissen so gut wie wir, welche großen Spannungskomplexe in diesem Problem stecken. Die sachlichen Meinungsverschiedenheiten sind ungeheuer groß. Aber wir warnen Sie in diesem Sta-
dium, in der Methode, die Sie jetzt eingeschlagen haben, fortzufahren.
Stellen Sie die Dinge hier vor dem Parlament durch die verantwortlichen Träger der Regierungspolitik zur Debatte, dann können wir sie hier austragen, so wie es sich in einer parlamentarischen Demokratie gehört. Es geht hier, wie gesagt, gar nicht um das Urteil über den einen oder den anderen Ihrer Mitarbeiter oder um seine Wertschätzung, Herr Bundeskanzler; es geht um das Prinzip der klaren, eindeutigen politischen Verantwortlichkeit der Regierung und ihrer Mitglieder gegenüber dem Parlament und die, ich möchte sagen, Zurückweisung aller Versuche, aus Beamtenfunktionen oder beamtenähnlichen Funktionen heraus eine politische Aktivität zu entfalten.
In bezug auf die Frage 4 kann ich mich kurz fassen; sie ist Gegenstand von Verhandlungen. Aber ich möchte darauf aufmerksam machen, daß wir hier wiederum vor einem Punkt stehen, in dem wir glauben, daß die Regierung ihrer Verpflichtung gegenüber dem Parlament nicht nachkommt. Der Bundestag hat am 14. Februar vorigen Jahres auf Antrag der sozialdemokratischen Fraktion — ich glaube, fast einstimmig — einen Beschluß gefaßt, in dem gefordert wurde, eine Gesamtaufstellung über Kriegsgefangene, festgehaltene oder verurteilte Zivilpersonen, verschleppte Zivilpersonen, vermißte Zivilpersonen und Wehrmachtvermißte zu machen. Wir haben darüber hinaus beschlossen, daß alle Maßnahmen auf diesem Gebiet in einer Hand konzentriert werden sollen. Das war vor fast einem Jahr. Das Kabinett hat bis heute diesen Beschluß des Bundestags nicht durch einen Kabinettsbeschluß realisiert. Es mag sein, daß es dafür Gründe gibt. Ich glaube nicht, daß sie ausreichend sind. Aber es geht nicht an, selbst wenn man solche Gründe hat, Beschlüsse des Bundestags einfach in der Versenkung verschwinden zu lassen.
Ich hoffe, daß die Fragen, die ich heute, gezwungen durch die ausweichenden Antworten des Herrn Bundeskanzlers oder durch die Verweigerung seiner Antwort bei der Debatte über den Haushalt, hier noch einmal stellen mußte, den Herrn Bundeskanzler veranlassen, dem Parlament Rede und Antwort zu stehen und uns Klarheit darüber zu verschaffen, wie die Regierung in den einzelnen Fragen zu handeln beabsichtigt, insbesondere auch darüber, in welcher Form sie die Verantwortlichkeiten in der Regierung gegenüber dem Parlament in der Zukunft festzulegen gewillt ist, ob sie gewillt ist, dafür zu sorgen, daß politische Stellungnahmen, politische Entscheidungen dieser Regierung nur durch ihre Mitglieder und niemand anderen und in erster Linie vor diesem Parlament zur Kenntnis der Abgeordneten und des Volkes gebracht werden.