Rede von
Wolfgang
Hedler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(Fraktionslos)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)
Meine Damen und Herren! So sehr ich die Bemühungen des Herrn Bundeskanzlers begrüße, die Verhandlungen zum Schumanplan der westeuropäischen Staaten als Vorläufer einer späteren europäischen Union voranzutreiben, so deutlich muß ich meiner Ansicht Ausdruck geben, daß die Voraussetzungen für den Abschluß dieses Vertrags noch nicht gegeben sind. Ich will nicht die teils berechtigten Einwände wiederholen, die von dieser Stelle bereits erhoben sind. Jeder Vertrag basiert auf dem Grundsatz von Treu und Glauben. Fehlt diese Grundlage, so ist ein solcher Vertrag binnen kurzer Zeit zum Scheitern verurteilt oder — und das wird die Folge der heutigen Fassung des Schumanplans sein — er wird sich allein zuungunsten eines Vertragspartners, und das ist zweifelsohne Deutschland, auswirken.
Wir haben es in der vergangenen Zeit leider erleben müssen. daß uns von seiten unserer Vertragspartner nur Mißtrauen und auch Konkurrenzneid entgegengebracht worden sind.. Ich darf hierbei an die Maßnahmen der Ruhrbehörde und des Sicherheitsamtes in Koblenz noch in jüngster Zeit erinnern. Beide Ämter haben uns gelehrt, daß wir alle Veranlassung hätten, nun auch unsererseits sehr mißtrauisch zu sein.
Ganz besonders aber ist ein Vertrag zum Scheitern verurteilt, wenn er unter Druck zum Abschluß kommt. Die Hohe Kommission hat immer wieder zum Ausdruck gebracht, daß die Alliierten zweiseitige Verträge mit Deutschland abschließen werden. wenn Deutschland den Schumanplan angenommen hat. Dann erst wird auch das Besatzungsstatut entfallen. Dieser Druck seitens der Hohen Kommission dürfte dazu angetan sein, die Bedenken hinsichtlich des Schumanplans noch zu vergrößern.
Mit Recht hat das Hohe Haus seinerzeit entschieden dagegen protestiert, daß die Regierung der Ostzone deutsche Gebiete vertraglich abgetreten hat, und diese Abtretung als für sich in keiner Weise verbindlich erklärt. Sowohl in der Frage der deutschen Ostgebiete als auch hinsichtlich des Schumanplans handelt es sich um Werte, die nicht West- oder Ostdeutschland gehören, sondern Eigentum des gesamten deutschen Volkes sind.
Weil ich an morgen denke, erkläre ich: Solange unsere früheren Gegner die Abkommen von Yalta und Potsdam nicht außer Kraft gesetzt haben, solange es ein Gesamtdeutschland noch nicht gibt, solange Deutschland nicht von einem gesamtdeutschen Parlament und einer von diesem gewählten gesamtdeutschen Regierung vertreten wird, fühle ich mich nicht berechtigt, über Eigentum des deutschen Volkes eine Entscheidung auf derartig lange Sicht hin zu treffen. In diesem Fall ist es nicht an Deutschland, die Voraussetzungen für den Schumanplan zu schaffen. Es ist mir daher nicht möglich, dem Schumanplan meine Zustimmung zu geben.