Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Professor Schmid hat gesagt, die Bundesregierung habe in den Ausschußverhandlungen den Standpunkt vertreten, Berlin sei Unions-Ausland. Zur Stützung dieser Behauptung hat er sich auf Ausführungen berufen, die ich selber im Ausschuß gemacht habe. Er hat diese Ausführungen, die ich dort gemacht habe, falsch interpretiert. Ich möchte diese Interpretierung richtigstellen.
Ich wiederhole den Wortlaut dessen, was ich im Auswärtigen Ausschuß gesagt habe, und zwar nach dem Protokoll der Ausschußverhandlungen. Es heißt darin in Wiedergabe der Ausführungen, die ich dort gemacht habe:
Für eine Einbeziehung Berlins gebe es zwei Möglichkeiten: entweder es ausdrücklich dadurch einzubeziehen, daß man den Anwendungsbereich des Vertrags erweitere oder — das hänge aber bis zu einem gewissen Grad davon ab, wie die außenpolitische Vertretung endgültig geregelt werde — Berlin zu defi-
nieren als ein Land, dessen politische Interessen durch die Bundesrepublik wahrgenommen würden. Beide Möglichkeiten wolle man prüfen.
Daraus ergibt sich, daß die Vertreter der Bundesregierung in diesen Ausschußverhandlungen davon ausgegangen sind, daß die Einbeziehung Berlins in diesen Vertrag, wie übrigens in andere Verträge auch, immer eine Angelegenheit ist, die einer besonderen Klarstellung bedarf. Daß das so ist, liegt an einem objektiven Grunde, nämlich an der seltsamen Rechtslage, in der sich Berlin völkerrechtlich und staatsrechtlich befindet und über deren juristische Würdigung übrigens, soviel ich weiß, in diesem Hohen Hause gar keine Meinungsverschiedenheiten bestehen. Innerstaatsrechtlich, d. h. nach dem Grundgesetz, ist Berlin Teil der Bundesrepublik.
Die Anwendung dieses Satzes, der im Grundgesetz steht, ist durch den bekannten Vorbehalt, den die Besatzungsmächte angebracht haben — einen Interpretationsvorbehalt —, in dem Sinne gehindert, daß die Ausübung der Regierungsgewalt über Berlin einschließlich dessen, was zur Regierungsgewalt an Befugnis zur außenpolitischen Vertretung gehört, nicht möglich ist. Das ist der Zusammenhang, der zwischen der Frage: Anwendbarkeit des Schumanplans auch auf Berlin als Teil des Unionsraums, und der Frage: Möglichkeiten für die Bundesrepublik zur außenpolitischen Vertretung Berlins, besteht.
Nun ist das, was in den Ausschußberatungen gesagt worden ist und was dort noch eine alternative Äußerung war, inzwischen durch die Erklärungen der Bundesregierung — in der vorgestrigen Regierungserklärung nämlich — geklärt. Jene alte Alternativäußerung war die folgende: Man kann die Klarstellung einmal dadurch erreichen, daß man den Vertragstext selbst, soweit er sich nämlich mit dem Anwendungsgebiet des Vertrags ausdrücklich befaßt, in derselben Form ergänzt, in der der Vertrag abgeschlossen worden ist; man ergänzt also hier den Vertragswortlaut. Die zweite Möglichkeit ist die, daß man anknüpft an die Definition des Anwendungsgebiets dieses Vertrags, wie sie in Artikel 79 enthalten ist, und zwar an die beiden Möglichkeiten, die in Artikel 79 stehen, daß nämlich der Unionsvertrag auf das europäische Gebiet der Vertragsstaaten Anwendung finde und ferner auf die europäischen Gebiete, deren auswärtige Angelegenheiten ein Unterzeichnerstaat übernimmt. Es ist eine faktische Besonderheit der Situation, die dazu führt, daß die Unterscheidung zwischen diesen beiden Fällen des Artikels 79 für Berlin keine Rolle zu spielen scheint: weil nämlich die tatsächliche Definition von Berlin als Bundesgebiet aus den Gründen, die ich soeben erwähnt habe, zufällig mit der Frage zusammenfällt: Hat die Bundesrepublik die Vertretungsmacht für Berlin?
Es ergibt sich demnach — das darf ich zusammenfassend sagen — schon aus dem Material — das die Verhandlungen und Erklärungen der Vertreter der Bundesregierung in den Ausschüssen ergeben, und erst recht wenn man die Regierungserklärung hinzunimmt, die .auf die dort offengehaltene Frage antwortet — und aus diesem Stand der Verhandlungen nichts, was den Schluß zuläßt, als habe die Bundesregierung einen Standpunkt eingenommen, der es rechtfertigt, zu sagen, Berlin sei von dem Anwendungsbereich des Montanvertrags abgetrennt, und es sei infolgedessen — das ist ja der Inhalt des Antrags der SPD-Fraktion — notwendig, diese Abtrennung rückgängig zu machen.