Rede von: Unbekanntinfo_outline
Staatssekretär Hallstein betont,
— heißt es im Text —
er habe nicht den Eindruck gehabt, daß insbesondere Berlin selbst an seiner Einbeziehung in den Vertrag interessiert sei.
Infolgedessen habe die Frage, ob Berlin dazu gehöre oder nicht, in den bisherigen Erwägungen keine Rolle gespielt.
Bestehe aber ein Interesse daran, Berlin zum
Vertragsgebiet zu machen, so gebe es die von
ihm zuvor schon aufgezeigten Wege. Der eine
sei der über die Interpretation des Art. 79.
Das ist gesagt worden. Ich glaube, daß ich in meiner gestrigen Begründung nichts anderes gesagt
habe, als — zusammengefaßt — das eben aus dem
Stenogramm Verlesene: es müsse über die Einbeziehung Berlins in das Unionsgebiet zu Verhandlungen kommen. Das muß geschehen; Sie wollen
es ja auch. Nur meinen wir, daß die Verhandlungsposition günstiger sei, wenn man die Verhandlungen führt und zum Abschluß bringt, ehe man den Preis schon bezahlt hat. Das ist das eine.
Das zweite ist die Sache mit dem Gesetz Nr. 27. Ich bitte wiederum um Entschuldigung, daß ich die französische Kammer zitieren muß. Französischerseits ist man ganz anderer Auffassung als sie der Herr Berichterstatter soeben vertreten hat. Der französische Außenminister — es mag auch der Wirtschaftsminister gewesen sein; jedenfalls war es ein Minister — hat auf eine diesbezügliche Anfrage erklärt:
Die Hohe Behörde werde an das Gesetz Nr. 27 gebunden sein, denn dieses Besatzungsgesetz sei das Produkt eines internationalen Abkommens der Besatzungsmächte.
Für sie ist das Völkerrecht, für uns Deutsche ist es das nicht, denn wir sind leider nicht beteiligt worden. Aber wir treten ja in eine Gemeinschaft ein, deren Partner glauben, daß auch Vereinbarungen solcher Art völkerrechtliche Bindungen seien. Wenn wir unter solchen Umständen vorbehaltslos eintreten, akzeptieren wir diese Verhältnisse doch,
genau so wie die anderen Vertragspartner sie mit akzeptieren, die nicht Besatzungsmächte sind. Wenn es auch nicht ausdrücklich im Vertrag steht, meine Damen und Herren: die Hohe Behörde ist doch an das von den Vertragspartnern akzeptierte Recht gebunden. Das geltende Recht ist Unionsrecht oder Recht, das über dem Unionsrecht steht; Völkerrecht steht über dem Unionsrecht, vor allen Dingen, wenn es sich um eine lex specialis handelt.
Werden wir viel Glück haben, wenn wir versuchen, der Hohen Behörde zu demonstrieren, daß das Gesetz Nr. 27 nicht international vereinbartes Recht ist? Ich hoffe es, daß wir damit durchdringen werden, ich fürchte aber, daß unsere Auffassung nicht von den anderen Vertragspartnern geteilt werden könnte, und befürchte auch, daß das Montangericht unseren Standpunkt nicht unbedingt für den richtigen anerkennen wird.
Dieses Montanrecht ist, wenn ich so sagen darf, nicht die oberste Stufe von Recht, die maßgebend für die Hohe Behörde ist; es gibt Recht, das diesem Recht vorgeht. Völkerrecht z. B. bricht dieses Recht, und zum Völkerrecht gehören leider Gottes auch partikuläre Vereinbarungen. Es wird darauf ankommen, ob es uns gelingen wird, die andere Seite davon zu überzeugen, daß ihr bisheriger Rechtsstandpunkt falsch und der unsere richtig ist. Das ist etwas, das ausgehandelt werden muß; nur meine ich: man hat bei dem Versuch, dies auszuhandeln, mehr Chancen, wenn man das v o r der Ratifikation des Vertrages versucht, als wenn man an die anderen nach der Ratifikation herantritt, also zu einem Zeitpunkt, an dem ihr Interesse, uns entgegenzukommen, nicht mehr sehr groß ist.