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    Deutscher Bundestag — 182. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Januar 1952 7579 -182. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. Januar 1952. Wünsche des Bundestagspräsidenten Dr. Ehlers für die gemeinsame Arbeit im Jahre 1952 und Würdigung der Arbeit des Bundestags durch den Herrn Bundespräsidenten 7580B Nachruf für den verstorbenen Abg. Stopperich 7580 D Mandatsniederlegung des Abg. Degener und Eintritt des Abg. Müller-Hermann in den Bundestag 7581A Mandatsniederlegung des Abg. Dr. von Campe und Eintritt des Abg. Jaffé in den Bundestag 7581A Wünsche des Präsidenten zum 76. Geburtstag des Bundeskanzlers Dr. Adenauer . 7581A Mitteilung über die Rettung der verschütteten Bergleute auf der Zeche „Bismarck" . 7581A Wiedergenesung des Abg. Mensing . . . . 7581B Wünsche für Wiedergenesung des Abg. Dr Schumacher '7581B Geschäftliche Mitteilungen 7581B Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes in der Fassung vom 30. Juni 1951 7581B Gesetz über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft 7581B Gesetz zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Deutschen Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Juni 1949 7581C Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes . . . 7581C Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" 7581C Gesetz über das Handelsabkommen vom 20. Juli 1951 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Peru . . 7581C Gesetz gegen unbegründete Nichtausnutzung von Einfuhrgenehmigungen . 7581C Gesetz über die Börsenzulassung umgestellter Wertpapiere 7581C Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter — Mutterschutzgesetz — . . . 7581C Gesetz über die einstweilige Außerkraftsetzung von Vorschriften des Gesetzes betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften 7581C Gesetz zur Ordnung des Schornsteinfegerwesens 7581C Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Fernmeldevertrag Atlantic City 1947 7581C Gesetz über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes — Drittes Überleitungsgesetz — . . . . 7581C Gesetz zur Bewertung des Vermögens für die Kalenderjahre 1949 bis 1951 — Hauptveranlagung 1949 — 7581C Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuer- rechts 7581D Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Leistungen aus vor der Währungsreform eingegangenen Renten- und Pensionsversicherungen . . . 7581D Gesetz über die Errichtung eines Bundes gesundheitsamts 7581D Gesetz über die Feststellung von Vertreibungsschädën und Kriegssachschäden . 7581D Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes 7581D Anfrage Nr. 171 der Abg. Strauß, Kemmer, Dr. Jaeger u. Gen. betr. Wohnungsbauprogramm für die Besatzungsmächte (Nrn. 2027, 2958 der Drucksachen) . . . . 7581D Anfrage Nr. 218 der Zentrumsfraktion betr. Regelung der ``schuldrechtlichen Verhältnisse des Unternehmens der Reichsautobahn (Nrn. 2689, 2778 der Drucksachen) 7581D Anfrage Nr. 235 der Fraktion der SPD betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten und Vorlage eines Heilpraktikergesetzes (Nrn. 2898, 2960 der Drucksachen) . . . 7581D Schreiben des Bundeskanzlers betr. Überwachung des Post- und Fernsprechverkehrs (Nr. 2954 der Drucksachen) . . . 7582A Bericht des Bundesministers für Vertriebene über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet (Nr. 2959 der Drucksachen) 7582A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nrn. 2401, 2484 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) (Nrn. 2950, zu 2950 der Drucksachen; Anträge Nrn. 2971, 2972, 2973, 2974, Umdruck Nr. 407), in Verbindung mit der Ersten, zweiten und dritten Beratung .des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Gesetzes betr. den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nr. 2951 der Drucksachen, Umdruck Nr. 409) 7582A zur Geschäftsordnung: Reimann (KPD) 7582B Dr. von Merkatz (DP) 7583A Mellies (SPD) 7583A Abstimmung 7583B zur Sache: Dr. Preusker (FDP): als Berichterstatter . . . 7583C, 7621A schriftlicher Bericht 7629 Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 7595C Wirtschaftspolitische Fragen: Dr. Henle (CDU) 7600D Etzel (Duisburg) (CDU) 7604C Henßler (SPD) 7610B Dr. Schöne (FDP) 7616C Rische (KPD) 7621B Weiterberatung vertagt 7628D Nächste Sitzung 7628D Anlage: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nr. 2401 der Drucksachen) und den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Fortgang der Beratungen über den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Nr. 2484 der Drucksachen) 7629 Die Sitzung wird um 13 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht der .182. Sitzung Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nr. 2401 der Drucksachen) und den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Fortgang der Beratungen über den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Nr. 2484 der Drucksachen) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Preusker (FDP) Der Deutsche Bundestag steht am 9. und 10. Januar 1952 vor der schwerwiegendsten Entscheidung, vor die er in der kurzen Zeitspanne seiner bisherigen, mit aufreibender Arbeit reichlich angefüllten Funktion gestellt worden ist. Er soll sich darüber endgültig klar werden, ob er den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Schuman-Plan) ohne oder mit gewissen Vorbehalten oder Aufträgen an die Bundesregierung zu ratifizieren vermag oder nicht. Der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der zur Abkürzung weiterhin mit seinem volkstümlichen Namen „Schuman-Plan" bezeichnet wird, wurde am 12. Juli 1951 nach der ersten Lesung im Bundestag zur eingehenden Prüfung seiner Bedeutung und Auswirkungen federführend an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und daneben an den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten überwiesen. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat sich mit der ihm übertragenen verantwortungsvollen Aufgabe in der Zeit vom 3. bis 7. September 1951 und dann wieder am 12. und 13. Dezember 1951 in vier ganz- und drei halbtägigen Sitzungen unter Hinzuziehung des Herrn Bundeskanzlers und Bundesministers des Auswärtigen, des Bundeswirtschaftsministers, der Staatssekretäre des Auswärtigen und für Wirtschaft, der zuständigen Referenten des Wirtschafts-, Arbeits-und Verkehrsministeriums sowie der Mitglieder der Schuman-Plan-Delegation und der von ihr herangezogenen Sachverständigen des Kohlenbergbaus, der Stahlindustrie und der Gewerkschaften eingehend befaßt. Das Ergebnis seiner Beratungen bildete mit die Grundlage der anschließend am 17. und 18. Dezember 1951 in einer ganz- .und einer halbtägigen Sitzung durchgeführten Beratungen im Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten. Angesichts der ungewöhnlichen Bedeutung der Entscheidung des Bundestages über den SchumanPlan für die zukünftige deutsche Entwicklung sei noch einmal kurz an seine Vorgeschichte erinnert Deutschland konnte das ihm einseitig durch das Londoner Abkommen auferlegte Ruhrstatut stets nur als eine schwerwiegende Diskriminierung kraft machtstaatlichen Siegerdenkens und demzufolge als den sichersten Weg zur Verhinderung einer europäischen Verständigung empfinden. Aus tiefer Sorge vor einer derartigen verhängnisvollen Entwicklung hatte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen in einer Rundfunkansprache am 1. Januar 1949 anstelle des Ruhrstatuts einen völkerrechtlichen Zweckverband gefordert, in den „Deutschland die Ruhr, Frankreich das Erzvorkommen Lothringens, beide die Saar, Belgien und Luxemburg ihre Schwerindustrie einbringen" sollten. Bis die Zeit für eine die Vergangenheit überwindende, in die Zukunft weisende europäische Initiative reif wurde, verging danach noch mehr als ein Jahr. Am 9. Mai 1950 verkündete der französische Außenminister Robert Schuman im Namen der französischen Regierung das nachstehend in seinen wichtigsten Punkten wiedergegebene Programm: „Der Weltfriede kann nur erhalten bleiben, wenn man den Gefahren, die ihn bedrohen, mit schöpferischen Leistungen begegnet. Friedliche Beziehungen sind ohne ein geordnetes lebensvolles Europa .... undenkbar .... Europa kann nicht auf einmal oder als ein umfassender Bau erstehen, .... Voraussetzung für den Zusammenschluß der europäischen Nationen ist aber die Beseitigung des jahrhundertealten Gegensatzes zwischen Frankreich und Deutschland .... Die französische Regierung schlägt daher vor, die gesamte französisch-deutsche Kohle- und Stahl- erzeugung in einer den anderen europäischen Landern offenstehenden Organisation einer gemeinsamen Hohen Behörde zu unterstellen. Das Zusammenlegen der Kohle- und Stahlerzeugung wird zwangsläufig zur ersten Etappe des Europäischen Staatenbundes, der sofortigen Schaffung gemeinsamer Grundlagen *für den Ausbau der Wirtschaft, und zu einem Wandel im Geschick dieser Länder führen .... Mit dem so erzielten Zuwachs an Mitteln kann dann Europa an die Verwirklichung einer seiner wesentlichen Aufgaben herangehen, nämlich die Erschließung des afrikanischen Kontinents ...." Am 3. Juni 1950 gaben die französische, deutsche, belgische, italienische, niederländische und luxemburgische Regierung in einem gemeinsamen Kommuniqué ihren Entschluß bekannt, auf der Grundlage des französischen Vorschlags vom 9. Mai 1950 Verhandlungen zu beginnen, um durch Zusammenlegung der Kohle- und Stahlproduktion „eine gemeinsame Aktion für Frieden und europäische Solidarität sowie für den wirtschaftlichen und sozialen Frieden durchzuführen". Leider war die britische Regierung nicht bereit, sich im voraus in gleicher Weise zu binden. Die angekündigten Verhandlungen begannen dann am 20. Juni 1950 in Paris und fanden nach sehr eingehenden gemeinsamen Beratungen, an denen Deutschland erstmals völlig gleichberechtigt teilnahm, nach einer Konferenz der Außenminister der beteiligten Staaten, die am 12. April 1951 in Paris begann, mit der am 18. April 1951 von den Außenministern der sechs beteiligten Staaten vollzogenen Unterzeichnung des nunmehr in zweiter und dritter Lesung zur Ratifizierung vorliegenden Vertragswerkes ihren Abschluß. Zu diesem Zeitpunkt besaß Deutschland politisch noch keineswegs die Verfügungsgewalt über die Gebiete seiner Wirtschaft, die in die Montan-Union eingebracht werden sollten. Es bestand insbesondere noch in vollem Umfang das Londoner Abkommen vom 28. April 1949 und die daraufhin errichtete Internationale Ruhrbehörde, es bestand die in dem Abkommen über die verbotenen und beschränkten Industrien vom 3. April 1951 niedergelegte Begrenzung der deutschen Stahlproduktion und Stahlkapazität, es bestanden die darauf bezogenen Eingriffsrechte des alliierten Sicherheitsamtes in Koblenz, es bestanden schließlich die Alliierten Kohle- und Stahlkontrollgruppen, deren Hauptfunktionen im Bereich der gerade erst anlaufenden Durchführung des alliierten Gesetzes Nr. 27 zur sogenannten Entflechtung und Neuordnung der deutschen Grundstoffindustrien lagen. Darüber hinaus stand zwischen Deutschland und Frankreich in der politischen Ebene das ungelöste Saarproblem. Die Bundesregierung konnte daher den Schuman-Plan nur unter der Voraussetzung unterzeichnen, daß die einseitigen siegerstaatlichen Maßnahmen auf dem Gebiet von Kohle und Eisen bis zum vollen Wirksamwerden des Vertrages beseitigt wurden und die Unterzeichnung des Vertrages keinerlei Präjudizierung des Saarproblems bedeutete. Eine verbindliche Erklärung aller in Betracht kommenden Alliierten war zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Schuman-Planes leider noch nicht zu erlangen. So richtete der französische Außenminister an den Bundeskanzler und Bundesminister des Auswärtigen mit dem Datum vom 18. April 1951 ein Schreiben, in dem es u. a. hieß: „Die Deutschland auf dem Gebiet der Kohle und des Stahls auferlegten besonderen Verpflichtungen sind nach Auffassung der französischen Regierung nicht mehr mit den gemeinsamen Normen vereinbar, denen alle Unterzeichnerstaaten des Vertrages in gleicher Weise unterworfen sind. Die französische Regierung ist demgemäß und vorbehaltlich der Zustimmung der beteiligten Regierungen der Auffassung, daß die folgenden Maßnahmen getroffen werden müßten: 1..... Die Ruhrbehörde und das Londoner Abkommen vom 28. April 1949 .... müßten sodann .... spätestens mit der Errichtung des gemeinsamen Marktes für Kohle außer Kraft treten. 2. Soweit es sich um die Stahlproduktion und die Produktionskapazität für Stahl handelt, dürfte Deutschland nur noch den auf alle Unterzeichnerstaaten gemeinsam anwendbaren Normen unterworfen sein .... 3. Die Hohe Kommission müßte darauf verzichten, für sich selbst und für die ihr angegliederten Stellen einschließlich der Kontrollgruppen diejenigen ihrer Funktionen auf dem Gebiet von Kohle und Stahl auszuüben, für welche die Hohe Behörde die Zuständigkeit erhalten hat .... .... Die französische Regierung beabsichtigt, alsbald nach Unterzeichnung des Vertrages sowohl bei den Unterzeichnermächten des Londoner Abkommens als auch bei den übrigen Besatzungsmächten die Schritte zu unternehmen, die zur Erwirkung ihrer Zustimmung zu den vorstehenden Maßnahmen erforderlich sind." Zur Klarstellung der deutschen und französischen Auffassungen in der Saarfrage wurde dem Vertragswerk selbst ein Briefwechsel zwischen den beiden Regierungen beigefügt, in dem der Bundeskanzler um die Bestätigung der deutschen Erklärungen bat, „daß die endgültige Regelung des Status der Saar nur durch den Friedensvertrag oder einen gleichartigen Vertrag erfolgt und daß die französische Regierung in der Unterzeichnung des Vertrages über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl durch die Bundesregierung keine Anerkennung des gegenwärtigen Status an der Saar durch die Bundesregierung erblickt." In dem französischen Antwortschreiben vom 18. April 1951 wurde dem deutschen Wunsche entsprechend versichert, „daß sie (die französische Regierung) aber in der Unterzeichnung des Vertrages durch die Bundesregierung keine Anerkennung des gegenwärtigen Status der Saar durch die Bundesregierung erblickt. Sie ist nicht der Auffassung, daß der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl dem endgültigen Status der Saar vorgreift, der durch einen Friedensvertrag oder durch einen an Stelle eines Friedensvertrages abgeschlossenen Vertrag zu regeln ist." Im politischen Bereich lagen also dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß im Augenblick der Aufnahme seiner Beratungen des Vertragswerkes nur Versprechungen, Zusicherungen vor, deren Erfüllung nicht allein in der Macht der diese Zusicherungen abgebenden französischen Regierung liegen konnte. Dementsprechend wurde der An- trag gestellt, die Beratungen über den Schuman-Plan bis zur Klärung dieser entscheidenden politischen Fragen auszusetzen. Dieser Antrag wurde mit 12 : 13 Stimmen in dem Sinne abgelehnt, daß zunächst einmal das Vertragswerk so auf seinen materiellen Inhalt, seine Funktionsmöglichkeiten und seine zu erwartenden Auswirkungen geprüft werden sollte, als ob alle einseitigen politischen Maßnahmen kraft siegerstaatlicher Verfügung bereits aufgehoben seien. Dabei ließ die große Mehrheit des Ausschusses keinen Zweifel darüber, daß für ihre endgültige Stellungnahme die Erfüllung der in der Drucksache Nr. 2401 niedergelegten Forderungen des Bundesrates — namentlich der unter Punkt 1 aufgeführten —, die sich auch in gleicher Weise in dem Antrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 2484 wiederfinden, von ausschlaggebender Bedeutung sein werde. Für die beschlossene Prüfung des Vertragswerkes auf seinen materiellen Inhalt, seine Funktionsmöglichkeiten und seine zu erwartenden Auswirkungen unter vorläufiger Ausklammerung aller Kornplexe andauernder alliierter Einwirkung mußten notwendigerweise die gegenwärtig bestehenden volkswirtschaftlichen Realitäten auf dem Gebiet von Kohle und Eisen den Hintergrund abgeben. Es war also zunächst die Frage zu beantworten, was die einzelnen Mitgliedstaaten des geplanten Vertragswerks in die Montan-Union einbringen würden, welche besonderen Vor- oder Nachteile in ihrer augenblicklichen Situation gesehen werden mußten und wie ihre rein materielle Interessenlage in bezug auf den Schuman-Plan zu beurteilen sei. Im Gebiet der sechs Schuman-Plan-Länder wohnen z. Z. über 155 Millionen Menschen, der deutsche Anteil an der Bevölkerungszahl beträgt somit rund 31 %. In diesem Gesamtgebiet betrug im Jahre 1950 die Steinkohlenförderung 217,2 Millionen t — zum Vergleich Großbritannien allein 214 Millionen t, USA 497 Millionen t —; hiervon entfielen auf Deutschland 110,8 Millionen t oder 51,0%, auf die Saar 7 %, auf Frankreich 23,4%, auf Belgien 12,5 %, auf die Niederlande 5,6% und schließlich auf Italien 0,5%0. Deutschland — allerdings zu einem Teil gezwungenermaßen —, die Saar und Belgien sind Kohle- und Koksexportgebiete, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande und Italien sind Kohleeinfuhrländer. Das Gesamtgebiet der Montan-Union wies im Jahre 1950 bei der Kohle noch ein Ausfuhrplus in andere Länder von 0,5 Millionen t, beim Koks von 5,8 Millionen t auf. Im Jahre 1951 haben sich die Förderanteile der einzelnen Länder, soweit man dies auf Grund der Ergebnisse der ersten neun Monate beurteilen kann, nur unwesentlich verschoben, die Bundesrepublik hat dabei ihr Gewicht leicht erhöhen können. Deutschland ist das einzige der sechs Länder, das seine Vorkriegsleistungen in der Kohleförderung noch nicht wieder erreicht hat (1936 : 117,1 Millionen t oder 54,3 % der Gesamtförderung im Vertragsbereich). Dies ist vor allem eine Auswirkung der noch immer sehr wenig befriedigenden Schichtleistung, die im Jahre 1950 noch um 32 % unter der von 1939 lag, während der 'Abstand gegenüber 1939 in Frankreich nur mehr 11 % beträgt. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß in der Bundesrepublik als Folge zweier Weltkriege in den letzten 40 Jahren Raubbau an Kohle getrieben worden ist: es sind rund 100 Normalfelder zu je 2,5 Millionen abgebaut, aber nur 11 neu abgeteuft worden; die kriegsbedingte Überalterung der Bergleute und die Kriegszerstörungen von Bergarbeiterwohnungen haben ebenso wie das besatzungsrechtlich bedingte Fehlen von Rechtsträgern in der Unternehmersphäre und dementsprechend klaren Verantwortlichkeiten ein Übriges zu dieser enttäuschenden Entwicklung beigetragen. Zudem erhielt Frankreich bis Ende Juli 1951 zum Ausbau seiner Kohlenförderung allein 1,1 Milliarden DM an Marshall-Plan-Hilfe, Deutschland dagegen nur 0,33 Milliarden DM. Trotz dieses Handikaps ist die Kostenlage des deutschen Kohlenbergbaus auch gegenwärtig mit der alleinigen Ausnahme der Niederlande günstiger als die der anderen größeren Reviere; am ungünstigsten ist sie in Belgien, wo die Schichtleistung nur rund zwei Drittel der deutschen beträgt, sowie in Italien, dessen sardinischer Kohlenbergbau allerdings im Gesamtrahmen keine Bedeutung besitzt. Seit Ende 1950 besteht in sämtlichen Staaten des Schuman-Plans Kohlenknappheit. Sie ist auf Grund der Eingriffe der Ruhrbehörde in der Bundesrepublik am stärksten in Erscheinung getreten. Auf der anderen Seite ist aber auch- bei zielbewußten Finanzierungs-, Investitions- und Wohnbaumaßnahmen in keinem anderen Lande ein ähnlich großer Spielraum für eine nicht allzu langfristige Steigerung der Schichtleistung und der Kohlenförderung im ganzen gegeben wie in Deutschland, auf dessen Kohle sich ohne Zweifel das besondere Interesse der Montan-Union konzentriert. Auf dem Gebiet der Eisenerzförderung ist im Rahmen der Montan-Union allein Frankreich 'mit seinem lothringischen Minette-Vorkommen Überschußgebiet. Seine Förderung erreichte 1950 mit rund 30 Millionen t Eisenerz einen Anteil von 66,3 % aller sechs Länder. Hiervon wurden rund 7,4 Millionen t oder etwa 25 % ausgeführt, jedoch bis auf geringe Mengen nicht nach Deutschland. Die Bundesrepublik besitzt zwar mit einer Förderung von 10,9 Millionen t Eisenerz im Jahre 1950 innerhalb der Montan-Union einen Anteil von weiteren 24,1 %, ist jedoch in sehr starkem Umfang (1950: 4,8 Millionen t) auf die zusätzliche Einfuhr hochwertiger Schwedenerze für ihre vorwiegende Erzeugung hochwertiger Siemens-Martin-Stähle angewiesen. Die Einfuhr dieser Erze wird in erster Linie durch Kohlen- und Koksexport nach Schweden ermöglicht, dessen Aufrechterhaltung für die deutsche Eisen- und Stahlproduktion und damit für die gesamte _Volkswirtschaft eine Lebensfrage darstellt. Da Belgien, die Niederlande und Italien gleichfalls Eisenerzimportländer sind, weist die Montan-Union im ganzen ein erhebliches Erzdefizit auf. Deutschland steht beim Eisenerz also mit seinen vitalen Einfuhrinteressen aus dritten Ländern nicht allein. Die deutsche Eisenerzförderung ist zwar vor allem bei den minderen Qualitäten noch durchaus steigerungsfähig, jedoch wird das deutsche Erz mit Ausnahme der Ilseder Hütte, Max- und Luitpoldhütte nicht mit dem Schwedenerz konkurrieren können, dessen Förderkosten sich zu denen der übrigen deutschen Erzgebiete wie 1 :5 verhalten. Dagegen braucht der deutsche Erzbergbau im allgemeinen den Wettbewerb der lothringischen Minette nicht zu fürchten. An Rohstahl hat die Montan-Union im Jahre 1950 31,7 Millionen t — zum Vergleich wiederum Großbritannien allein 16,6 Millionen t, die USA nicht weniger als 87,7 Millionen t — erzeugt. Im Jahre 1951 wird die Rohstahlproduktion der Montan-Union eine stärkere Zunahme auf rund 36 bis 37 Millionen t aufweisen. Dabei wird der allerdings noch immer führende deutsche Anteil von 38,2 % im Jahre 1950 auf rund 36 % im Jahre 1951 zurückgehen. Das gleiche wird bei Frankreich der Fall sein, das 1950 mit 27,3 %, 1951 wahrscheinlich nur mit knapp 26 % an der Stahlerzeugung der Schuman-Plan-Länder beteiligt sein dürfte. In absoluten Zahlen wird sich die wahrscheinliche Rohstahlproduktion der Bundesrepublik im Jahre 1951 auf rund 13,5 Millionen t, die Frankreichs auf rund 9,6 Millionen t belaufen. Dazu kommt noch die Erzeugung der Saar, die 1951 rund 2,5 Millionen t betragen dürfte. Alle drei Gebiete zusammen vereinigen dementsprechend z. Z. rund 70 % der Stahlproduktion der Montan-Union auf sich, ihr relativer Anteilsrückgang ist in erster Linie auf die stärkere Zunahme der Erzeugung in den „kleineren" Ländern Belgien, Luxemburg, Italien und den Niederlanden zurückzuführen. Mit Ausnahme der Niederlande und Italiens sind alle übrigen Unterzeichnerstaaten Walzstahlexporteure in dritte Länder; das stärkste Ausfuhrinteresse ist bei Luxemburg und Belgien, aber auch bei Frankreich mit einer Exportquote von rund 33 % gegeben. Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß sich der deutsche Anteil an der Stahlproduktion gegenüber 1936 vor allem infolge der Demontagen und Produktions- sowie Kapazitätsbeschrankungen erheblich, und zwar von rund 48 % auf rund 36 % vermindert hat. Etwa die Hälfte dieser bisherigen deutschen Gewichtsverminderung innerhalb der Montan-Union ist Frankreich zugewachsen, das bis Ende Juli 1951 zum Ausbau seiner Stahlkapazität neben den erheblichen eigenen Mitteln des MonnetPlanes noch rund 600 Millionen DM aus MarshallPlan-Mitteln einsetzen konnte, während beispielsweise Deutschland nur 140,8 Millionen DM aus Marshall-Plan-Mitteln für die Stahlindustrie erhielt und weitere Mittel vor allem wegen der besatzungsrechtlich bedingten Hinderungsgründe nur schwer zu investieren vermochte. Während also Frankreich in die Montan-Union mit einem modernen Stahlproduktionsapparat, darunter 2 Breitbandstraßen — je eine weitere besitzen Belgien, Luxemburg sowie Italien (letztere halbkontinuierlich) —, hineingeht, ist Deutschland bisher die Modernisierung seiner durchschnittlich 38 Jahre alten technischen Ausrüstung, insbesondere die Errichtung einer Breitbandstraße und die Beseitigung der Demontageschäden versagt geblieben. Dabei ist noch zu beachten, daß die weiteren französischen Investitionspläne sich weniger auf eine Fortführung des Kapazitätsausbaus als vielmehr auf eine Verbesserung der qualitativen Leistungsfähigkeit der Walzwerkserzeugung richten. Es kann also kein Zweifel daran bestehen, daß Deutschland auf dem Stahlgebiet mit einem erheblichen, nicht auf wirtschaftliche Entwicklungen zurückzuführenden Handikap in die Montan-Union hineingehen müßte. Demgegenüber ist andererseits festzustellen, daß Deutschland bisher trotz dieser Schwierigkeiten, die noch um die zusätzliche Verteuerung seiner Produktion durch die Einfuhr amerikanischer Kohle vermehrt worden sind, im Stahlsektor durchaus wettbewerbsfähig geblieben ist. Minetteerz bedeutet einen erheblichen Mehrverbrauch an Kohle, dadurch ergeben sich für Frankreich gegenüber Deutschland höhere Kosten der Stahlproduktion. Trotz der ab 1. November 1951 in Deutschland wirksam gewordenen nochmaligen Stahlverteuerung stellen sich die Preise für die Tonne Formstahl in Frankreich auf 353,75 DM, in Belgien auf 352,80 DM, in Deutschland auf 325,50 DM, für die Tonne Grobbleche in Frankreich auf 430,30 DM, in Belgien auf 396,90 DM, in Deutschland auf 348,60 DM sowie für die Tonne Walzdraht in Frankreich auf 366,60 DM, in Belgien auf 365,40 DM und in Deutschland auf 341,10 DM. Auf besonderen Wunsch Italiens und der Niederlande ist schließlich auch der Schrott in den Schuman-Plan einbezogen worden. Hier betrug im Jahre 1950 das Aufkommen innerhalb der Unterzeichnerstaaten rund 20 Millionen t, davon entfielen auf Deutschland allein rund 11 Millionen t, auf Frankreich rund 5,3 Millionen t. Deutschland (mit 2,6 Millionen t) und Frankreich (mit 0,5 Millionen t) waren dabei Schrottexporteure, die anderen vier Unterzeichnerstaaten im Gesamtumfang von 0,8 Millionen t Schrottimporteure. Selbst wenn man in Rechnung stellt, daß Deutschland freiwillig nur noch relativ kleine Mengen Schrott ausführen könnte, dürften auf diesem Gebiet keine unüberbrLickbaren Interessenkonflikte innerhalb der Montan-Union gegeben sein. Abschließend läßt sich also als Ergebnis der eingehenden Prüfung der rein volkswirtschaftlichen Ausgangspositionen feststellen, daß der Schlüssel zur Wertung der einzelnen Faktoren unter deutschen und europäischen Aspekten bei der Frage liegt, ob und wie schnell es Deutschland gelingt und gestattet ist, seine Kohlenförderung und Koksproduktion stärker zu erhöhen sowie darüber hinaus genügend Mittel für den Investitionsnachholbedarf in seiner Eisen- und Stahlindustrie aufzubringen. Im gleichen Maße muß sich seine kostenmäßig z. Z. trotz allem nicht ungünstige Wettbewerbslage festigen und sein für die Erhaltung des sozialen Friedens entscheidendes inneres - Produktionsvolumen in der weiterverarbeitenden Wirtschaft auch trotz der Mitversorgung der Märkte der Schuman-Plan-Staaten ausweiten lassen. Inwieweit das vorliegende Vertragswerk diese lebenswichtigen deutschen und zugleich im besten Sinne europäischen Zielsetzungen zu begünstigen oder zu behindern geeignet und überhaupt funktionsfähig erscheint, sollte die anschließende Untersuchung seiner Einzelbestimmungen beantworten. Dabei waren der 100 Artikel umfassende Vertrag selbst mit seinen drei Anlagen, das Abkommen über die Übergangsbestimmungen sowie die Protokolle über die Privilegien und Immunitäten der Gemeinschaft, über die Satzung des Gerichtshofes sowie über die Beziehungen zum Europarat zu prüfen. Der Schuman-Plan stellt bereits in seiner Präambel „die Ausweitung der Grundproduktionen zur Hebung des Lebensstandards und zum Fortschritt der Werke des Friedens" als wesentlichste Aufgabe zur Erreichung seiner europäischen Ziele heraus. Die gleiche Aufgabenstellung wird noch einmal im Artikel 2 des Vertrages mit den Worten ausgesprochen: „Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl ist dazu berufen, im Einklang mit der Gesamtwirtschaft der Mitgliedstaaten ... zur Ausweitung der Wirtschaft, zur Steige- rung der Beschäftigung und zur Hebung der Lebenshaltung in den Mitgliedstaaten beizutragen. . . . Sie hat hierbei dafür zu sorgen, daß keine Unterbrechung in der Beschäftigung eintritt, und zu vermeiden, daß im Wirtschaftsleben der Mitgliedstaaten tiefgreifende und anhaltende Störungen hervorgerufen werden." Der Vertrag will diese Ausweitung der Wirtschaft und Beschäftigung sowie Hebung des Lebensstandards in den Unterzeichnerstaaten erreichen a) durch die Schaffung eines gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl allein auf der Grundlage des höchsten wirtschaftlichen Effekts, b) durch die Ausschaltung aller wettbewerbsverfälschenden Faktoren auf diesem gemeinsamen Markt wie Zölle, Kartelle, übermäßige Machtkonzentrationen, Subventionen, Sonderlasten für Kohle und Stahl oder sonstige staatliche, politische oder privatwirtschaftliche Diskriminierungen, c) durch die Verankerung des Prinzips der staatlichen oder überstaatlichen Nicht intervention der gemeinsamen Organe des gemeinsamen Marktes in Zeiten relativen wirtschaftlichen Gleichgewichts oder der gering stmögichen Intervention dieser Organe in Krisenoder Mangellagen, d) durch den gemeinsamen Einsatz der Finanzierungsmöglichkeiten der Unterzeichnerstaaten und Mobilisierung zusätzlicher Mittel aus dritten Ländern mit der Garantieleistung aller Schuman-Plan-Länder zugunsten der Produktionsausweitung bei Kohle und Stahl und zur wirtschaftlichen und sozialen Erleichterung notwendiger Anpassungsvorgänge in einzelnen Mitgliedstaaten. Seine Absichten können also kurz als die Gewährleistung eines geordneten fairen Wettbewerbs, mithin als das Gegenteil eines überstaatlichen Dirigismus zentralverwaltungswirtschaftlicher Prägung, aber auch eines privatwirtschaftlichen Superkartells bezeichnet werden. Es blieb zu prüfen, ob sich nicht diese Absichten in der Realität der Funktion des Schuman-Plans leicht in das eine oder andere Gegenteil verkehren könnten. Dazu waren zunächst die zur Gewährleistung der Vertragsziele zu schaffenden gemeinsamen Organe, deren Rechte und Pflichten sowie die gegebenen Möglichkeiten zur Beseitigung sich später herausstellender Konstruktionsfehler genauer -zu betrachten. Da der Schuman-Plan bewußt die Ebene herkömmlicher zwischenstaatlicher Abkommen verlassen hat und ohne Vorhandensein eines gesamtpolitischen bundesstaatlichen Überbaues überstaatliche Einrichtungen schafft, auf die nur Teile der einzelstaatlichen Souveränität der Unterzeichnerstaaten übergehen sollen, hat er die sich daraus ergebende Problematik auf die Weise zu lösen versucht, daß er soweit als irgend möglich alle denkbaren Fälle einer gesetzgeberischen, d. h. rechtschöpfenden Funktion der Vertragsorgane im Vertrag selbst vorwegnahm. So sind die Exekutivrechte der wichtigsten überstaatlichen Einrichtung des Schuman-Plans, der `„Hohen Behörde", und damit die möglichen Auswirkungen der einzelstaatlichen Souveränitätsverzichte von vornherein genau abgegrenzt und übersehbar; es ist eine andere Frage, inwieweit die Wirklichkeit des wirtschaftlichen Lebens und der wirtschaftlichen Entwicklung der Völker während der vorgesehenen Dauer des Vertrages in den vorgezeichneten Bahnen verlaufen wird. Dieser relativ starren Vertragskonstruktion entsprechend sind die legislativen Möglichkeiten der Organe der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl sehr schwach ausgebildet. Der „Rat" wird im wesentlichen auf eine Mitwirkung bei der Exekutive, die „Versammlung" auf die Kontrolle der Exekutive beschränkt. Nur im Revisionsfalle wachsen beiden Institutionen eng begrenzte echte gesetzgeberische Vollmachten zu. Der Ausschuß hat in seiner Gesamtheit diese der natürlichen Entwicklung und einer lebensvollen europäischen Integration zweifellos nicht angepaßte außerordentliche Beschränkung der Legislative des Schuman-Plans als einen erheblichen Mangel empfunden und mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung diese Auffassung in vollem Umfange teilt und bei den Vertragsverhandlungen alles versucht hat, um die Befugnisse der überstaatlichen Organe zur Gesetzgebung auszuweiten. Im Gegensatz zur schwachen Ausbildung der Legislative ist die richterliche Gewalt des SchumanPlans, der „Gerichtshof", mit so weitgehenden Befugnissen ausgestattet worden, daß in ihm tatsächlich eine echte überstaatliche Institution erblickt werden darf. Das Exekutivorgan • des Schuman-Plans, die „Hohe Behörde", besteht aus 9 für sechs Jahre ernannten Mitgliedern, von denen nicht mehr als 2 gleicher Staatsangehörigkeit sein dürfen. Sie sollen ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit ausüben und_ dürfen weder Regierungsanweisungen entgegennehmen oder einholen noch bis drei Jahre nach Beendigung ihrer Tätigkeit an Kohle oder Stahl geschäftlich gebunden sein. 8 Mitglieder der „Hohen Behörde", darunter der Präsident und der Vizepräsident, werden für die erste Amtsperiode von den Regierungen der Mitgliedstaaten in gemeinsamem Einvernehmen ernannt, diese 8 Mitglieder wählen selbst das neunte Mitglied. Später ist vorgesehen, daß alle zwei Jahre ein Drittel der Mitglieder der „Hohen Behörde" neu bestellt wird, wobei abwechselnd das Ernennungsrecht der Regierungen und das Wahlrecht der übrigen Mitglieder der „Hohen Behörde" zum Zuge kommen soll. Ein Vetorecht der einzelnen Regierungen kann bei. wiederholter Anwendung durch den Gerichtshof für unwirksam erklärt werden, wenn der Gerichtshof es als Mißbrauch ansieht. Der Ausschuß hat die verhältnismäßig hohe Zahl der Mitglieder der „Hohen Behörde", die auf besonderen Wunsch der kleineren Unterzeichnerstaaten von ursprünglich 5 auf 9 heraufgesetzt worden war, als eine bedauerliche Verwässerung des überstaatlichen Charakters dieser Institution angesehen. Ein Teil der Ausschußmitglieder legte besonderen Wert darauf, ;aß bei der späteren Ernennung der ersten Mitglieder der „Hohen Behörde" auch an eine angemessene gewerkschaftliche Repräsentation gedacht werde. Die Bundesregierung konnte hierzu erklären, daß schon während der Vertragsverhandlungen eine Übereinstimmung in diesem Sinne erreicht wurde, und daß sogar bereits ein führender Gewerkschaftsvertreter der Unterzeichnerstaaten für die „Hohe Behörde" namentlich in Aussicht genommen worden ist. Die Beschlüsse der „Hohe Behörde" sind mit absoluter Mehrheit zu fassen, wobei sie im einzelnen „Entscheidungen", d. h. in allen ihren Teilen verbindliche Rechtsakte, „Empfehlungen", d. h. hinsichtlich ihrer Ziele verbindliche Anordnungen, die jedoch die Wahl der zur Erreichung dieser Ziele geeigneten Mittel voll in das Ermessen der Regierungen oder Unternehmen stellt, an die die „Empfehlungen" gerichtet sind, erlassen oder „Stellungnahmen", d. h. nicht verbindliche Meinungsäußerungen abgeben kann. Unter welchen Voraussetzungen die „Hohe Behörde" im Einzelfalle „Entscheidungen", „Empfehlungen" oder " „Stellungnahmen" beschließen darf, ist entsprechend der Vorwegnahme aller legislatorischen Akte der überstaatlichen Montan-Union durch den Vertrag selbst genau festgelegt und wird im weiteren Verlauf des Berichts noch im einzelnen dargelegt. Wesentlich ist — und das unterscheidet die „Hohe Behörde" nach, der Auffassung der Mehrheit, des Ausschusses in stärkstem Maße von einem Kartell --, daß die „Hohe Behörde" zum Zwecke der Nachprüfung ihrer Objektivität durch die Öffentlichkeit bzw. durch den „Gerichtshof" ihre Beschlüsse genau zu begründen hat. Sie hat ferner in den im Vertrag festgelegten Fällen — und das sind alle von wesentlicher Bedeutung — den bei ihr zu bildenden „Beratenden Ausschuß", eine Art überstaatlicher Wirtschaftsrat aus 30 bis 51 Mitgliedern, vor ihren Beschlüssen anzuhören. Die Mitglieder dieses „Beratenden Ausschusses" werden vom „Rat" paritätisch, d. h. zu je einem Drittel aus Vorschlagslisten der Unternehmerverbände, der Kohle- und Stahlverbraucher- und Händlerorganisationen sowie der Gewerkschaften ernannt. Die „Hohe Behörde" hat schließlich jährlich einen Gesamtbericht über die Tätigkeit und Verwaltungsausgaben der Montan-Union zu veröffentlichen. Die im wesentlichen auf die parlamentarische Kontrollfunktion beschränkte „Versammlung" besteht aus 78 Mitgliedern der beteiligten sechs Staaten, die entweder aus der Mitte ihrer gesetzgebenden Organe zu ernennen oder in allgemeiner direkter Wahl zu wählen sind. Auf Deutschland, Frankreich und Italien entfallen dabei je 18 Abgeordnete, auf Belgien und die Niederlande je 10, auf Luxemburg 4. Da sich die Bundesrepublik dem von der sogenannten „Saarregierung" vorgebrachten Wunsch einer Mitunterzeichnung des Vertrages und direkten Repräsentation in der „Versammlung" aus grundsätzlichen Erwägungen erfolgreich widersetzen konnte, bedurfte wegen der noch nicht möglichen befriedigenden politischen Lösung des Saarproblems die Frage der Vertretung der Saarbevölkerung einer besonderen Konstruktion. Diese geht von der Tatsache aus, daß gegenwärtig noch kraft siegerstaatlichen Rechts Frankreich die Wahrnehmung der Interessen der Saar für sich beansprucht. Dementsprechend gelten die Vertreter der Saarbevölkerung als in die Delegiertenzahl Frankreichs eingerechnet; ob Frankreich tatsächlich Vertreter der Saarbevölkerung ernennen wird, bleibt ihm überlassen. Die Beratende Versammlung des Europarates in Straßburg hatte während der Vertragsverhandlungen den Wunsch zum Ausdruck gebracht, daß die Mitglieder der „Versammlung" der MontanUnion mit den Mitgliedern der „Beratenden Versammlung" des Europarates zur Unterstreichung des Willens zur europäischen Integration identisch sein mögen. Auf Grund dieses Wunsches ist das „Protokoll -über die Beziehungen zum Europarat" zustande gekommen, das die Empfehlung ausspricht, daß die Mitglieder der „Versammlung" der Montan-Union vorzugsweise unter den Vertretern in der „Beratenden Versammlung" des Europarates ausgewählt werden möchten, daß ferner eine laufende Unterrichtung der „Beratenden Versammlung" des Europarates insbesondere durch die Mitteilung des Gesamtberichts der „Hohen Behörde" stattfinden und jede Art beiderseitiger Zusammenarbeit durch weitere Abkommen vorgesehen werden soll. Hierüber hat es im Ausschuß einen längeren Meinungsaustausch gegeben, in dem darauf hingewiesen wurde, daß eipmal bedauerlicherweise die Mitglieder der „Beratenden Versammlung" des Europarates und der „Versammlung" der MontanUnion schon deswegen nicht die gleichen sein würden, weil beispielsweise Großbritannien außerhalb der Montan-Union bleibe. Zum zweiten wurde geltend gemacht, daß die Mitglieder der „Versammlung" der Montan-Union eine außerordentliche und sehr spezielle wirtschaftspolitische Verantwortung gegenüber ihren Völkern übernehmen müßten, so daß zumindest eine Änderung in der Zusammensetzung der Europaratsdelegationen empfehlenswert sei. Hierüber wird zu gegebener Zeit das Plenum des Bundestages zu entscheiden haben. Das wichtigste Recht der „Versammlung" der Montan-Union besteht in der Möglichkeit, im Zusammenhang mit der öffentlichen Erörterung des jährlichen Gesamtberichts der „Hohen Behörde" dieses Exekutivorgan des Schuman-Plans auf Grund eines mit Zweidrittelmehrheit der abgegebenen, mindestens aber der Majorität aller vorhandenen Stimmen angenommenen Mißtrauensvotums zu stürzen. Zur Erörterung des Gesamtberichts der „Hohen Behörde" tritt die Versammlung alljährlich ohne besondere Einberufung am zweiten Dienstag im Mai zusammen. Ihre ordentliche Sitzungsperiode muß spätestens am 30. Juni, dem Ende des Rechnungsjahres, abgeschlossen sein. Auf Antrag des „Rates", der „Hohen Behörde" oder der Mehrheit ihrer eigenen Mitglieder kann die „Versammlung" allerdings auch zu außerordentlichen Sitzungen einberufen werden. In diesem Zusammenhang muß das den Mitgliedern der „Versammlung" eingeräumte Interpellationsrecht, das nach den Auskünften der Bundesregierung uneingeschränkt besteht, gegenüber der „Hohen Behörde" als nicht unwesentlich angesehen werden. Nur in einem einzigen Fall sieht der Vertrag für die „Versammlung" eine echte gesetzgeberische Funktion vor. Wenn nach Ablauf der Übergangszeit unter den Voraussetzungen des Artikels 95 Absatz 2 des Schuman-Plans eine Anpassung der Vorschriften über die der „Hohen Behörde" übertragenen Befugnisse auf Vorschlag der „Hohen Behörde" im gegenseitigen Einvernehmen mit einer Fünf-Sechstel-Mehrheit des „Rates" vorgenommen werden soll und der „Gerichtshof" die Zulässigkeit dieser Änderungsvorschläge gemäß Artikel 95 Ab- satz 2 festgestellt hat, dann können diese Änderungen nur in Kraft treten, wenn sie mit einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stirnmen, mindestens zwei Dritteln aller Stimmen der „Versammlung" gebilligt werden. Der „Rat", das bundesratsähnliche Organ zur Mitwirkung bei den Entscheidungen der „Hohen Behörde" in den im Vertrag vorgesehenen wichtigen Fällen, setzt sich aus je einem Regierungsmitglied der Unterzeichnerstaaten zusammen. Der Vorsitz wechselt in alphabetischer Reihenfolge der beteiligten Länder alle drei Monate. Ist in dem Vertrag eine Zustimmung des „Rates" zu Beschlüssén der „Hohen Behörde" vorgeschrieben und wird keine Einstimmigkeit gefordert, so gilt die absolute Mehrheit der Mitglieder dann als ausreichend, wenn in ihr die Stimme eines Mitgliedstaates enthalten ist, der 20 % der Kohle- und Stahlproduktion der' Montan-Union repräsentiert, d. h. also entweder Deutschlands oder Frankreichs. Bei Stimmengleichheit gilt die Zustimmung nur dann als erteilt, wenn sich dafür sowohl Deutschland als auch Frankreich ausgesprochen haben. Angesichts der unterschiedlichen Interessenlage innerhalb der Unterzeichnerstaaten mußte diese Regelung zu eingehenden Erörterungen im Ausschuß führen. Es wurde anerkannt, daß Deutschland und Frankreich gemeinsam im „Rat" in keinem Fall überstimmt werden könnten, daß aber Deutschland allein eine Majorisierung im „Rat" nicht zu verhindern imstande sei. Diese Gefahr zwingt zur Feststellung der Fälle und ihrer wirtschaftlichen oder politischen Bedeutung, in denen bereits eine einfache oder qualifizierte Mehrheit des „Rates" einen Beschluß der „Hohen Behörde" zu sanktionieren vermag. Et sind dies a) die Erhebung von über 1 % des Umsatzes hinausgehenden Umlagen gemäß Artikel 50, b) die Bewilligung von Mitteln für Forschungszwecke gemäß Artikel 55, c) die Bewilligung von Mitteln zur Finanzierung anderer als Kohle- und Stahlunternehmen im Falle einer strukturellen Bedarfsverlagerung gemäß Artikel 56, d) die Zustimmung zur Einführung eines Quotensystems im Fall der Krise gemäß Artikel 58 oder in der Übergangszeit im Fall der Anpassung auf dem Stahlgebiet gemäß § 29 des Übergangsabkommens, e) die Zustimmung zur Einführung des gemäß Artikel 59 Absatz 3 in der Mangellage vorgesehenen Zuteilungssystems, f) die Zustimmung zu Ausfuhrbeschränkungen in der Mangellage gemäß Artikel 59 Absatz 5, g) die Genehmigung zum Erlaß einer Verordnung zur generellen Befreiung von Vorschriften im Sinne des Artikels 66 Absatz 2 (Unternehmenzusammenschlüsse), h) die Zustimmung zu Maßnahmen gegen ein Dumping dritter Länder gemäß Artikel 74 Absatz 2, i) die Zustimmung zu einer Revision des Vertrages gemäß Artikel 96. Darunter befinden sich ohne Zweifel Fälle, in denen die Folgen einer unbilligen Entscheidung tiefgreifende und anhaltende Störungen in der deutschen Wirtschaft hervorrufen können. Gerade hier aber greifen die umfassenden Vollmachten des „Gerichtshofs" ein. Er besteht aus sieben, auf die Dauer von sechs Jahren im gemeinsamen Einvernehmen der Unterzeichnerstaaten ernannten unabhängigen Richtern, die aus ihrer Mitte ihren Präsidenten für jeweils drei Jahre selbst bestellen. Ist ein Mitgliedstaat der Ansicht, daß eine Handlung oder Unterlassung der „Hohen Behörde" geeignet ist, „tiefgreifende und anhaltende Störungen in seiner Wirtschaft" hervorzurufen, und ergreift die „Hohe Behörde" keine Maßnahmen, um diesem Sachverhalt unter Wahrung der wesentlichen Interessen der Montan-Union ein Ende zu bereiten, so ist der „Gerichtshof" nach Artikel 37 verpflichtet, die zugrundeliegende materielle Rechtslage nachzuprüfen. Hierzu wurde ausdrücklich durch die Bundesregierung bestätigt und auf die entsprechenden franzosischen Kommentare hingewiesen, daß damit der „Gerichtshof" in bewußter Abweichung von den Formulierungen des Artikels 33 auch für die Würdigung der wirtschaftlichen Tatsachen oder Umstände zuständig sei, die zu den angefochtenen Entscheidungen der „Hohen Behörde" geführt haben, auch ohne daß dieser ein Ermessensmißbrauch vorgeworfen wird. Eine Verletzung des bereits zu Beginn des Berichts zitierten Artikels 2 Absatz 2 wird ohnedies in jedem derartigen Fall geltend gemacht werden können, so daß auch nach Artikel 33 auf Nichtigkeit unter Ausdehnung der Vollmachten des „Gerichtshofs" auf die Nachprüfung der Ermessensfrage und zugrundeliegenden wirtschaftlichen Tatsachen geklagt werden kann. Unterläßt die „Hohe Behörde" den Erlaß von Entscheidungen, zu denen sie auf Grund des Vertrages verpflichtet wäre, so kann in gleicher Weise vor dem „Gerichtshof" Klage erhoben werden. In allen Fällen eines obsiegenden Urteils besteht überdies Anspruch auf angemessene Wiedergutmachung, im Weigerungsfalle der „Hohen Behörde" Klagemöglichkeit auf Schadensersatz. Der Ausschuß hat in seiner Mehrheit diese Sicherungen gegen eine willkürliche Majorisierung Deutschlands durch „Hohe Behörde" und „Rat" für ausreichend angesehen, um derartige Entwicklungen, die außerdem dem Prinzip der Nichtdiskriminierung und den Zielen der Montan-Union völlig zuwiderlaufen würden, überhaupt nicht entstehen zu lassen. Das logische Gegenstück zu Klage mit unbeschränkter Ermessensnachprüfung gegenüber der „Hohen Behörde" stellt die Verfahrensregelung dar, die im Falle einer von der „Hohen Behörde" festgestellten Vertragsverletzung von seiten eines Mitgliedstaates vorgesehen ist. Der beschuldigte Staat kann auch in diesem Fall gegen die Entscheidung der „Hohen Behörde" vor dem „Gerichtshof" Klage im „Verfahren mit unbeschränkter Ermessensnachprüfung" erheben. Das gleiche gilt für Einzelunternehmen oder sonst Betroffene. Wird die Klage abgewiesen oder erfolgt überhaupt keine Klage, so sind in den im Vertrag vorgesehenen Fällen der Artikel 47, 54, 58, 59, soweit Einzelunternehmen die Betroffenen sind, Bußgelder zu entrichten. Handelt es sich um Staaten, so sieht der Vertrag Sanktionen in Form der Aussetzung von Zahlungen zugunsten dieser Staaten oder aber von Gegenmaßnahmen in Abweichung von dem Grundsatz des gemeinsamen Marktes oder der Nichtdiskriminierung vor. Auch hiergegen ist die Klage „im Verfahren mit unbeschränkter Ermessensnachprüfung" vor dem „Gerichtshof" zulässig. Dem „Gerichtshof" ist schließlich außer den vorerwähnten umfassenden Rechten und Pflichten, die ihm eindeutig den Charakter einer überstaatlichen Institution verleihen, auch noch die Aufgabe zuerkannt worden, in Streitfällen zwischen Mitgliedstaaten, die nicht im Rahmen der im Vertrag vorgesehenen Verfahren erledigt werden können, als zwischenstaatliches Schiedsgericht zu fungieren. Wenn in den sechs Unterzeichnerstaaten des Schuman-Plans die für seine Funktion verantwortlichen, vorstehend skizzierten gemeinsamen Organe ihre vertraglich vorgesehenen Aufgaben wahrnehmen, welcher Raum bleibt dann noch für eine einzelstaatliche Wirtschaftspolitik? Wird dann das Nebeneinander eines gemeinsamen Marktes für bestimmte Grundstoffe und in allen übrigen Bereichen ein Eigenleben führender Volkswirtschaften überhaupt eine erfolgreiche Entwicklung gestatten? Ehe der Ausschuß zu diesen entscheidenden Fragen Stellung nehmen konnte, mußte er sich zunächst mit der exakten Abgrenzung der dem Schuman-Plan unterliegenden Sektoren gegenüber den den Einzelstaaten verbleibenden wirtschaftlichen Hoheitsbereichen beschäftigen. Wenn der Schuman-Plan von „Kohle" spricht, so sind in erster Linie Steinkohle, Steinkohlenbriketts und Zechenkoks sowie Braunkohlenbriketts und Braunkohlenschwelkoks darunter zu verstehen. Gaskoks und Rohbraunkohle fallen nur dann unter den „Schuman-Plan", wenn durch sie — was weniger wahrscheinlich ist — eine „fühlbare Störung des Brennstoffmarktes" erfolgt. Der Begriff „Stahl" umfaßt auf der anderen Seite Eisenerze (mit Ausnahme von Schwefelkies), Manganerze, Roh- und Gießereieisen, Rohstahl und Walzwerkserzeugnisse mit Ausnahme von Röhren, gezogenem Draht, Gußstücken und überhaupt Stahl- und Stahlformguß sowie Schmiedestücken. Während einer Zeit von höchstens drei Jahren nach Errichtung des gemeinsamen Marktes sind darüber hinaus hochlegierte Edelstähle ebenfalls ausgenommen. Bei Schrott findet der Schuman-Plan insbesondere in der Mangellage keine Anwendung auf Gußbruch, da die Gießereien auch nicht der Zuständigkeit der „Hohen Behörde" unterstehen, sowie nur in eingeschränktem Umfang auf den unmittelbar verwendeten Anfallschrott der stahlerzeugenden Unternehmen. Darüber hinaus sind für Schrott generell stärkere Reservatrechte der Einzelstaaten vorgesehen. Die Erzeugung und Verteilung von Kohle und Stahl in dem vorbezeichneten Rahmen innerhalb eines auf diesen Ausschnitt begrenzten gemeinsamen, sonst aber getrennten Marktes von sechs Volkswirtschaften berührt zwangsläufig alle Bereiche der allgemeinen Wirtschaftspolitik, insbesondere die Preis- und Handelspolitik, ferner die Sozial- und Verkehrspolitik der Einzelstaaten. Der Schuman-Plan hat dieses Problem dadurch zu lösen versucht, daß er den Grundsatz der in allen_ diesen Sektoren fortbestehenden einzelstaatlichen Souveränität und im Falle seiner im Vertrag vorgesehenen Durchbrechung den des nationalstaatlichen indirekten Korrektivrechtes proklamiert. In der dem Vertrag zugrunde liegenden Ausgangsvorstellung der „Normallage" soll sich, wie schon an anderer Stelle kurz betont, die Tätigkeit der gemeinsamen Organe auf dem gemeinsamen Markt auf die Funktion eines Garanten eines geordneten Wettbewerbs ohne außerwirtschaftliche Verfälschungen beschränken. Dabei ist im Vertrag, wie in der Ausschußdiskussion herausgestellt wurde, der Begriff des „gemeinsamen" anstelle eines „einheitlichen" Marktes bewußt gewählt worden, um damit zum Ausdruck zu bringen, daß in der Normallage das Prinzip der freien Preisbildung durch keine Einheitspreisfestsetzung beeinträchtigt werden soll. Allerdings stellt der Vertrag für diese freie Preisbildung bestimmte Normen auf. - Die Preise sollen möglichst niedrig, aber keine zu Dumpingzwecken gespaltene Preise sein, jedoch die erforderlichen Abschreibungen, Verbesserungsmöglichkeiten der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter und der betrieblichen Produktivität sowie eine angemessene Kapitalverzinsung decken, bei der Ausfuhr in dritte Länder sollen „angemessene Grenzen" eingehalten werden. Staatliche Subventionen oder andererseits Sonder„ lasten dürfen in den Preisen nicht enthalten sein. Die Unternehmen haben aus diesen Gründen ihre auf dem gemeinsamen Markt angewandten Preise und Verkaufsbedingungen, d. h. insbesondere die zugrunde gelegten Frachtbasen oder Frankostellungen, zu veröffentlichen. Nach oben sind ihnen — in Erfüllung der Vertragsauflage möglichst „niedriger" Preise — in der Ausnutzung regionaler Sondersituationen innerhalb der Montan-Union dabei bestimmte Grenzen gezogen. Unter Berücksichtigung der Frachten und der weiterhin erlaubten unterschiedlichen Mengenrabatte dürfen die Preisstellungen nicht höher sein als die am eigenen Lieferort erreichbaren; nach unten haben die Unternehmen jedoch das Recht, in jede für einen anderen Lieferort gegebene Preisstellung, unter Mitteilung an die „Hohe Behörde" auch in Angebote von außerhalb der Montan-Union einzutreten. Für die deutschen Grundstoffindustrien bedeutet trotz ihres produktionsmäßigen Handikaps, wie die an anderer Stelle wiedergegebenen Preisvergleiche beweisen, das Prinzip der freien Preisbildung nach der Auffassung der Mehrheit des Ausschusses keine Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Sonderlasten für Kohle und Stahl sind ebenfalls nicht vorhanden — der Lastenausgleich betrifft die gesamte Wirtschaft —, laufende Subventionen oder sonstige staatliche Beihilfen werden dem Kohlenbergbau und der Stahlindustrie aus Gründen der Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit gleichfalls nicht gewährt. Allerdings wird es nicht möglich sein, für die Kohlen- und Stahlausfuhr in die Länder der Montan-Union, Exportförderungsmaßnahmen anzuwenden. Ebensowenig kann die derzeitige Marktspaltung in „Normal-" und „Spitzenkohlen"-Preis oder die über Mengenrabatte hinausgehende differenzierte Preisstellung für Großverbraucher wie die Bundesbahn bzw. ein Sonderpreis für Hausbrand erhalten bleiben. Zwingenden sozialen Erfordernissen muß hier in anderer Weise Rechnung getragen werden. Abweichende Preisstellungen bei der Ausfuhr nach dritten Ländern können jedoch „in angemessenen Grenzen" beibehalten werden, es sei denn, daß nach Artikel 61 Buchstabe c nach Anhörung der Verbände bzw. Unternehmen des Kohlenbergbaus und der Stahlindustrie von der „Hohen Behörde" festgesetzte Mindest- und Höchstpreise für die Ausfuhr eine gewisse Eingrenzung bedeuten. Ohne daß eine außergewöhnliche Marktsituation, etwa eine akute Mangellage, bereits festgestellt worden ist, besitzt die „Hohe Behörde" nach Artikel 61 allerdings auch das Recht, für eines oder mehrere der ihrer Zuständigkeit unterliegenden Erzeugnisse Höchstpreise festzusetzen, wenn sie mit zwingenden Gründen feststellt, daß ohne diese Höchstpreisfestsetzung die Ordnung des Marktes im Sinne des Vertrages nicht aufrechterhalten werden kann. Diese Höchstpreise müssen jedoch mindestens die Kosten, Abschreibungen und eine angemessene Verzinsung decken — mit einer Ausnahme allein bei der Kohle: wenn die „Hohe Behörde" für Grenzkostenbetriebe, deren Fortführung vorübergehend als notwendig erachtet wird, auf deren Niveau sich aber die Höchstpreise nicht einspielen sollen, Ausgleichszahlungen zwischen Unternehmen desselben oder verschiedener Reviere genehmigt. Auch diese Bestimmung bedeutet nach Auffassung der Mehrheit des Ausschusses für die deutschen Grundstoffindustrien grundsätzlich keine Erschwerung ihrer Situation; über die Frage der Ausgleichszahlungen wird' noch in einem anderen Zusammenhang zu berichten sein. Zum gemeinsamen Markt gehört auch die Beseitigung der Ein- und Ausfuhrzölle sowie aller mengenmäßigen Beschränkungen für Kohle und Stahl innerhalb der Montan-Union. Im größeren Teil der Unterzeichnerstaaten des Schuman-Plans haben Kohlezölle wirtschaftspolitisch keine Rolle gespielt. Anders liegen die Dinge bei Stahl; hier besitzt bisher beispielsweise Deutschland wesentlich höhere Sätze als etwa die Beneluxstaaten. Während Deutschland nach der durch die an anderer Stelle wiedergegebenen Preisvergleiche bekräftigten Mehrheitsauffassung des Ausschusses weder wirtschaftlich noch finanzpolitisch die Beseitigung der Zölle innerhalb der Montan-Union zu fürchten braucht, ergibt sich aber die Frage, wie der Schuman-Plan die durch die Zolldifferenzen gegenüber dritten Ländern neu aufgeworfenen Probleme indirekter Einfuhren aus dritten Ländern über andere Mitgliedstaaten oder umgekehrt entsprechender indirekter Ausfuhren zu lösen beabsichtigt. Nur wenn ein einstimmiger Beschluß des „Rates" zustandekommt, könnten gemeinsame Außenzollsätze — aber auch dann nur als Mindest- und Höchstsätze — durch die „Hohe Behörde" festgesetzt werden. Der Vertrag hält insoweit an der einzelstaatlichen Souveränität fest; dies gilt auch für eventuelle Ein- und Ausfuhrlizenzen und deren Handhabung. Dieses Prinzip wird noch durch den § 20 der Übergangsbestimmungen erhärtet, der durch gemeinsames Vorgehen gegenüber dem GATT oder ihm nicht angeschlossenen Ländern sicherstellen soll, daß sich für die Vertragsländer keine Rückwirkungen hinsichtlich der Meistbegünstigung ergeben. Die Übergangsbestimmungen sehen nun vor, daß innerhalb der Montan-Union nach Beendigung der fünfjährigen Übergangszeit, die für diesen Fall ausnahmsweise nach § 29 um zwei auf sieben Jahre verlängert werden kann, praktisch alle Staaten zu Außeneinfuhrzöllen von maximal 3 °/o für Stahl (auf Grund der Verpflichtung der Beneluxländer, ihre gegenwärtigen 1°/oigen Zölle um 2 Punkte zu erhöhen) gekommen sein müssen. Der Zwang zur Senkung auf diesen Satz liegt darin, daß nach dieser Zeit jede in den Übergangsbestimmungen vorgesehene Schutzmöglichkeit durch Zollkontingente für die Beneluxstaaten bzw. nach Ablauf der fünf Jahre durch andere direkte Schutzmaßnahmen gegen indirekte Einfuhren für die Dauer von weiteren zwei Jahren ein Ende findet. Sieht man von der in normalen Zeiten — und von diesen wird zunächst immer nur gesprochen — sehr dubiosen Möglichkeit der Einfuhrlizenzen ab, die nur dann wirksam sein könnten, wenn sie von allen Mitgliederstaaten angewandt würden, so wird die Montan-Union praktisch nach längstens sieben Jahren seit ihrem Bestehen bei Kohle und auch Stahl zum annähernden Freihandelsgebiet, d. h. sie steht insbesondere dem britischen und amerikanischen Wettbewerb — soweit er kein Dumping betreibt — in vollem Umfang offen. Die „Hohe Behörde" ist allerdings beauftragt, während der Übergangszeit mit allen übrigen Ländern, insbesondere Großbritannien, Verhandlungen über eine vernünftige Regelung der gegenseitigen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen auf dem Gebiet von Kohle und Stahl zu führen. Diese Perspektiven mußten den Ausschuß in ihren möglichen Rückwirkungen — auch wenn sie in diesem Fall die gesamte Montan-Union in gleicher Weise berühren — eingehender beschäftigen. Danach war festzustellen, daß Deutschland gegenwärtig wohl in der Lage ist, sich gegenüber der amerikanischen Konkurrenz zu behaupten. Gegenüber Großbritannien besteht allerdings ein 10- bis 20 %iges Handikap, wobei zu berücksichtigen ist, daß die britischen Stahlpreise nicht als nach den Prinzipien des Schuman-Planes, d. h. ohne Subventionen oder Beihilfen gebildet gelten können und daß insoweit der Schuman-Plan selbst genügend Schutzhandhaben besitzt, falls die in den Übergangsbestimmungen vorgesehenen Verhandlungen zu keinem befriedigenden Ergebnis führen sollten. Hinsichtlich der Möglichkeit, unerwünschte indirekte Ausfuhren und ihre Rückwirkungen auf die nationalstaatlichen Devisenpositionen nach Beseitigung der inneren Zollschranken zu verhindern, zwingt der Vertrag nach Ablauf der Übergangszeit zu einer Vereinheitlichung der einzelstaatlichen Bestimmungen über Devisenbewirtschaftung, Währungskonvertibilität und Bonushandhabung, greift also unter Umständen sehr weit in die allgemeine Wirtschaftspolitik der Staaten ein. Die Mehrheit des Ausschusses war allerdings hier wie in anderen ähnlich gelagerten Fällen, in denen ein indirekter Zwang zur europäischen Vereinheitlichung ausgeübt wird, der Auffassung, daß diese Tendenzen als nicht unerwünscht anzusehen seien. Sehr ernst ist dagegen im Ausschuß die weitere Frage erörtert worden, ob nicht die Herstellung des gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl unter Fortfall der inneren Zölle die Beschaffung der von Deutschland benötigten Rohstoffe und Nahrungsmittel in gefährlicher Weise erschweren könnte. Es wurde darauf hingewiesen, daß Deutschland bisher noch in seiner Kohle und auch seiner Stahlproduktion Tauschobjekte in der Hand habe, die bei Handelsvertragsverhandlungen zur Erlangung von Konzessionen der anderen Partner etwas wert seien; diese Kompensationsmöglichkeit werde mit dem Schuman-Plan aus der Hand gegeben. Demgegenüber wurde zunächst einmal geltend gemacht, daß Deutschland z. Z. infolge der Eingriffsgewalt der Ruhrbehörde ohnehin nur eine relativ beschränkte Handlungsfreiheit — nämlich innerhalb der Globalauflage — besitzt, daß ferner der gleiche Einwand auch gegenüber der doch von der Mehr- heit des Ausschusses mindestens als Ziel bejahten Liberalisierungspolitik erhoben werden müsse, daß man vor allem aber die tatsächlichen Größenordnungen der Handelsbeziehungen innerhalb der Montan-Union nicht außer Acht lassen dürfe. Im ersten Halbjahr 1951 habe Deutschland eine Gesamtausfuhr von 1,56 Milliarden $ gehabt; davon seien je rund 117 Millionen $, zusammen also 234 Millionen $ oder 14,6 % auf Kohle und Stahl entfallen. In den über 85 % des deutschen Außenhandels, die nicht durch den Schuman-Plan berührt würden, seien noch genügende Kompensationsmöglichkeiten für den bilateralen Handelsverkehr enthalten. Wesentlich sei aber vor allem, daß nach wie vor auch im Schuman-Plan-Bereich die Bezüge an deutscher Kohle oder deutschem Stahl mit Devisen zu bezahlen seien, so daß Deutschland jederzeit in voller Höhe diese Guthaben bei seinen Warenbezügen geltend machen könne. Schließlich erhalte Deutschland im Falle einer allgemeinen Krise durch den Schuman-Plan auch eine gewisse Mindestabsatzgarantie, die später noch zu behandeln sein wird, deren Gewicht aber in diesem Zusammenhang mitberücksichtigt werden muß. Überhaupt stand diese Erörterung nach Meinung der Mehrheit des Ausschusses zu sehr unter dem Eindruck der derzeitigen anomalen Mangellage, die zweifellos ebensowenig wie das gegenwärtige Produktions- und Verbrauchsvolumen der SchumanPlan-Länder als unabänderliches Naturereignis angesehen werden darf. Die Mehrheit des Ausschusses war dementsprechend insbesondere unter Hinweis auf das allgemeine wirtschaftspolitische Ziel der Entfernung vom gegenwärtigen primitiven Realtausch zwischen zwei Volkswirtschaften und statt dessen der Wiederherstellung eines multilateralen liberalisierten Güteraustausches, dessen bisherige außergewöhnliche Teilerfolge unbestreitbar sind, der Auffassung, daß die deutsche Volkswirtschaft, wenn sie überhaupt ihren Anspruch auf Lebensfähigkeit zu Recht geltend machen wollte, die im gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl liegenden handelspolitischen Risiken, aber auch zugleich Chancen auf sich nehmen müsse. Wie die Aufhebung der Zölle innerhalb der Unterzeichnerstaaten des Schuman-Planes fließt aus der Absicht der Herstellung eines gemeinsamen Marktes und natürlicher Standortbedingungen für Kohle und Stahl auch die Schaffung durchgehender Verkehrstarife in diesen Sektoren, d. h. von Tarifen, deren mit der Länge des Frachtweges wachsende Degression nicht an den Ländergrenzen plötzlich, wie bisher, einen Bruch erfährt, um danach in voller Anfangshöhe neu einzusetzen. Nach den Übergangsbestimmungen wird sich erst noch ein Sachverständigenausschuß. mit der Realisierung dieser Maßnahmen zu befassen haben, für die auch eine besondere Frist von längstens zweieinhalb Jahren vorgesehen ist. Für den Ausschuß war die Feststellung wesentlich, daß durch die Bestimmungen des Vertrages z. B. die Küstenkohlentarife oder Sondertarife für die bayrischen Notstandsgebiete grundsätzlich nicht berührt werden. Betroffen werden nur Ausnahmetarife zugunsten von Unternehmen der Kohleförderung und Stahlerzeugung, etwa z. B. zugunsten von Watenstedt-Salzgitter oder der Maxhütte. Sie bedürfen der Genehmigung der „Hohen Behörde". Hierin liegt zweifellos ein offenes Problem und ein gewisses Einzelrisiko, dessen Überwindung innerhalb der Grundsatze des Vertrages sich die Bundesregierung besonders angelegen sein lassen muß. Im Rahmen seines übergeordneten Prinzips der Nichtdiskriminierung, zugleich aber auch seines mitverkündeten Zieles der Hebung des Lebensstandards mußte der Schuman-Plan auch Prinzipien für die soziale Ordnung im Bereich von Kohle und. Stahl, insbesondere für die Mitwirkung der Arbeitnehmer bei den Entscheidungen, für die Berücksichtigung ihrer sozialen Interessen in den Fällen zwangsläufiger Anpassungsvorgänge oder technischer Verlagerungen, für ihre Entlohnung, ihre Sozialversicherungsrechte und schließlich das Maß ihrer Freizügigkeit innerhalb der MontanUnion aufstellen. Über die Repräsentanz der Gewerkschaften in der „Hohen Behörde" und dem paritätisch besetzten „Beratenden Ausschuß" ist in anderem Zusammenhang schon berichtet worden. Noch nicht erwähnt wurden die regionalen Unternehmerverbände, in deren Organisation den- Vertretern der Verbraucher und Arbeitnehmer ein angemessener Platz einzuräumen ist, wenn sie gewisse Aufgaben übernehmen wollen. Wichtig ist ferner die ausdrückliche M u B vorschrift der Übergangsbestimmungen, nach der die „Hohe Behörde" dabei mitzuwirken hat, die Arbeiterschaft vor den eventuellen Lasten einer Anpassung an den Schuman-Plan zu schützen und ihr notfalls in anderen Wirtschaftszweigen und durch Beteiligung an Umschulungskosten eine produktive Beschäftigung zu sichern. Dabei kann die „Hohe Behörde" außer sonstigen Finanzierungsmitteln auch nicht rückzahlungspflichtige Beihilfen unter der Voraussetzung einer gleich hohen Zahlung durch die beteiligten Staaten bewilligen. Auch während der ganzen Laufzeit des Schuman-Plans hat die „Hohe Behörde" auf Antrag beteiligter Regierungen auf Grund des Artikels 56 die gleichen Verpflichtungen, wenn infolge der Einführung neuer technischer Verfahren im Bereich von Kohle und Stahl eine außergewöhnliche Verminderung des Bedarfs an Arbeitskräften eintritt. Die Mehrheit des Ausschusses nahm diese sehr weitgehenden vertraglichen Regelungen des Schuman-Plans zugunsten einer Mitwirkung der Arbeitnehmer bei allen Entscheidungen und zugunsten der Sicherung ihrer Arbeitsplätze als einen weiteren Beweis für den Ernst der positiven Zielsetzungen des Vertrages und insbesondere seinen völligen Gegensatz zu kartellähnlichen Absprachen früherer Jahrzehnte. Der Ausschuß nahm weiter zur Kenntnis, daß ursprünglich sogar die Absicht bestanden hatte, materiell gleiche Lohnbedingungen für sämtliche Arbeitnehmer im Kohlenbergbau bzw. in der Stahlindustrie aller Mitgliedstaaten zu schaffen, daß aber wegen der erheblichen Anpassungsschwierigkeiten, die sich in allen Volkswirtschaften wegen des untrennbaren Zusammenhangs aller Löhne sowie des gesamten Steuersystems hätten ergeben müssen, zunächst davon abgegangen wurde. Statt dessen hat der Artikel 68 den einzelnen Ländern die Souveränität auf dem Gebiet der Festsetzung von Löhnen und Sozialleistungen belassen. Der Vertrag mußte aber die Auswirkungen eines unterschiedlichen Lohnniveaus und unterschiedlicher Sozialversicherungsbedingungen sowie die möglichen Folgen von isolierten Lohn- oder Sozialversicherungsmaßnahmen berücksichtigen. Dabei ist zwischen zwei verschiedenen Tatbeständen scharf zu scheiden. Ergibt eine Nachprüfung durch die „Hohe Behörde", daß die Ursachen ungewöhnlich niedriger Preise einzelner Unternehmer vergleichsweise ungewöhnlich niedrige Löhne sind, oder daß zum Zwecke der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit einzelner Unternehmen Lohnsenkungen vorgenommen wurden, so können Empfehlungen, d. h. Anordnungen, die zur Erreichung des Ausgleichsziels im Lohnniveau die Wahl der Mittel frei lassen, an die Unternehmen bzw. unter besonderen Voraussetzungen an die Regierungen ihrer Länder gerichtet werden. Dabei bleiben aber generelle volkswirtschaftliche Lohnmaßnahmen sowie Lohnänderungen auf Grund von Indexlöhnen außer Betracht. Liegen derartige generelle volkswirtschaftliche Lohnmaßnahmen oder Änderungen der Sozialversicherung vor und haben sie Rückwirkungen auf die Preisbildung innerhalb der Montan-Union, so gibt es keine irgendwie gearteten direkten Eingriffsmöglichkeiten der „Hohen Behörde", vielmehr können hier nur indirekte Ausgleichsmaßnahmen auf Grund des Artikels 67, wie z. B. ausnahmsweise genehmigte Beihilfen, in Frage kommen. Die gleiche Rechtslage muß hinsichtlich der Auslegung des § 2 Ziffer 4 der Übergangsbestimmungen angenommen werden, bei dem es sich darum handelt, bereits zu Beginn des Wirksamwerdens des Schuman-Plans bestehende Unterschiede in der Sozialversicherung, die „geeignet sind, die Wettbewerbsbedingungen ... erheblich zu verfälschen", in ihren Auswirkungen auszugleichen. Die „Hohe Behörde" darf hier während der Übergangszeit zwar sowohl Maßnahmen zur „Beseitigung solcher Vorschriften", also direkte Änderungsmaßnahmen, als auch indirekte Ausgleichsmaßnahmen vorschlagen. Keine Regierung ist aber gehalten, die Vorschläge in der einen oder anderen Richtung als bindend zu akzeptieren. Wenn der Vertrag auch in seinem Artikel 68 durch die Aufrechterhaltung der Souveränität der Einzelstaaten auf dem Gebiet der Löhne und Sozialversicherung scheinbar auf sein Ziel der Herstellung materiell, d. h. unter Berücksichtigung der Leistungsdifferenzen, gleicher Löhne und Sozialleistungen verzichtet hat, so hat er nach der Auffassung der Mehrheit des Ausschusses über den Artikel 69 den indirekten markt- oder wettbewerbsmäßig wirksamen Zwang zur Erreichung dieses Ziels — und damit zur mittelbaren sozialen Integration der gesamten Volkswirtschaften — wieder wirksam werden lassen. Dies geschieht durch die bindende Verpflichtung der einzelnen Unterzeichnerstaaten, die volle Freizügigkeit für alle nach gemeinsamen Begriffsbestimmungen als solche anzuerkennenden Facharbeiter innerhalb der Montan-Union, d. h. für Bergleute und Stahlfacharbeiter, herzustellen und bei Arbeitermangel auch für Nichtfacharbeiter die Einwanderungsbestimmungen zù erleichtern. Diese Freizügigkeit bzw: Erleichterung ist sodann noch durch die Zuerkennung der gleichen Lohn- und Sozialversicherungsansprüche wie für inländische Arbeitnehmer zu untermauern, wobei im übrigen noch alle erforderlichen zwischenstaatlichen Vereinbarungen anzustreben sind, die dafür sorgen, daß die unterschiedlichen Sozia:versicherungsbedingungen einen Wechsel der Arbeitsplätze nicht behindern dürfen. Welche eminent reale Auswirkung diese Bestimmungen über die Freizügigkeit und innere sowie zwischenstaatliche Nichtdiskriminierung aus Inanspruchnahme der Freizügigkeit aller Voraussicht nach besitzen werden, mag daran ermessen werden, daß es nach übereinstimmender Ansicht aller Sachverständigen einen Überfluß an wirklichen Kohle- und Stahlfacharbeitern in keinem der Unterzeichnerstaaten gibt. Die Herstellung der Freizügigkeit müßte sich also, so lange unterschiedliche materielle Lohn- und Sozialversicherungsbedingungen gegeben sind, in einem Sog in die günstigsten Gebiete auswirken. Da keine Volkswirtschaft angesichts der derzeitigen Mangellage diesen Sog längere Zeit ertragen kann, wird die praktische Folge doch die während der Vertragsverhandlungen angestrebte, aber zunächst zurückgestellte Erreichung der materiellen Lohngleichheit sein. Angesichts der besonderen Tragweite dieser Vertragsbestimmungen und der zusätzlich vom Bundesrat in der Drucksache 2401 unter Punkt 4 hierzu formulierten Empfehlungen lag dem Ausschuß in seiner Mehrheit daran, zunächst als Ergebnis seiner Beratungen noch einmal ausdrücklich zu unterstreichen, daß entgegen irrigen Auffassungen, die in der Öffentlichkeit aufgetaucht sind, der Abschluß von Tarifverträgen, insbesondere jede Art von Lohnerhöhungen und jede Art einer Sozialversicherungsreform, wie z. B. die volle Wiederherstellung der Knappschaftsversicherung, ausschließlich Angelegenheit der Einzelstaaten sind und bleiben. Aus dem- Vertrag sich eventuell ergebende Korrekturmaßnahmen können stets nur indirekter, d. h. die Arbeitnehmer nicht berührender Natur sein. Andererseits konnte die Forderung der Freizügigkeit dem Ausschuß insofern nicht gleichgültig sein, als sich daraus bei Feststellung einer nach unten oder oben besonders abweichenden deutschen Situation ernste volkswirtschaftliche Konsequenzen ergeben müßten. Ein Vergleich nomineller Löhne in den Unterzeichnerstaaten besagt gegenwärtig leider nicht sehr viel über die realen Verhältnisse. Die Auskünfte der Sachverständigen und der Bundesregierung führten jedoch zu der Mehrheitsauffassung, daß die deutschen Reallöhne bei Kohle und Eisen keinesfalls als weit unter oder über dem Durchschnitt liegend angesehen werden können und daß das gleiche hinsichtlich der Sozialleistungen gilt. Der Ausschuß hat darüber hinaus zur Kenntnis genommen, daß zwischen Deutschland und Frankreich bereits ein Abkommen über die Anerkennung gegenseitiger Sozialversicherungsansprüche besteht und daß mit Belgien und Holland die Verhandlungen über gleiche Abkommen erfolgreich abgeschlossen wurden. Angesichts dieser tatsächlichen und rechtlichen Umstände machte sich die Mehrheit des Ausschusses die Auffassung der Bundesregierung zu eigen, daß die Empfehlung des Bundesrates zu Punkt 4 bereits durch den Vertrag selbst als auch durch die reale Lage auf dem Lohn- und Sozialversicherungsgebiet in den entscheidenden Unterzeichnerstaaten als erfüllt angesehen werden darf. Zu dem Postulat der freien Preisbildung und der Freizügigkeit der Arbeitskräfte innerhalb des gemeinsamen Marktes tritt im Schuman-Plan als dritte Forderung die der grundsätzlich freien Investitionstätigkeit. Werden Investitionen vorgenommen, ohne daß sie „zu diesem Vertrag im Widerspruch stehende Subventionen, Beihilfen, Schutzmaßnahmen oder Diskriminierungen nach sich ziehen" würden, so können sie jederzeit und an jedem Ort und in jeder Form der Finanzierung mit Eigen- oder Fremdkapital erfolgen. Die „Hohe Behörde" hat nach dem hierfür entscheidenden Ar- tikel 54 des Vertrages außer einem Auskunftsrecht keinerlei Verbots- oder negative Eingriffsmöglichkeiten, es sei denn, daß sie feststellt, daß bestimmte Investitionen „Subventionen, Beihilfen, Schutzmaßnahmen oder Diskriminierungen" mit sich bringen. Aber auch dann kann sie eine solche Investition nicht generell, sondern nur ihre Finanzierung durch Fremdkapital verbieten und die Einhaltung dieses Verbots durch Verhängung von Bußgeldern in der Höhe der verbotswidrig benutzten Fremdmittel erzwingen. Sie kann aber selbst unter diesen Umständen niemanden daran hindern, sein Eigenkapital für als vollständig unwirtschaftlich und wettbewerbsunfähig angesehene Investitionen zu riskieren. Dabei muß noch darauf besonders hingewiesen werden, daß die vereinzelt von seiten offenbar sehr oberflächlicher Leser des Vertragswerkes in der Öffentlichkeit aufgestellte Behauptung, die „Hohe Behörde" könne Investitionen auch dann auf die ausschließliche Finanzierung durch Eigenkapital beschränken, wenn durch sie in anderen Ländern der Gemeinschaft eventuell Subventionen, Beihilfen, Schutzmaßnahmen oder sonstige Diskriminierungen heraufbeschworen werden könnten, in einem solchen Maße gegen die Grundprinzipien des Vertrages verstößt, daß sie schlechthin als unsinnig bezeichnet werden muß. Nach Artikel 2 des Schuman-Plans ist es eines seiner wesentlichsten Ziele, „die rationellste Verteilung der Erzeugung auf dem höchsten Leistungsstande" durch den gemeinsamen Markt mit freier Preisbildung und Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu sichern. Nach Artikel 3 Buchstabe g haben die Organe der Montan-Union „i m gemeinsame n Interesse die geordnete Ausweitung und Modernisierung der Erzeugung unter Bedingungen zu fördern, die Schutzmaßnahmen aller Art gegen Konkurrenzindustrien ausschließen ". Nach Artikel 4 werden als diese Bedingungen der freie Wettbewerb und andererseits das Verbot von Schutzmaßnahmen aller Art gegen die Auswirkungen des geordneten Leistungswettbewerbs, insbesondere von „von den Staaten bewilligten Subventionen oder Beihilfen" ausdrücklich zur Unterstreichung des obersten Vertragsprinzips der Nichtdiskriminierung aufgeführt. Im § 29 der Übergangsbestimmungen schließlich wird indirekt der gleiche Grundsatz der freien Standortbildung nochmals bestätigt, indem es dort heißt: ,,... damit vermieden wird, daß durch Produktionsverlagerungen infolge der Errichtung des gemeinsamen Marktes Unternehmen in Schwierigkeiten kommen, die ... in der Lage wären, den Wettbewerb auszuhalten ....". Der Ausschuß hat daher in seiner Mehrheit als eindeutig erwiesen angesehen, daß jede andere Art der Auslegung des Artikels 54 als im Sinne einer begrenzten Möglichkeit der „Hohen Behörde", lediglich aus einzelstaatlichen politischen Autarkievorstellungen her durchgeführte Investitionen zu behindern, die nur mit Hilfe dauernder Subventionen oder Diskriminierungen durchgeführt und mühselig am Leben erhalten werden könnten, absolut falsch ist. Sie entspringt meist einem statischen Denken, das sich eine Produktions-und Bedarfsausweitung in einem gemeinsamen Markt nicht vorstellen kann. Diese Auffassung wurde noch durch die dem Ausschuß vorgelegten ähnlich lautenden Formulierungen des offiziösen französischen Kommentars bekräftigt. Dem Berichterstatter standen ferner noch die zwischenzeitlich publizierten Ausführungen der Ausschußberichterstatter in der französischen Nationalversammlung zur Verfügung, auf die er, soweit sie diesen Punkt betreffen, in seinem Bericht vor dem Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten verweisen durfte. So heißt es z. B. im Bericht des Berichterstatters des französischen Außenpolitischen Ausschusses: „Es ist vollständig verkehrt, daß die „Hohe Behörde" die Macht besitzt, Investitionsprogramme zu untersagen. Ein nationales Programm kann im Rahmen der Bedingungen des Vertrages immer ausgeführt werden. Die einzige Entscheidungsmacht, über die in Investitionsfragen die „Hohe Behörde" verfügt, ist die, alle Finanzierungsmittel außer denen, über die das Unternehmen selbst verfügt, zu verbieten, wenn sie entscheidet, daß das Programm „antiwirtschaftlich" ist. Ich füge hinzu, daß fern von einer Investitionsbegrenzung der Vertrag die Investitionen favorisiert ". Der französische Berichterstatter für den Ausschuß für die Industrieproduktion hat die gleiche Auffassung vielleicht noch etwas pointierter vorgetragen, indem er erklärte, daß die „Hohe Behörde" kein Investitionsprojekt untersagen könne, sie könne nur „antiökonomische Investitionen bei geschlossenen Märkten" behindern und der Begriff der „Subventionen und Protektionen des Artikels 54 sei nur auf diesen Zustand, nicht auf freie Konkurrenz anwendbar." Während also nach der negativen Seite die Kompetenzen der „Hohen Behörde" in eindeutiger Weise eingegrenzt sind, ist ihre positive Kompetenz der Investitionsbegünstigung durch Finanzierungshilfe wesentlich freier gestaltet. Nach Artikel 46 gehört es zu den Pflichten der „Hohen Behörde", im Benehmen mit den Regierungen der einzelnen Unterzeichnerstaaten sowie den Verbänden der Unternehmen, Verbraucher und Arbeitnehmer in regelmäßigen Zeitabständen nicht verbindliche, aber richtungweisende „Programme für die Erzeugung, den Verbrauch, die Aus- und Einfuhr unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Entwicklung aufzustellen und allgemeine Ziele für die Modernisierung, die Orientierung der Fabrikation auf lange Sicht und die Ausweitung der Produktionskapazität anzugeben." Sie ist in der Hergabe von Krediten oder der Übernahme von Gewährleistungen für Investitionsanleihen nur an ihre allgemeine Verpflichtung des Artikels 9 des unabhängigen Handelns im Interesse der Gemeinschaft und der Unterlassung jeder Handlung, die mit dem übernationalen Charakter ihrer Tätigkeit unvereinbar ist, sowie an das Grundprinzip des Vertrages, die Nichtdiskriminierung, gebunden. Die Mittel zur Begünstigung von Investitionen kann sich die „Hohe Behörde" nach Artikel 49 durch Erhebung von Umlagen auf die Erzeugung von Kohle und Stahl — jedoch ohne Zustimmung des „Rates" mit Zweidrittelmehrheit nicht über 1 °/o des Umsatzes — sowie durch Aufnahme von Anleihen und Entgegennahme unentgeltlicher Zuwendungen beschaffen. Dabei dürfen die durch Anleihen aufgebrachten Mittel nur wiederum zur Gewährung von Krediten verwandt werden, während aus der Umlage auch die Verwaltungsausgaben (Artikel 78), die bereits erwähnten Anpassungsbeihilfen nach Artikel 56, die Mittel für die Förderung der Forschung (Artikel 55) sowie die Bildung eines ausschließlich zur späteren Kürzung der Umlagen bestimmten Reservefonds bestritten werden sollen. Außer der direkten Kreditgewährung darf die „Hohe Behörde" auch Anleihen Dritter an Unternehmen des Kohlenbergbaus und der Stahlindustrie gewährleisten sowie Mitglied- Staaten auffordern, derartige Gewährleistungen zu übernehmen. Die Staaten sind hierzu jedoch nicht verpflichtet. Mit der zwangsläufig auftauchenden Frage nach der Transferverpflichtung für die an die „Hohe Behörde" zu leistenden Umlagen — ebenso für die schon an anderer Stelle erwähnten Bußgelder — beschäftigt sich der Artikel 52 des Vertrages in der Weise, daß die Mitgliedstaaten im Rahmen der Regeln des allgemeinen Handelsverkehrs diesen Transfer sicherstellen müssen. Für den Transfer, der sich aus den übrigen Geldgeschäften ergibt, sollen im einzelnen- besondere Abkommen mit den Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Devisenwirtschaft geschlossen werden. Praktisch bedeutet das, daß nach Möglichkeit ein Hin- und Hertransfer solcher Gelder, die doch letztlich wieder im Aufbringungsland eingesetzt werden, vermieden wird. Der Ausschuß mußte sich damit also darüber klar sein, daß nach der positiven Seite kein Rechtsanspruch auf Finanzbeihilfe zur Durchführung not. wendiger Investitionen gegeben wird. Diese Feststellung ist bedeutsam im Zusammenhang mit den Punkten 2 der Bundesratsbeschlüsse gemäß Drucksache 2401 bzw. des Antrages der Fraktion der SPD gemäß Drucksache 2484, in denen eine Sicherstellung des vordringlichen deutschen Investitionsbedarfs in der Stahlerzeugung zum Ausgleich des auf deutscher Seite durch die Demontagen, das Nichtvorhandensein verantwortlicher Finanzierungsträger sowie die weitaus geringere Zuteilung von Marshall-Plan-Mitteln entstandenen schwerwiegenden Handikaps bei Abschluß zusätzlicher Abkommen zu den bisherigen Übergangsabkommen bzw. Ausweitung des darin für verschiedene Länder niedergelegten Schutzprinzips gefordert wird. Seitens der Bundesregierung ist hierzu erklärt worden, daß dem deutschen Wunsche nach ausdrücklicher Sonderbehandlung seiner Remontage-und Investitionsnachholbedarfs-Probleme der französische Wunsch nach Sonderbehandlung seiner z. T. schwierigen Kohlenprobleme gegenüberstand, so daß schließlich eine Übereinstimmung dahingehend zustandekam, daß beide großen Länder des Schuman-Plans auf Sonderforderungen Verzicht leisten, um nicht weitere Sonderwünsche zu provozieren. Deutschland habe darüber hinaus ohnehin grundsätzliche Bedenken gegen das Prinzip der Ausnahmeregelungen gehabt, da es leicht zu untragbaren Weiterungen und Belastungen führen könne, die eventuell eigene Sondervorteile weit überträfen. Das im Antrag der SPD-Fraktion unter Punkt 2 formulierte Anliegen, soweit es über die Empfehlung des Bundesrates unter Punkt 2 hinausginge, hätte sich deshalb nicht verwirklichen lassen, da es auch dem Gedanken der Gleichbehandlung aller widersprochen hätte. Wohl aber sei der Empfehlung des Bundesrates tatsächlich durch die Hinzufügung des Absatzes 3 zum § 29 der Übergangsbestimmungen, der speziell den deutschen Investitionsnachholbedarf und die Remontage im Sinne gehabt habe, weitgehend Rechnung getragen worden. In diesem Absatz heißt es, daß für einen Zeitraum von maximal 7 Jahren nach Inkrafttreten des Vertrages gewisse Schutzmaßnahmen, die sich bis zur Quotierung der Marktanteile steigern, für die Stahlindustrie eines Landes in Anspruch genommen werden können, wenn sich innerhalb dieses Zeitraumes eine Anpassung „infolge einer Mangellage oder Fehlens von Geldmitteln, die die Unternehmen aus ihrem Betrieb hätten herausziehen können oder die ihnen hätten zur Verfügung gestellt werden können" nicht durchführen ließ. Dabei muß es sich um Unternehmen handeln, ,die auf Grund der Verfügung über solche Geldmittel oder Rohstoffe „in der Lage wären, den Wettbewerb auszuhalten". Bei ihnen soll „vermieden werden, daß sie durch Produktionsverlagerungen infolge der Errichtung des gemeinsamen Marktes in Schwierigkeiten kommen". Soweit es sich um den Schutz der deutschen Stahlindustrie vor nicht durch wirtschaftliche Entwicklungen verursachten Produktionsverlagerungen handelt, die im übrigen in der gegenwärtigen tatsächlichen Lage ohnehin nicht wahrscheinlich wären — nach Mitteilung der Bundesregierung hat sie auf Aufforderung der OEEC im Gegenteil einen Vorschlag zur Erhöhung der deutschen Stahlproduktion auf zunächst 19,2 Millionen t vorgelegt —, hat der Ausschuß in seiner Mehrheit die vertraglichen Sicherungen des § 29 der Übergangsbestimmungen im Sinne der Empfehlungen des Bundesrates für ausreichend gehalten. Der Ausschuß mußte aber eine Antwort auf die Frage finden, woher dann innerhalb der möglichen siebenjährigen Schutzfrist die Mittel zur Finanzierung des Investitionsnachholbedarfs kommen könnten. Inwieweit die „Hohe Behörde" oder infolge der Existenz der „Hohen Behörde" und des gemeinsamen Marktes dritte Länder solche Kredite zur Verfügung stellen können und werden, bleibt eine offene Frage. Insofern schafft der Schuman-Plan immerhin eine zusätzliche Chance, die der wirtschaftlich und standortmäßig besonders günstigen deutschen Stahlindustrie nach dem ökonomischen Prinzip des Vertrages bevorzugte Aussichten bietet, aber keine Sicherheit. Entscheidend werden also bis auf weiteres die innerdeutschen Anstrengungen zur Beschaffung der Milliardenbeträge an Investitionsmitteln für die deutschen Grundstoffindustrien bleiben. Hierbei war zu prüfen, ob die bisher leider in viel zu geringem Ausmaß zu mobilisierenden Remontagekredite mit ihren geringfügig verbilligten Zinssätzen oder die Investitionshilfe als die neben der auslaufenden MarshallPlan-Hilfe einzigen staatlich beeinflußten Kreditchancen der Grundstoffindustrien eventuell durch die „Hohe Behörde" auf Grund des Artikels 54 Absatz 5 zunichte gemacht werden könnten. Dazu kann im Zusammenhang mit den Schutzbestimmungen des § 29 der Übergangsregelungen nur noch einmal auf das Ergebnis der grundsätzlichen Prüfung des Artikels 54 durch den Ausschuß verwiesen werden: es handelt sich bei den durch Remontagekredite oder Mittel der Investitionshilfe finanzierten Vorhaben in keinem einzigen Fall um „anti-wirtschaftliche" oder auch nur unwirtschaftliche Investitionen, deren Durchführung irgendwelche vertragswidrige Subventionen, Beihilfen, Schutzmaßnahmen oder sonstige Diskriminierungen und damit auf die Dauer eine Verfälschung der Wettbewerbsbedingungen nach sich ziehen würde; im Gegenteil würde die Produktivität der deutschen Stahlproduktion im Allgemeininteresse verbessert. Die Investitionshilfe kann schon überhaupt nicht in den Verdacht einer Schutz- oder Subventionsmaßnahme geraten, da ihre Mittel wie sonstige Kapitalmarktmittel vergeben werden; soweit die auch in der Mehrheit der anderen Unterzeichnerstaaten üblichen kurzfristig terminierten Abschreibungsvergünstigungen in Frage stehen, handelt es sich nur um die teilweise Aufhebung einer staatlichen Begrenzung an sich innerbetrieb- licher Dispositionen, von denen ein Unternehmen Gebrauch machen kann oder nicht. Was die geringe Zinsverbilligung der Remontagekredite anbelangt, so muß der' Ausschuß auf das im Vertrag immer wieder betonte Prinzip der Nichtdiskriminierung aufmerksam machen: abgesehen davon, daß in der Mehrzahl der Unterzeichnerstaaten ohnehin günstigere Zinsbedingungen vorhanden sind, besteht dort daneben die Praxis einer weiteren Kreditverbilligung für die Investitionsprogramme in den Grundstoffindustrien. Die Mehrheit des Ausschusses schloß sich im übrigen der Auffassung an, daß das Remontageproblem rechtlich überhaupt kein Problem von Subventionen, Beihilfen usw. sei, sondern vielmehr eine Frage des Ersatzes erlittener Schäden darstelle; die Form dieses Schadenersatzes könne ohne Zweifel so eindeutig festgelegt werden, daß hierbei im Zusammenhang mit dem Artikel 54 auch für den größten Zweifler keine Komplikationen mehr denkbar seien. Dementsprechend können nach Auffassung der Mehrheit des Ausschusses auch die Bestimmungen des § 2 Ziffer 2 Absatz 2 sowie des § 11 der Übergangsregelungen für Deutschland keine materielle Bedeutung haben. Gemeinsamer Markt mit freier Preisbildung, Freizügigkeit der Arbeitskräfte und Nichtunterbindung der freien Standortwahl sowie die Proklamation des Prinzips der staatlichen oder überstaatlichen Nichtintervention und der nationalstaatlichen Nichtdiskriminierung haben den Unterzeichnern des Schuman-Planes noch keine ausreichende Gewähr für das Funktionieren eines geordneten fairen Leistungswettbewerbs geboten. Sie haben deshalb dem Vertrag in den Artikeln 65 und 66 noch sehr eingehende Bestimmungen einer überstaatlichen Kartell- und Dekonzentrationsgesetzgebung eingefügt, die Verfälschungen des Wettbewerbs auch durch Interessentenabreden oder übermäßige Zusammenballung wirtschaftlicher Macht ausschließen sollen. Nach Artikel 65 werden zunächst einmal im Bereich von Kohle und Stahl alle Kartelle oder kartellähnlichen Vereinbarungen über Preise, Produktions- oder Marktanteile verboten. Es können dann aber von der „Hohen Behörde" für bestimmte Erzeugnisse Vereinbarungen über Spezialisierung oder über gemeinsamen Einoder Verkauf genehmigt werden, wenn nach Feststellung der „Hohen Behörde" diese Vereinbarungen zu einer merklichen Verbesserung der Produktion und Verteilung beitragen und auf der anderen Seite keine marktbeherrschenden Machtpositionen schaffen. Für den Ausschuß ergab sich in diesem Zusammenhang die Pflicht, zu prüfen, inwieweit diese Bestimmungen in Deutschland sowie in den anderen Unterzeichnerstaaten grundsätzlich die Schaffung oder Aufrechterhaltung zentraler Kohleverkaufsorganisationen zulassen oder nicht. Dabei war insbesondere der § 12 Absatz 5 des Übergangsabkommens zu beachten. Diese Vorschrift verpflichtet die „Hohe Behörde" zur Schaffung geeigneter Verfahren und Organisationen, die zur Lösung der in dem genannten § 12 erwähnten Probleme zweckdienlich erscheinen und mit dem Vertrag vereinbar sind. Es war weiter die Bestimmung des Artikels 53 Absatz a hinzuzuziehen, wonach jede Art von gemeinsamen finanziellen Einrichtungen für mehrere Unternehmen unter bestimmten formalen Voraussetzungen geschaffen werden kann. Grundsätzlich ist also eine zentrale Organisation des Kohlenabsatzes im Rahmen des Schuman-Plans möglich; ob eine solche Organisation den bisherigen Vorstellungen oder tatsächlichen Verhältnissen in Deutschland oder in Frankreich noch in vollem Umfang entsprechen wird, ist eine zweite Frage, die vom Ausschuß gegenwärtig nicht geprüft werden konnte. Artikel 66 spricht hinsichtlich der Zusammenschlüsse von Unternehmen oder der Begründung von Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnissen zwischen ihnen nicht wie Artikel 65 ein generelles Verbot aus, sondern beschränkt sich zunächst auf die grundsätzliche vorherige Genehmigungspflicht für alle derartigen Transaktionen. Stellt die „Hohe Behörde" fest, daß die der Genehmigungspflicht unterliegenden Transaktionen nicht die Möglichkeit einer erheblichen Zusammenballung wirtschaftlicher Macht mit dem Ergebnis einer fühlbaren Marktbeherrschung oder Wettbewerbsbeschränkung bieten, so hat sie ihre Genehmigung zu erteilen. Dabei ist nach Absatz 2 von Artikel 66 Ziffer 2 „gemäß dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung . . . der Größe der innerhalb der Gemeinschaft bestehenden Unternehmen gleicher Art in dem Maße Rechnung zu tragen, das sie für gerechtfertigt hält, um die aus einer Ungleichheit der Wettbewerbsbedingungen sich ergebenden Nachteile zu vermeiden oder auszugleichen." Auf Grund der Übergangsbestimmungen hat die „HoheBehörde" alle zur Durchführung dieser Bestimmungen notwendigen Auskünfte über die tatsächlich in den Unterzeichnerstaaten bestehenden Verhältnisse einzuholen. Erfolgt ohne vorherige Genehmigung der „Hohen Behörde" oder in der Zeit zwischen der Unterzeichnung und dem Inkrafttreten des Vertrages eine Transaktion im Sinne des Artikels 66, die die „Hohe Behörde" auch nachträglich für unzulässig erklärt, so werden ihr alle Vollmachten zur Beseitigung der Wirksamkeit der Transaktion und zur Festsetzung von Bußgeldern, sogar zur Aufforderung an die Mitgliedstaaten eingeräumt, in ihrer Gesetzgebung die Voraussetzungen zur Durchführung dieser Vollmachten vorzusehen. Selbstverständlich unterliegen die Entscheidungen der „Hohen Behörde" der Klagemöglichkeit beim „Gerichtshof". Für den Ausschuß, der zunächst nur den Vertrag als solchen ohne Einbeziehung besatzungsrechtlicher Sonderregelungen geprüft hat, ergab sich insbesondere aus den Formulierungen von Artikel 66 Ziffer 2 Absatz 2, daß die „Hohe Behörde" unter keinen Umständen zweierlei Recht in der horizontalen oder vertikalen Konzentration innerhalb der Montan-Union dulden darf, da bei der Versagung entsprechender Genehmigungen ohne weiteres und mit vollem Erfolg einschließlich von Wiedergutmachungsansprüchen der „Gerichtshof" angerufen werden kann, falls sich daraus Nachteile für die Wettbewerbsfähigkeit . der betreffenden Unternehmen ergeben sollten. Gegenwärtig bestehen in den anderen Kohle- und Stahl-Produktionsländern des Schuman-Plans betriebliche Größenordnungen, die z. T. über frühere deutsche Verhältnisse hinausgehen. Dafür können als Beispiele der Arbed-, der De Wendel-Konzern sowie die jüngste lothringische Konzentration angeführt werden. Die erwähnten Vertragsbestimmungen werden daher nach Auffassung der Mehrheit des Ausschusses, die von der Bundesregierung bestätigt wurde, die „Hohe Be- hörde" verpflichten, bei etwaigen späteren Zusammenschluß-Bestrehungen den deutschen Unternehmen nach Größe und Verbundmöglichkeit den gleichen wirtschaftlichen Status einzuräumen, der entsprechenden Unternehmen anderer Mitgliedstaaten eingeräumt ist. Im Zusammenhang mit Artikel 66 war sodann noch das Verhältnis zu klären, in dem diese Bestimmungen zu der Generalklausel des Artikels 83 hinsichtlich des Rechts der Einzelstaaten stehen, das Eigentum an den Kohle- und Stahlunternehmen souverän zu ordnen. Die Mehrheit des Ausschusses schloß sich der Auffassung der Bundesregierung an, die sich mit der der französischen Regierung deckt, daß Artikel 83 gegenüber Artikel 66 eine lex specialis darstellt. Diese Auffassung wird insbesondere durch die Formulierung der Ziffer 7 des Artikels 66 unterstrichen, in der von den Maßnahmen gegen „öffentliche oder private Unternehmen" die Rede ist, die „rechtlich oder tatsächlich auf dem Markte eine beherrschende Stellung einnehmen". Die Überprüfung der unter der Ausgangsvorstellung der „Normallage" für die Funktion des Schuman-Planes vorgesehenen Vertragsbestimmungen hat nach der Meinung der Mehrheit des Ausschusses eindeutig bestätigt, daß in ihnen den im Artikel 5 des Vertrages aufgestellten Forderungen der Nicht- oder möglichst geringen Intervention weitestgehend entsprochen worden ist. Der Ausschuß mußte sich aber die Frage vorlegen, ob diese „Normallage" nicht nur eine schöne Theorie sei. Die angehörten Sachverständigen brachten zum Ausdruck, daß in den vergangenen Jahrzehnten sowohl bei Kohle als auch bei Stahl die anomalen Lagen bei weitem überwogen hätten, im wesentlichen habe es sich dabei allerdings um Absatzkrisen gehandelt. Der derzeitige Zustand der Mangellage sei auch im Hinblick auf die Vergangenheit sehr außergewöhnlich. Seitens der Bundesregierung wurde demgegenüber darauf hingewiesen, daß man selbstverständlich nicht die Erfahrungen vergangener Jahrzehnte, die in kleinen, in sich abgeschlossenen Wirtschaftsräumen gemacht worden sind, ohne weiteres als Zukunftserwartung für die Entwicklung in einem großräumigen gemeinsamen Markt, in dem nur noch wirtschaftliche und nicht mehr politische Faktoren entschieden, unterstellen dürfe. Die Bedeutung dieses Arguments ist vom Ausschuß keineswegs verkannt worden. Der Ausschuß konnte aber nicht an der Tatsache vorbeigehen, daß bei einem schnellen Inkrafttreten des Schuman-Planes zuächst nicht die Idealvorstellung der Normallage, sondern vielmehr eine Mangellage gegeben sein wird. Diese muß auch vorerst noch als so kritisch angesehen werden, daß die vertragliche Anweisung des Artikels 57 an die „Hohe Behörde", sich in Zusammenarbeit mit den Regierungen bei Störungen in der Marktentwicklung „vorzugsweise" indirekter Maßnahmen wie der Einflußnahme auf die Gestaltung öffentlicher Investitionen und des öffentlichen Verbrauchs oder preis- oder handelspolitischer Einwirkungen zu bedienen, zu ihrer Überwindung nicht als ausreichend angesehen werden kann. Der Vertrag selbst sieht in seinem Artikel 59 für den Fall der innerhalb der Gemeinschaft bestehenden „ernsten Mangellage bei einzelnen oder allen ihrer Zuständigkeit unterliegenden Erzeugnissen" zwei verschiedene Möglichkeiten des zentralen Eingreifens vor. Danach kann es einmal auf Grund einer einstimmigen Entscheidung des „Rates" im Benehmen mit der „Hohen Behörde" zu „Verwendungsprioritäten" und zur „Verteilung des Aufkommens der Gemeinschaft an Kohle und Stahl auf die ihrer Zuständigkeit unterstehenden Industrien, den Export und den sonstigen Verbrauch" kommen. Für den Fall, daß ein solcher einstimmiger Beschluß des „Rates" nicht zustandekommt, hat die Hohe Behörde selbst „die Verteilung des Aufkommens der Gemeinschaft auf die Mitgliedstaaten entsprechend (en fonction) dem Verbrauch und den Ausfuhren unabhängig vom Standort der Erzeugung" vorzunehmen. Innerhalb jedes Mitgliedstaates erfolgt dann die Weiterverteilung der nach den vorstehenden Grundsätzen zugewiesenen Globalkontingente wie auch bisher unter der Verantwortung der einzelnen Regierungen. Die „Hohe Behörde" ist allerdings bei der Festsetzung der Gesamtmengen für die Ausfuhr und die Kohle- und Stahlindustrie zu hören. Sie kann als eine Art Sanktionsmöglichkeit bei überverhältnismäßiger Kürzung der Ausfuhr- und Kohle-Stahl-Anteile bei- späteren Neuverteilungen gemäß Artikel 59 Ziffer 3 die Gesamtzuteilungen an den betreffenden Staat um die an den Export- und Kohle-Stahl-Anteilen gekürzten Mengen herabsetzen. In jedem Falle der ernsten Mangellage gemäß Artikel 59 obliegt allerdings der „Hohen Behörde" die Feinverteilung der global für die Kohle- und Stahlindustrie durch die Einzelstaaten zugewiesenen Mengen „auf einer gerechten Grundlage" auf die einzelnen Unternehmen. Die „Hohe Behörde" kann ferner in der Mangellage gemäß Artikel 59 nach Anhörung des „Beratenden Ausschusses" und Zustimmung des „Rates" „in sämtlichen Mitgliedstaaten Beschränkungen 'für die Ausfuhr nach dritten Ländern" einführen. Diese Beschränkungen können auch erfolgen, ohne daß die vorstehenden allgemeinen Quotierungsmaßnahmen ergriffen werden. Der Ausschuß hat diese für die Mangellage vorgesehenen Bestimmungen, die bedauerlicherweise die erste Wirklichkeit in der Montan-Gemeinschaft sein werden, besonders eingehend geprüft. Er mußte dabei von der Tatsache ausgehen, daß z. Z. kraft siegerstaatlicher Machtausübung durch die Ruhrbehörde Deutschland eine vergleichsweise größere Kürzung der für den Inlandsbedarf verfügbaren Produktionsmengen an Kohle erfahren hat als gewisse Importländer. Der Ausschuß hat die Erklärung der Bundesregierung zur Kenntnis genommen, daß gerade im Hinblick auf diese unbestreitbare diskriminatorische Tatsache der Artikel 59 nicht auf eine feste Referenzperiode, sondern in der elastischen Form des exakt kaum übersetzbaren „en fonction des consommations" auf den effektiven Verbrauch abstellt. Er ist sich darüber klar gewesen, daß dies keine unbedingte Sicherheit für eine gerechte Zuteilung bedeutet, allerdings im Gegensatz zu der derzeitigen Situation einen vor dem „Gerichtshof" einklagbaren Rechtsanspruch gewährt, wie überhaupt der „Gerichtshof" Auch im Falle eines Ermessensmißbrauchs bei der Feststellung einer „Mangellage" oder der Aufhebung des Zuteilungssystems um Entscheidung angerufen werden kann. Dazu kommt, daß der Vertrag die Möglichkeiten zusätzlicher Einfuhren aus dritten Ländern nicht beeinträchtigt, sowie vor allem, daß es gerade bei der Kohle weitgehend beim deutschen Bergbau liegen wird, wie lange und mit welcher Intensität eine Mangellage gegeben ist. Bedenklich mußte allerdings im Hinblick auf die Lebensfrage der Schwedenerzeinfuhr für die deutsche Stahlindustrie gegen deutschen Kohlen- und Koksexport nach Schweden die Vollmacht der „Hohen Behörde" erscheinen, in der Mangellage „in sämtlichen Mitgliedstaaten Beschränkungen für die Ausfuhr nach dritten Ländern" einzuführen. Deutschland steht mit seinem Interesse an der Aufrechterhaltung des Exports in dritte Länder innerhalb der Gemeinschaft nicht allein, bei Kohle gehen seine Interessen mit Belgien und praktisch Luxemburg, bei Stahl mit Frankreich, Belgien und Luxemburg konform. Allerdings sind bei den Zuteilungen, wie schon erwähnt, die Ausfuhrbedürfnisse der Mitgliedstaaten ebenfalls zu berücksichtigen. Der Ausschuß stellte ferner fest, daß gerade auf diese deutsche Lebensfrage der Artikel 2 Absatz 2 („..._ zu vermeiden, daß im Wirtschaftsleben der Mitgliedstaaten tiefgreifende und anhaltende Störungen hervorgerufen werden") und die Klagemöglichkeiten des Artikels 37, der diese „tiefgreifenden und anhaltenden Störungen" aufnimmt, in besonderem Maße abheben. Sicherungen gegen einen Ermessensmißbrauch der „Hohen Behörde" in der Frage der Exportbeschränkungen in der Mangellage sind also ohne Zweifel durch den Vertrag gegeben. Schließlich mußte der Ausschuß die Bestimmungen des Artikels 59 über die Mangellage auch in einem gewissen Zusammenhang mit den Schutzbestimmungen für die deutsche Kohle- und Stahlproduktion im Falle der Krise sehen und würdigen. Nach Artikel 58 kann die „Hohe Behörde" bei einem Rückgang der Nachfrage, dem mit indirekten Maßnahmen gemäß Artikel 57 nicht mehr zu begegnen ist, nach Anhörung des „Beratenden Ausschusses" und mit Zustimmung -des „Rates" in allen Mitgliedstaaten Produktionsquoten und gewisse Einfuhrbeschränkungen sowie Mindestpreise für Kohle und Stahl einführen, wenn sie der Auffassung ist, daß der Nachfragerückgang dem Tatbestand „einer offensichtlichen Krise" entspricht. Anstelle der „Hohen Behörde" könnte auch hier wieder der „Rat" durch eins t i m m i g en Beschluß die gleichen Maßnahmen auslösen. Die festzusetzenden „angemessenen", d. h. dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung entsprechenden Quoten müssen auf Untersuchungen unter Beteiligung der Unternehmen und der Verbände fußen. Dabei sind Quotenüberschreitungen für solche Unternehmen, die auch trotz der Einschränkungen vergleichsweise wirtschaftlich zu arbeiten vermögen, zulässig. Für diese Quotenüberschreitungen sind aber Umlagebeträge zu entrichten, die zur Unterstützung der Unternehmen und insbesondere zur Erhaltung ihrer Arbeitsplätze verwandt werden müssen, bei denen der Gang der Produktion sich über das vorgesehene Maß hinaus verlangsamt." Die Handhabe zur Verstärkung .der Wirksamkeit eines Quotensystems in der Krise durch Festsetzung von Mindestpreisen für eines oder mehrere der der Zuständigkeit der „Hohen Behörde" unterliegenden Erzeugnisse gibt der Artikel 61 Absatz b, wonach ähnlich wie im Falle der Fixierung von Höchstpreisen bereits vor der Feststellung einer Mangellage auch die Einführung von Mindestpreisen schon kurz vor dem Ausbruch -einer offensichtlichen Krise erfolgen darf. Die zur weiteren Verstärkung des Schutzes durch Quotensystem und Mindestpreise in der Krise möglichen Beschränkungen der Einfuhr aus dritten Ländern setzen voraus, daß sich der Anteil des Imports am Gesamtverbrauch einzelner Unterzeichnerstaaten erhöht und dazu noch gegebenenfalls preismäßig so gestellt hat, daß hierdurch ein schwerwiegender Nachteil für die innere Produktionsentwicklung der Gemeinschaft zu entstehen droht. Ist dies der Fall, so können in der Krise die einzelnen Unterzeichnerstaaten zur Zurückführung und mengenmäßigen Begrenzung ihrer Einfuhr aus dritten Ländern in dem gleichen Verhältnis angehalten werden, in dem das Quotenniveau unter dem Normalstand liegt. Der Ausschuß beschäftigte sich zunächst mit der Frage, warum die Formulierungen des Artikels 58 für die Krise viel weniger präzise gefaßt worden seien als die des Artikels 59 für die Mangellage. Im Artikel 59 muß eine Feststellung der Mangellage erfolgen. Es muß weiter festgestellt werden, daß die indirekten Maßnahmen des Artikels 57 nicht ausreichen. Außerdem ist von vornherein eine Begrenzung auf einzelne Erzeugnisse möglich. Im Artikel 58 ist von der Auffassung der „Hohen Behörde" die Rede, daß ein Nachfragerückgang den Tatbestand der „offensichtlichen Krise" darstellt und daß die Maßnahmen nach Artikel 57 nicht ausreichen. Diese „offensichtliche Krise" als Voraussetzung für die Schutzmaßnahmen ist aber überhaupt nicht näher umschrieben, insbesondere nicht für Teilgebiete spezifiziert worden. Alle Sachverständigen hoben hervor, daß es tatsächlich nicht möglich gewesen sei, eine exakte Umschreibung für den Tatbestand der „offensichtlichen Krise" zu finden. Wenn ein Absatzrückgang seine Ursache in technischen Umwälzungen habe, so sei dieser verhältnismäßig eindeutig erkennbare Fall durch die Sonderregelungen des Artikels 56 bereits ausgeklammert worden. Im übrigen habe es keineswegs im Interesse der Gemeinschaft und ihrer Ziele gelegen, etwa auf Grund regionaler Absatzkrisen, z. B. in Revieren oder Stahlproduktionsgebieten, die ihre Entstehung oder Erhaltung bisher nur ständigen Subventionierungen verdankt hätten, den Gesamtapparat von Produktionsquoten usw. in Gang setzen zu lassen. Das gleiche gelte für Teilabsatzkrisen etwa nur auf dem Gebiet der Feinbleche oder der Gasflammkohlen. Gerade Deutschland habe die Initiative für einen Einbau des Artikels 58 entfaltet, aber ihn mit großem Bedacht so gefaßt, daß dem Sinne des gesamten Schuman-Plans entsprechend kein Mißbrauch mit Quotenfestsetzungen getrieben werden könne. Man wolle seine Bestimmungen tatsächlich nur im Falle einer ganz offensichtlichen generellen Krise in Kraft gesetzt sehen. Dann allerdings bedeuteten sie zweifellos einen gegenüber der derzeitigen Situation wesentlich verstärkten Schutz, indem den einzelnen Unterzeichnerstaaten mindestens ihre normalen Marktanteile zu tragbaren Preisen innerhalb der Montan-Union gewährleistet würden und Dumpingoder sonstige Mehreinfuhren aus dritten Ländern ausgeschlossen werden könnten. Angesichts der derzeitigen Kostenrelationen werde Deutschland in einem solchen Falle auch nicht zu den Ländern gehören, denen es schwerfallen könnte, ihre Produktionsquoten verhältnismäßig wirtschaftlich auszunutzen. Es komme hinzu, daß umgekehrt wie bei der Mangellage im Falle der Krise die Ausfuhr in dritte Länder keinen Beschränkungen unterworfen werden könne. Auch sehe der Artikel 63 schließlich noch einen wirksamen Schutz gegen eventuelle Diskriminierungsmaßnahmen großer zentraler Einkaufsorganisationen in einzelnen Unterzeichnerstaaten vor. Schließlich könne die Inkraftsetzung der Bestimmungen über die Krise, wenn sie einmal durch die „Hohe Behörde" entgegen lebenswichtigen Interessen der Mitgliedstaaten unterbleiben sollte, auch über den „Gerichtshof" — sogar im Wege der einstweiligen Verfügung — ebenso erzwungen werden wie umgekehrt ihre Aufhebung, wenn die entsprechenden vertragsrechtlichen Voraussetzungen nachgewiesen werden. Im Ausschuß wurde in diesem Zusammenhang schließlich noch die Frage erörtert, ob in der Krise unter dem Schuman-Plan ein Quotenkauf zulässig sei. Der Schuman-Plan besagt darüber nichts. Rein wirtschaftlich erscheint ein solcher Quotenkauf — da die Quotenfestsetzung nur eine vorübergehende,. unter Umständen schnell beendete Sondermaßnahme darstellt und obendrein mit Sicherheit die Überschreitungsumlagen zu zahlen wären — nicht allzu sinnvoll, juristisch erschien er dem Ausschuß darüber hinaus fraglich zu sein. Je nach der Gesamtbeurteilung der Entwicklungsmöglichkeiten eines gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl innerhalb der Montan-Union wurden die einschneidenden Bestimmungen für die Absatzkrise oder die Mangellage von den Mitgliedern des Ausschusses für tragbar gehalten oder im Falle der Mangellage vom deutschen Standpunkt aus für besonders bedenklich bzw. im Falle der Krise für nicht ausreichend angesehen. Die Mehrheit des Ausschusses wandte sich jedoch gegen die Auffassung, daß auch in Zukunft die Regel die Ausnahmelage, und zwar hier insbesondere die Absatzkrisenlage, sein müsse. Es habe infolge der nationalstaatlichen Abschließung in der Vergangenheit zweifellos keine echte Übererzeugung, sondern vielmehr eindeutig ein allgemeiner Unterverbrauch vorgelegen, zudem sei gerade eine Mangellage weitgehend durch deutsche Aktivität zu überwinden. Dementsprechend war die Mehrheit des Ausschusses in Anerkennung der unbestreitbaren Verbesserungen der deutschen Position durch die Artikel 58 und 59 des Vertrages bereit, die in ihnen liegenden Chancen und Risiken als Bestandteil des Vertrages zu akzeptieren. Besonders unter dem Gesichtspunkt anomaler Entwicklungen bei Kohle und Stahl mußte sich der Ausschuß jedoch noch mit den Regelungen des Vertrages beschäftigen, die in Anerkennung der Schwierigkeiten, die aus einer volkswirtschaftlichen Teilkonstruktion eins gemeinsamen Marktes sowohl von Seiten dieses Teilgebietes als auch von Seiten der vorerst nationalstaatlich bleibenden Wirtschaftsbereiche jederzeit erwachsen können, dafür vorsorgen wollen, daß trotzdem die Funktionsfähigkeit sowohl der Montan-Union als auch der nationalstaatlichen Wirtschaftsbereiche ohne gegenseitige Schädigungen erhalten bleibt. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß - dies der schwächste Punkt der gesamten Montan-Union-Idee ist, daß diese Schwäche zu ihrer Überwindung durch andere als Behelfsmittel zwingen wird — wobei die Mehrheit des Ausschusses ihrer festen Absicht Ausdruck gab, diese Überwindung nur nach vorn, d. h. in der Richtung auf ein Fortschreiten der europäischen Integration und nicht im Unterlassen überhaupt zu suchen. Was soll gegenwärtig geschehen, wenn in einem der Unterzeichnerstaaten etwa eine generelle Währungsabwertung erfolgt, ein völliger Umbau des Steuersystems vorgenommen wird, die Kredit- und Kapitalmärkte einschneidenden Restriktionen unterworfen werden usw.? Der Artikel 67, der schon im Zusammenhang mit der Erörterung des Lohn- und Sozialversicherungsproblems kurz erwähnt wurde, will als Generalklausel für die organische Verzahnung von Montan-Union und Einzelvolkswirtschaften in jedem derartigen Fall von entscheidenden Wechselwirkungen mit indirekten Ausgleichsmaßnahmen eingreifen. Dabei hat der Artikel 67 drei schematische Fälle konstruiert: a) Haben irgendwelche Maßnahmen eines Staates schädliche Sonderauswirkungen lediglich auf die wirtschaftliche Position der Kohle- und Stahlindustrie dieses Staates — etwa z. B. eine drastische Heraufsetzung der Zinskosten —, so kann die „Hohe Behörde" die Ermächtigung zur Zahlung besonderer ausgleichender Beihilfen an die Kohle- und Stahlindustrie dieses Landes erteilen. b) Haben irgendwelche Maßnahmen eines Staates schädliche Sonderauswirkungen auf die wirtschaftliche Position der Kohle- und Stahlindustrie in anderen Mitgliedstaaten — z. B. eine Währungsabwertung oder Exportförderungsmaßnahmen —, so fordert die „Hohe Behörde" diesen Staat auf, diese Auswirkungen auf die anderen Kohle- und Stahlindustrien „durch Maßnahmen zu beseitigen, die nach seiner Ansicht am besten mit seinem eigenen wirtschaftlichen Gleichgewicht vereinbar sind", d. h. sie läßt ihm im Rahmen der Generalprinzipien des Vertrages die Wahl der Mittel frei. c) Haben irgendwelche nicht wirtschaftlichen, sondern obrigkeitlichen Maßnahmen eines Staates an sich die Auswirkung, die innerhalb der Montan-Union bestehenden Kostendifferenzen zwischen den Kohle- und Stahlindustrien zu verringern, wird dadurch aber gleichzeitig die Wettbewerbslage der übrigen Industrien dieses Landes ohne wirtschaftlichen Grund begünstigt oder verschlechtert, so richtet die „Hohe Behörde" an den betreffenden Staat die erforderlichen Empfehlungen. Technisch kann nach der Auffassung der Mehrheit des Ausschusses ein solches System von Ausgleichsmaßnahmen funktionieren. Es bedeutet aber unter Umständen eine Komplikation aller wirtschaftspolitischen Vorgänge. Nun liegt, wie an verschiedenen Stellen hervorgehoben wurde, andererseits in dem Vertrag selbst ein erheblicher Zwang zur Vereinheitlichung der Wirtschaftspolitik der Unterzeichnerstaaten. Einmal gehen diese Wirkungen von dem gemeinsamen subventionsfreien Markt für Kohle und Stahl mit seiner' engen Verzahnung mit allen übrigen Bereichen der Wirtschaft selbst aus, zum zweiten werden sie durch den Zwang zur materiellen Angleichung der Lohn-und Sozialbedingungen unterstützt — die Löhne der Bergleute und Stahlarbeiter bilden in allen Volkswirtschaften Eckpfeiler des gesamten Lohnsystems —, zum dritten werden gewisse konforme handels- und devisenpolitische Maßnahmen unabweisbar. Die Praxis wird zu zeigen haben, welche Kräfte stärker sind, die der dem Vertrag immanenten fortschreitenden Integration oder die von i einer Komplizierung der Beziehungen durch eine größere Zahl indirekter Ausgleichsmaßnahmen ausgehenden Gefahren. Es ist dies eine Frage gewesen, die die Mitglieder des Ausschusses nur nach ihrer gesamtpolitischen Einstellung zum besten praktisch realisierbaren Weg einer europäischen Integration beantworten konnten. Dabei gab ihnen der Komplex der Sonderregelungen in den Übergangsbestimmungen einen gewissen Hinweis insofern, als in allen diesen Fällen zielbewußt auf eine Beseitigung bestehender Unterschiede o der besonderer Anpassungsschwierigkeiten hingesteuert wird. Der Vertrag soll zwar mit der Ratifikation durch den letzten Unterzeichnerstaat in Kraft treten, jedoch ist für die Eröffnung des gemeinsamen Marktes für Kohle eine Karenzzeit von sechs und für Stahl von acht Monaten nach der Einsetzung der „Hohen Behörde" vorgesehen. Die Mangellage nach Artikel 59 Abs. 3 kann jedoch schon unmittelbar nach Aufnahme der Tätigkeit der „Hohen Behörde" festgestellt werden. Mit der Eröffnung des gemeinsamen Marktes beginnt der Lauf der fünfjährigen Übergangszeit, während der eine Reihe von vertraglich vorgesehenen Anpassungsvorgängen abgeschlossen werden muß. Über einen Teil derselben, z. B. auf handels-, verkehrs- oder sozialpolitischem Gebiet, ebenso zugunsten der deutschen Stahlindustrie, ist bereits an anderer Stelle berichtet worden. Hier sind noch die Regelungen zugunsten des belgischen und italienischen und auch — mit Modifikationen — französischen Kohlenbergbaus sowie der italienischen und luxemburgischen Stahlindustrie nachzutragen. Das schwierigste Problem bestand beim belgischen Kohlenbergbau. Ein Teil der belgischen Gruben arbeitet unter den ungünstigsten Bedingungen, die unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen. Eine vorbehaltlose Eingliederung Belgiens in den gemeinsamen Markt würde diese Gruben zum sofortigen Erliegen bringen, was bei der gegenwärtigen Kohlenknappheit und den unvermeidbaren sozialen Auswirkungen untragbar gewesen wäre. Man hat daher die belgische Kohle für die Dauer der Übergangszeit aus dem gemeinsamen Markt gewissermaßen „ausgeklammert" um ihr Gelegenheit zu durchgreifenden Rationalisierungen sowie zu Stillegungen derjenigen Betriebe zu geben, die unter keinen Uniständen wettbewerbsfähig gemacht werden können. Zur Erleichterung dieser Anpassung werden dem belgischen sowie dem im Gesamtrahmen der Montan-Union allerdings völlig unbedeutenden sardinischen Bergbau für die Dauer von 5 bzw. 2 Jahren Ausgleichszahlungen unter der Voraussetzung bewilligt, daß die belgische bzw. die italienische Regierung entsprechende Zahlungen in gleicher Höhe leistet. Mit Hilfe dieser Ausgleichsbeträge sollen die belgischen Kohlen- und Stahlpreise auf das Niveau des gemeinsamen Marktes gesenkt werden. Um einen entsprechenden Druck auf diesen Anpassungsvorgang auszuüben, wird die zur Aufbringung der Ausgleichszahlungen erhobene Ausgleichsumlage je Handelstonne Förderung derjenigen Länder, deren durchschnittliche Förderkosten unter dem gewogenen Mittel der Montan-Union liegen, d. h. Deutschland und Holland, von maximal 1,5 % des Umsatzes im ersten Jahr jährlich um 20 % gesenkt, um nach 5 Jahren völlig in Fortfall zu kommen. Ursprünglich lagen Ansprüche auf Ausgleichszahlungen vor von Belgien in Höhe von 150 Millionen $ Frankreich in Höhe von 40 Millionen $ der Saar in Höhe von 10 Millionen $ Italien in Höhe von 5 Millionen $ Diese Anmeldungen zeigten sehr schnell, daß die Aufbringung derartiger Umlagen den gesamten Gedanken der Montan-Union unmöglich machen mußte. Frankreich verzichtete daher für sich und die Saar auf Ausgleichszahlungen; nach § 28 hat die „Hohe Behörde" nur das Recht, zugunsten Frankreichs während der Übergangszeit Ausgleichsumlagen zwischen den französischen Revieren zu erheben. Belgien wäre dagegen ohne eine derartige Anpassungsregelung nicht in die Montan-Union einzufügen gewesen; mit Belgien wären dann auch die beiden anderen Beneluxstaaten dem Vertrag ferngeblieben. Allerdings waren die ursprünglich von Belgien erhobenen Forderungen in dem erwähnten Umfang nicht zu realisieren. Für Deutschland wird nach der vorstehend skizzierten endgültigen Vereinbarung im ersten Jahr eine Maximalumlage von rund 65 Millionen DM, innerhalb der Gesamtlaufzeit also ein Betrag von höchstens rund 195 Millionen DM zu Lasten seines Kohlenbergbaus aufzubringen sein. Als Äquivalent für dieses außergewöhnliche Opfer erhält Deutschland die durch den Fortfall der unrentablen belgischen Zechen ermöglichte Erweiterung seines Absatzmarktes, was insbesondere für Krisenzeiten von größter Bedeutung sein wird. Die italienische Eisenindustrie erhält keinerlei Ausgleichszahlungen, sie wird zur Erleichterung ihrer Anpassung lediglich ermächtigt, während der fünfjährigen Übergangszeit in starker Degression einen gewissen Zollschutz aufrechtzuerhalten. Danach muß sie sich jedoch in vollem Umfang ebenfalls dem freien Wettbewerb innerhalb der MontanUnion und sogar unter weiterer Senkung ihrer Außenzölle auf die in anderem Zusammenhang erwähnten 3 % auch dem Wettbewerb von außerhalb der Montan-Union stellen. Luxemburg schließlich soll in besonderem Maße angesichts des außergewöhnlich hohen Anteils seiner Stahlproduktion am gesamten Volkseinkommen von den auch für Deutschland wesentlichen Schutzmöglichkeiten des § 29 des Übergangsabkommens Gebrauch machen können. i Der Vertrag über die Montan-Union soll nach der fünfjährigen Übergangszeit noch weitere 45 Jahre, insgesamt also 50 Jahre vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an laufen. Es ist daher im Ausschuß zunächst die Frage erhoben worden, ob ein Parlament eines der Unterzeichnerstaaten überhaupt die Verantwortung für eine so lange Bindung wesentlicher Teile seiner Volkswirtschaft an die hier im einzelnen behandelten Bestimmungen des Vertrages übernehmen könne. Es wurde dabei von der Mehrheit des Ausschusses nicht verkannt, daß kein Unterzeichnerstaat ohne die Sicherheit eines langfristigen Bestehens der Montan-Union sich aus politischen Gründen beispielsweise dem Prinzip der freien Standortbildung für die Kohle- und Stahlindustrien innerhalb des Gesamtgebietes unterwerfen könne. Andererseits konnte der Ausschuß aber nicht daran vorübergehen, daß ein Vorausdenken aller innerhalb von 50 Jahren möglichen wirtschaftlichen und auch politischen Entwicklungen, wie es der Vertrag in seiner Konzeption und Funktionenteilung tatsächlich unternimmt, ein Unterfangen ist, das naturnotwendig Gefahr läuft, die lebendige Wirklichkeit in unerwünschte Fesseln zu spannen. Der Ausschuß mußte daher vor einer abschließenden Stellungnahme zu den Funktionsmöglichkeiten des Schuman-Planes als solchen und seinen wahrscheinlichen Auswirkungen auf die deutsche Volkswirtschaft eingehend die im Vertrag enthaltenen Revisionsmöglichkeiten prüfen. Im Artikel 95 Absatz 1 wird zunächst einmal bei einstimmiger Zustimmung des „Rates", d. h. aller Mitgliedstaaten, und nach Anhörung des paritätischen „Beratenden Ausschusses" die Möglichkeit eröffnet, im Rahmen der grundlegenden Artikel 2, 3, 4 und 5 des Vertrages durch Erlaß von Entscheidungen oder Empfehlungen der „Hohen Behörde" offensichtliche technische Vertragslücken zu schließen. Die folgenden Absätze des Artikels 95 beschäftigen sich mit der Möglichkeit einer ersten Vertragsrevision nach Ablauf der fünfjährigen Übergangszeit. Diese Revision, über deren technisch sehr erschwerte Durchführung unter ausnahmsweiser Mitwirkung der „Versammlung" und des „Gerichtshofs` bereits an anderer Stelle berichtet worden ist, ist jedoch in zweierlei Hinsicht von vornherein begrenzt; sie darf nämlich einmal nicht den überstaatlichen Charakter der Montan-Union, insbesondere der „Hohen Behörde", in der Richtung auf ein bloßes zwischenstaatliches Organ abschwächen — diesem Prinzip konnte die Mehrheit des Ausschusses zustimmen. Die Revision nach Artikel 95 darf aber weiterhin auch nicht die legislativen Vollmachten der „Versammlung" gegenüber der „Hohen Behörde" verstärken: diese Einschränkung hat die Mehrheit des Ausschusses außerordentlich bedauert. Im übrigen können im Rahmen dieser Einschränkungen alle wesentlichen Anpassungen in den der „Hohen Behörde" übertragenen Befugnissen vorgenommen werden, die aus Schwierigkeiten bei der Anwendung des Vertrages oder aus einer tiefgehenden Änderung der wirtschaftlichen oder technischen Bedingungen resultieren. Die „große" Revisionsklausel des Vertrages, die erst nach Ablauf der Übergangszeit wirksam wird, gestattet gemäß Artikel 96 auf Vorschlag jedes einzelnen Mitgliedstaates oder der „Hohen Behörde" jede materielle Änderung des Vertrages — wenn auf Grund dieses Vorschlages der „Rat" mit Zweidrittelmehrheit, d. h. mit den Stimmen entweder Deutschlands und Frankreichs, dazu beispielsweise Belgiens und Luxemburgs, oder Deutschlands oder Frankreichs und dazu beispielsweise Italiens, Belgiens und Luxemburgs, für die sofortige Abhaltung einer Konferenz der Vertragsstaaten eintritt. Die von einer solchen Konferenz beschlossenen Änderungen treten in Kraft, wenn sie genau wie das vorliegende Vertragswerk von den einzelnen Parlamenten der Mitgliedstaaten ratifiziert worden sind. Für den Fall des Beitritts weiterer europäischer Länder, z. B. Großbritanniens oder Schwedens, zu diesem Vertrag ist keine erneute Konferenz aller beteiligten Staaten vorgesehen. Vielmehr genügt hier eine einstimmige Entscheidung des „Rates", der ebenso einstimmig die Bedingungen für den Beitritt festzusetzen hat. Das Sonderproblem der sowjetischen Besatzungszone wird nach § 22 der Übergangsbestimmungen allein von der Bundesregierung im Einverständnis mit der „Hohen Behörde" geregelt. Der Vertrag erkennt damit eindeutig an, daß die sowjetische Zone im Verhältnis zur Bundesrepublik nicht als Ausland anzusehen ist. Für Berlin gilt nach der Auffassung der Bundesregierung, der sich die Mehrheit des Ausschusses anschloß, mindestens das gleiche, wenn nicht hier sogar noch die Bestimmungen des Artikels 79 verstärkend im Sinne einer noch engeren Bindung wirken. Die Eingliederung der sowjetischen Besatzungszone nach einer Wiedervereinigung Deutschlands wird Gegenstand besonderer Anpassungsmaßnahmen sein müssen, die durch Zusatzverträge zu regeln sein werden. Die große Revision des Vertrages nach Artikel 96 ist sicherlich nicht allzu einfach, andererseits aber bei Vorliegen wichtiger gemeinsamer Anliegen der Mitgliedstaaten, die sich aus der Entwicklung und aus den Erfahrungen ergeben, auch nicht übermäßig erschwert. Die Mehrheit des Ausschusses gelangte daher nach der Prüfung des Schuman-Plans als solchen, d. h. ohne Einbeziehung der deutschen Vorbelastungen kraft siegerstaatlicher Machtausübung, zu der Auffassung, daß der Vertrag verständlicherweise vom deutschen Standpunkt aus vielleicht nicht als eine Ideallösung angesehen werden, daß eine solche Ideallösung aber nach menschlichem Ermessen gegenwärtig auch gar nicht erhofft werden könne. Bei einer überstaatlichen Gemeinschaft, der sich verschiedene Volkswirtschaften freiwillig unterstellen sollen, muß jede einzelne zu Kompromissen bereit sein. Das Ergebnis dieses Kompromisses muß allerdings die Risiken und Chancen im einzelnen gerecht verteilen und für die Gesamtheit einen Fortschritt und eine Verbesserung bedeuten und technisch funktionieren können. In dieser Hinsicht gelangte die Mehrheit des Ausschusses nach der hiermit vorgelegten eingehenden Prüfung zu einem positiven Urteil. Es blieb dem Ausschuß aber noch die verantwortungsvolle Aufgabe gestellt, zu prüfen, ob wirklich die mit einem solchen, unter dem Leitgedanken der Nichtdiskriminierung stehenden überstaatlichen Gemeinschaftsvertrag unvereinbaren, einseitig Deutschland auferlegten siegerstaatlichen Beschränkungen spätestens mit der Eröffnung des gemeinsamen Marktes ihr Ende finden werden, wie dies in Übereinstimmung mit der Auffassung der Bundesregierung in dem eingangs zitierten Schreiben des französischen Außenministers vom 18. April 1951 als Voraussetzung für die Montan-Union bestätigt und in der Stellungnahme des Bundesrats zur Drucksache Nr. 2401 und in dem fast gleichlautenden Antrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 2484 unterstrichen worden ist. Dem Ausschuß wurden zu diesem Zweck vertraulich die Auskünfte über die Londoner Vereinbarungen vom 19. Oktober 1951 gegeben und dem Vorsitzenden, dem stellvertretenden Vorsitzenden und dem Berichterstatter die Texte dieser Vereinbarungen zugänglich gemacht, die inzwischen auch veröffentlicht worden sind. Nach der ersten dieser Vereinbarungen, dem „Protokoll über den Entwurf eines Abkommens zur Beendigung des Abkommens über die Ruhr", haben die Regierungen der USA, Belgiens, Frankreichs, Luxemburgs, der Niederlande und Großbritanniens — also die Unterzeichnerstaaten des Ruhrstatuts — beschlossen, den Entwurf eines Abkommens zur Beendigung der Funktionen der Internationalen Ruhr- behörde und des Abkommens über die Ruhr zu unterzeichnen, sobald der Schuman-Plan in Kraft getreten sein wird. Nach Artikel 1 und Artikel 6 dieses Abkommens hört jede Funktion der Internationalen Ruhrbehörde — außer ihrer eigenen Abwicklung — und jede Existenz des Ruhrstatuts spätestens mit der Errichtung des gemeinsamen Marktes, also sechs Monate nach Ernennung der Mitglieder der „Hohen Behörde" auf. Vor diesem Zeitpunkt finden aber bereits eine Reihe von Bestimmungen des Ruhrstatuts bzw. Eingriffsrechte der Ruhrbehörde ihr Ende. So gibt es schon vor der Errichtung des gemeinsamen Marktes keine einseitigen Exportauflagen der Ruhrbehörde mehr, wenn die „Hohe Behörde" schon zuvor den Artikel 59 Absatz 3 des Schuman-Planes anwendet. Nach der dritten Vereinbarung, dem Abkommen zur Änderung des Abkommens über die Industriekontrollen vom 3. April 1951, das im Namen der USA, Frankreichs und Großbritanniens von den Hohen Kommissaren in Kraft gesetzt wird, treten mit Inkrafttreten des Schuman-Planes alle mengenmäßigen oder technischen Beschränkungen der Stahlproduktion und der Stahlkapazität und damit die entsprechenden Funktionen der Alliierten Kontrollgruppen und des Alliierten Sicherheitsamtes für Deutschland außer Kraft. Als viertes Dokument ist diesen Vereinbarungen eine Anweisung an die Hohen Kommissare zur Ausführung dieser Abkommen beigefügt. Nach dieser Weisung stellen die Alliierte Hohe Kommission und ihre Dienststellen — also insbesondere die Kohle- und Stahlkontrollgruppen und das Sicherheitsamt — alle ihre Funktionen auf dem Gebiet von Kohle und Stahl ein mit der einzigen Ausnahme, daß das Gesetz Nr. 27 zur Entflechtung und Neuordnung des deutschen Kohlenbergbaus und der deutschen Stahlindustrie noch zu Ende durchgeführt wird. Die außerordentliche Tragweite dieser Vereinbarungen über die Beseitigung von Ruhrstatut und Ruhrbehörde sowie über die Aufhebung aller Produktions- und Kapazitätsbeschränkungen in der Stahlindustrie im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Schuman-Planes, deren sich der Ausschuß in seiner Mehrheit vollauf bewußt war, bedarf im Rahmen dieses Berichts keiner weiteren Unterstreichung. Der Ausschuß hat mit Genugtuung davon Kenntnis genommen, daß eine Wiederholung der bedauerlichen Entscheidungen des Militärischen Sicherheitsamtes über die AugustThyssen-Hütte und Watenstedt-Salzgitter nicht mehr möglich ist und mit dem ungehinderten Wiederaufbau dieser Werke nach Inkrafttreten des Schuman-Plan-Vertrages unverzüglich begonnen werden kann. Der Ausschuß war sich durchaus darüber klar, daß die Beendigung der Funktionen des Alliierten Sicherheitsamtes und der Alliierten Kontrollgruppen, soweit sie die Produktion und Kapazität von Kohle, Eisen und Stahl betreffen, mit dem Inkrafttreten des Schuman-Planes leider noch nicht gleichzeitig das Ende der Tätigkeit des Alliierten Sicherheitsamtes auf anderen Gebieten, z. B. der Kontrolle der Buna-Produktion oder der Elektronenröhren-Fabrikation bedeutet. Er erkannte jedoch in seiner Mehrheit an, daß diese Frage in den Komplex der gegenwärtig laufenden Verhandlungen über den Generalvertrag gehört und mit der Montan-Union nicht direkt in Zusammenhang gebracht werden kann. Zweifelhaft erschien der Mehrheit des Ausschusses allerdings die Konsequenz der Weitergeltung der Vollmachten der Hohen Kornmission zur Ausführung des Gesetzes 27 und damit im Zusammenhang stehend das Schicksal des deutschen gemeinschaftlichen Kohlenverkaufs. In dem dem Ausschuß bereits zu einem früheren Zeitpunkt zur Kenntnis gebrachten Schriftwechsel zwischen der Hohen Kommission und der Bundesregierung über das Gesetz 27 hatte die Hohe Kommission zum Ausdruck gebracht, daß der baldige Abschluß dieser Entflechtungs- und Neuordnungsmaßnahmen eine Voraussetzung für das Funktionieren des Schuman-Planes bilde und daß es ihr Ziel sei, mit dem Abschluß der Durchführung des Gesetzes 27 alle Kontrollen auf diesem Gebiet zu beenden. Das Gesetz 27 wird aber im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Schuman-Planes wohl leider noch nicht durchgeführt sein, so daß Deutschland in dieser Beziehung mit einem schweren Handikap in den Vertrag hineingehen müßte. Dieses Handikap wurde von der Mehrheit des Ausschusses nur dann für tragbar gehalten — und diese Meinung wurde durch eine entsprechende Erklärung der Fraktionen der FDP, CDU/CSU und DP der Bundesregierung zur Kenntnis gegeben — wenn seitens der Alliierten nochmals ausdrücklich klargestellt wird, daß Deutschland auch im Hinblick auf die vom Gesetz 27 getroffenen Regelungen nach Abschluß seiner unverzüglichen Durchführung nur mehr den für alle anderen Mitgliedstaaten des Schuman-Planes gemäß den Artikeln 65 und 66 geltenden Bestimmungen unterworfen sein wird. Wenn diese unter dem Gesichtspunkt der völligen Nichtdiskriminierung eigentlich selbstverständliche Klarstellung erfolgt, wird nach der Auffassung der Mehrheit des Ausschusses auch hier gerade durch den Schuman-Plan eine zusätzliche deutsche Chance zur vernünftigen Korrektur von der europäischen Wirklichkeit fremden, übertrieben dogmatischen Entscheidungen, ja sogar ein echter Rechtsanspruch in dieser Richtung eröffnet. Dabei ließ die Mehrheit des Ausschusses keinen Zweifel darüber, daß sie durchaus die Grundtendenzen einer Beseitigung der Zusammenballung übermäßiger wirtschaftlicher Macht bejaht, wie sie Artikel 65 und 66 des Schuman-Planes vorsehen. Hinsichtlich des gemeinschaftlichen Kohlenverkaufs, dessen Auflösung ursprünglich von den Alliierten für den 1. Juli 1951 vorgesehen war, konnte die Bundesregierung dem Ausschuß mitteilen, daß die deutschen Bemühungen zur Verhinderung dieser bedingungslosen Auflösung zwischenzeitlich zur Bildung einer paritätischen alliierten-deutschen Sachverständigenkommission führten. Diese hat inzwischen einen auch von den beiden deutschen Sachverständigen unterzeichneten Vorschlag für eine Neuregelung des deutschen Kohlenverkaufs ausgearbeitet, mit dem sich aber die Bundesregierung bisher nicht einverstanden erklärt hat, weil er einen sehr schwerfälligen und kostspieligen Apparat zur Folge haben müßte. Es sei nunmehr zwischen der Hohen Kommission und der Bundesregierung zur erneuten Diskussion über die Verbesserung dieses Vorschlages gekommen. Der Vorschlag der paritätischen Sachverständigenkommission sah eine zentrale Funktion des gemeinschaftlichen Kohlenverkaufs nur in. den Krisen- oder Mangellagen des Schuman-Planes vor; im übrigen sollten 6 Erzeugergruppen mit je 9 Inlandsverkaufsstellen gebildet werden. Immerhin war für die Ruhrkohle eine Auftragskoordinierung nach Sorten, ein Beschäftigungsausgleich, eine Verkehrssteuerung und eine statistische Zusammenfassung in einer Gemeinschaftsverwaltung vorgesehen. Die deutschen Abänderungsvorschläge wollen dieser Gemeinschaftsverwaltung ein dauerndes Weisungsrecht gegenüber den angeschlossenen Zechen einräumen, ihr ferner den Abschluß von Verträgen mit Großverbrauchern und für den Export sowie die Abrechnung von Mehr- und Mindererlösen zubilligen. Nach der Erklärung der Bundesregierung ist die bisher erreichte Lösung — und dieser Auffassung schloß sich die Mehrheit des Ausschusses an — zwar nicht optimal, aber doch praktisch brauchbar. Auch in dieser Frage darf aber nach der Auffassung der Mehrheit des Ausschusses Deutschland nach Inkrafttreten des Schuman-Planes unter dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung nur noch den, gleichen Bestimmungen unterliegen wie die anderen Unterzeichnerstaaten auch. Am Schlusse dieses Berichts über die vielleicht eingehendsten Beratungen, die bisher in dem Ausschuß stattgefunden haben, sollen noch einmal vor dem Deutschen Bundestag die wesentlichsten Gründe kurz zusammengefaßt werden, die die Mehrheit des Ausschusses sich unter den anschließend genannten Vorbehalten für den SchumanPlan entscheiden ließ. Es waren dies: 1. das Ziel eines im Interesse des Friedens und sozialen Fortschritts liegenden gleichberechtigten Zusammenwachsens der freien europäischen Völker, das überhaupt den Anstoß zum Schuman-Plan gebildet hat. Der Ausschuß hätte es in seiner Mehrheit auch begrüßt, wenn es gelungen wäre, zunächst einen allgemeinen politischen Überbau, eine bundesstaatliche Verfassung für dieses Europa zu errichten. Er war sich aber während seiner ganzen Beratungen der Tatsache nur zu bewußt, daß in der politischen Ebene nicht die Wünschbarkeiten, sondern vielmehr die harten Realitäten und das jeweils Erreichbare entscheiden. So sah er in seiner Mehrheit im Schuman-Plan das erste wirkliche Teilstück einer übernationalen europäischen Einigung. 2. die Erkenntnis des Zurückbleibens des Lebensstandards der europäischen Völker aus ihrer kleinstaatlichen Abgeschlossenheit gegenüber dem großräumigen Amerika: während in den USA auf 135 Millionen Einwohner jährlich 100 Millionen t Stahl als feste Grundlage eines gehobenen Lebenstandards entfallen, beträgt dieser stählerne Unterbau ihrer Volkswirtschaften mit 155 Millionen Einwohnern in den Schuman-Plan-Ländern mit 32 Millionen t im Jahre 1950 noch nicht einmal ein Drittel des amerikanischen. Die Mehrheit des Ausschusses war der Auffassung, daß es ihre höchste Pflicht sei, jede Gelegenheit zu ergreifen, die wirklich geeignet erscheint, diese europäische Armut zu überwinden. 3. die eindeutigen Bestimmungen des Schuman-Planes, keinerlei rechtliche oder wirtschaftliche Benachteiligungen eines seiner Partner zu dulden, sondern allen nach Maßgabe ihrer Lei- stungsfähigkeit und Tüchtigkeit auf dem gemeinsamen Markt bei Freizügigkeit der Arbeitskräfte, freier Standortbildung und Freiheit der Kapitalinvestitionen die gleichen Chancen im Interesse der Steigerung der europäischen Gesamtproduktion und Beschäftigung zu eröffnen. Die Mehrheit des Ausschusses konnte in diesen Bestimmungen des Schuman-Planes weder Anzeichen eines Superkartells noch die Grundlagen eines gefährlichen „Dirigismus" erblicken, noch sah sie in ihnen die Befürchtungen einer einseitigen Ausbeutung bestätigt, sondern vielmehr ausschließlich die Absicht, die auch in der eigenen Volkswirtschaft so erfolgreich zur Wirksamkeit gelangten Kräfte der freien Initiative zur Entfaltung zu bringen. 4. die Feststellung, daß auch in Zeiten des Mangels oder der drohenden Arbeitslosigkeit die gemeinsame europäische Verantwortung an die Stelle kurzsichtiger Interessenpolitik treten soll, wie sie uns Deutschen leider in den siegerstaatlichen Institutionen 'der Ruhrbehörde und des Ruhrstatuts vorexerziert worden ist. 5. die Gewißheit, daß mit dem Inkrafttreten des Schuman-Planes Ruhrbehörde und Ruhrstatut sowie Kapazitäts- und Produktionsbegrenzungen bei Kohle und Stahl und die entsprechenden Funktionen von Sicherheitsamt und alliierten Kontrollgruppen endlich ein Ende finden werden. 6. die Überzeugung, daß weder dem dringenden Wunsche des 'deutschen Volkes nach Wiedervereinigung noch seiner ständigen Anteilnahme an dem Schicksal des Saargebiets durch den Beitritt zum Schuman-Plan ein Abbruch geschieht — im Gegenteil ist es die Überzeugung der Mehrheit des Ausschusses, daß das Problem der Saar erst auf Grund der europäischen Einigung seine derzeitigen kleinlichen 'machtpolitischen Aspekte verlieren kann, und 'daß das Interesse ganz Europas auf die Eingliederung eines wieder geeinten Deutschlands in die Gemeinschaft der freien Völker gerichtet sein muß. 7. der Wille der Mehrheit des Ausschusses, auch einen nicht ganz leichten deutschen Beitrag zur Mehrung des gegenseitigen Vertrauens zwischen den europäischen Völkern zu erbringen, um schneller zu dem letzten Ziel des vereinigten freien Europas zu gelangen. So beschlossen der Wirtschaftspolitische Ausschuß des Deutschen Bundestages und der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten mit ihrer Mehrheit, dem Bundestag vorzuschlagen, die Ziffern 1 bis 4 des Antrages Drucksache Nr. 2484 der Fraktion der SPD als durch die Ergebnisse ihrer Beratungen für erledigt zu erklären und die Ziffer 5 des Antrages der Fraktion der SPD nach den Klarstellungen durch den Schriftwechsel zwischen der Regierung der Republik Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland abzulehnen. Beide Ausschüsse haben ferner von der Erklärung der Bundesregierung Kenntnis genommen, daß dem Wunsche' des Bundesrates nach einer Mitwirkung in einem besonderen Gesetz Rechnung getragen werden soll. Die Bundesregierung wird an dieser Stelle abschließend noch ein technisches Monitum zur Kenntnis nehmen müssen: der Ausschuß hätte es begrüßt, wenn die deutsche Übersetzung des Schuman-Plans an manchen Stellen genauer gewesen wäre, so daß er sich in diesen Fällen den wahren Sinn des Vertrages nicht erst an Hand des französischen Textes hätte erarbeiten müssen. Die Bundesregierung hat die mangelhaften Stellen der Übersetzung bereits in den Ausschüssen berichtigt und die Herstellung eines revidierten Textes zugesagt. Die Mehrheit des Ausschusses für Wirtschaftspolitik empfiehlt — unter dem von der Fraktion der FDP gemachten Vorbehalt, daß seitens der Hohen Kommission noch vor der Abstimmung im Plenum auf die hinsichtlich der Anwendung des Gesetzes Nr. 27 von der Bundesregierung an die Hohe Kommission gerichtete Note eine befriedigende Antwort erteilt wird — dem Deutschen Bundestag, den Gesetzentwurf Drucksache Nr. 2401 betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zuzustimmen. Die Mehrheit des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten — dessen Bezeichnung nach der Ratifizierung des Schuman-Plans hoffentlich bald auf den letzteren Teil beschränkt werden kann — empfiehlt dem Plenum 'ebenfalls die Zustimmung zu dem genannten Gesetzentwurf. In diesem Ausschuß haben die den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP und Föderalistischen Union angehörenden Mitglieder ihre Zustimmung zum Ratifikationsgesetz, allerdings ebenfalls unter dem Vorbehalt gegeben, daß „seitens der Hohen Kommission auf die über die Anwendung des Gesetzes Nr. 27 der Alliierten Hohen Kommission an diese gerichtete Note vor der Beratung des Gesetzes im Plenum eine die genannten Fraktionen befriedigende Antwort erteilt werde". Dr. Preusker, Berichterstatter
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Meine Damen und Herren! Ich habe den Eindruck, daß mein Herr Vorredner mindestens einige Sätze und Stellen des Berichts völlig mißverstanden hat. Um dieses Mißverständnis gleich für die weitere Diskussion auszuräumen, darf ich kurz noch ein-. mal die Stellen, die sich mit der Frage der Bevorrechtigung, der Berücksichtigung des deutschen Investitionsnachholbedarfs befassen, hier zitieren. Es heißt auf Seite 13 des Berichts:
    Diese Feststellung ist bedeutsam im Zusammenhang mit den Punkten 2 der Bundesratsbeschlüsse gemäß Drucksache Nr. 2401 bzw. des Antrages der Fraktion der SPD gemäß Drucksache Nr. 2484, . . .

    (Vizepräsident Dr. S c h ä f er übernimmt den Vorsitz.)

    Das sind die Punkte, die sich mit der Forderung nach einer Bevorzugung des deutschen Nachholbedarfs befassen, und da sagte der Herr Vorredner, er hätte es verstanden, wenn der Ausschußbericht festgestellt hätte, man habe hier nichts erreicht, und er müsse sich wundern — so habe ich seine Worte in Erinnerung —, daß nicht diese Feststellung getroffen wurde, sondern eine ganz gegenteilige.


    (Dr. Preusker)

    Zunächst wird ohne Zweifel in den weiteren Zeilen festgestellt, daß Deutschland etwas, was die Fraktion der SPD gefordert hat, nämlich eine direkte vertragliche Verankerung, nicht erreicht hat, daß es aber die Forderung, die der Bundesrat erhoben hat, durchaus erreicht hat. Gestatten Sie mir, das jetzt zu zitieren:
    Wohl aber sei der Empfehlung des Bundesrates tatsächlich durch die Hinzufügung des Absatzes 3 zum § 29 der tlbergangsbestimmungen, der speziell den deutschen Investitionsnachholbedarf und die Remontage im Sinne gehabt habe, weitgehend Rechnung getragen worden. In diesem Absatz heißt es, daß für einen Zeitraum von maximal '7 Jahren nach Inkrafttreten des Vertrages gewisse Schutzmaßnahmen, die sich bis zur Quotierung der Marktanteile steigern, für die Stahlindustrie eines Landes in Anspruch genom-
    , men werden können, wenn sich innerhalb dieses -Zeitraumes eine Anpassung „infolge einer Mangellage oder Fehlens von Geldmitteln, die die Unternehmen aus ihrem Betrieb hätten herausziehen können oder die ihnen hätten zur Verfügung gestellt werden können" nicht durchführen ließ.
    Zweifellos treffen diese Tatbestände in vollem Umfang auf die deutsche Stahlindustrie zu. Die Möglichkeiten, die in § 29 gegeben sind, nämlich erstens einer Begrenzung von Nettolieferungen, zum zweiten preislicher Maßnahmen und zum dritten sogar der Einführung von Produktionsquoten zugunsten dieser Stahlindustrie, sind ja doch ausgesprochene Schutzbestimmungen.
    Auch der Ausschußbericht stellt weiterhin zu den Finanzierungsfragen fest — das steht ebenfalls auf Seite 13 —, daß der Schumanplan eine zusätzliche Chance schafft, die der wirtschaftlich und standortmäßig besonders günstigen deutschen Stahlindustrie nach dem ökonomischen Prinzip des Vertrags bevorzugte Aussichten bietet; er stellt aber ausdrücklich klar, daß es dafür keine Sicherheit gibt. Ich darf an die Ausschußberatungen erinnern, bei denen wir uns alle darüber klar waren, daß es noch eine sehr offene Frage ist, ob die Hohe Behörde unter den gegenwärtigen Zuständen überhaupt genügend Kreditmittel aus der ganzen Welt zusammenbekommen wird. Ich darf als Berichterstatter einen weiteren Punkt noch einmal klarstellen, insbesondere nachdem der Herr Vorredner mir in diesem Punkt Unkenntnis des Vertrages vorgeworfen hat.

    (Zuruf des Abg. Henßler.)

    Darüber war sich die Mehrheit, nach der Prüfung sowohl im Außenpolitischen wie im Wirtschaftsausschuß, nun wirklich völlig einig

    (Zuruf von der SPD: Sprechen Sie als Berichterstatter?)

    — ich zitiere nur als Berichterstatter! —, daß die Meinung, die Hohe Behörde könne Investitionen auch darin auf die ausschließliche Finanzierung durch Eigenkapital beschränken, wenn durch sie in anderen Ländern der Gemeinschaft eventuell Subventionen, Beihilfen, Schutzmaßnahmen und sonstige Diskriminierungen heraufbeschworen werden könnten, schlechthin als unsinnig angesehen werden muß. Diese Auffassung wird in jedem Punkte auch durch die französischen Berichte erhärtet. Eine ungünstige Stellungnahme des Ausschusses — das stellt der Bericht nach wirklich eingehender Prüfung fest — ist unter den von dem
    Herrn Vorredner genannten Voraussetzungen völlig undenkbar.

    (Beifall rechts.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schöne.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Joachim Schöne


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vertrag über die europäische Montan-Union will als wirtschaftspolitisches Ziel den gemeinsamen Markt für die Grundindustrien. Der Vertrag sieht daher verhältnismäßig präzise Regeln für den, wie vorhin schon gesagt wurde, „organisierten Wettbewerb", ich möchte sagen „für das Verhalten am Markt" vor. Aber darüber hinaus will der Vertrag einen Fortschritt. Er will nicht statisch sein; er will dynamisch sein. Er will einen Fortschritt auf der Grundlage des gemeinsamen Marktes. Faßt man dieses dynamische Prinzip ins Auge, dann darf nicht übersehen werden, daß ein jeder Wettlauf zwei Teile kennt, nämlich Beste oder Bessere und Schlechtere, die zurückbleiben, d. h. das Vordringen des einen geschieht stets auf Kosten der anderen. Das andere, was man immer im Auge behalten muß, ist, daß sich auch vom Markt aus Rückwirkungen auf die Produktion ergeben. Für diese Produktionssphäre, was die Grundindustrien angeht, ist der wirtschaftspolitische Sinn des Vertrags im Grunde eine Standortverschiebung zum besten Wirt, d. h. eine durchgreifende Strukturverschiebung, und aus dieser Tendenz der Standortverschiebung ergibt sich für uns die Sorge um die Gleichheit der Startpositionen.
    Der Kollege Henßler hat bereits eine allgemeine Umschau auf die Bedingungen gehalten, unter denen wir starten sollen. Ich möchte hier nur ein paar Worte zu den speziellen Startbedingungen für die deutsche Eisenwirtschaft sagen und mich dabei weniger auf einen „Katalog der Fesselungen" einlassen, sondern mehr auf die Auswirkungen hinweisen und ganz besonders die Tendenz der Standortverschiebung herausstellen.
    Ich darf ins Gedächtnis zurückrufen, daß nach allgemein anerkanntem Sachverständigenurteil das Fundament der deutschen Eisenwirtschaft einmal in der Verbindung zwischen Hütte und Weiterverarbeitung und zum andern in dem Verbund, insbesondere zwischen Zeche und Hütte, zwischen Kohle und Eisen bestand. In beide Grundlagen der deutschen Eisenwirtschaft hat das Gesetz 75 respektive das Gesetz 27 erheblich und hart eingegriffen, und zwar durch eine Zersplitterung der Komplexe und durch ein Zerreißen der Verbundwirtschaft.
    Zur Zersplitterung der Komplexe auf dem Gebiet der Eisenwirtschaft möchte ich sagen, daß früher im Ruhrgebiet 11 stahlerzeugende Unternehmen vorhanden waren. Das theoretische Ziel des Gesetzes 75, respektive des Gesetzes 27, war folgendes: Es wollte eine Dezentralisation der deutschen Wirtschaft mit dem Ziel, eine übermäßige Konzentration wirtschaftlicher Macht zu beseitigen, zum andern wollte es eine Umgestaltung mit dem Ziel, der Gesundung der deutschen Wirtschaft zu dienen. Professor Ophüls sagt dazu wörtlich:
    Die Bestimmungen beabsichtigen, das deutsche Wirtschaftsleben in seiner Struktur in bestimmter Richtung zu ändern und diese Strukturänderung zu konservieren.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)



    (Dr. Schöne)

    Diese Strukturänderung sollte geschehen, wie vorhin bereits erwähnt wurde, durch die Bildung wettbewerbsfähiger Einheiten, und zwar nicht nur in eigener Volkswirtschaft wettbewerbsfähiger Einheiten, sondern auch im Verhältnis zur Weltwirtschaft. So wurde es verkündet, eigentlich bereits bevor das Gesetz 27 da war, noch in den letzten Zügen des Gesetzes 75. Die Praxis jedoch sah anders aus. Die ersten Vorschläge gingen auf eine Neugruppierung von 34 Gesellschaften. Das Memorandum der Alliierten Hohen Kommission vom Dezember 1950 formulierte sogar die Forderung einer „Höchstzahl" von Unternehmungen, und die Bundesregierung hat dann, — ich zitiere —: „im Hinblick auf den bevorstehenden Abschluß des Schumanplans" — ich glaube, Herr Bundeskanzler, hier besteht doch eine gewisse Verbindung zwischen dem Gesetz Nr. 27 und dem Schumanplan! — einen „Gesamtplan" ausgearbeitet, der auf 23 Gesellschaften abzielte. Das Ergebnis der Verhandlungen war dann, daß 24 Gesellschaften entstehen werden.
    Diese Zerreißung der Einheiten kann man nur werten, wenn man sich noch einmal an die Zielsetzungen erinnert, nämlich die Beseitigung von Konzentrationen wirtschaftlicher Macht zum einen und zum andern eine Umgestaltung zu einer Gesundung der deutschen Wirtschaft, beides Ziele, mit denen man voll und ganz einverstanden sein kann: Ich möchte hier ganz deutlich erklären, daß keiner von uns den machtvollen Hyperkonzernen der Vergangenheit auch nur eine Träne nachweint! Aber ist im Zuge des Gesetzes Nr. 27 nicht etwas zu reichlich und zu schnell vorgegangen worden? Ist man nicht zu einer Atomisierung statt zu einer Dekonzentration gekommen? Die Großindustrie braucht bestimmte Größen, weil nur sie Rationalisierung und Modernisierung gestatten und den Arbeitsplatz sichern. Sie braucht optimale Größen. Ich darf erwähnen, daß ein internationaler Sachverständiger, François Gérard, die optimale Größe von Hüttenwerken bei 2,4 Millionen t pro Jahr ansetzt, während unsere neuen Gesellschaften jetzt knapp die Hälfte haben werden. Hinzu kommt bei uns, daß die Vertragsbindungen zwischen den einzelnen Gesellschaften außerordentlich ersehwert sind. Einmal hat man die einzelnen Unternehmungen mehr als Torsen hingestellt; man hat nicht den Blinden und den Lahmen miteinander gekoppelt, sondern Blinden plus Blinden und Lahmen plus Lahmen,

    (Heiterkeit)

    und hat nun die einzelnen Gesellschaften noch dadurch gegeneinander abgegrenzt, daß die Mustersatzungen die Vertragsfreiheit der einzelnen Gesellschaften einfach beschränken. Endlich hat man die personelle Verzahnung zwischen den einzelnen Gesellschaften beseitigt. Diese Erkenntnis muß man sich bei einer Kritik des Schumanplans vor Augen halten, denn es gibt eine Chance des Schumanplans: Zusammenschlüsse zum Zwecke der Spezialisierung der Produktion im Interesse der Leistungsfähigkeit durchzuführen.
    Der Zweck meiner Ausführungen war, Ihnen zu zeigen, daß bei dieser, ich möchte sagen „Sortierung der deutschen Stahlindustrie" die Möglichkeit der Ausnützung dieser Chance verhältnismäßig gering ist. Zur vollen Tragweite der Situation kommt man jedoch erst, wenn man der übermäßigen Dekonzentration der deutschen Eisenwirtschaft die Entwicklung der Eisenwirtschaft in Frankreich gegenüberstellt. Während man bei uns dekonzentrierte, wurde dort konzentriert, und zwar fast in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang. Als bei uns das Gesetz Nr. 27 erschien und damit der letzte Akt der „Dekonzentration" begann, wurde in Frankreich der Schlußstein der Konzentration gesetzt durch die Gründung des Stahlkombinats „Sidelor". Dieses Stahlkombinat Sidelor, das in sich rund ein Fünftel der französischen Stahlproduktion vereinigt, stellt sich mit Würde neben die beiden anderen großen Kombinate Usinor und Sollac.
    Diesem französischen Musterbeispiel der. Konzentration reihen sich die beiden anderen Staaten, Belgien und Luxemburg, durchaus würdig an. In Belgien beherrschen drei Gruppen 55 bis 60 % der Rohstahlerzeugung, in Luxemburg beherrschen drei Gruppen 100 %. Diese Konzentration der Gesellschaften wird noch ergänzt durch ein fein ausgebautes System der personellen Verflechtung.
    Man komme nun nicht mit dem Hinweis, daß diese Gruppen, wie sie hier stehen, von der Hohen Behörde untersucht und gegebenenfalls aufgelöst werden müßten. Ich darf mich auf die Äußerungen eines französischen Sprechers vom Dezember 1950 beziehen, als die Sidelor, das letzte Stahlkombinat, gegründet wurde. Er sagte: „es handelt sich um Zusammenschlüsse zum Zwecke einer Spezialisierung der Produktion im Interesse der Leistungsfähigkeit, und solche Zusammenschlüsse sind nicht verboten!" Ich möchte also sagen: wenn man schon von einer Gesundung der Wirtschaft spricht, so war der Grundsatz für die Gesundung der französischen Eisenwirtschaft der Grundsatz der Konzentration und für die Gesundung der deutschen Eisenwirtschaft der Grundsatz der Dekonzentration.

    (Sehr gut! und Heiterkeit bei der SPD.)

    Das Gesamtergebnis dieser ersten Teilbetrachtung darf ich dahin zusammenfassen, daß sich hieraus ein ungeheurer Startnachteil für die deutsche Eisenwirtschaft und damit naturgemäß eine Auswirkung auf den Standort ergibt. Um auch einen Professor zu zitieren, darf ich Herrn Professor Rittershausen zitieren, der am 24. Januar 1951 gesagt hat:
    Mindestwirtschaftlichkeit und Höchstzersplitterung, um den Kostenvorsprung der deutschen Stahlindustrie zu beseitigen.
    Das andere große Ziel dieser Neuordnung der Wirtschaft, wenn Sie so wollen, war, eine Zerreißung der Verbundwirtschaft durchzuführen. Der Verbund Zeche-Hütte ist für die deutsche Eisenwirtschaft ein organisches Ergebnis, das Ergebnis einer langen Entwicklung der Eisenwirtschaft, die von der ehemaligen Erzorientiertheit zur Kohleorientiertheit wanderte, die die Standortnachteile der Erzferne durch die Entwicklung besonderer Verfahren wettmachte und die es uns ermöglichte, den gefährlichsten Krisenstürmen erfolgreich zu widerstehen.
    In dieses organisch Gewordene hat nun Besatzungsrecht eingegriffen. Das Ergebnis ist mit dürren Worten: der Erz-Hütten-Verbund ist bis zum heutigen Tag völlig ungeklärt. Die Neuordnung des Erzbergbaues befindet sich noch nicht einmal im Vorbereitungsstadium der vorbereitenden Planung.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Das zweite, der eigentlich tragende Verbund ist der Verbund zwischen Zeche und Hütte; das Er-


    (Dr. Schöne)

    gebnis ist hier: früher 55 bis 60 % des Ruhrkohlenbergbaus mit dem Eisen verbunden, heute 18 %.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ferner darf kein Hüttenwerk mehr als 75 % seines Koksbedarfs aus eigenen Kokereien decken. Auch hier wieder eine Verbindung zum Schumanplan, denn es wurde vorhin gerade betont, die Erreichung dieser 75 % sei eigentlich nur durch die Schumanplan-Verhandlungen möglich geworden.
    Auch hier, bei der Wertung der Verbundwirtschaft, kommt man nur dann zu einer rechten Vorstellung, wenn man sich, ganz grob, das Bild der französischen Eisenwirtschaft vor Augen hält. Dort finden Sie einmal die Tatsache, daß die Kohle sozialisiert ist. Die sozialisierte französische Kohle wird voll und ganz in den Dienst der französischen Stahlindustrie gestellt, sofern die französische Kohle für die Stahlindustrie überhaupt zur Verarbeitung in Frage kommt.

    (Abg. Pelster: Das ist in sehr geringem Maße!)

    Als zweites: Der Verbund zwischen Erz und Hütte ist in Frankreich außerordentlich eng, j a, er reicht über die Hütte hinaus weit in die Verarbeitung. Es ist nicht ganz uninteressant, aus wissenschaftlich erarbeiteten Zahlen folgendes zu hören: In Frankreich reichen von 37 Gesellschaften 26 einerseits zur Rohstoffbetriebsseite, zum anderen zur Weiterverarbeitung hinüber, in Belgien sind es von 15 9 und in Luxemburg von 3 alle 3.
    Gegen die offensichtliche Zerreißung des deutschen Verbundes wendet man nun deutscherseits ein: erstens, die Klausel der Selbstversorgung zu 75 % hilft uns über die gröbsten Unebenheiten hinweg. So schreibt Professor Ophüls — ich zitiere —:
    Es ist eine den deutschen Verhältnissen Rechnung tragende Verknüpfung der Kohle- und Stahlerzeugung in der Weise zugelassen, daß grundsätzlich die Stahlwerke 75 % ihres Kohlebedarfs aus eigenen Zechen decken können.
    Nun die Frage: Wie ist es im Schumanplan? — Es wurde vorhin bereits erwähnt, insbesondere von dem Berichterstatter, daß es drei Lagen gibt, einmal die Sonderlage der Absatzkrise — dort ist die Verbundwirtschaft sowieso kein Problem —, das zweite war die Normallage. Nun, darüber waren sich alle Sachverständigen, die deutschen wie auch die nicht-deutschen, einig: daß das einzige Anomale die normale Lage sein würde.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Es bleibt also im Grunde genommen nur die Mangellage, und hier greift Art. 59 ein, die Steuerung durch die Hohe Behörde, die vorhin bereits hinreichend erwähnt worden ist. Interessant ist nur, daß die deutsche Regierung die Anwendung dieses Art. 59 wie folgt kommentiert. Sie sagt, daß diese Regelung „in elastischer Form auf den effektiven Verbrauch abgestellt" werde. Diese Formulierung wird einfach gewählt, — wahrscheinlich aus Geschmacksgründen.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Deutlicher sind die Kommentierungen in der Französischen Nationalversammlung, wo der Berichterstatter, Coste-Floret, sagt:
    Im Falle der Mangellage, das ist
    — übrigens drüben dieselbe Meinung wie hier — die jetzige Periode, und die wird wahrscheinlich
    noch lange andauern, ist es notwendig, Kohle I und Stahl auf eine autoritäre Weise zuzuteilen. Art. 59
    — fährt er fort —
    will besagen, daß die Bevorrechtigung der deutschen Verarbeiter unterdrückt ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Und kein anderer als Herr Schuman selbst sagt:
    Auf diese Weise werden diejenigen, die in normalen Zeiten 75 % ihres Verbrauchs aus eigenen Zechen deckten, auch nicht 10 % zurückhalten können. — Das ist die Wahrheit!

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    So weit zu diesem Einwand, die 75 %-Klausel dürfe genügen und Art. 59 sichere in dieser Hinsicht den Verbund.
    Man sagt zum anderen, das sei ja alles nur so schlecht gewesen, weil die Ruhrbehörde da gewesen sei und die Ruhrbehörde höre j a nun auf. Immer, wenn wir uns schlecht behandelt glauben, haben wir die Möglichkeit der Anrufung des Gerichts. Das ist ja gerade der Riesenvorteil des Schumanplans gegenüber der Ruhrbehörde: dort war ein nicht nachprüfbares Ermessen, das aus einer anderen Staatsraison geschöpft wurde, einfach für uns verbindlich. — Nun, über Gericht und „nachprüfbares Ermessen" an späterer Stelle. Hier sei nur ein Zitat ganz kurz gebracht, um den „Europa-Geist" der Staatsraison der Ruhrbehörde gegenüberzustellen. Coste-Floret sagt:
    Während die Hohe Behörde mit Mehrheit entscheiden wird, erforderte die Ruhrbehörde die Einstimmigkeit oder die qualifizierte Mehrheit. Ganz gewiß werden dabei die Vorrechte der deutschen Verbraucher beseitigt werden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich darf hier — als „Erinnerungsposten" viel-
    leicht — vermerken, was Herr Dr. Henle für die
    Regierungsparteien in der ersten Lesung sagte: Wer behauptet, die Hohe Behörde laufe in der Wirkung auf dasselbe wie die Ruhrbehörde hinaus, der vermag oder will die Dinge nicht in ihrem wirtschaftlichen Zusammenhang sehen.
    _ (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Nun, meine Damen und Herren, sehen wir die Dinge einmal im Endergebnis in ihrem wirtschaftlichen Zusammenhang. Das tragende Fundament der deutschen Eisenwirtschaft, die Verbundwirtschaft, ist auf 18 % begrenzt. Zweitens: die Versorgung ist zu 75 % festgelegt, die gerade durch den Art. 59 dann, wenn es erforderlich ist, innerlich ausgehöhlt wird.
    Die Zusammenfassung darf ich dem französischen Finanzminister überlassen, der sagte:
    Deutschland verliert im Falle der Mangellage noch das Wenige, was ihm an Verbund Kohle und Stahl übriggeblieben ist.

    (Lebhafte Rufe von der SPD: Hört! Hört! — Hört! Hört!, Herr Kanzler!)

    Meine Betrachtungen waren auf die wirtschaftspolitische Tendenz des Planes, auf die Standortverschiebung abgestellt. Die Fundamente unserer Eisenwirtschaft waren geschlossene Betriebskomplexe und Zechen-Hütte-Verbund. Diese Fundamente wurden durch Besatzungsrecht gesprengt, und damit — das ist die Sorge, die wir haben — entsteht ganz natürlich ein Sog aus dem Ruhrrevier.


    (Dr. Schöne)

    Man kann nur den Einwand bringen, man könne diesen Sog durch eine planmäßige Investitionspolitik aufhalten. Hierzu bietet, wie der Berichterstatter soeben ganz mit Recht sagte, der § 29 der Übergangsbestimmungen durchaus die Möglichkeit. Sehen wir uns die Situation an! Eigene Mittel der Werke sind kaum zu erwarten, denn erstens haben die Werke selbst ein viel zu kleines Format. Sie sind unter viel zu große betriebliche Schwierigkeiten gestellt, als daß sie es könnten. Sie haben Remontagebedarf, sie haben Nachholbedarf, sie haben Erneuerungsbedarf. Bedenken Sie nur das ehrwürdige Alter unserer Walzenstraßen! Zum anderen ist der deutsche Kapitalmarkt ein Problem, das nicht nur jetzt vorhanden ist, sondern das wohl auch nach für geraume Zeit bestehen bleiben wird. Bleiben also nur fremde Mittel, so daß wir tatsächlich letzten Endes auf unsere Mittel angewiesen sind. Um so mehr — und das möchte ich zur Regierungsbank hin sagen — wäre es vielleicht opportun gewesen, bei den Verhandlungen in Paris über die Remontagekredite — ich meine die Kredite, die zu besonderen Konditionen an die demontagegeschädigte Industrie gegeben werden — zu sprechen. Die Regierung hat sich dazu geäußert und hat gesagt — ich zitiere —: „Es wurde nicht ausdrücklich erörtert!" Dies fällt für uns um so mehr als Nachteil ins Gewicht, als die französische Regierung beschlossen hat, die Verzinsung eines Kredits von 92 Milliarden französischen Franken, der an die französische Stahlindustrie gegeben ist, von 7 % auf 4,5 % zu konvertieren.

    (Abg. Dr. Preusker: Dann können wir das auch!)

    — Wir hätten das gern getan; und das ist ja die Kritik, daß doch nichts getan wurde. Sie waren j a selbst im Ausschuß dabei und wissen, daß diese Tatsache stimmt. Nun, meine Damen und Herren, ich darf feststellen, daß wir in der Richtung der Investitionsförderung von deutscher Seite sicher nicht das getan haben, was wir hätten tun sollen. Wir haben uns mehr oder weniger darum bemüht, den „tragenden Vertragsgrundsatz" zu konstatieren, der heißt: Diejenigen Industrien, bei denen mit dem geringsten Aufwand der höchstmögliche wirtschaftliche Nutzeffekt erzielt werden kann, werden von der Hohen Behörde mit Investitionskrediten versorgt. Das ist übrigens fast die gleiche Formulierung, die Sie in Ihrer Drucksache Nr. 2974 Ziffer 3 finden. Ich möchte gerne wissen, auf Grund welcher Tatsachen Sie zu diesem tragenden Vertragsgrundsatz kommen! Der Vertrag selbst sagt in Art. 54 relativ wenig. Ich halte mich zunächst an die Interpretation, wie sie in der französischen Nationalversammlung gegeben worden ist, — und da darf ich den Kollegen Etzel bitten, es mir nachzusehen, wenn ich auch einmal „buche". Der Berichterstatter sagte:
    Wenn eine Investition 400 Franken pro Tonne an der Ruhr erbringt z. B. und 100 Franken in Lothringen, dann hat die Hohe Behörde nicht das Recht, zu entscheiden, daß die Investition in Lothringen verboten sein soll.

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Preusker: Aber sie darf!)

    — Ja, Sie darf. Die Frage ist ja, ob die Hohe Behörde, die Investitionspolitik treibt, die für uns richtig wäre. Es kommt nicht auf die Verhinderung, sondern in erster Linie auf die Förderung an. Und das ist das Problem, d-as vorhin schon herausgestellt und das von unserer Vertretung bei
    den Verhandlungen völlig außer acht gelassen worden ist.
    Nun, meine Damen und Herren, verlassen wir uns in Investitionsfragen doch nicht auf die Hohe Behörde! Frankreich selbst tut es auch nicht. Frankreich hat sich in dem § 2 der Übergangsbestimmungen die 4,2 Milliarden DM MonnetInvestition legalisieren lassen. Frankreich hat zum zweiten die Zinskonvertierung für 92 Milliarden französische Franken von 7 auf 4,5 % vorgenommen. Frankreich hat die Regierung beauftragt, erstens den Kohle- und Stahlindustrien erforderlichenfalls die vorläufigen Beihilfen zu gewähren, wie sie in Art. 67 des Vertrags vorgesehen sind, zweitens dem Parlament ein Gesetzesprogramm über Investitionen vorzulegen, um die französische Kohle- und Stahlindustrie in eine konkurrenzfähige Lage zu versetzen. Und letztens soll die Regierung der Republik „die Investitionsvorhaben in den französischen Kohlengruben und in der französischen Eisenindustrie, die in dem Plan über Modernisation und Ausrüstung enthalten sind, weiter verfolgen".

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, das bedeutet nichts anderes als die konsequente Fortführung des MonnetPlans. Dieser ist darauf abgestellt, die lothringische Eisen- und Stahlindustrie bis zu einer Jahrestonnenleistung von 15 Millionen Tonnen im Jahre 1953 zu bringen.
    Zu diesem Monnet-Plan sagten deutsche Sachverständige des Bundeswirtschaftsministeriums — ich beschränke mich darauf, zu zitieren —: „Dieser Plan" — der Monnet-Plan — „strebt in seinem Endziel nicht weniger als die Entblößung des Ruhrgebiets von der Rohstahl- und Roheisenerzeugung zugunsten der Minettewerke an".

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Zu diesem Plan sagt der Außenminister Schuman auf einer Tagung in Metz nach dem stenographischen Protokoll: „In Wahrheit ist dieser Plan" — der Schumanplan — „die Fortsetzung des Monnet-Plans".

    (Erneute lebhafte Rufe bei der SPD: Hört! Hört!)

    Das Ergebnis dieser kurzen Betrachtung, meine Damen und Herren, ist, daß das Besatzungsrecht die Fundamente der deutschen Eisenwirtschaft zerschlagen hat, und daß Sie damit ganz logisch und zwangsläufig eine Tendenz der Standortverschiebung von der Ruhr nach Lothringen haben.
    Nun werden Sie einwenden — Sie haben die Einwände schon gebracht —: die Schäden des Gesetzes 27 sind vergänglich! Man sagt: Wenn einmal der Schumanplan in Kraft ist, hat Deutschland die gleichen Rechte wie die andern. Nun, die Opposition stellte im Ausschuß die Frage nach der Zementierung des durch Gesetz 27 Geschaffenen. Und hier bitte ich um Entschuldigung, wenn ich den Berichterstatter, dem ich für seinen ausführlichen guten Bericht dankbar bin, einmal korrigieren muß; der Bericht enthält nämlich einen Fehler: es ist nicht erwähnt worden, daß die Frage nach der Zementierung des durch Gesetz 27 Geschaffenen von uns gestellt worden ist

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    und daß sowohl von Ihnen wie von der Regierung Argumente gebracht worden sind, um unsere Bedenken zu zerstreuen. Als dann der Antrag auf Schluß der Debatte gestellt war und wir nicht im


    (Dr. Schöne)

    Ausschuß vertreten waren, kamen Ihre alten Bedenken wieder auf. Ich sage „alten Bedenken" deswegen, weil Sie am Vormittag desselben Tages, ohne daß wir es wußten, einen entsprechenden Bedenkenbrief an den Bundeskanzler geschrieben hatten.

    (Widerspruch und Zurufe bei der CDU und FDP.)

    Am Nachmittag haben wir das erst in der Pressekonferenz erfahren. Diese kleine Richtigstellung nebenbei!

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf des Abg. Dr. Preusker. — Abg. Dr. Schröder [Düsseldorf]: Leider stimmt die Richtigstellung nicht!)

    — Ich habe ja das Wort, Herr Schröder, das stimmt schon.

    (Erneuter Widerspruch und Zurufe von der CDU und FDP.)

    Ich kann Ihnen da gleich noch weiteres bringen. Die Frage nach der Zementierung — ich habe als Zeugen den Herrn Bundeskanzler, der mir selbst die Antwort gab — wurde von der Opposition gestellt. Die Frage nach der Zementierung des durch Gesetz 27 Geschaffenen war nicht etwa aus der Luft gegriffen, sondern fundiert, einmal, weil bekannt war, daß der amerikanische Hohe Kommissar McCloy am 4. Mai 1951 in Frankfurt zu deutschen Gewerkschaftlern auf deren Frage: „Warum denn jetzt Gesetz 27?" gesagt hatte: „Das kann die Alliierte Hohe Kommission machen; mit diesem Odium wollen wir die Hohe Behörde nicht belasten."

    (Zustimmung und Rufe: Hört! Hört! bei der SPD.)

    Zweitens stützten wir die Frage auf den Tatbestand, daß der Berichterstatter des französischen Wirtschaftsrats verlangt hatte — ich zitiere — „daß die Dekartellisierung der deutschen Grundindus trien vor Inkrafttreten der Union realisiert sein müsse". Drittens stützten wir uns mit unserer Frage auf die wirklich ausgezeichnete Begründung der holländischen Regierung zum Schumanplan, insbesondere zu Art. 66, die die bindende Wirkung des Gesetzes 27 selbst klar zum Ausdruck bringt. Nun, uns wurde auf diese Bedenken geantwortet — es war zu der Zeit, als Ihre Bedenken noch nicht veröffentlicht waren —,

    (Heiterkeit)

    daß die Hohe Behörde ein anderes „Gegenüber" brächte, als es bisher der Fall gewesen war. Es wurde ferner gesagt, Unternehmen seien es, die nachher Anträge stellten, und nicht Staaten. Und letzten Endes wurde hingewiesen auf den Gleichheitsgrundsatz, der in Art. 2 verankert ist und zum Tragen kommt.
    Tatsache ist nun aber auch, daß die Hohe Kornmission auf Ihren Brief am 18. Dezember geantwortet hat, nach Abschluß der Maßnahmen zur Durchführung des Gesetzes Nr. 27 unterliege die Kohle- und Eisenindustrie in Deutschland keinen beschränkenden Bindungen außer denen, die sich aus den Bestimmungen des Vertrags über den Schumanplan ergäben. Ich möchte fragen: Was kann die Hohe Kommission auch schon anderes schreiben? Denn das ist doch ganz offensichtlich die deutsche Auslegung, daß man sagt: Nun, dann schreiben wir eben bloß noch: die Beschränkungen, die aus dem Schumanplan selbst kommen; denn die gelten ja für alle. gleich. Frankreich dagegen ist ganz anderer Auffassung. Frankreich betrachtet die Situation, wie sie sich aus dem Gesetz Nr. 27 ergibt, im Ergebnis als eine aufgezwungene und zementierte Organisationsform.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Ich muß es Ihnen tatsächlich zumuten, ich muß
    Ihnen im Extrakt die Sätze des Berichterstatters
    Coste-Floret zu diesem Punkt ' vorlesen. Er sagt: Der zweite positive Beitrag Deutschlands besteht in der Entflechtung an der Ruhr ... Vor allem hat man im Ruhrgebiet die vertikale Verflechtung von Kohle und Stahl beseitigt. ... Der Schumanplan verhindert ihre Wiederherstellung.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    . . . Wenn Sie den Schritt nach vorn, — Nach vorn, ich betone das —
    der getan ist, ermessen wollen, dann genüge es Ihnen, zu wissen, daß die Verbindung von Kohle und Stahl, die früher 56 % betrug, auf 18 % zurückgeführt worden ist. Das ist der Stand der Dinge, den zu stabilisieren der Schumanplan zum Ziele hat!

    (Hört! Hört! bei der SPD. — Abg. Dr. Mommer: Europäisch!)

    Nun, meine Damen und Herren, ich muß aus
    der Debatte der französischen Nationalversammlung noch eine Äußerung herausnehmen. In
    dieser Debatte sagte der Augenminister wortlich: Ich habe gesagt, daß zu Beginn der Dekonzentration es eine einseitige Entscheidung gab, das Gesetz Nr. 27 der drei Besatzungsmächte. Aber diese Dekonzentration ist in der Zwischenzeit Gegenstand eines Übereinkommens gewesen zwischen den drei Mächten und der Bundesregierung.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    ,Dieses Übereinkommen bleibt bestehen und endgültig, wie alle internationalen Übereinkommen, es muß von der Hohen Behörde respektiert und angewandt werden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, ich darf hier feststellen — und ich darf eine entsprechende Frage an die Regierung richten —: Wir hören in diesem Bericht in der französischen Nationalversammlung zum erstenmal von einem Übereinkommen über die Dekonzentration.

    (Abg. Etzel [Duisburg]: Gibt's ja gar nicht!) Wir möchten doch sehr nachdrücklich und sehr deutlich eine eingehende und exakte Orientierung hierüber wünschen.


    (Gut! bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Das ist genau so richtig wie manche Äußerung, die hier getan wird!)

    Hier können Sie mal sehen, wie Sie Herrn Schuman glauben dürfen.

    (Heiterkeit bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, ich stellte meine Ausführungen unter den Gesichtspunkt der Standortverschiebung, ausgehend von einem schiefen Standort, den man uns vorgeschrieben hat. Herr Professor Hallstein rühmte in einer Ansprache dem Schumanplan nach, unter seiner Geltung würden mit der Aufhebung aller Differenzierungen nur noch die natürlichen und die sich aus den Standorten ergebenden Verschiedenheiten der Produktion übrigbleiben. Er hat leider übersehen, daß die Standorte selbst in Frage gestellt worden sind. Die Ruhr hatte nach dem Kriege gegenüber Lothrin-


    (Dr. Schöne)

    gen noch Standortvorteile aufzuweisen, wie Verbundwirtschaft Zeche-Hütte und eine angefügte Weiterverarbeitung; beides ist durch das Besatzungsrecht zerschlagen und durch den Schuman-plan zementiert.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Die Ausführungen mögen das belegt haben; sie mögen zugleich Begründung gewesen sein für unseren Antrag auf Umdruck Nr. 407, insbesondere die Ziffern 1, 2 und 3.
    Ich möchte zum Schluß ein Zitat bringen, das ein Professor anläßlich einer Schumanplandebatte brachte. Professor Predöhl sagte:
    Nach dem Kriege haben wir immer das un-
    vernünftige Übergewicht der Macht; dann
    kriecht die Macht vor der Ökonomie zu Kreuze!
    Meine Damen und Herren, Sie haben zu entscheiden. Lassen Sie es nicht zu einem Bündnis kommen zwischen unvernünftiger Macht und unvernünftiger Ökonomie!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)