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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 182. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 9. Januar 1952 7579 -182. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 9. Januar 1952. Wünsche des Bundestagspräsidenten Dr. Ehlers für die gemeinsame Arbeit im Jahre 1952 und Würdigung der Arbeit des Bundestags durch den Herrn Bundespräsidenten 7580B Nachruf für den verstorbenen Abg. Stopperich 7580 D Mandatsniederlegung des Abg. Degener und Eintritt des Abg. Müller-Hermann in den Bundestag 7581A Mandatsniederlegung des Abg. Dr. von Campe und Eintritt des Abg. Jaffé in den Bundestag 7581A Wünsche des Präsidenten zum 76. Geburtstag des Bundeskanzlers Dr. Adenauer . 7581A Mitteilung über die Rettung der verschütteten Bergleute auf der Zeche „Bismarck" . 7581A Wiedergenesung des Abg. Mensing . . . . 7581B Wünsche für Wiedergenesung des Abg. Dr Schumacher '7581B Geschäftliche Mitteilungen 7581B Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes in der Fassung vom 30. Juni 1951 7581B Gesetz über die Investitionshilfe der gewerblichen Wirtschaft 7581B Gesetz zur Änderung des Wahlgesetzes zum ersten Deutschen Bundestag und zur ersten Bundesversammlung der Bundesrepublik Deutschland vom 15. Juni 1949 7581C Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes . . . 7581C Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe „Notopfer Berlin" 7581C Gesetz über das Handelsabkommen vom 20. Juli 1951 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Peru . . 7581C Gesetz gegen unbegründete Nichtausnutzung von Einfuhrgenehmigungen . 7581C Gesetz über die Börsenzulassung umgestellter Wertpapiere 7581C Gesetz zum Schutze der erwerbstätigen Mutter — Mutterschutzgesetz — . . . 7581C Gesetz über die einstweilige Außerkraftsetzung von Vorschriften des Gesetzes betr. die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften 7581C Gesetz zur Ordnung des Schornsteinfegerwesens 7581C Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Fernmeldevertrag Atlantic City 1947 7581C Gesetz über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes — Drittes Überleitungsgesetz — . . . . 7581C Gesetz zur Bewertung des Vermögens für die Kalenderjahre 1949 bis 1951 — Hauptveranlagung 1949 — 7581C Gesetz zur Änderung des Gewerbesteuer- rechts 7581D Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Leistungen aus vor der Währungsreform eingegangenen Renten- und Pensionsversicherungen . . . 7581D Gesetz über die Errichtung eines Bundes gesundheitsamts 7581D Gesetz über die Feststellung von Vertreibungsschädën und Kriegssachschäden . 7581D Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes 7581D Anfrage Nr. 171 der Abg. Strauß, Kemmer, Dr. Jaeger u. Gen. betr. Wohnungsbauprogramm für die Besatzungsmächte (Nrn. 2027, 2958 der Drucksachen) . . . . 7581D Anfrage Nr. 218 der Zentrumsfraktion betr. Regelung der ``schuldrechtlichen Verhältnisse des Unternehmens der Reichsautobahn (Nrn. 2689, 2778 der Drucksachen) 7581D Anfrage Nr. 235 der Fraktion der SPD betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten und Vorlage eines Heilpraktikergesetzes (Nrn. 2898, 2960 der Drucksachen) . . . 7581D Schreiben des Bundeskanzlers betr. Überwachung des Post- und Fernsprechverkehrs (Nr. 2954 der Drucksachen) . . . 7582A Bericht des Bundesministers für Vertriebene über die Notaufnahme von Deutschen in das Bundesgebiet (Nr. 2959 der Drucksachen) 7582A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes betr. den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nrn. 2401, 2484 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) (Nrn. 2950, zu 2950 der Drucksachen; Anträge Nrn. 2971, 2972, 2973, 2974, Umdruck Nr. 407), in Verbindung mit der Ersten, zweiten und dritten Beratung .des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Gesetzes betr. den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nr. 2951 der Drucksachen, Umdruck Nr. 409) 7582A zur Geschäftsordnung: Reimann (KPD) 7582B Dr. von Merkatz (DP) 7583A Mellies (SPD) 7583A Abstimmung 7583B zur Sache: Dr. Preusker (FDP): als Berichterstatter . . . 7583C, 7621A schriftlicher Bericht 7629 Dr. Adenauer, Bundeskanzler . . . 7595C Wirtschaftspolitische Fragen: Dr. Henle (CDU) 7600D Etzel (Duisburg) (CDU) 7604C Henßler (SPD) 7610B Dr. Schöne (FDP) 7616C Rische (KPD) 7621B Weiterberatung vertagt 7628D Nächste Sitzung 7628D Anlage: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nr. 2401 der Drucksachen) und den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Fortgang der Beratungen über den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Nr. 2484 der Drucksachen) 7629 Die Sitzung wird um 13 Uhr 33 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht der .182. Sitzung Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik (13. Ausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18. April 1951 (Nr. 2401 der Drucksachen) und den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Fortgang der Beratungen über den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Nr. 2484 der Drucksachen) Berichterstatter: Abgeordneter Dr. Preusker (FDP) Der Deutsche Bundestag steht am 9. und 10. Januar 1952 vor der schwerwiegendsten Entscheidung, vor die er in der kurzen Zeitspanne seiner bisherigen, mit aufreibender Arbeit reichlich angefüllten Funktion gestellt worden ist. Er soll sich darüber endgültig klar werden, ob er den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Schuman-Plan) ohne oder mit gewissen Vorbehalten oder Aufträgen an die Bundesregierung zu ratifizieren vermag oder nicht. Der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, der zur Abkürzung weiterhin mit seinem volkstümlichen Namen „Schuman-Plan" bezeichnet wird, wurde am 12. Juli 1951 nach der ersten Lesung im Bundestag zur eingehenden Prüfung seiner Bedeutung und Auswirkungen federführend an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik und daneben an den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten überwiesen. Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat sich mit der ihm übertragenen verantwortungsvollen Aufgabe in der Zeit vom 3. bis 7. September 1951 und dann wieder am 12. und 13. Dezember 1951 in vier ganz- und drei halbtägigen Sitzungen unter Hinzuziehung des Herrn Bundeskanzlers und Bundesministers des Auswärtigen, des Bundeswirtschaftsministers, der Staatssekretäre des Auswärtigen und für Wirtschaft, der zuständigen Referenten des Wirtschafts-, Arbeits-und Verkehrsministeriums sowie der Mitglieder der Schuman-Plan-Delegation und der von ihr herangezogenen Sachverständigen des Kohlenbergbaus, der Stahlindustrie und der Gewerkschaften eingehend befaßt. Das Ergebnis seiner Beratungen bildete mit die Grundlage der anschließend am 17. und 18. Dezember 1951 in einer ganz- .und einer halbtägigen Sitzung durchgeführten Beratungen im Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten. Angesichts der ungewöhnlichen Bedeutung der Entscheidung des Bundestages über den SchumanPlan für die zukünftige deutsche Entwicklung sei noch einmal kurz an seine Vorgeschichte erinnert Deutschland konnte das ihm einseitig durch das Londoner Abkommen auferlegte Ruhrstatut stets nur als eine schwerwiegende Diskriminierung kraft machtstaatlichen Siegerdenkens und demzufolge als den sichersten Weg zur Verhinderung einer europäischen Verständigung empfinden. Aus tiefer Sorge vor einer derartigen verhängnisvollen Entwicklung hatte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen in einer Rundfunkansprache am 1. Januar 1949 anstelle des Ruhrstatuts einen völkerrechtlichen Zweckverband gefordert, in den „Deutschland die Ruhr, Frankreich das Erzvorkommen Lothringens, beide die Saar, Belgien und Luxemburg ihre Schwerindustrie einbringen" sollten. Bis die Zeit für eine die Vergangenheit überwindende, in die Zukunft weisende europäische Initiative reif wurde, verging danach noch mehr als ein Jahr. Am 9. Mai 1950 verkündete der französische Außenminister Robert Schuman im Namen der französischen Regierung das nachstehend in seinen wichtigsten Punkten wiedergegebene Programm: „Der Weltfriede kann nur erhalten bleiben, wenn man den Gefahren, die ihn bedrohen, mit schöpferischen Leistungen begegnet. Friedliche Beziehungen sind ohne ein geordnetes lebensvolles Europa .... undenkbar .... Europa kann nicht auf einmal oder als ein umfassender Bau erstehen, .... Voraussetzung für den Zusammenschluß der europäischen Nationen ist aber die Beseitigung des jahrhundertealten Gegensatzes zwischen Frankreich und Deutschland .... Die französische Regierung schlägt daher vor, die gesamte französisch-deutsche Kohle- und Stahl- erzeugung in einer den anderen europäischen Landern offenstehenden Organisation einer gemeinsamen Hohen Behörde zu unterstellen. Das Zusammenlegen der Kohle- und Stahlerzeugung wird zwangsläufig zur ersten Etappe des Europäischen Staatenbundes, der sofortigen Schaffung gemeinsamer Grundlagen *für den Ausbau der Wirtschaft, und zu einem Wandel im Geschick dieser Länder führen .... Mit dem so erzielten Zuwachs an Mitteln kann dann Europa an die Verwirklichung einer seiner wesentlichen Aufgaben herangehen, nämlich die Erschließung des afrikanischen Kontinents ...." Am 3. Juni 1950 gaben die französische, deutsche, belgische, italienische, niederländische und luxemburgische Regierung in einem gemeinsamen Kommuniqué ihren Entschluß bekannt, auf der Grundlage des französischen Vorschlags vom 9. Mai 1950 Verhandlungen zu beginnen, um durch Zusammenlegung der Kohle- und Stahlproduktion „eine gemeinsame Aktion für Frieden und europäische Solidarität sowie für den wirtschaftlichen und sozialen Frieden durchzuführen". Leider war die britische Regierung nicht bereit, sich im voraus in gleicher Weise zu binden. Die angekündigten Verhandlungen begannen dann am 20. Juni 1950 in Paris und fanden nach sehr eingehenden gemeinsamen Beratungen, an denen Deutschland erstmals völlig gleichberechtigt teilnahm, nach einer Konferenz der Außenminister der beteiligten Staaten, die am 12. April 1951 in Paris begann, mit der am 18. April 1951 von den Außenministern der sechs beteiligten Staaten vollzogenen Unterzeichnung des nunmehr in zweiter und dritter Lesung zur Ratifizierung vorliegenden Vertragswerkes ihren Abschluß. Zu diesem Zeitpunkt besaß Deutschland politisch noch keineswegs die Verfügungsgewalt über die Gebiete seiner Wirtschaft, die in die Montan-Union eingebracht werden sollten. Es bestand insbesondere noch in vollem Umfang das Londoner Abkommen vom 28. April 1949 und die daraufhin errichtete Internationale Ruhrbehörde, es bestand die in dem Abkommen über die verbotenen und beschränkten Industrien vom 3. April 1951 niedergelegte Begrenzung der deutschen Stahlproduktion und Stahlkapazität, es bestanden die darauf bezogenen Eingriffsrechte des alliierten Sicherheitsamtes in Koblenz, es bestanden schließlich die Alliierten Kohle- und Stahlkontrollgruppen, deren Hauptfunktionen im Bereich der gerade erst anlaufenden Durchführung des alliierten Gesetzes Nr. 27 zur sogenannten Entflechtung und Neuordnung der deutschen Grundstoffindustrien lagen. Darüber hinaus stand zwischen Deutschland und Frankreich in der politischen Ebene das ungelöste Saarproblem. Die Bundesregierung konnte daher den Schuman-Plan nur unter der Voraussetzung unterzeichnen, daß die einseitigen siegerstaatlichen Maßnahmen auf dem Gebiet von Kohle und Eisen bis zum vollen Wirksamwerden des Vertrages beseitigt wurden und die Unterzeichnung des Vertrages keinerlei Präjudizierung des Saarproblems bedeutete. Eine verbindliche Erklärung aller in Betracht kommenden Alliierten war zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Schuman-Planes leider noch nicht zu erlangen. So richtete der französische Außenminister an den Bundeskanzler und Bundesminister des Auswärtigen mit dem Datum vom 18. April 1951 ein Schreiben, in dem es u. a. hieß: „Die Deutschland auf dem Gebiet der Kohle und des Stahls auferlegten besonderen Verpflichtungen sind nach Auffassung der französischen Regierung nicht mehr mit den gemeinsamen Normen vereinbar, denen alle Unterzeichnerstaaten des Vertrages in gleicher Weise unterworfen sind. Die französische Regierung ist demgemäß und vorbehaltlich der Zustimmung der beteiligten Regierungen der Auffassung, daß die folgenden Maßnahmen getroffen werden müßten: 1..... Die Ruhrbehörde und das Londoner Abkommen vom 28. April 1949 .... müßten sodann .... spätestens mit der Errichtung des gemeinsamen Marktes für Kohle außer Kraft treten. 2. Soweit es sich um die Stahlproduktion und die Produktionskapazität für Stahl handelt, dürfte Deutschland nur noch den auf alle Unterzeichnerstaaten gemeinsam anwendbaren Normen unterworfen sein .... 3. Die Hohe Kommission müßte darauf verzichten, für sich selbst und für die ihr angegliederten Stellen einschließlich der Kontrollgruppen diejenigen ihrer Funktionen auf dem Gebiet von Kohle und Stahl auszuüben, für welche die Hohe Behörde die Zuständigkeit erhalten hat .... .... Die französische Regierung beabsichtigt, alsbald nach Unterzeichnung des Vertrages sowohl bei den Unterzeichnermächten des Londoner Abkommens als auch bei den übrigen Besatzungsmächten die Schritte zu unternehmen, die zur Erwirkung ihrer Zustimmung zu den vorstehenden Maßnahmen erforderlich sind." Zur Klarstellung der deutschen und französischen Auffassungen in der Saarfrage wurde dem Vertragswerk selbst ein Briefwechsel zwischen den beiden Regierungen beigefügt, in dem der Bundeskanzler um die Bestätigung der deutschen Erklärungen bat, „daß die endgültige Regelung des Status der Saar nur durch den Friedensvertrag oder einen gleichartigen Vertrag erfolgt und daß die französische Regierung in der Unterzeichnung des Vertrages über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl durch die Bundesregierung keine Anerkennung des gegenwärtigen Status an der Saar durch die Bundesregierung erblickt." In dem französischen Antwortschreiben vom 18. April 1951 wurde dem deutschen Wunsche entsprechend versichert, „daß sie (die französische Regierung) aber in der Unterzeichnung des Vertrages durch die Bundesregierung keine Anerkennung des gegenwärtigen Status der Saar durch die Bundesregierung erblickt. Sie ist nicht der Auffassung, daß der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl dem endgültigen Status der Saar vorgreift, der durch einen Friedensvertrag oder durch einen an Stelle eines Friedensvertrages abgeschlossenen Vertrag zu regeln ist." Im politischen Bereich lagen also dem Wirtschaftspolitischen Ausschuß im Augenblick der Aufnahme seiner Beratungen des Vertragswerkes nur Versprechungen, Zusicherungen vor, deren Erfüllung nicht allein in der Macht der diese Zusicherungen abgebenden französischen Regierung liegen konnte. Dementsprechend wurde der An- trag gestellt, die Beratungen über den Schuman-Plan bis zur Klärung dieser entscheidenden politischen Fragen auszusetzen. Dieser Antrag wurde mit 12 : 13 Stimmen in dem Sinne abgelehnt, daß zunächst einmal das Vertragswerk so auf seinen materiellen Inhalt, seine Funktionsmöglichkeiten und seine zu erwartenden Auswirkungen geprüft werden sollte, als ob alle einseitigen politischen Maßnahmen kraft siegerstaatlicher Verfügung bereits aufgehoben seien. Dabei ließ die große Mehrheit des Ausschusses keinen Zweifel darüber, daß für ihre endgültige Stellungnahme die Erfüllung der in der Drucksache Nr. 2401 niedergelegten Forderungen des Bundesrates — namentlich der unter Punkt 1 aufgeführten —, die sich auch in gleicher Weise in dem Antrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 2484 wiederfinden, von ausschlaggebender Bedeutung sein werde. Für die beschlossene Prüfung des Vertragswerkes auf seinen materiellen Inhalt, seine Funktionsmöglichkeiten und seine zu erwartenden Auswirkungen unter vorläufiger Ausklammerung aller Kornplexe andauernder alliierter Einwirkung mußten notwendigerweise die gegenwärtig bestehenden volkswirtschaftlichen Realitäten auf dem Gebiet von Kohle und Eisen den Hintergrund abgeben. Es war also zunächst die Frage zu beantworten, was die einzelnen Mitgliedstaaten des geplanten Vertragswerks in die Montan-Union einbringen würden, welche besonderen Vor- oder Nachteile in ihrer augenblicklichen Situation gesehen werden mußten und wie ihre rein materielle Interessenlage in bezug auf den Schuman-Plan zu beurteilen sei. Im Gebiet der sechs Schuman-Plan-Länder wohnen z. Z. über 155 Millionen Menschen, der deutsche Anteil an der Bevölkerungszahl beträgt somit rund 31 %. In diesem Gesamtgebiet betrug im Jahre 1950 die Steinkohlenförderung 217,2 Millionen t — zum Vergleich Großbritannien allein 214 Millionen t, USA 497 Millionen t —; hiervon entfielen auf Deutschland 110,8 Millionen t oder 51,0%, auf die Saar 7 %, auf Frankreich 23,4%, auf Belgien 12,5 %, auf die Niederlande 5,6% und schließlich auf Italien 0,5%0. Deutschland — allerdings zu einem Teil gezwungenermaßen —, die Saar und Belgien sind Kohle- und Koksexportgebiete, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande und Italien sind Kohleeinfuhrländer. Das Gesamtgebiet der Montan-Union wies im Jahre 1950 bei der Kohle noch ein Ausfuhrplus in andere Länder von 0,5 Millionen t, beim Koks von 5,8 Millionen t auf. Im Jahre 1951 haben sich die Förderanteile der einzelnen Länder, soweit man dies auf Grund der Ergebnisse der ersten neun Monate beurteilen kann, nur unwesentlich verschoben, die Bundesrepublik hat dabei ihr Gewicht leicht erhöhen können. Deutschland ist das einzige der sechs Länder, das seine Vorkriegsleistungen in der Kohleförderung noch nicht wieder erreicht hat (1936 : 117,1 Millionen t oder 54,3 % der Gesamtförderung im Vertragsbereich). Dies ist vor allem eine Auswirkung der noch immer sehr wenig befriedigenden Schichtleistung, die im Jahre 1950 noch um 32 % unter der von 1939 lag, während der 'Abstand gegenüber 1939 in Frankreich nur mehr 11 % beträgt. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß in der Bundesrepublik als Folge zweier Weltkriege in den letzten 40 Jahren Raubbau an Kohle getrieben worden ist: es sind rund 100 Normalfelder zu je 2,5 Millionen abgebaut, aber nur 11 neu abgeteuft worden; die kriegsbedingte Überalterung der Bergleute und die Kriegszerstörungen von Bergarbeiterwohnungen haben ebenso wie das besatzungsrechtlich bedingte Fehlen von Rechtsträgern in der Unternehmersphäre und dementsprechend klaren Verantwortlichkeiten ein Übriges zu dieser enttäuschenden Entwicklung beigetragen. Zudem erhielt Frankreich bis Ende Juli 1951 zum Ausbau seiner Kohlenförderung allein 1,1 Milliarden DM an Marshall-Plan-Hilfe, Deutschland dagegen nur 0,33 Milliarden DM. Trotz dieses Handikaps ist die Kostenlage des deutschen Kohlenbergbaus auch gegenwärtig mit der alleinigen Ausnahme der Niederlande günstiger als die der anderen größeren Reviere; am ungünstigsten ist sie in Belgien, wo die Schichtleistung nur rund zwei Drittel der deutschen beträgt, sowie in Italien, dessen sardinischer Kohlenbergbau allerdings im Gesamtrahmen keine Bedeutung besitzt. Seit Ende 1950 besteht in sämtlichen Staaten des Schuman-Plans Kohlenknappheit. Sie ist auf Grund der Eingriffe der Ruhrbehörde in der Bundesrepublik am stärksten in Erscheinung getreten. Auf der anderen Seite ist aber auch- bei zielbewußten Finanzierungs-, Investitions- und Wohnbaumaßnahmen in keinem anderen Lande ein ähnlich großer Spielraum für eine nicht allzu langfristige Steigerung der Schichtleistung und der Kohlenförderung im ganzen gegeben wie in Deutschland, auf dessen Kohle sich ohne Zweifel das besondere Interesse der Montan-Union konzentriert. Auf dem Gebiet der Eisenerzförderung ist im Rahmen der Montan-Union allein Frankreich 'mit seinem lothringischen Minette-Vorkommen Überschußgebiet. Seine Förderung erreichte 1950 mit rund 30 Millionen t Eisenerz einen Anteil von 66,3 % aller sechs Länder. Hiervon wurden rund 7,4 Millionen t oder etwa 25 % ausgeführt, jedoch bis auf geringe Mengen nicht nach Deutschland. Die Bundesrepublik besitzt zwar mit einer Förderung von 10,9 Millionen t Eisenerz im Jahre 1950 innerhalb der Montan-Union einen Anteil von weiteren 24,1 %, ist jedoch in sehr starkem Umfang (1950: 4,8 Millionen t) auf die zusätzliche Einfuhr hochwertiger Schwedenerze für ihre vorwiegende Erzeugung hochwertiger Siemens-Martin-Stähle angewiesen. Die Einfuhr dieser Erze wird in erster Linie durch Kohlen- und Koksexport nach Schweden ermöglicht, dessen Aufrechterhaltung für die deutsche Eisen- und Stahlproduktion und damit für die gesamte _Volkswirtschaft eine Lebensfrage darstellt. Da Belgien, die Niederlande und Italien gleichfalls Eisenerzimportländer sind, weist die Montan-Union im ganzen ein erhebliches Erzdefizit auf. Deutschland steht beim Eisenerz also mit seinen vitalen Einfuhrinteressen aus dritten Ländern nicht allein. Die deutsche Eisenerzförderung ist zwar vor allem bei den minderen Qualitäten noch durchaus steigerungsfähig, jedoch wird das deutsche Erz mit Ausnahme der Ilseder Hütte, Max- und Luitpoldhütte nicht mit dem Schwedenerz konkurrieren können, dessen Förderkosten sich zu denen der übrigen deutschen Erzgebiete wie 1 :5 verhalten. Dagegen braucht der deutsche Erzbergbau im allgemeinen den Wettbewerb der lothringischen Minette nicht zu fürchten. An Rohstahl hat die Montan-Union im Jahre 1950 31,7 Millionen t — zum Vergleich wiederum Großbritannien allein 16,6 Millionen t, die USA nicht weniger als 87,7 Millionen t — erzeugt. Im Jahre 1951 wird die Rohstahlproduktion der Montan-Union eine stärkere Zunahme auf rund 36 bis 37 Millionen t aufweisen. Dabei wird der allerdings noch immer führende deutsche Anteil von 38,2 % im Jahre 1950 auf rund 36 % im Jahre 1951 zurückgehen. Das gleiche wird bei Frankreich der Fall sein, das 1950 mit 27,3 %, 1951 wahrscheinlich nur mit knapp 26 % an der Stahlerzeugung der Schuman-Plan-Länder beteiligt sein dürfte. In absoluten Zahlen wird sich die wahrscheinliche Rohstahlproduktion der Bundesrepublik im Jahre 1951 auf rund 13,5 Millionen t, die Frankreichs auf rund 9,6 Millionen t belaufen. Dazu kommt noch die Erzeugung der Saar, die 1951 rund 2,5 Millionen t betragen dürfte. Alle drei Gebiete zusammen vereinigen dementsprechend z. Z. rund 70 % der Stahlproduktion der Montan-Union auf sich, ihr relativer Anteilsrückgang ist in erster Linie auf die stärkere Zunahme der Erzeugung in den „kleineren" Ländern Belgien, Luxemburg, Italien und den Niederlanden zurückzuführen. Mit Ausnahme der Niederlande und Italiens sind alle übrigen Unterzeichnerstaaten Walzstahlexporteure in dritte Länder; das stärkste Ausfuhrinteresse ist bei Luxemburg und Belgien, aber auch bei Frankreich mit einer Exportquote von rund 33 % gegeben. Es muß aber darauf hingewiesen werden, daß sich der deutsche Anteil an der Stahlproduktion gegenüber 1936 vor allem infolge der Demontagen und Produktions- sowie Kapazitätsbeschrankungen erheblich, und zwar von rund 48 % auf rund 36 % vermindert hat. Etwa die Hälfte dieser bisherigen deutschen Gewichtsverminderung innerhalb der Montan-Union ist Frankreich zugewachsen, das bis Ende Juli 1951 zum Ausbau seiner Stahlkapazität neben den erheblichen eigenen Mitteln des MonnetPlanes noch rund 600 Millionen DM aus MarshallPlan-Mitteln einsetzen konnte, während beispielsweise Deutschland nur 140,8 Millionen DM aus Marshall-Plan-Mitteln für die Stahlindustrie erhielt und weitere Mittel vor allem wegen der besatzungsrechtlich bedingten Hinderungsgründe nur schwer zu investieren vermochte. Während also Frankreich in die Montan-Union mit einem modernen Stahlproduktionsapparat, darunter 2 Breitbandstraßen — je eine weitere besitzen Belgien, Luxemburg sowie Italien (letztere halbkontinuierlich) —, hineingeht, ist Deutschland bisher die Modernisierung seiner durchschnittlich 38 Jahre alten technischen Ausrüstung, insbesondere die Errichtung einer Breitbandstraße und die Beseitigung der Demontageschäden versagt geblieben. Dabei ist noch zu beachten, daß die weiteren französischen Investitionspläne sich weniger auf eine Fortführung des Kapazitätsausbaus als vielmehr auf eine Verbesserung der qualitativen Leistungsfähigkeit der Walzwerkserzeugung richten. Es kann also kein Zweifel daran bestehen, daß Deutschland auf dem Stahlgebiet mit einem erheblichen, nicht auf wirtschaftliche Entwicklungen zurückzuführenden Handikap in die Montan-Union hineingehen müßte. Demgegenüber ist andererseits festzustellen, daß Deutschland bisher trotz dieser Schwierigkeiten, die noch um die zusätzliche Verteuerung seiner Produktion durch die Einfuhr amerikanischer Kohle vermehrt worden sind, im Stahlsektor durchaus wettbewerbsfähig geblieben ist. Minetteerz bedeutet einen erheblichen Mehrverbrauch an Kohle, dadurch ergeben sich für Frankreich gegenüber Deutschland höhere Kosten der Stahlproduktion. Trotz der ab 1. November 1951 in Deutschland wirksam gewordenen nochmaligen Stahlverteuerung stellen sich die Preise für die Tonne Formstahl in Frankreich auf 353,75 DM, in Belgien auf 352,80 DM, in Deutschland auf 325,50 DM, für die Tonne Grobbleche in Frankreich auf 430,30 DM, in Belgien auf 396,90 DM, in Deutschland auf 348,60 DM sowie für die Tonne Walzdraht in Frankreich auf 366,60 DM, in Belgien auf 365,40 DM und in Deutschland auf 341,10 DM. Auf besonderen Wunsch Italiens und der Niederlande ist schließlich auch der Schrott in den Schuman-Plan einbezogen worden. Hier betrug im Jahre 1950 das Aufkommen innerhalb der Unterzeichnerstaaten rund 20 Millionen t, davon entfielen auf Deutschland allein rund 11 Millionen t, auf Frankreich rund 5,3 Millionen t. Deutschland (mit 2,6 Millionen t) und Frankreich (mit 0,5 Millionen t) waren dabei Schrottexporteure, die anderen vier Unterzeichnerstaaten im Gesamtumfang von 0,8 Millionen t Schrottimporteure. Selbst wenn man in Rechnung stellt, daß Deutschland freiwillig nur noch relativ kleine Mengen Schrott ausführen könnte, dürften auf diesem Gebiet keine unüberbrLickbaren Interessenkonflikte innerhalb der Montan-Union gegeben sein. Abschließend läßt sich also als Ergebnis der eingehenden Prüfung der rein volkswirtschaftlichen Ausgangspositionen feststellen, daß der Schlüssel zur Wertung der einzelnen Faktoren unter deutschen und europäischen Aspekten bei der Frage liegt, ob und wie schnell es Deutschland gelingt und gestattet ist, seine Kohlenförderung und Koksproduktion stärker zu erhöhen sowie darüber hinaus genügend Mittel für den Investitionsnachholbedarf in seiner Eisen- und Stahlindustrie aufzubringen. Im gleichen Maße muß sich seine kostenmäßig z. Z. trotz allem nicht ungünstige Wettbewerbslage festigen und sein für die Erhaltung des sozialen Friedens entscheidendes inneres - Produktionsvolumen in der weiterverarbeitenden Wirtschaft auch trotz der Mitversorgung der Märkte der Schuman-Plan-Staaten ausweiten lassen. Inwieweit das vorliegende Vertragswerk diese lebenswichtigen deutschen und zugleich im besten Sinne europäischen Zielsetzungen zu begünstigen oder zu behindern geeignet und überhaupt funktionsfähig erscheint, sollte die anschließende Untersuchung seiner Einzelbestimmungen beantworten. Dabei waren der 100 Artikel umfassende Vertrag selbst mit seinen drei Anlagen, das Abkommen über die Übergangsbestimmungen sowie die Protokolle über die Privilegien und Immunitäten der Gemeinschaft, über die Satzung des Gerichtshofes sowie über die Beziehungen zum Europarat zu prüfen. Der Schuman-Plan stellt bereits in seiner Präambel „die Ausweitung der Grundproduktionen zur Hebung des Lebensstandards und zum Fortschritt der Werke des Friedens" als wesentlichste Aufgabe zur Erreichung seiner europäischen Ziele heraus. Die gleiche Aufgabenstellung wird noch einmal im Artikel 2 des Vertrages mit den Worten ausgesprochen: „Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl ist dazu berufen, im Einklang mit der Gesamtwirtschaft der Mitgliedstaaten ... zur Ausweitung der Wirtschaft, zur Steige- rung der Beschäftigung und zur Hebung der Lebenshaltung in den Mitgliedstaaten beizutragen. . . . Sie hat hierbei dafür zu sorgen, daß keine Unterbrechung in der Beschäftigung eintritt, und zu vermeiden, daß im Wirtschaftsleben der Mitgliedstaaten tiefgreifende und anhaltende Störungen hervorgerufen werden." Der Vertrag will diese Ausweitung der Wirtschaft und Beschäftigung sowie Hebung des Lebensstandards in den Unterzeichnerstaaten erreichen a) durch die Schaffung eines gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl allein auf der Grundlage des höchsten wirtschaftlichen Effekts, b) durch die Ausschaltung aller wettbewerbsverfälschenden Faktoren auf diesem gemeinsamen Markt wie Zölle, Kartelle, übermäßige Machtkonzentrationen, Subventionen, Sonderlasten für Kohle und Stahl oder sonstige staatliche, politische oder privatwirtschaftliche Diskriminierungen, c) durch die Verankerung des Prinzips der staatlichen oder überstaatlichen Nicht intervention der gemeinsamen Organe des gemeinsamen Marktes in Zeiten relativen wirtschaftlichen Gleichgewichts oder der gering stmögichen Intervention dieser Organe in Krisenoder Mangellagen, d) durch den gemeinsamen Einsatz der Finanzierungsmöglichkeiten der Unterzeichnerstaaten und Mobilisierung zusätzlicher Mittel aus dritten Ländern mit der Garantieleistung aller Schuman-Plan-Länder zugunsten der Produktionsausweitung bei Kohle und Stahl und zur wirtschaftlichen und sozialen Erleichterung notwendiger Anpassungsvorgänge in einzelnen Mitgliedstaaten. Seine Absichten können also kurz als die Gewährleistung eines geordneten fairen Wettbewerbs, mithin als das Gegenteil eines überstaatlichen Dirigismus zentralverwaltungswirtschaftlicher Prägung, aber auch eines privatwirtschaftlichen Superkartells bezeichnet werden. Es blieb zu prüfen, ob sich nicht diese Absichten in der Realität der Funktion des Schuman-Plans leicht in das eine oder andere Gegenteil verkehren könnten. Dazu waren zunächst die zur Gewährleistung der Vertragsziele zu schaffenden gemeinsamen Organe, deren Rechte und Pflichten sowie die gegebenen Möglichkeiten zur Beseitigung sich später herausstellender Konstruktionsfehler genauer -zu betrachten. Da der Schuman-Plan bewußt die Ebene herkömmlicher zwischenstaatlicher Abkommen verlassen hat und ohne Vorhandensein eines gesamtpolitischen bundesstaatlichen Überbaues überstaatliche Einrichtungen schafft, auf die nur Teile der einzelstaatlichen Souveränität der Unterzeichnerstaaten übergehen sollen, hat er die sich daraus ergebende Problematik auf die Weise zu lösen versucht, daß er soweit als irgend möglich alle denkbaren Fälle einer gesetzgeberischen, d. h. rechtschöpfenden Funktion der Vertragsorgane im Vertrag selbst vorwegnahm. So sind die Exekutivrechte der wichtigsten überstaatlichen Einrichtung des Schuman-Plans, der `„Hohen Behörde", und damit die möglichen Auswirkungen der einzelstaatlichen Souveränitätsverzichte von vornherein genau abgegrenzt und übersehbar; es ist eine andere Frage, inwieweit die Wirklichkeit des wirtschaftlichen Lebens und der wirtschaftlichen Entwicklung der Völker während der vorgesehenen Dauer des Vertrages in den vorgezeichneten Bahnen verlaufen wird. Dieser relativ starren Vertragskonstruktion entsprechend sind die legislativen Möglichkeiten der Organe der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl sehr schwach ausgebildet. Der „Rat" wird im wesentlichen auf eine Mitwirkung bei der Exekutive, die „Versammlung" auf die Kontrolle der Exekutive beschränkt. Nur im Revisionsfalle wachsen beiden Institutionen eng begrenzte echte gesetzgeberische Vollmachten zu. Der Ausschuß hat in seiner Gesamtheit diese der natürlichen Entwicklung und einer lebensvollen europäischen Integration zweifellos nicht angepaßte außerordentliche Beschränkung der Legislative des Schuman-Plans als einen erheblichen Mangel empfunden und mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung diese Auffassung in vollem Umfange teilt und bei den Vertragsverhandlungen alles versucht hat, um die Befugnisse der überstaatlichen Organe zur Gesetzgebung auszuweiten. Im Gegensatz zur schwachen Ausbildung der Legislative ist die richterliche Gewalt des SchumanPlans, der „Gerichtshof", mit so weitgehenden Befugnissen ausgestattet worden, daß in ihm tatsächlich eine echte überstaatliche Institution erblickt werden darf. Das Exekutivorgan • des Schuman-Plans, die „Hohe Behörde", besteht aus 9 für sechs Jahre ernannten Mitgliedern, von denen nicht mehr als 2 gleicher Staatsangehörigkeit sein dürfen. Sie sollen ihre Tätigkeit in voller Unabhängigkeit ausüben und_ dürfen weder Regierungsanweisungen entgegennehmen oder einholen noch bis drei Jahre nach Beendigung ihrer Tätigkeit an Kohle oder Stahl geschäftlich gebunden sein. 8 Mitglieder der „Hohen Behörde", darunter der Präsident und der Vizepräsident, werden für die erste Amtsperiode von den Regierungen der Mitgliedstaaten in gemeinsamem Einvernehmen ernannt, diese 8 Mitglieder wählen selbst das neunte Mitglied. Später ist vorgesehen, daß alle zwei Jahre ein Drittel der Mitglieder der „Hohen Behörde" neu bestellt wird, wobei abwechselnd das Ernennungsrecht der Regierungen und das Wahlrecht der übrigen Mitglieder der „Hohen Behörde" zum Zuge kommen soll. Ein Vetorecht der einzelnen Regierungen kann bei. wiederholter Anwendung durch den Gerichtshof für unwirksam erklärt werden, wenn der Gerichtshof es als Mißbrauch ansieht. Der Ausschuß hat die verhältnismäßig hohe Zahl der Mitglieder der „Hohen Behörde", die auf besonderen Wunsch der kleineren Unterzeichnerstaaten von ursprünglich 5 auf 9 heraufgesetzt worden war, als eine bedauerliche Verwässerung des überstaatlichen Charakters dieser Institution angesehen. Ein Teil der Ausschußmitglieder legte besonderen Wert darauf, ;aß bei der späteren Ernennung der ersten Mitglieder der „Hohen Behörde" auch an eine angemessene gewerkschaftliche Repräsentation gedacht werde. Die Bundesregierung konnte hierzu erklären, daß schon während der Vertragsverhandlungen eine Übereinstimmung in diesem Sinne erreicht wurde, und daß sogar bereits ein führender Gewerkschaftsvertreter der Unterzeichnerstaaten für die „Hohe Behörde" namentlich in Aussicht genommen worden ist. Die Beschlüsse der „Hohe Behörde" sind mit absoluter Mehrheit zu fassen, wobei sie im einzelnen „Entscheidungen", d. h. in allen ihren Teilen verbindliche Rechtsakte, „Empfehlungen", d. h. hinsichtlich ihrer Ziele verbindliche Anordnungen, die jedoch die Wahl der zur Erreichung dieser Ziele geeigneten Mittel voll in das Ermessen der Regierungen oder Unternehmen stellt, an die die „Empfehlungen" gerichtet sind, erlassen oder „Stellungnahmen", d. h. nicht verbindliche Meinungsäußerungen abgeben kann. Unter welchen Voraussetzungen die „Hohe Behörde" im Einzelfalle „Entscheidungen", „Empfehlungen" oder " „Stellungnahmen" beschließen darf, ist entsprechend der Vorwegnahme aller legislatorischen Akte der überstaatlichen Montan-Union durch den Vertrag selbst genau festgelegt und wird im weiteren Verlauf des Berichts noch im einzelnen dargelegt. Wesentlich ist — und das unterscheidet die „Hohe Behörde" nach, der Auffassung der Mehrheit, des Ausschusses in stärkstem Maße von einem Kartell --, daß die „Hohe Behörde" zum Zwecke der Nachprüfung ihrer Objektivität durch die Öffentlichkeit bzw. durch den „Gerichtshof" ihre Beschlüsse genau zu begründen hat. Sie hat ferner in den im Vertrag festgelegten Fällen — und das sind alle von wesentlicher Bedeutung — den bei ihr zu bildenden „Beratenden Ausschuß", eine Art überstaatlicher Wirtschaftsrat aus 30 bis 51 Mitgliedern, vor ihren Beschlüssen anzuhören. Die Mitglieder dieses „Beratenden Ausschusses" werden vom „Rat" paritätisch, d. h. zu je einem Drittel aus Vorschlagslisten der Unternehmerverbände, der Kohle- und Stahlverbraucher- und Händlerorganisationen sowie der Gewerkschaften ernannt. Die „Hohe Behörde" hat schließlich jährlich einen Gesamtbericht über die Tätigkeit und Verwaltungsausgaben der Montan-Union zu veröffentlichen. Die im wesentlichen auf die parlamentarische Kontrollfunktion beschränkte „Versammlung" besteht aus 78 Mitgliedern der beteiligten sechs Staaten, die entweder aus der Mitte ihrer gesetzgebenden Organe zu ernennen oder in allgemeiner direkter Wahl zu wählen sind. Auf Deutschland, Frankreich und Italien entfallen dabei je 18 Abgeordnete, auf Belgien und die Niederlande je 10, auf Luxemburg 4. Da sich die Bundesrepublik dem von der sogenannten „Saarregierung" vorgebrachten Wunsch einer Mitunterzeichnung des Vertrages und direkten Repräsentation in der „Versammlung" aus grundsätzlichen Erwägungen erfolgreich widersetzen konnte, bedurfte wegen der noch nicht möglichen befriedigenden politischen Lösung des Saarproblems die Frage der Vertretung der Saarbevölkerung einer besonderen Konstruktion. Diese geht von der Tatsache aus, daß gegenwärtig noch kraft siegerstaatlichen Rechts Frankreich die Wahrnehmung der Interessen der Saar für sich beansprucht. Dementsprechend gelten die Vertreter der Saarbevölkerung als in die Delegiertenzahl Frankreichs eingerechnet; ob Frankreich tatsächlich Vertreter der Saarbevölkerung ernennen wird, bleibt ihm überlassen. Die Beratende Versammlung des Europarates in Straßburg hatte während der Vertragsverhandlungen den Wunsch zum Ausdruck gebracht, daß die Mitglieder der „Versammlung" der MontanUnion mit den Mitgliedern der „Beratenden Versammlung" des Europarates zur Unterstreichung des Willens zur europäischen Integration identisch sein mögen. Auf Grund dieses Wunsches ist das „Protokoll -über die Beziehungen zum Europarat" zustande gekommen, das die Empfehlung ausspricht, daß die Mitglieder der „Versammlung" der Montan-Union vorzugsweise unter den Vertretern in der „Beratenden Versammlung" des Europarates ausgewählt werden möchten, daß ferner eine laufende Unterrichtung der „Beratenden Versammlung" des Europarates insbesondere durch die Mitteilung des Gesamtberichts der „Hohen Behörde" stattfinden und jede Art beiderseitiger Zusammenarbeit durch weitere Abkommen vorgesehen werden soll. Hierüber hat es im Ausschuß einen längeren Meinungsaustausch gegeben, in dem darauf hingewiesen wurde, daß eipmal bedauerlicherweise die Mitglieder der „Beratenden Versammlung" des Europarates und der „Versammlung" der MontanUnion schon deswegen nicht die gleichen sein würden, weil beispielsweise Großbritannien außerhalb der Montan-Union bleibe. Zum zweiten wurde geltend gemacht, daß die Mitglieder der „Versammlung" der Montan-Union eine außerordentliche und sehr spezielle wirtschaftspolitische Verantwortung gegenüber ihren Völkern übernehmen müßten, so daß zumindest eine Änderung in der Zusammensetzung der Europaratsdelegationen empfehlenswert sei. Hierüber wird zu gegebener Zeit das Plenum des Bundestages zu entscheiden haben. Das wichtigste Recht der „Versammlung" der Montan-Union besteht in der Möglichkeit, im Zusammenhang mit der öffentlichen Erörterung des jährlichen Gesamtberichts der „Hohen Behörde" dieses Exekutivorgan des Schuman-Plans auf Grund eines mit Zweidrittelmehrheit der abgegebenen, mindestens aber der Majorität aller vorhandenen Stimmen angenommenen Mißtrauensvotums zu stürzen. Zur Erörterung des Gesamtberichts der „Hohen Behörde" tritt die Versammlung alljährlich ohne besondere Einberufung am zweiten Dienstag im Mai zusammen. Ihre ordentliche Sitzungsperiode muß spätestens am 30. Juni, dem Ende des Rechnungsjahres, abgeschlossen sein. Auf Antrag des „Rates", der „Hohen Behörde" oder der Mehrheit ihrer eigenen Mitglieder kann die „Versammlung" allerdings auch zu außerordentlichen Sitzungen einberufen werden. In diesem Zusammenhang muß das den Mitgliedern der „Versammlung" eingeräumte Interpellationsrecht, das nach den Auskünften der Bundesregierung uneingeschränkt besteht, gegenüber der „Hohen Behörde" als nicht unwesentlich angesehen werden. Nur in einem einzigen Fall sieht der Vertrag für die „Versammlung" eine echte gesetzgeberische Funktion vor. Wenn nach Ablauf der Übergangszeit unter den Voraussetzungen des Artikels 95 Absatz 2 des Schuman-Plans eine Anpassung der Vorschriften über die der „Hohen Behörde" übertragenen Befugnisse auf Vorschlag der „Hohen Behörde" im gegenseitigen Einvernehmen mit einer Fünf-Sechstel-Mehrheit des „Rates" vorgenommen werden soll und der „Gerichtshof" die Zulässigkeit dieser Änderungsvorschläge gemäß Artikel 95 Ab- satz 2 festgestellt hat, dann können diese Änderungen nur in Kraft treten, wenn sie mit einer Mehrheit von drei Vierteln der abgegebenen Stirnmen, mindestens zwei Dritteln aller Stimmen der „Versammlung" gebilligt werden. Der „Rat", das bundesratsähnliche Organ zur Mitwirkung bei den Entscheidungen der „Hohen Behörde" in den im Vertrag vorgesehenen wichtigen Fällen, setzt sich aus je einem Regierungsmitglied der Unterzeichnerstaaten zusammen. Der Vorsitz wechselt in alphabetischer Reihenfolge der beteiligten Länder alle drei Monate. Ist in dem Vertrag eine Zustimmung des „Rates" zu Beschlüssén der „Hohen Behörde" vorgeschrieben und wird keine Einstimmigkeit gefordert, so gilt die absolute Mehrheit der Mitglieder dann als ausreichend, wenn in ihr die Stimme eines Mitgliedstaates enthalten ist, der 20 % der Kohle- und Stahlproduktion der' Montan-Union repräsentiert, d. h. also entweder Deutschlands oder Frankreichs. Bei Stimmengleichheit gilt die Zustimmung nur dann als erteilt, wenn sich dafür sowohl Deutschland als auch Frankreich ausgesprochen haben. Angesichts der unterschiedlichen Interessenlage innerhalb der Unterzeichnerstaaten mußte diese Regelung zu eingehenden Erörterungen im Ausschuß führen. Es wurde anerkannt, daß Deutschland und Frankreich gemeinsam im „Rat" in keinem Fall überstimmt werden könnten, daß aber Deutschland allein eine Majorisierung im „Rat" nicht zu verhindern imstande sei. Diese Gefahr zwingt zur Feststellung der Fälle und ihrer wirtschaftlichen oder politischen Bedeutung, in denen bereits eine einfache oder qualifizierte Mehrheit des „Rates" einen Beschluß der „Hohen Behörde" zu sanktionieren vermag. Et sind dies a) die Erhebung von über 1 % des Umsatzes hinausgehenden Umlagen gemäß Artikel 50, b) die Bewilligung von Mitteln für Forschungszwecke gemäß Artikel 55, c) die Bewilligung von Mitteln zur Finanzierung anderer als Kohle- und Stahlunternehmen im Falle einer strukturellen Bedarfsverlagerung gemäß Artikel 56, d) die Zustimmung zur Einführung eines Quotensystems im Fall der Krise gemäß Artikel 58 oder in der Übergangszeit im Fall der Anpassung auf dem Stahlgebiet gemäß § 29 des Übergangsabkommens, e) die Zustimmung zur Einführung des gemäß Artikel 59 Absatz 3 in der Mangellage vorgesehenen Zuteilungssystems, f) die Zustimmung zu Ausfuhrbeschränkungen in der Mangellage gemäß Artikel 59 Absatz 5, g) die Genehmigung zum Erlaß einer Verordnung zur generellen Befreiung von Vorschriften im Sinne des Artikels 66 Absatz 2 (Unternehmenzusammenschlüsse), h) die Zustimmung zu Maßnahmen gegen ein Dumping dritter Länder gemäß Artikel 74 Absatz 2, i) die Zustimmung zu einer Revision des Vertrages gemäß Artikel 96. Darunter befinden sich ohne Zweifel Fälle, in denen die Folgen einer unbilligen Entscheidung tiefgreifende und anhaltende Störungen in der deutschen Wirtschaft hervorrufen können. Gerade hier aber greifen die umfassenden Vollmachten des „Gerichtshofs" ein. Er besteht aus sieben, auf die Dauer von sechs Jahren im gemeinsamen Einvernehmen der Unterzeichnerstaaten ernannten unabhängigen Richtern, die aus ihrer Mitte ihren Präsidenten für jeweils drei Jahre selbst bestellen. Ist ein Mitgliedstaat der Ansicht, daß eine Handlung oder Unterlassung der „Hohen Behörde" geeignet ist, „tiefgreifende und anhaltende Störungen in seiner Wirtschaft" hervorzurufen, und ergreift die „Hohe Behörde" keine Maßnahmen, um diesem Sachverhalt unter Wahrung der wesentlichen Interessen der Montan-Union ein Ende zu bereiten, so ist der „Gerichtshof" nach Artikel 37 verpflichtet, die zugrundeliegende materielle Rechtslage nachzuprüfen. Hierzu wurde ausdrücklich durch die Bundesregierung bestätigt und auf die entsprechenden franzosischen Kommentare hingewiesen, daß damit der „Gerichtshof" in bewußter Abweichung von den Formulierungen des Artikels 33 auch für die Würdigung der wirtschaftlichen Tatsachen oder Umstände zuständig sei, die zu den angefochtenen Entscheidungen der „Hohen Behörde" geführt haben, auch ohne daß dieser ein Ermessensmißbrauch vorgeworfen wird. Eine Verletzung des bereits zu Beginn des Berichts zitierten Artikels 2 Absatz 2 wird ohnedies in jedem derartigen Fall geltend gemacht werden können, so daß auch nach Artikel 33 auf Nichtigkeit unter Ausdehnung der Vollmachten des „Gerichtshofs" auf die Nachprüfung der Ermessensfrage und zugrundeliegenden wirtschaftlichen Tatsachen geklagt werden kann. Unterläßt die „Hohe Behörde" den Erlaß von Entscheidungen, zu denen sie auf Grund des Vertrages verpflichtet wäre, so kann in gleicher Weise vor dem „Gerichtshof" Klage erhoben werden. In allen Fällen eines obsiegenden Urteils besteht überdies Anspruch auf angemessene Wiedergutmachung, im Weigerungsfalle der „Hohen Behörde" Klagemöglichkeit auf Schadensersatz. Der Ausschuß hat in seiner Mehrheit diese Sicherungen gegen eine willkürliche Majorisierung Deutschlands durch „Hohe Behörde" und „Rat" für ausreichend angesehen, um derartige Entwicklungen, die außerdem dem Prinzip der Nichtdiskriminierung und den Zielen der Montan-Union völlig zuwiderlaufen würden, überhaupt nicht entstehen zu lassen. Das logische Gegenstück zu Klage mit unbeschränkter Ermessensnachprüfung gegenüber der „Hohen Behörde" stellt die Verfahrensregelung dar, die im Falle einer von der „Hohen Behörde" festgestellten Vertragsverletzung von seiten eines Mitgliedstaates vorgesehen ist. Der beschuldigte Staat kann auch in diesem Fall gegen die Entscheidung der „Hohen Behörde" vor dem „Gerichtshof" Klage im „Verfahren mit unbeschränkter Ermessensnachprüfung" erheben. Das gleiche gilt für Einzelunternehmen oder sonst Betroffene. Wird die Klage abgewiesen oder erfolgt überhaupt keine Klage, so sind in den im Vertrag vorgesehenen Fällen der Artikel 47, 54, 58, 59, soweit Einzelunternehmen die Betroffenen sind, Bußgelder zu entrichten. Handelt es sich um Staaten, so sieht der Vertrag Sanktionen in Form der Aussetzung von Zahlungen zugunsten dieser Staaten oder aber von Gegenmaßnahmen in Abweichung von dem Grundsatz des gemeinsamen Marktes oder der Nichtdiskriminierung vor. Auch hiergegen ist die Klage „im Verfahren mit unbeschränkter Ermessensnachprüfung" vor dem „Gerichtshof" zulässig. Dem „Gerichtshof" ist schließlich außer den vorerwähnten umfassenden Rechten und Pflichten, die ihm eindeutig den Charakter einer überstaatlichen Institution verleihen, auch noch die Aufgabe zuerkannt worden, in Streitfällen zwischen Mitgliedstaaten, die nicht im Rahmen der im Vertrag vorgesehenen Verfahren erledigt werden können, als zwischenstaatliches Schiedsgericht zu fungieren. Wenn in den sechs Unterzeichnerstaaten des Schuman-Plans die für seine Funktion verantwortlichen, vorstehend skizzierten gemeinsamen Organe ihre vertraglich vorgesehenen Aufgaben wahrnehmen, welcher Raum bleibt dann noch für eine einzelstaatliche Wirtschaftspolitik? Wird dann das Nebeneinander eines gemeinsamen Marktes für bestimmte Grundstoffe und in allen übrigen Bereichen ein Eigenleben führender Volkswirtschaften überhaupt eine erfolgreiche Entwicklung gestatten? Ehe der Ausschuß zu diesen entscheidenden Fragen Stellung nehmen konnte, mußte er sich zunächst mit der exakten Abgrenzung der dem Schuman-Plan unterliegenden Sektoren gegenüber den den Einzelstaaten verbleibenden wirtschaftlichen Hoheitsbereichen beschäftigen. Wenn der Schuman-Plan von „Kohle" spricht, so sind in erster Linie Steinkohle, Steinkohlenbriketts und Zechenkoks sowie Braunkohlenbriketts und Braunkohlenschwelkoks darunter zu verstehen. Gaskoks und Rohbraunkohle fallen nur dann unter den „Schuman-Plan", wenn durch sie — was weniger wahrscheinlich ist — eine „fühlbare Störung des Brennstoffmarktes" erfolgt. Der Begriff „Stahl" umfaßt auf der anderen Seite Eisenerze (mit Ausnahme von Schwefelkies), Manganerze, Roh- und Gießereieisen, Rohstahl und Walzwerkserzeugnisse mit Ausnahme von Röhren, gezogenem Draht, Gußstücken und überhaupt Stahl- und Stahlformguß sowie Schmiedestücken. Während einer Zeit von höchstens drei Jahren nach Errichtung des gemeinsamen Marktes sind darüber hinaus hochlegierte Edelstähle ebenfalls ausgenommen. Bei Schrott findet der Schuman-Plan insbesondere in der Mangellage keine Anwendung auf Gußbruch, da die Gießereien auch nicht der Zuständigkeit der „Hohen Behörde" unterstehen, sowie nur in eingeschränktem Umfang auf den unmittelbar verwendeten Anfallschrott der stahlerzeugenden Unternehmen. Darüber hinaus sind für Schrott generell stärkere Reservatrechte der Einzelstaaten vorgesehen. Die Erzeugung und Verteilung von Kohle und Stahl in dem vorbezeichneten Rahmen innerhalb eines auf diesen Ausschnitt begrenzten gemeinsamen, sonst aber getrennten Marktes von sechs Volkswirtschaften berührt zwangsläufig alle Bereiche der allgemeinen Wirtschaftspolitik, insbesondere die Preis- und Handelspolitik, ferner die Sozial- und Verkehrspolitik der Einzelstaaten. Der Schuman-Plan hat dieses Problem dadurch zu lösen versucht, daß er den Grundsatz der in allen_ diesen Sektoren fortbestehenden einzelstaatlichen Souveränität und im Falle seiner im Vertrag vorgesehenen Durchbrechung den des nationalstaatlichen indirekten Korrektivrechtes proklamiert. In der dem Vertrag zugrunde liegenden Ausgangsvorstellung der „Normallage" soll sich, wie schon an anderer Stelle kurz betont, die Tätigkeit der gemeinsamen Organe auf dem gemeinsamen Markt auf die Funktion eines Garanten eines geordneten Wettbewerbs ohne außerwirtschaftliche Verfälschungen beschränken. Dabei ist im Vertrag, wie in der Ausschußdiskussion herausgestellt wurde, der Begriff des „gemeinsamen" anstelle eines „einheitlichen" Marktes bewußt gewählt worden, um damit zum Ausdruck zu bringen, daß in der Normallage das Prinzip der freien Preisbildung durch keine Einheitspreisfestsetzung beeinträchtigt werden soll. Allerdings stellt der Vertrag für diese freie Preisbildung bestimmte Normen auf. - Die Preise sollen möglichst niedrig, aber keine zu Dumpingzwecken gespaltene Preise sein, jedoch die erforderlichen Abschreibungen, Verbesserungsmöglichkeiten der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiter und der betrieblichen Produktivität sowie eine angemessene Kapitalverzinsung decken, bei der Ausfuhr in dritte Länder sollen „angemessene Grenzen" eingehalten werden. Staatliche Subventionen oder andererseits Sonder„ lasten dürfen in den Preisen nicht enthalten sein. Die Unternehmen haben aus diesen Gründen ihre auf dem gemeinsamen Markt angewandten Preise und Verkaufsbedingungen, d. h. insbesondere die zugrunde gelegten Frachtbasen oder Frankostellungen, zu veröffentlichen. Nach oben sind ihnen — in Erfüllung der Vertragsauflage möglichst „niedriger" Preise — in der Ausnutzung regionaler Sondersituationen innerhalb der Montan-Union dabei bestimmte Grenzen gezogen. Unter Berücksichtigung der Frachten und der weiterhin erlaubten unterschiedlichen Mengenrabatte dürfen die Preisstellungen nicht höher sein als die am eigenen Lieferort erreichbaren; nach unten haben die Unternehmen jedoch das Recht, in jede für einen anderen Lieferort gegebene Preisstellung, unter Mitteilung an die „Hohe Behörde" auch in Angebote von außerhalb der Montan-Union einzutreten. Für die deutschen Grundstoffindustrien bedeutet trotz ihres produktionsmäßigen Handikaps, wie die an anderer Stelle wiedergegebenen Preisvergleiche beweisen, das Prinzip der freien Preisbildung nach der Auffassung der Mehrheit des Ausschusses keine Beeinträchtigung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Sonderlasten für Kohle und Stahl sind ebenfalls nicht vorhanden — der Lastenausgleich betrifft die gesamte Wirtschaft —, laufende Subventionen oder sonstige staatliche Beihilfen werden dem Kohlenbergbau und der Stahlindustrie aus Gründen der Erhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit gleichfalls nicht gewährt. Allerdings wird es nicht möglich sein, für die Kohlen- und Stahlausfuhr in die Länder der Montan-Union, Exportförderungsmaßnahmen anzuwenden. Ebensowenig kann die derzeitige Marktspaltung in „Normal-" und „Spitzenkohlen"-Preis oder die über Mengenrabatte hinausgehende differenzierte Preisstellung für Großverbraucher wie die Bundesbahn bzw. ein Sonderpreis für Hausbrand erhalten bleiben. Zwingenden sozialen Erfordernissen muß hier in anderer Weise Rechnung getragen werden. Abweichende Preisstellungen bei der Ausfuhr nach dritten Ländern können jedoch „in angemessenen Grenzen" beibehalten werden, es sei denn, daß nach Artikel 61 Buchstabe c nach Anhörung der Verbände bzw. Unternehmen des Kohlenbergbaus und der Stahlindustrie von der „Hohen Behörde" festgesetzte Mindest- und Höchstpreise für die Ausfuhr eine gewisse Eingrenzung bedeuten. Ohne daß eine außergewöhnliche Marktsituation, etwa eine akute Mangellage, bereits festgestellt worden ist, besitzt die „Hohe Behörde" nach Artikel 61 allerdings auch das Recht, für eines oder mehrere der ihrer Zuständigkeit unterliegenden Erzeugnisse Höchstpreise festzusetzen, wenn sie mit zwingenden Gründen feststellt, daß ohne diese Höchstpreisfestsetzung die Ordnung des Marktes im Sinne des Vertrages nicht aufrechterhalten werden kann. Diese Höchstpreise müssen jedoch mindestens die Kosten, Abschreibungen und eine angemessene Verzinsung decken — mit einer Ausnahme allein bei der Kohle: wenn die „Hohe Behörde" für Grenzkostenbetriebe, deren Fortführung vorübergehend als notwendig erachtet wird, auf deren Niveau sich aber die Höchstpreise nicht einspielen sollen, Ausgleichszahlungen zwischen Unternehmen desselben oder verschiedener Reviere genehmigt. Auch diese Bestimmung bedeutet nach Auffassung der Mehrheit des Ausschusses für die deutschen Grundstoffindustrien grundsätzlich keine Erschwerung ihrer Situation; über die Frage der Ausgleichszahlungen wird' noch in einem anderen Zusammenhang zu berichten sein. Zum gemeinsamen Markt gehört auch die Beseitigung der Ein- und Ausfuhrzölle sowie aller mengenmäßigen Beschränkungen für Kohle und Stahl innerhalb der Montan-Union. Im größeren Teil der Unterzeichnerstaaten des Schuman-Plans haben Kohlezölle wirtschaftspolitisch keine Rolle gespielt. Anders liegen die Dinge bei Stahl; hier besitzt bisher beispielsweise Deutschland wesentlich höhere Sätze als etwa die Beneluxstaaten. Während Deutschland nach der durch die an anderer Stelle wiedergegebenen Preisvergleiche bekräftigten Mehrheitsauffassung des Ausschusses weder wirtschaftlich noch finanzpolitisch die Beseitigung der Zölle innerhalb der Montan-Union zu fürchten braucht, ergibt sich aber die Frage, wie der Schuman-Plan die durch die Zolldifferenzen gegenüber dritten Ländern neu aufgeworfenen Probleme indirekter Einfuhren aus dritten Ländern über andere Mitgliedstaaten oder umgekehrt entsprechender indirekter Ausfuhren zu lösen beabsichtigt. Nur wenn ein einstimmiger Beschluß des „Rates" zustandekommt, könnten gemeinsame Außenzollsätze — aber auch dann nur als Mindest- und Höchstsätze — durch die „Hohe Behörde" festgesetzt werden. Der Vertrag hält insoweit an der einzelstaatlichen Souveränität fest; dies gilt auch für eventuelle Ein- und Ausfuhrlizenzen und deren Handhabung. Dieses Prinzip wird noch durch den § 20 der Übergangsbestimmungen erhärtet, der durch gemeinsames Vorgehen gegenüber dem GATT oder ihm nicht angeschlossenen Ländern sicherstellen soll, daß sich für die Vertragsländer keine Rückwirkungen hinsichtlich der Meistbegünstigung ergeben. Die Übergangsbestimmungen sehen nun vor, daß innerhalb der Montan-Union nach Beendigung der fünfjährigen Übergangszeit, die für diesen Fall ausnahmsweise nach § 29 um zwei auf sieben Jahre verlängert werden kann, praktisch alle Staaten zu Außeneinfuhrzöllen von maximal 3 °/o für Stahl (auf Grund der Verpflichtung der Beneluxländer, ihre gegenwärtigen 1°/oigen Zölle um 2 Punkte zu erhöhen) gekommen sein müssen. Der Zwang zur Senkung auf diesen Satz liegt darin, daß nach dieser Zeit jede in den Übergangsbestimmungen vorgesehene Schutzmöglichkeit durch Zollkontingente für die Beneluxstaaten bzw. nach Ablauf der fünf Jahre durch andere direkte Schutzmaßnahmen gegen indirekte Einfuhren für die Dauer von weiteren zwei Jahren ein Ende findet. Sieht man von der in normalen Zeiten — und von diesen wird zunächst immer nur gesprochen — sehr dubiosen Möglichkeit der Einfuhrlizenzen ab, die nur dann wirksam sein könnten, wenn sie von allen Mitgliederstaaten angewandt würden, so wird die Montan-Union praktisch nach längstens sieben Jahren seit ihrem Bestehen bei Kohle und auch Stahl zum annähernden Freihandelsgebiet, d. h. sie steht insbesondere dem britischen und amerikanischen Wettbewerb — soweit er kein Dumping betreibt — in vollem Umfang offen. Die „Hohe Behörde" ist allerdings beauftragt, während der Übergangszeit mit allen übrigen Ländern, insbesondere Großbritannien, Verhandlungen über eine vernünftige Regelung der gegenseitigen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen auf dem Gebiet von Kohle und Stahl zu führen. Diese Perspektiven mußten den Ausschuß in ihren möglichen Rückwirkungen — auch wenn sie in diesem Fall die gesamte Montan-Union in gleicher Weise berühren — eingehender beschäftigen. Danach war festzustellen, daß Deutschland gegenwärtig wohl in der Lage ist, sich gegenüber der amerikanischen Konkurrenz zu behaupten. Gegenüber Großbritannien besteht allerdings ein 10- bis 20 %iges Handikap, wobei zu berücksichtigen ist, daß die britischen Stahlpreise nicht als nach den Prinzipien des Schuman-Planes, d. h. ohne Subventionen oder Beihilfen gebildet gelten können und daß insoweit der Schuman-Plan selbst genügend Schutzhandhaben besitzt, falls die in den Übergangsbestimmungen vorgesehenen Verhandlungen zu keinem befriedigenden Ergebnis führen sollten. Hinsichtlich der Möglichkeit, unerwünschte indirekte Ausfuhren und ihre Rückwirkungen auf die nationalstaatlichen Devisenpositionen nach Beseitigung der inneren Zollschranken zu verhindern, zwingt der Vertrag nach Ablauf der Übergangszeit zu einer Vereinheitlichung der einzelstaatlichen Bestimmungen über Devisenbewirtschaftung, Währungskonvertibilität und Bonushandhabung, greift also unter Umständen sehr weit in die allgemeine Wirtschaftspolitik der Staaten ein. Die Mehrheit des Ausschusses war allerdings hier wie in anderen ähnlich gelagerten Fällen, in denen ein indirekter Zwang zur europäischen Vereinheitlichung ausgeübt wird, der Auffassung, daß diese Tendenzen als nicht unerwünscht anzusehen seien. Sehr ernst ist dagegen im Ausschuß die weitere Frage erörtert worden, ob nicht die Herstellung des gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl unter Fortfall der inneren Zölle die Beschaffung der von Deutschland benötigten Rohstoffe und Nahrungsmittel in gefährlicher Weise erschweren könnte. Es wurde darauf hingewiesen, daß Deutschland bisher noch in seiner Kohle und auch seiner Stahlproduktion Tauschobjekte in der Hand habe, die bei Handelsvertragsverhandlungen zur Erlangung von Konzessionen der anderen Partner etwas wert seien; diese Kompensationsmöglichkeit werde mit dem Schuman-Plan aus der Hand gegeben. Demgegenüber wurde zunächst einmal geltend gemacht, daß Deutschland z. Z. infolge der Eingriffsgewalt der Ruhrbehörde ohnehin nur eine relativ beschränkte Handlungsfreiheit — nämlich innerhalb der Globalauflage — besitzt, daß ferner der gleiche Einwand auch gegenüber der doch von der Mehr- heit des Ausschusses mindestens als Ziel bejahten Liberalisierungspolitik erhoben werden müsse, daß man vor allem aber die tatsächlichen Größenordnungen der Handelsbeziehungen innerhalb der Montan-Union nicht außer Acht lassen dürfe. Im ersten Halbjahr 1951 habe Deutschland eine Gesamtausfuhr von 1,56 Milliarden $ gehabt; davon seien je rund 117 Millionen $, zusammen also 234 Millionen $ oder 14,6 % auf Kohle und Stahl entfallen. In den über 85 % des deutschen Außenhandels, die nicht durch den Schuman-Plan berührt würden, seien noch genügende Kompensationsmöglichkeiten für den bilateralen Handelsverkehr enthalten. Wesentlich sei aber vor allem, daß nach wie vor auch im Schuman-Plan-Bereich die Bezüge an deutscher Kohle oder deutschem Stahl mit Devisen zu bezahlen seien, so daß Deutschland jederzeit in voller Höhe diese Guthaben bei seinen Warenbezügen geltend machen könne. Schließlich erhalte Deutschland im Falle einer allgemeinen Krise durch den Schuman-Plan auch eine gewisse Mindestabsatzgarantie, die später noch zu behandeln sein wird, deren Gewicht aber in diesem Zusammenhang mitberücksichtigt werden muß. Überhaupt stand diese Erörterung nach Meinung der Mehrheit des Ausschusses zu sehr unter dem Eindruck der derzeitigen anomalen Mangellage, die zweifellos ebensowenig wie das gegenwärtige Produktions- und Verbrauchsvolumen der SchumanPlan-Länder als unabänderliches Naturereignis angesehen werden darf. Die Mehrheit des Ausschusses war dementsprechend insbesondere unter Hinweis auf das allgemeine wirtschaftspolitische Ziel der Entfernung vom gegenwärtigen primitiven Realtausch zwischen zwei Volkswirtschaften und statt dessen der Wiederherstellung eines multilateralen liberalisierten Güteraustausches, dessen bisherige außergewöhnliche Teilerfolge unbestreitbar sind, der Auffassung, daß die deutsche Volkswirtschaft, wenn sie überhaupt ihren Anspruch auf Lebensfähigkeit zu Recht geltend machen wollte, die im gemeinsamen Markt für Kohle und Stahl liegenden handelspolitischen Risiken, aber auch zugleich Chancen auf sich nehmen müsse. Wie die Aufhebung der Zölle innerhalb der Unterzeichnerstaaten des Schuman-Planes fließt aus der Absicht der Herstellung eines gemeinsamen Marktes und natürlicher Standortbedingungen für Kohle und Stahl auch die Schaffung durchgehender Verkehrstarife in diesen Sektoren, d. h. von Tarifen, deren mit der Länge des Frachtweges wachsende Degression nicht an den Ländergrenzen plötzlich, wie bisher, einen Bruch erfährt, um danach in voller Anfangshöhe neu einzusetzen. Nach den Übergangsbestimmungen wird sich erst noch ein Sachverständigenausschuß. mit der Realisierung dieser Maßnahmen zu befassen haben, für die auch eine besondere Frist von längstens zweieinhalb Jahren vorgesehen ist. Für den Ausschuß war die Feststellung wesentlich, daß durch die Bestimmungen des Vertrages z. B. die Küstenkohlentarife oder Sondertarife für die bayrischen Notstandsgebiete grundsätzlich nicht berührt werden. Betroffen werden nur Ausnahmetarife zugunsten von Unternehmen der Kohleförderung und Stahlerzeugung, etwa z. B. zugunsten von Watenstedt-Salzgitter oder der Maxhütte. Sie bedürfen der Genehmigung der „Hohen Behörde". Hierin liegt zweifellos ein offenes Problem und ein gewisses Einzelrisiko, dessen Überwindung innerhalb der Grundsatze des Vertrages sich die Bundesregierung besonders angelegen sein lassen muß. Im Rahmen seines übergeordneten Prinzips der Nichtdiskriminierung, zugleich aber auch seines mitverkündeten Zieles der Hebung des Lebensstandards mußte der Schuman-Plan auch Prinzipien für die soziale Ordnung im Bereich von Kohle und. Stahl, insbesondere für die Mitwirkung der Arbeitnehmer bei den Entscheidungen, für die Berücksichtigung ihrer sozialen Interessen in den Fällen zwangsläufiger Anpassungsvorgänge oder technischer Verlagerungen, für ihre Entlohnung, ihre Sozialversicherungsrechte und schließlich das Maß ihrer Freizügigkeit innerhalb der MontanUnion aufstellen. Über die Repräsentanz der Gewerkschaften in der „Hohen Behörde" und dem paritätisch besetzten „Beratenden Ausschuß" ist in anderem Zusammenhang schon berichtet worden. Noch nicht erwähnt wurden die regionalen Unternehmerverbände, in deren Organisation den- Vertretern der Verbraucher und Arbeitnehmer ein angemessener Platz einzuräumen ist, wenn sie gewisse Aufgaben übernehmen wollen. Wichtig ist ferner die ausdrückliche M u B vorschrift der Übergangsbestimmungen, nach der die „Hohe Behörde" dabei mitzuwirken hat, die Arbeiterschaft vor den eventuellen Lasten einer Anpassung an den Schuman-Plan zu schützen und ihr notfalls in anderen Wirtschaftszweigen und durch Beteiligung an Umschulungskosten eine produktive Beschäftigung zu sichern. Dabei kann die „Hohe Behörde" außer sonstigen Finanzierungsmitteln auch nicht rückzahlungspflichtige Beihilfen unter der Voraussetzung einer gleich hohen Zahlung durch die beteiligten Staaten bewilligen. Auch während der ganzen Laufzeit des Schuman-Plans hat die „Hohe Behörde" auf Antrag beteiligter Regierungen auf Grund des Artikels 56 die gleichen Verpflichtungen, wenn infolge der Einführung neuer technischer Verfahren im Bereich von Kohle und Stahl eine außergewöhnliche Verminderung des Bedarfs an Arbeitskräften eintritt. Die Mehrheit des Ausschusses nahm diese sehr weitgehenden vertraglichen Regelungen des Schuman-Plans zugunsten einer Mitwirkung der Arbeitnehmer bei allen Entscheidungen und zugunsten der Sicherung ihrer Arbeitsplätze als einen weiteren Beweis für den Ernst der positiven Zielsetzungen des Vertrages und insbesondere seinen völligen Gegensatz zu kartellähnlichen Absprachen früherer Jahrzehnte. Der Ausschuß nahm weiter zur Kenntnis, daß ursprünglich sogar die Absicht bestanden hatte, materiell gleiche Lohnbedingungen für sämtliche Arbeitnehmer im Kohlenbergbau bzw. in der Stahlindustrie aller Mitgliedstaaten zu schaffen, daß aber wegen der erheblichen Anpassungsschwierigkeiten, die sich in allen Volkswirtschaften wegen des untrennbaren Zusammenhangs aller Löhne sowie des gesamten Steuersystems hätten ergeben müssen, zunächst davon abgegangen wurde. Statt dessen hat der Artikel 68 den einzelnen Ländern die Souveränität auf dem Gebiet der Festsetzung von Löhnen und Sozialleistungen belassen. Der Vertrag mußte aber die Auswirkungen eines unterschiedlichen Lohnniveaus und unterschiedlicher Sozialversicherungsbedingungen sowie die möglichen Folgen von isolierten Lohn- oder Sozialversicherungsmaßnahmen berücksichtigen. Dabei ist zwischen zwei verschiedenen Tatbeständen scharf zu scheiden. Ergibt eine Nachprüfung durch die „Hohe Behörde", daß die Ursachen ungewöhnlich niedriger Preise einzelner Unternehmer vergleichsweise ungewöhnlich niedrige Löhne sind, oder daß zum Zwecke der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit einzelner Unternehmen Lohnsenkungen vorgenommen wurden, so können Empfehlungen, d. h. Anordnungen, die zur Erreichung des Ausgleichsziels im Lohnniveau die Wahl der Mittel frei lassen, an die Unternehmen bzw. unter besonderen Voraussetzungen an die Regierungen ihrer Länder gerichtet werden. Dabei bleiben aber generelle volkswirtschaftliche Lohnmaßnahmen sowie Lohnänderungen auf Grund von Indexlöhnen außer Betracht. Liegen derartige generelle volkswirtschaftliche Lohnmaßnahmen oder Änderungen der Sozialversicherung vor und haben sie Rückwirkungen auf die Preisbildung innerhalb der Montan-Union, so gibt es keine irgendwie gearteten direkten Eingriffsmöglichkeiten der „Hohen Behörde", vielmehr können hier nur indirekte Ausgleichsmaßnahmen auf Grund des Artikels 67, wie z. B. ausnahmsweise genehmigte Beihilfen, in Frage kommen. Die gleiche Rechtslage muß hinsichtlich der Auslegung des § 2 Ziffer 4 der Übergangsbestimmungen angenommen werden, bei dem es sich darum handelt, bereits zu Beginn des Wirksamwerdens des Schuman-Plans bestehende Unterschiede in der Sozialversicherung, die „geeignet sind, die Wettbewerbsbedingungen ... erheblich zu verfälschen", in ihren Auswirkungen auszugleichen. Die „Hohe Behörde" darf hier während der Übergangszeit zwar sowohl Maßnahmen zur „Beseitigung solcher Vorschriften", also direkte Änderungsmaßnahmen, als auch indirekte Ausgleichsmaßnahmen vorschlagen. Keine Regierung ist aber gehalten, die Vorschläge in der einen oder anderen Richtung als bindend zu akzeptieren. Wenn der Vertrag auch in seinem Artikel 68 durch die Aufrechterhaltung der Souveränität der Einzelstaaten auf dem Gebiet der Löhne und Sozialversicherung scheinbar auf sein Ziel der Herstellung materiell, d. h. unter Berücksichtigung der Leistungsdifferenzen, gleicher Löhne und Sozialleistungen verzichtet hat, so hat er nach der Auffassung der Mehrheit des Ausschusses über den Artikel 69 den indirekten markt- oder wettbewerbsmäßig wirksamen Zwang zur Erreichung dieses Ziels — und damit zur mittelbaren sozialen Integration der gesamten Volkswirtschaften — wieder wirksam werden lassen. Dies geschieht durch die bindende Verpflichtung der einzelnen Unterzeichnerstaaten, die volle Freizügigkeit für alle nach gemeinsamen Begriffsbestimmungen als solche anzuerkennenden Facharbeiter innerhalb der Montan-Union, d. h. für Bergleute und Stahlfacharbeiter, herzustellen und bei Arbeitermangel auch für Nichtfacharbeiter die Einwanderungsbestimmungen zù erleichtern. Diese Freizügigkeit bzw: Erleichterung ist sodann noch durch die Zuerkennung der gleichen Lohn- und Sozialversicherungsansprüche wie für inländische Arbeitnehmer zu untermauern, wobei im übrigen noch alle erforderlichen zwischenstaatlichen Vereinbarungen anzustreben sind, die dafür sorgen, daß die unterschiedlichen Sozia:versicherungsbedingungen einen Wechsel der Arbeitsplätze nicht behindern dürfen. Welche eminent reale Auswirkung diese Bestimmungen über die Freizügigkeit und innere sowie zwischenstaatliche Nichtdiskriminierung aus Inanspruchnahme der Freizügigkeit aller Voraussicht nach besitzen werden, mag daran ermessen werden, daß es nach übereinstimmender Ansicht aller Sachverständigen einen Überfluß an wirklichen Kohle- und Stahlfacharbeitern in keinem der Unterzeichnerstaaten gibt. Die Herstellung der Freizügigkeit müßte sich also, so lange unterschiedliche materielle Lohn- und Sozialversicherungsbedingungen gegeben sind, in einem Sog in die günstigsten Gebiete auswirken. Da keine Volkswirtschaft angesichts der derzeitigen Mangellage diesen Sog längere Zeit ertragen kann, wird die praktische Folge doch die während der Vertragsverhandlungen angestrebte, aber zunächst zurückgestellte Erreichung der materiellen Lohngleichheit sein. Angesichts der besonderen Tragweite dieser Vertragsbestimmungen und der zusätzlich vom Bundesrat in der Drucksache 2401 unter Punkt 4 hierzu formulierten Empfehlungen lag dem Ausschuß in seiner Mehrheit daran, zunächst als Ergebnis seiner Beratungen noch einmal ausdrücklich zu unterstreichen, daß entgegen irrigen Auffassungen, die in der Öffentlichkeit aufgetaucht sind, der Abschluß von Tarifverträgen, insbesondere jede Art von Lohnerhöhungen und jede Art einer Sozialversicherungsreform, wie z. B. die volle Wiederherstellung der Knappschaftsversicherung, ausschließlich Angelegenheit der Einzelstaaten sind und bleiben. Aus dem- Vertrag sich eventuell ergebende Korrekturmaßnahmen können stets nur indirekter, d. h. die Arbeitnehmer nicht berührender Natur sein. Andererseits konnte die Forderung der Freizügigkeit dem Ausschuß insofern nicht gleichgültig sein, als sich daraus bei Feststellung einer nach unten oder oben besonders abweichenden deutschen Situation ernste volkswirtschaftliche Konsequenzen ergeben müßten. Ein Vergleich nomineller Löhne in den Unterzeichnerstaaten besagt gegenwärtig leider nicht sehr viel über die realen Verhältnisse. Die Auskünfte der Sachverständigen und der Bundesregierung führten jedoch zu der Mehrheitsauffassung, daß die deutschen Reallöhne bei Kohle und Eisen keinesfalls als weit unter oder über dem Durchschnitt liegend angesehen werden können und daß das gleiche hinsichtlich der Sozialleistungen gilt. Der Ausschuß hat darüber hinaus zur Kenntnis genommen, daß zwischen Deutschland und Frankreich bereits ein Abkommen über die Anerkennung gegenseitiger Sozialversicherungsansprüche besteht und daß mit Belgien und Holland die Verhandlungen über gleiche Abkommen erfolgreich abgeschlossen wurden. Angesichts dieser tatsächlichen und rechtlichen Umstände machte sich die Mehrheit des Ausschusses die Auffassung der Bundesregierung zu eigen, daß die Empfehlung des Bundesrates zu Punkt 4 bereits durch den Vertrag selbst als auch durch die reale Lage auf dem Lohn- und Sozialversicherungsgebiet in den entscheidenden Unterzeichnerstaaten als erfüllt angesehen werden darf. Zu dem Postulat der freien Preisbildung und der Freizügigkeit der Arbeitskräfte innerhalb des gemeinsamen Marktes tritt im Schuman-Plan als dritte Forderung die der grundsätzlich freien Investitionstätigkeit. Werden Investitionen vorgenommen, ohne daß sie „zu diesem Vertrag im Widerspruch stehende Subventionen, Beihilfen, Schutzmaßnahmen oder Diskriminierungen nach sich ziehen" würden, so können sie jederzeit und an jedem Ort und in jeder Form der Finanzierung mit Eigen- oder Fremdkapital erfolgen. Die „Hohe Behörde" hat nach dem hierfür entscheidenden Ar- tikel 54 des Vertrages außer einem Auskunftsrecht keinerlei Verbots- oder negative Eingriffsmöglichkeiten, es sei denn, daß sie feststellt, daß bestimmte Investitionen „Subventionen, Beihilfen, Schutzmaßnahmen oder Diskriminierungen" mit sich bringen. Aber auch dann kann sie eine solche Investition nicht generell, sondern nur ihre Finanzierung durch Fremdkapital verbieten und die Einhaltung dieses Verbots durch Verhängung von Bußgeldern in der Höhe der verbotswidrig benutzten Fremdmittel erzwingen. Sie kann aber selbst unter diesen Umständen niemanden daran hindern, sein Eigenkapital für als vollständig unwirtschaftlich und wettbewerbsunfähig angesehene Investitionen zu riskieren. Dabei muß noch darauf besonders hingewiesen werden, daß die vereinzelt von seiten offenbar sehr oberflächlicher Leser des Vertragswerkes in der Öffentlichkeit aufgestellte Behauptung, die „Hohe Behörde" könne Investitionen auch dann auf die ausschließliche Finanzierung durch Eigenkapital beschränken, wenn durch sie in anderen Ländern der Gemeinschaft eventuell Subventionen, Beihilfen, Schutzmaßnahmen oder sonstige Diskriminierungen heraufbeschworen werden könnten, in einem solchen Maße gegen die Grundprinzipien des Vertrages verstößt, daß sie schlechthin als unsinnig bezeichnet werden muß. Nach Artikel 2 des Schuman-Plans ist es eines seiner wesentlichsten Ziele, „die rationellste Verteilung der Erzeugung auf dem höchsten Leistungsstande" durch den gemeinsamen Markt mit freier Preisbildung und Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu sichern. Nach Artikel 3 Buchstabe g haben die Organe der Montan-Union „i m gemeinsame n Interesse die geordnete Ausweitung und Modernisierung der Erzeugung unter Bedingungen zu fördern, die Schutzmaßnahmen aller Art gegen Konkurrenzindustrien ausschließen ". Nach Artikel 4 werden als diese Bedingungen der freie Wettbewerb und andererseits das Verbot von Schutzmaßnahmen aller Art gegen die Auswirkungen des geordneten Leistungswettbewerbs, insbesondere von „von den Staaten bewilligten Subventionen oder Beihilfen" ausdrücklich zur Unterstreichung des obersten Vertragsprinzips der Nichtdiskriminierung aufgeführt. Im § 29 der Übergangsbestimmungen schließlich wird indirekt der gleiche Grundsatz der freien Standortbildung nochmals bestätigt, indem es dort heißt: ,,... damit vermieden wird, daß durch Produktionsverlagerungen infolge der Errichtung des gemeinsamen Marktes Unternehmen in Schwierigkeiten kommen, die ... in der Lage wären, den Wettbewerb auszuhalten ....". Der Ausschuß hat daher in seiner Mehrheit als eindeutig erwiesen angesehen, daß jede andere Art der Auslegung des Artikels 54 als im Sinne einer begrenzten Möglichkeit der „Hohen Behörde", lediglich aus einzelstaatlichen politischen Autarkievorstellungen her durchgeführte Investitionen zu behindern, die nur mit Hilfe dauernder Subventionen oder Diskriminierungen durchgeführt und mühselig am Leben erhalten werden könnten, absolut falsch ist. Sie entspringt meist einem statischen Denken, das sich eine Produktions-und Bedarfsausweitung in einem gemeinsamen Markt nicht vorstellen kann. Diese Auffassung wurde noch durch die dem Ausschuß vorgelegten ähnlich lautenden Formulierungen des offiziösen französischen Kommentars bekräftigt. Dem Berichterstatter standen ferner noch die zwischenzeitlich publizierten Ausführungen der Ausschußberichterstatter in der französischen Nationalversammlung zur Verfügung, auf die er, soweit sie diesen Punkt betreffen, in seinem Bericht vor dem Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten verweisen durfte. So heißt es z. B. im Bericht des Berichterstatters des französischen Außenpolitischen Ausschusses: „Es ist vollständig verkehrt, daß die „Hohe Behörde" die Macht besitzt, Investitionsprogramme zu untersagen. Ein nationales Programm kann im Rahmen der Bedingungen des Vertrages immer ausgeführt werden. Die einzige Entscheidungsmacht, über die in Investitionsfragen die „Hohe Behörde" verfügt, ist die, alle Finanzierungsmittel außer denen, über die das Unternehmen selbst verfügt, zu verbieten, wenn sie entscheidet, daß das Programm „antiwirtschaftlich" ist. Ich füge hinzu, daß fern von einer Investitionsbegrenzung der Vertrag die Investitionen favorisiert ". Der französische Berichterstatter für den Ausschuß für die Industrieproduktion hat die gleiche Auffassung vielleicht noch etwas pointierter vorgetragen, indem er erklärte, daß die „Hohe Behörde" kein Investitionsprojekt untersagen könne, sie könne nur „antiökonomische Investitionen bei geschlossenen Märkten" behindern und der Begriff der „Subventionen und Protektionen des Artikels 54 sei nur auf diesen Zustand, nicht auf freie Konkurrenz anwendbar." Während also nach der negativen Seite die Kompetenzen der „Hohen Behörde" in eindeutiger Weise eingegrenzt sind, ist ihre positive Kompetenz der Investitionsbegünstigung durch Finanzierungshilfe wesentlich freier gestaltet. Nach Artikel 46 gehört es zu den Pflichten der „Hohen Behörde", im Benehmen mit den Regierungen der einzelnen Unterzeichnerstaaten sowie den Verbänden der Unternehmen, Verbraucher und Arbeitnehmer in regelmäßigen Zeitabständen nicht verbindliche, aber richtungweisende „Programme für die Erzeugung, den Verbrauch, die Aus- und Einfuhr unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Entwicklung aufzustellen und allgemeine Ziele für die Modernisierung, die Orientierung der Fabrikation auf lange Sicht und die Ausweitung der Produktionskapazität anzugeben." Sie ist in der Hergabe von Krediten oder der Übernahme von Gewährleistungen für Investitionsanleihen nur an ihre allgemeine Verpflichtung des Artikels 9 des unabhängigen Handelns im Interesse der Gemeinschaft und der Unterlassung jeder Handlung, die mit dem übernationalen Charakter ihrer Tätigkeit unvereinbar ist, sowie an das Grundprinzip des Vertrages, die Nichtdiskriminierung, gebunden. Die Mittel zur Begünstigung von Investitionen kann sich die „Hohe Behörde" nach Artikel 49 durch Erhebung von Umlagen auf die Erzeugung von Kohle und Stahl — jedoch ohne Zustimmung des „Rates" mit Zweidrittelmehrheit nicht über 1 °/o des Umsatzes — sowie durch Aufnahme von Anleihen und Entgegennahme unentgeltlicher Zuwendungen beschaffen. Dabei dürfen die durch Anleihen aufgebrachten Mittel nur wiederum zur Gewährung von Krediten verwandt werden, während aus der Umlage auch die Verwaltungsausgaben (Artikel 78), die bereits erwähnten Anpassungsbeihilfen nach Artikel 56, die Mittel für die Förderung der Forschung (Artikel 55) sowie die Bildung eines ausschließlich zur späteren Kürzung der Umlagen bestimmten Reservefonds bestritten werden sollen. Außer der direkten Kreditgewährung darf die „Hohe Behörde" auch Anleihen Dritter an Unternehmen des Kohlenbergbaus und der Stahlindustrie gewährleisten sowie Mitglied- Staaten auffordern, derartige Gewährleistungen zu übernehmen. Die Staaten sind hierzu jedoch nicht verpflichtet. Mit der zwangsläufig auftauchenden Frage nach der Transferverpflichtung für die an die „Hohe Behörde" zu leistenden Umlagen — ebenso für die schon an anderer Stelle erwähnten Bußgelder — beschäftigt sich der Artikel 52 des Vertrages in der Weise, daß die Mitgliedstaaten im Rahmen der Regeln des allgemeinen Handelsverkehrs diesen Transfer sicherstellen müssen. Für den Transfer, der sich aus den übrigen Geldgeschäften ergibt, sollen im einzelnen- besondere Abkommen mit den Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Devisenwirtschaft geschlossen werden. Praktisch bedeutet das, daß nach Möglichkeit ein Hin- und Hertransfer solcher Gelder, die doch letztlich wieder im Aufbringungsland eingesetzt werden, vermieden wird. Der Ausschuß mußte sich damit also darüber klar sein, daß nach der positiven Seite kein Rechtsanspruch auf Finanzbeihilfe zur Durchführung not. wendiger Investitionen gegeben wird. Diese Feststellung ist bedeutsam im Zusammenhang mit den Punkten 2 der Bundesratsbeschlüsse gemäß Drucksache 2401 bzw. des Antrages der Fraktion der SPD gemäß Drucksache 2484, in denen eine Sicherstellung des vordringlichen deutschen Investitionsbedarfs in der Stahlerzeugung zum Ausgleich des auf deutscher Seite durch die Demontagen, das Nichtvorhandensein verantwortlicher Finanzierungsträger sowie die weitaus geringere Zuteilung von Marshall-Plan-Mitteln entstandenen schwerwiegenden Handikaps bei Abschluß zusätzlicher Abkommen zu den bisherigen Übergangsabkommen bzw. Ausweitung des darin für verschiedene Länder niedergelegten Schutzprinzips gefordert wird. Seitens der Bundesregierung ist hierzu erklärt worden, daß dem deutschen Wunsche nach ausdrücklicher Sonderbehandlung seiner Remontage-und Investitionsnachholbedarfs-Probleme der französische Wunsch nach Sonderbehandlung seiner z. T. schwierigen Kohlenprobleme gegenüberstand, so daß schließlich eine Übereinstimmung dahingehend zustandekam, daß beide großen Länder des Schuman-Plans auf Sonderforderungen Verzicht leisten, um nicht weitere Sonderwünsche zu provozieren. Deutschland habe darüber hinaus ohnehin grundsätzliche Bedenken gegen das Prinzip der Ausnahmeregelungen gehabt, da es leicht zu untragbaren Weiterungen und Belastungen führen könne, die eventuell eigene Sondervorteile weit überträfen. Das im Antrag der SPD-Fraktion unter Punkt 2 formulierte Anliegen, soweit es über die Empfehlung des Bundesrates unter Punkt 2 hinausginge, hätte sich deshalb nicht verwirklichen lassen, da es auch dem Gedanken der Gleichbehandlung aller widersprochen hätte. Wohl aber sei der Empfehlung des Bundesrates tatsächlich durch die Hinzufügung des Absatzes 3 zum § 29 der Übergangsbestimmungen, der speziell den deutschen Investitionsnachholbedarf und die Remontage im Sinne gehabt habe, weitgehend Rechnung getragen worden. In diesem Absatz heißt es, daß für einen Zeitraum von maximal 7 Jahren nach Inkrafttreten des Vertrages gewisse Schutzmaßnahmen, die sich bis zur Quotierung der Marktanteile steigern, für die Stahlindustrie eines Landes in Anspruch genommen werden können, wenn sich innerhalb dieses Zeitraumes eine Anpassung „infolge einer Mangellage oder Fehlens von Geldmitteln, die die Unternehmen aus ihrem Betrieb hätten herausziehen können oder die ihnen hätten zur Verfügung gestellt werden können" nicht durchführen ließ. Dabei muß es sich um Unternehmen handeln, ,die auf Grund der Verfügung über solche Geldmittel oder Rohstoffe „in der Lage wären, den Wettbewerb auszuhalten". Bei ihnen soll „vermieden werden, daß sie durch Produktionsverlagerungen infolge der Errichtung des gemeinsamen Marktes in Schwierigkeiten kommen". Soweit es sich um den Schutz der deutschen Stahlindustrie vor nicht durch wirtschaftliche Entwicklungen verursachten Produktionsverlagerungen handelt, die im übrigen in der gegenwärtigen tatsächlichen Lage ohnehin nicht wahrscheinlich wären — nach Mitteilung der Bundesregierung hat sie auf Aufforderung der OEEC im Gegenteil einen Vorschlag zur Erhöhung der deutschen Stahlproduktion auf zunächst 19,2 Millionen t vorgelegt —, hat der Ausschuß in seiner Mehrheit die vertraglichen Sicherungen des § 29 der Übergangsbestimmungen im Sinne der Empfehlungen des Bundesrates für ausreichend gehalten. Der Ausschuß mußte aber eine Antwort auf die Frage finden, woher dann innerhalb der möglichen siebenjährigen Schutzfrist die Mittel zur Finanzierung des Investitionsnachholbedarfs kommen könnten. Inwieweit die „Hohe Behörde" oder infolge der Existenz der „Hohen Behörde" und des gemeinsamen Marktes dritte Länder solche Kredite zur Verfügung stellen können und werden, bleibt eine offene Frage. Insofern schafft der Schuman-Plan immerhin eine zusätzliche Chance, die der wirtschaftlich und standortmäßig besonders günstigen deutschen Stahlindustrie nach dem ökonomischen Prinzip des Vertrages bevorzugte Aussichten bietet, aber keine Sicherheit. Entscheidend werden also bis auf weiteres die innerdeutschen Anstrengungen zur Beschaffung der Milliardenbeträge an Investitionsmitteln für die deutschen Grundstoffindustrien bleiben. Hierbei war zu prüfen, ob die bisher leider in viel zu geringem Ausmaß zu mobilisierenden Remontagekredite mit ihren geringfügig verbilligten Zinssätzen oder die Investitionshilfe als die neben der auslaufenden MarshallPlan-Hilfe einzigen staatlich beeinflußten Kreditchancen der Grundstoffindustrien eventuell durch die „Hohe Behörde" auf Grund des Artikels 54 Absatz 5 zunichte gemacht werden könnten. Dazu kann im Zusammenhang mit den Schutzbestimmungen des § 29 der Übergangsregelungen nur noch einmal auf das Ergebnis der grundsätzlichen Prüfung des Artikels 54 durch den Ausschuß verwiesen werden: es handelt sich bei den durch Remontagekredite oder Mittel der Investitionshilfe finanzierten Vorhaben in keinem einzigen Fall um „anti-wirtschaftliche" oder auch nur unwirtschaftliche Investitionen, deren Durchführung irgendwelche vertragswidrige Subventionen, Beihilfen, Schutzmaßnahmen oder sonstige Diskriminierungen und damit auf die Dauer eine Verfälschung der Wettbewerbsbedingungen nach sich ziehen würde; im Gegenteil würde die Produktivität der deutschen Stahlproduktion im Allgemeininteresse verbessert. Die Investitionshilfe kann schon überhaupt nicht in den Verdacht einer Schutz- oder Subventionsmaßnahme geraten, da ihre Mittel wie sonstige Kapitalmarktmittel vergeben werden; soweit die auch in der Mehrheit der anderen Unterzeichnerstaaten üblichen kurzfristig terminierten Abschreibungsvergünstigungen in Frage stehen, handelt es sich nur um die teilweise Aufhebung einer staatlichen Begrenzung an sich innerbetrieb- licher Dispositionen, von denen ein Unternehmen Gebrauch machen kann oder nicht. Was die geringe Zinsverbilligung der Remontagekredite anbelangt, so muß der' Ausschuß auf das im Vertrag immer wieder betonte Prinzip der Nichtdiskriminierung aufmerksam machen: abgesehen davon, daß in der Mehrzahl der Unterzeichnerstaaten ohnehin günstigere Zinsbedingungen vorhanden sind, besteht dort daneben die Praxis einer weiteren Kreditverbilligung für die Investitionsprogramme in den Grundstoffindustrien. Die Mehrheit des Ausschusses schloß sich im übrigen der Auffassung an, daß das Remontageproblem rechtlich überhaupt kein Problem von Subventionen, Beihilfen usw. sei, sondern vielmehr eine Frage des Ersatzes erlittener Schäden darstelle; die Form dieses Schadenersatzes könne ohne Zweifel so eindeutig festgelegt werden, daß hierbei im Zusammenhang mit dem Artikel 54 auch für den größten Zweifler keine Komplikationen mehr denkbar seien. Dementsprechend können nach Auffassung der Mehrheit des Ausschusses auch die Bestimmungen des § 2 Ziffer 2 Absatz 2 sowie des § 11 der Übergangsregelungen für Deutschland keine materielle Bedeutung haben. Gemeinsamer Markt mit freier Preisbildung, Freizügigkeit der Arbeitskräfte und Nichtunterbindung der freien Standortwahl sowie die Proklamation des Prinzips der staatlichen oder überstaatlichen Nichtintervention und der nationalstaatlichen Nichtdiskriminierung haben den Unterzeichnern des Schuman-Planes noch keine ausreichende Gewähr für das Funktionieren eines geordneten fairen Leistungswettbewerbs geboten. Sie haben deshalb dem Vertrag in den Artikeln 65 und 66 noch sehr eingehende Bestimmungen einer überstaatlichen Kartell- und Dekonzentrationsgesetzgebung eingefügt, die Verfälschungen des Wettbewerbs auch durch Interessentenabreden oder übermäßige Zusammenballung wirtschaftlicher Macht ausschließen sollen. Nach Artikel 65 werden zunächst einmal im Bereich von Kohle und Stahl alle Kartelle oder kartellähnlichen Vereinbarungen über Preise, Produktions- oder Marktanteile verboten. Es können dann aber von der „Hohen Behörde" für bestimmte Erzeugnisse Vereinbarungen über Spezialisierung oder über gemeinsamen Einoder Verkauf genehmigt werden, wenn nach Feststellung der „Hohen Behörde" diese Vereinbarungen zu einer merklichen Verbesserung der Produktion und Verteilung beitragen und auf der anderen Seite keine marktbeherrschenden Machtpositionen schaffen. Für den Ausschuß ergab sich in diesem Zusammenhang die Pflicht, zu prüfen, inwieweit diese Bestimmungen in Deutschland sowie in den anderen Unterzeichnerstaaten grundsätzlich die Schaffung oder Aufrechterhaltung zentraler Kohleverkaufsorganisationen zulassen oder nicht. Dabei war insbesondere der § 12 Absatz 5 des Übergangsabkommens zu beachten. Diese Vorschrift verpflichtet die „Hohe Behörde" zur Schaffung geeigneter Verfahren und Organisationen, die zur Lösung der in dem genannten § 12 erwähnten Probleme zweckdienlich erscheinen und mit dem Vertrag vereinbar sind. Es war weiter die Bestimmung des Artikels 53 Absatz a hinzuzuziehen, wonach jede Art von gemeinsamen finanziellen Einrichtungen für mehrere Unternehmen unter bestimmten formalen Voraussetzungen geschaffen werden kann. Grundsätzlich ist also eine zentrale Organisation des Kohlenabsatzes im Rahmen des Schuman-Plans möglich; ob eine solche Organisation den bisherigen Vorstellungen oder tatsächlichen Verhältnissen in Deutschland oder in Frankreich noch in vollem Umfang entsprechen wird, ist eine zweite Frage, die vom Ausschuß gegenwärtig nicht geprüft werden konnte. Artikel 66 spricht hinsichtlich der Zusammenschlüsse von Unternehmen oder der Begründung von Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnissen zwischen ihnen nicht wie Artikel 65 ein generelles Verbot aus, sondern beschränkt sich zunächst auf die grundsätzliche vorherige Genehmigungspflicht für alle derartigen Transaktionen. Stellt die „Hohe Behörde" fest, daß die der Genehmigungspflicht unterliegenden Transaktionen nicht die Möglichkeit einer erheblichen Zusammenballung wirtschaftlicher Macht mit dem Ergebnis einer fühlbaren Marktbeherrschung oder Wettbewerbsbeschränkung bieten, so hat sie ihre Genehmigung zu erteilen. Dabei ist nach Absatz 2 von Artikel 66 Ziffer 2 „gemäß dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung . . . der Größe der innerhalb der Gemeinschaft bestehenden Unternehmen gleicher Art in dem Maße Rechnung zu tragen, das sie für gerechtfertigt hält, um die aus einer Ungleichheit der Wettbewerbsbedingungen sich ergebenden Nachteile zu vermeiden oder auszugleichen." Auf Grund der Übergangsbestimmungen hat die „HoheBehörde" alle zur Durchführung dieser Bestimmungen notwendigen Auskünfte über die tatsächlich in den Unterzeichnerstaaten bestehenden Verhältnisse einzuholen. Erfolgt ohne vorherige Genehmigung der „Hohen Behörde" oder in der Zeit zwischen der Unterzeichnung und dem Inkrafttreten des Vertrages eine Transaktion im Sinne des Artikels 66, die die „Hohe Behörde" auch nachträglich für unzulässig erklärt, so werden ihr alle Vollmachten zur Beseitigung der Wirksamkeit der Transaktion und zur Festsetzung von Bußgeldern, sogar zur Aufforderung an die Mitgliedstaaten eingeräumt, in ihrer Gesetzgebung die Voraussetzungen zur Durchführung dieser Vollmachten vorzusehen. Selbstverständlich unterliegen die Entscheidungen der „Hohen Behörde" der Klagemöglichkeit beim „Gerichtshof". Für den Ausschuß, der zunächst nur den Vertrag als solchen ohne Einbeziehung besatzungsrechtlicher Sonderregelungen geprüft hat, ergab sich insbesondere aus den Formulierungen von Artikel 66 Ziffer 2 Absatz 2, daß die „Hohe Behörde" unter keinen Umständen zweierlei Recht in der horizontalen oder vertikalen Konzentration innerhalb der Montan-Union dulden darf, da bei der Versagung entsprechender Genehmigungen ohne weiteres und mit vollem Erfolg einschließlich von Wiedergutmachungsansprüchen der „Gerichtshof" angerufen werden kann, falls sich daraus Nachteile für die Wettbewerbsfähigkeit . der betreffenden Unternehmen ergeben sollten. Gegenwärtig bestehen in den anderen Kohle- und Stahl-Produktionsländern des Schuman-Plans betriebliche Größenordnungen, die z. T. über frühere deutsche Verhältnisse hinausgehen. Dafür können als Beispiele der Arbed-, der De Wendel-Konzern sowie die jüngste lothringische Konzentration angeführt werden. Die erwähnten Vertragsbestimmungen werden daher nach Auffassung der Mehrheit des Ausschusses, die von der Bundesregierung bestätigt wurde, die „Hohe Be- hörde" verpflichten, bei etwaigen späteren Zusammenschluß-Bestrehungen den deutschen Unternehmen nach Größe und Verbundmöglichkeit den gleichen wirtschaftlichen Status einzuräumen, der entsprechenden Unternehmen anderer Mitgliedstaaten eingeräumt ist. Im Zusammenhang mit Artikel 66 war sodann noch das Verhältnis zu klären, in dem diese Bestimmungen zu der Generalklausel des Artikels 83 hinsichtlich des Rechts der Einzelstaaten stehen, das Eigentum an den Kohle- und Stahlunternehmen souverän zu ordnen. Die Mehrheit des Ausschusses schloß sich der Auffassung der Bundesregierung an, die sich mit der der französischen Regierung deckt, daß Artikel 83 gegenüber Artikel 66 eine lex specialis darstellt. Diese Auffassung wird insbesondere durch die Formulierung der Ziffer 7 des Artikels 66 unterstrichen, in der von den Maßnahmen gegen „öffentliche oder private Unternehmen" die Rede ist, die „rechtlich oder tatsächlich auf dem Markte eine beherrschende Stellung einnehmen". Die Überprüfung der unter der Ausgangsvorstellung der „Normallage" für die Funktion des Schuman-Planes vorgesehenen Vertragsbestimmungen hat nach der Meinung der Mehrheit des Ausschusses eindeutig bestätigt, daß in ihnen den im Artikel 5 des Vertrages aufgestellten Forderungen der Nicht- oder möglichst geringen Intervention weitestgehend entsprochen worden ist. Der Ausschuß mußte sich aber die Frage vorlegen, ob diese „Normallage" nicht nur eine schöne Theorie sei. Die angehörten Sachverständigen brachten zum Ausdruck, daß in den vergangenen Jahrzehnten sowohl bei Kohle als auch bei Stahl die anomalen Lagen bei weitem überwogen hätten, im wesentlichen habe es sich dabei allerdings um Absatzkrisen gehandelt. Der derzeitige Zustand der Mangellage sei auch im Hinblick auf die Vergangenheit sehr außergewöhnlich. Seitens der Bundesregierung wurde demgegenüber darauf hingewiesen, daß man selbstverständlich nicht die Erfahrungen vergangener Jahrzehnte, die in kleinen, in sich abgeschlossenen Wirtschaftsräumen gemacht worden sind, ohne weiteres als Zukunftserwartung für die Entwicklung in einem großräumigen gemeinsamen Markt, in dem nur noch wirtschaftliche und nicht mehr politische Faktoren entschieden, unterstellen dürfe. Die Bedeutung dieses Arguments ist vom Ausschuß keineswegs verkannt worden. Der Ausschuß konnte aber nicht an der Tatsache vorbeigehen, daß bei einem schnellen Inkrafttreten des Schuman-Planes zuächst nicht die Idealvorstellung der Normallage, sondern vielmehr eine Mangellage gegeben sein wird. Diese muß auch vorerst noch als so kritisch angesehen werden, daß die vertragliche Anweisung des Artikels 57 an die „Hohe Behörde", sich in Zusammenarbeit mit den Regierungen bei Störungen in der Marktentwicklung „vorzugsweise" indirekter Maßnahmen wie der Einflußnahme auf die Gestaltung öffentlicher Investitionen und des öffentlichen Verbrauchs oder preis- oder handelspolitischer Einwirkungen zu bedienen, zu ihrer Überwindung nicht als ausreichend angesehen werden kann. Der Vertrag selbst sieht in seinem Artikel 59 für den Fall der innerhalb der Gemeinschaft bestehenden „ernsten Mangellage bei einzelnen oder allen ihrer Zuständigkeit unterliegenden Erzeugnissen" zwei verschiedene Möglichkeiten des zentralen Eingreifens vor. Danach kann es einmal auf Grund einer einstimmigen Entscheidung des „Rates" im Benehmen mit der „Hohen Behörde" zu „Verwendungsprioritäten" und zur „Verteilung des Aufkommens der Gemeinschaft an Kohle und Stahl auf die ihrer Zuständigkeit unterstehenden Industrien, den Export und den sonstigen Verbrauch" kommen. Für den Fall, daß ein solcher einstimmiger Beschluß des „Rates" nicht zustandekommt, hat die Hohe Behörde selbst „die Verteilung des Aufkommens der Gemeinschaft auf die Mitgliedstaaten entsprechend (en fonction) dem Verbrauch und den Ausfuhren unabhängig vom Standort der Erzeugung" vorzunehmen. Innerhalb jedes Mitgliedstaates erfolgt dann die Weiterverteilung der nach den vorstehenden Grundsätzen zugewiesenen Globalkontingente wie auch bisher unter der Verantwortung der einzelnen Regierungen. Die „Hohe Behörde" ist allerdings bei der Festsetzung der Gesamtmengen für die Ausfuhr und die Kohle- und Stahlindustrie zu hören. Sie kann als eine Art Sanktionsmöglichkeit bei überverhältnismäßiger Kürzung der Ausfuhr- und Kohle-Stahl-Anteile bei- späteren Neuverteilungen gemäß Artikel 59 Ziffer 3 die Gesamtzuteilungen an den betreffenden Staat um die an den Export- und Kohle-Stahl-Anteilen gekürzten Mengen herabsetzen. In jedem Falle der ernsten Mangellage gemäß Artikel 59 obliegt allerdings der „Hohen Behörde" die Feinverteilung der global für die Kohle- und Stahlindustrie durch die Einzelstaaten zugewiesenen Mengen „auf einer gerechten Grundlage" auf die einzelnen Unternehmen. Die „Hohe Behörde" kann ferner in der Mangellage gemäß Artikel 59 nach Anhörung des „Beratenden Ausschusses" und Zustimmung des „Rates" „in sämtlichen Mitgliedstaaten Beschränkungen 'für die Ausfuhr nach dritten Ländern" einführen. Diese Beschränkungen können auch erfolgen, ohne daß die vorstehenden allgemeinen Quotierungsmaßnahmen ergriffen werden. Der Ausschuß hat diese für die Mangellage vorgesehenen Bestimmungen, die bedauerlicherweise die erste Wirklichkeit in der Montan-Gemeinschaft sein werden, besonders eingehend geprüft. Er mußte dabei von der Tatsache ausgehen, daß z. Z. kraft siegerstaatlicher Machtausübung durch die Ruhrbehörde Deutschland eine vergleichsweise größere Kürzung der für den Inlandsbedarf verfügbaren Produktionsmengen an Kohle erfahren hat als gewisse Importländer. Der Ausschuß hat die Erklärung der Bundesregierung zur Kenntnis genommen, daß gerade im Hinblick auf diese unbestreitbare diskriminatorische Tatsache der Artikel 59 nicht auf eine feste Referenzperiode, sondern in der elastischen Form des exakt kaum übersetzbaren „en fonction des consommations" auf den effektiven Verbrauch abstellt. Er ist sich darüber klar gewesen, daß dies keine unbedingte Sicherheit für eine gerechte Zuteilung bedeutet, allerdings im Gegensatz zu der derzeitigen Situation einen vor dem „Gerichtshof" einklagbaren Rechtsanspruch gewährt, wie überhaupt der „Gerichtshof" Auch im Falle eines Ermessensmißbrauchs bei der Feststellung einer „Mangellage" oder der Aufhebung des Zuteilungssystems um Entscheidung angerufen werden kann. Dazu kommt, daß der Vertrag die Möglichkeiten zusätzlicher Einfuhren aus dritten Ländern nicht beeinträchtigt, sowie vor allem, daß es gerade bei der Kohle weitgehend beim deutschen Bergbau liegen wird, wie lange und mit welcher Intensität eine Mangellage gegeben ist. Bedenklich mußte allerdings im Hinblick auf die Lebensfrage der Schwedenerzeinfuhr für die deutsche Stahlindustrie gegen deutschen Kohlen- und Koksexport nach Schweden die Vollmacht der „Hohen Behörde" erscheinen, in der Mangellage „in sämtlichen Mitgliedstaaten Beschränkungen für die Ausfuhr nach dritten Ländern" einzuführen. Deutschland steht mit seinem Interesse an der Aufrechterhaltung des Exports in dritte Länder innerhalb der Gemeinschaft nicht allein, bei Kohle gehen seine Interessen mit Belgien und praktisch Luxemburg, bei Stahl mit Frankreich, Belgien und Luxemburg konform. Allerdings sind bei den Zuteilungen, wie schon erwähnt, die Ausfuhrbedürfnisse der Mitgliedstaaten ebenfalls zu berücksichtigen. Der Ausschuß stellte ferner fest, daß gerade auf diese deutsche Lebensfrage der Artikel 2 Absatz 2 („..._ zu vermeiden, daß im Wirtschaftsleben der Mitgliedstaaten tiefgreifende und anhaltende Störungen hervorgerufen werden") und die Klagemöglichkeiten des Artikels 37, der diese „tiefgreifenden und anhaltenden Störungen" aufnimmt, in besonderem Maße abheben. Sicherungen gegen einen Ermessensmißbrauch der „Hohen Behörde" in der Frage der Exportbeschränkungen in der Mangellage sind also ohne Zweifel durch den Vertrag gegeben. Schließlich mußte der Ausschuß die Bestimmungen des Artikels 59 über die Mangellage auch in einem gewissen Zusammenhang mit den Schutzbestimmungen für die deutsche Kohle- und Stahlproduktion im Falle der Krise sehen und würdigen. Nach Artikel 58 kann die „Hohe Behörde" bei einem Rückgang der Nachfrage, dem mit indirekten Maßnahmen gemäß Artikel 57 nicht mehr zu begegnen ist, nach Anhörung des „Beratenden Ausschusses" und mit Zustimmung -des „Rates" in allen Mitgliedstaaten Produktionsquoten und gewisse Einfuhrbeschränkungen sowie Mindestpreise für Kohle und Stahl einführen, wenn sie der Auffassung ist, daß der Nachfragerückgang dem Tatbestand „einer offensichtlichen Krise" entspricht. Anstelle der „Hohen Behörde" könnte auch hier wieder der „Rat" durch eins t i m m i g en Beschluß die gleichen Maßnahmen auslösen. Die festzusetzenden „angemessenen", d. h. dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung entsprechenden Quoten müssen auf Untersuchungen unter Beteiligung der Unternehmen und der Verbände fußen. Dabei sind Quotenüberschreitungen für solche Unternehmen, die auch trotz der Einschränkungen vergleichsweise wirtschaftlich zu arbeiten vermögen, zulässig. Für diese Quotenüberschreitungen sind aber Umlagebeträge zu entrichten, die zur Unterstützung der Unternehmen und insbesondere zur Erhaltung ihrer Arbeitsplätze verwandt werden müssen, bei denen der Gang der Produktion sich über das vorgesehene Maß hinaus verlangsamt." Die Handhabe zur Verstärkung .der Wirksamkeit eines Quotensystems in der Krise durch Festsetzung von Mindestpreisen für eines oder mehrere der der Zuständigkeit der „Hohen Behörde" unterliegenden Erzeugnisse gibt der Artikel 61 Absatz b, wonach ähnlich wie im Falle der Fixierung von Höchstpreisen bereits vor der Feststellung einer Mangellage auch die Einführung von Mindestpreisen schon kurz vor dem Ausbruch -einer offensichtlichen Krise erfolgen darf. Die zur weiteren Verstärkung des Schutzes durch Quotensystem und Mindestpreise in der Krise möglichen Beschränkungen der Einfuhr aus dritten Ländern setzen voraus, daß sich der Anteil des Imports am Gesamtverbrauch einzelner Unterzeichnerstaaten erhöht und dazu noch gegebenenfalls preismäßig so gestellt hat, daß hierdurch ein schwerwiegender Nachteil für die innere Produktionsentwicklung der Gemeinschaft zu entstehen droht. Ist dies der Fall, so können in der Krise die einzelnen Unterzeichnerstaaten zur Zurückführung und mengenmäßigen Begrenzung ihrer Einfuhr aus dritten Ländern in dem gleichen Verhältnis angehalten werden, in dem das Quotenniveau unter dem Normalstand liegt. Der Ausschuß beschäftigte sich zunächst mit der Frage, warum die Formulierungen des Artikels 58 für die Krise viel weniger präzise gefaßt worden seien als die des Artikels 59 für die Mangellage. Im Artikel 59 muß eine Feststellung der Mangellage erfolgen. Es muß weiter festgestellt werden, daß die indirekten Maßnahmen des Artikels 57 nicht ausreichen. Außerdem ist von vornherein eine Begrenzung auf einzelne Erzeugnisse möglich. Im Artikel 58 ist von der Auffassung der „Hohen Behörde" die Rede, daß ein Nachfragerückgang den Tatbestand der „offensichtlichen Krise" darstellt und daß die Maßnahmen nach Artikel 57 nicht ausreichen. Diese „offensichtliche Krise" als Voraussetzung für die Schutzmaßnahmen ist aber überhaupt nicht näher umschrieben, insbesondere nicht für Teilgebiete spezifiziert worden. Alle Sachverständigen hoben hervor, daß es tatsächlich nicht möglich gewesen sei, eine exakte Umschreibung für den Tatbestand der „offensichtlichen Krise" zu finden. Wenn ein Absatzrückgang seine Ursache in technischen Umwälzungen habe, so sei dieser verhältnismäßig eindeutig erkennbare Fall durch die Sonderregelungen des Artikels 56 bereits ausgeklammert worden. Im übrigen habe es keineswegs im Interesse der Gemeinschaft und ihrer Ziele gelegen, etwa auf Grund regionaler Absatzkrisen, z. B. in Revieren oder Stahlproduktionsgebieten, die ihre Entstehung oder Erhaltung bisher nur ständigen Subventionierungen verdankt hätten, den Gesamtapparat von Produktionsquoten usw. in Gang setzen zu lassen. Das gleiche gelte für Teilabsatzkrisen etwa nur auf dem Gebiet der Feinbleche oder der Gasflammkohlen. Gerade Deutschland habe die Initiative für einen Einbau des Artikels 58 entfaltet, aber ihn mit großem Bedacht so gefaßt, daß dem Sinne des gesamten Schuman-Plans entsprechend kein Mißbrauch mit Quotenfestsetzungen getrieben werden könne. Man wolle seine Bestimmungen tatsächlich nur im Falle einer ganz offensichtlichen generellen Krise in Kraft gesetzt sehen. Dann allerdings bedeuteten sie zweifellos einen gegenüber der derzeitigen Situation wesentlich verstärkten Schutz, indem den einzelnen Unterzeichnerstaaten mindestens ihre normalen Marktanteile zu tragbaren Preisen innerhalb der Montan-Union gewährleistet würden und Dumpingoder sonstige Mehreinfuhren aus dritten Ländern ausgeschlossen werden könnten. Angesichts der derzeitigen Kostenrelationen werde Deutschland in einem solchen Falle auch nicht zu den Ländern gehören, denen es schwerfallen könnte, ihre Produktionsquoten verhältnismäßig wirtschaftlich auszunutzen. Es komme hinzu, daß umgekehrt wie bei der Mangellage im Falle der Krise die Ausfuhr in dritte Länder keinen Beschränkungen unterworfen werden könne. Auch sehe der Artikel 63 schließlich noch einen wirksamen Schutz gegen eventuelle Diskriminierungsmaßnahmen großer zentraler Einkaufsorganisationen in einzelnen Unterzeichnerstaaten vor. Schließlich könne die Inkraftsetzung der Bestimmungen über die Krise, wenn sie einmal durch die „Hohe Behörde" entgegen lebenswichtigen Interessen der Mitgliedstaaten unterbleiben sollte, auch über den „Gerichtshof" — sogar im Wege der einstweiligen Verfügung — ebenso erzwungen werden wie umgekehrt ihre Aufhebung, wenn die entsprechenden vertragsrechtlichen Voraussetzungen nachgewiesen werden. Im Ausschuß wurde in diesem Zusammenhang schließlich noch die Frage erörtert, ob in der Krise unter dem Schuman-Plan ein Quotenkauf zulässig sei. Der Schuman-Plan besagt darüber nichts. Rein wirtschaftlich erscheint ein solcher Quotenkauf — da die Quotenfestsetzung nur eine vorübergehende,. unter Umständen schnell beendete Sondermaßnahme darstellt und obendrein mit Sicherheit die Überschreitungsumlagen zu zahlen wären — nicht allzu sinnvoll, juristisch erschien er dem Ausschuß darüber hinaus fraglich zu sein. Je nach der Gesamtbeurteilung der Entwicklungsmöglichkeiten eines gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl innerhalb der Montan-Union wurden die einschneidenden Bestimmungen für die Absatzkrise oder die Mangellage von den Mitgliedern des Ausschusses für tragbar gehalten oder im Falle der Mangellage vom deutschen Standpunkt aus für besonders bedenklich bzw. im Falle der Krise für nicht ausreichend angesehen. Die Mehrheit des Ausschusses wandte sich jedoch gegen die Auffassung, daß auch in Zukunft die Regel die Ausnahmelage, und zwar hier insbesondere die Absatzkrisenlage, sein müsse. Es habe infolge der nationalstaatlichen Abschließung in der Vergangenheit zweifellos keine echte Übererzeugung, sondern vielmehr eindeutig ein allgemeiner Unterverbrauch vorgelegen, zudem sei gerade eine Mangellage weitgehend durch deutsche Aktivität zu überwinden. Dementsprechend war die Mehrheit des Ausschusses in Anerkennung der unbestreitbaren Verbesserungen der deutschen Position durch die Artikel 58 und 59 des Vertrages bereit, die in ihnen liegenden Chancen und Risiken als Bestandteil des Vertrages zu akzeptieren. Besonders unter dem Gesichtspunkt anomaler Entwicklungen bei Kohle und Stahl mußte sich der Ausschuß jedoch noch mit den Regelungen des Vertrages beschäftigen, die in Anerkennung der Schwierigkeiten, die aus einer volkswirtschaftlichen Teilkonstruktion eins gemeinsamen Marktes sowohl von Seiten dieses Teilgebietes als auch von Seiten der vorerst nationalstaatlich bleibenden Wirtschaftsbereiche jederzeit erwachsen können, dafür vorsorgen wollen, daß trotzdem die Funktionsfähigkeit sowohl der Montan-Union als auch der nationalstaatlichen Wirtschaftsbereiche ohne gegenseitige Schädigungen erhalten bleibt. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen, daß - dies der schwächste Punkt der gesamten Montan-Union-Idee ist, daß diese Schwäche zu ihrer Überwindung durch andere als Behelfsmittel zwingen wird — wobei die Mehrheit des Ausschusses ihrer festen Absicht Ausdruck gab, diese Überwindung nur nach vorn, d. h. in der Richtung auf ein Fortschreiten der europäischen Integration und nicht im Unterlassen überhaupt zu suchen. Was soll gegenwärtig geschehen, wenn in einem der Unterzeichnerstaaten etwa eine generelle Währungsabwertung erfolgt, ein völliger Umbau des Steuersystems vorgenommen wird, die Kredit- und Kapitalmärkte einschneidenden Restriktionen unterworfen werden usw.? Der Artikel 67, der schon im Zusammenhang mit der Erörterung des Lohn- und Sozialversicherungsproblems kurz erwähnt wurde, will als Generalklausel für die organische Verzahnung von Montan-Union und Einzelvolkswirtschaften in jedem derartigen Fall von entscheidenden Wechselwirkungen mit indirekten Ausgleichsmaßnahmen eingreifen. Dabei hat der Artikel 67 drei schematische Fälle konstruiert: a) Haben irgendwelche Maßnahmen eines Staates schädliche Sonderauswirkungen lediglich auf die wirtschaftliche Position der Kohle- und Stahlindustrie dieses Staates — etwa z. B. eine drastische Heraufsetzung der Zinskosten —, so kann die „Hohe Behörde" die Ermächtigung zur Zahlung besonderer ausgleichender Beihilfen an die Kohle- und Stahlindustrie dieses Landes erteilen. b) Haben irgendwelche Maßnahmen eines Staates schädliche Sonderauswirkungen auf die wirtschaftliche Position der Kohle- und Stahlindustrie in anderen Mitgliedstaaten — z. B. eine Währungsabwertung oder Exportförderungsmaßnahmen —, so fordert die „Hohe Behörde" diesen Staat auf, diese Auswirkungen auf die anderen Kohle- und Stahlindustrien „durch Maßnahmen zu beseitigen, die nach seiner Ansicht am besten mit seinem eigenen wirtschaftlichen Gleichgewicht vereinbar sind", d. h. sie läßt ihm im Rahmen der Generalprinzipien des Vertrages die Wahl der Mittel frei. c) Haben irgendwelche nicht wirtschaftlichen, sondern obrigkeitlichen Maßnahmen eines Staates an sich die Auswirkung, die innerhalb der Montan-Union bestehenden Kostendifferenzen zwischen den Kohle- und Stahlindustrien zu verringern, wird dadurch aber gleichzeitig die Wettbewerbslage der übrigen Industrien dieses Landes ohne wirtschaftlichen Grund begünstigt oder verschlechtert, so richtet die „Hohe Behörde" an den betreffenden Staat die erforderlichen Empfehlungen. Technisch kann nach der Auffassung der Mehrheit des Ausschusses ein solches System von Ausgleichsmaßnahmen funktionieren. Es bedeutet aber unter Umständen eine Komplikation aller wirtschaftspolitischen Vorgänge. Nun liegt, wie an verschiedenen Stellen hervorgehoben wurde, andererseits in dem Vertrag selbst ein erheblicher Zwang zur Vereinheitlichung der Wirtschaftspolitik der Unterzeichnerstaaten. Einmal gehen diese Wirkungen von dem gemeinsamen subventionsfreien Markt für Kohle und Stahl mit seiner' engen Verzahnung mit allen übrigen Bereichen der Wirtschaft selbst aus, zum zweiten werden sie durch den Zwang zur materiellen Angleichung der Lohn-und Sozialbedingungen unterstützt — die Löhne der Bergleute und Stahlarbeiter bilden in allen Volkswirtschaften Eckpfeiler des gesamten Lohnsystems —, zum dritten werden gewisse konforme handels- und devisenpolitische Maßnahmen unabweisbar. Die Praxis wird zu zeigen haben, welche Kräfte stärker sind, die der dem Vertrag immanenten fortschreitenden Integration oder die von i einer Komplizierung der Beziehungen durch eine größere Zahl indirekter Ausgleichsmaßnahmen ausgehenden Gefahren. Es ist dies eine Frage gewesen, die die Mitglieder des Ausschusses nur nach ihrer gesamtpolitischen Einstellung zum besten praktisch realisierbaren Weg einer europäischen Integration beantworten konnten. Dabei gab ihnen der Komplex der Sonderregelungen in den Übergangsbestimmungen einen gewissen Hinweis insofern, als in allen diesen Fällen zielbewußt auf eine Beseitigung bestehender Unterschiede o der besonderer Anpassungsschwierigkeiten hingesteuert wird. Der Vertrag soll zwar mit der Ratifikation durch den letzten Unterzeichnerstaat in Kraft treten, jedoch ist für die Eröffnung des gemeinsamen Marktes für Kohle eine Karenzzeit von sechs und für Stahl von acht Monaten nach der Einsetzung der „Hohen Behörde" vorgesehen. Die Mangellage nach Artikel 59 Abs. 3 kann jedoch schon unmittelbar nach Aufnahme der Tätigkeit der „Hohen Behörde" festgestellt werden. Mit der Eröffnung des gemeinsamen Marktes beginnt der Lauf der fünfjährigen Übergangszeit, während der eine Reihe von vertraglich vorgesehenen Anpassungsvorgängen abgeschlossen werden muß. Über einen Teil derselben, z. B. auf handels-, verkehrs- oder sozialpolitischem Gebiet, ebenso zugunsten der deutschen Stahlindustrie, ist bereits an anderer Stelle berichtet worden. Hier sind noch die Regelungen zugunsten des belgischen und italienischen und auch — mit Modifikationen — französischen Kohlenbergbaus sowie der italienischen und luxemburgischen Stahlindustrie nachzutragen. Das schwierigste Problem bestand beim belgischen Kohlenbergbau. Ein Teil der belgischen Gruben arbeitet unter den ungünstigsten Bedingungen, die unverhältnismäßig hohe Kosten verursachen. Eine vorbehaltlose Eingliederung Belgiens in den gemeinsamen Markt würde diese Gruben zum sofortigen Erliegen bringen, was bei der gegenwärtigen Kohlenknappheit und den unvermeidbaren sozialen Auswirkungen untragbar gewesen wäre. Man hat daher die belgische Kohle für die Dauer der Übergangszeit aus dem gemeinsamen Markt gewissermaßen „ausgeklammert" um ihr Gelegenheit zu durchgreifenden Rationalisierungen sowie zu Stillegungen derjenigen Betriebe zu geben, die unter keinen Uniständen wettbewerbsfähig gemacht werden können. Zur Erleichterung dieser Anpassung werden dem belgischen sowie dem im Gesamtrahmen der Montan-Union allerdings völlig unbedeutenden sardinischen Bergbau für die Dauer von 5 bzw. 2 Jahren Ausgleichszahlungen unter der Voraussetzung bewilligt, daß die belgische bzw. die italienische Regierung entsprechende Zahlungen in gleicher Höhe leistet. Mit Hilfe dieser Ausgleichsbeträge sollen die belgischen Kohlen- und Stahlpreise auf das Niveau des gemeinsamen Marktes gesenkt werden. Um einen entsprechenden Druck auf diesen Anpassungsvorgang auszuüben, wird die zur Aufbringung der Ausgleichszahlungen erhobene Ausgleichsumlage je Handelstonne Förderung derjenigen Länder, deren durchschnittliche Förderkosten unter dem gewogenen Mittel der Montan-Union liegen, d. h. Deutschland und Holland, von maximal 1,5 % des Umsatzes im ersten Jahr jährlich um 20 % gesenkt, um nach 5 Jahren völlig in Fortfall zu kommen. Ursprünglich lagen Ansprüche auf Ausgleichszahlungen vor von Belgien in Höhe von 150 Millionen $ Frankreich in Höhe von 40 Millionen $ der Saar in Höhe von 10 Millionen $ Italien in Höhe von 5 Millionen $ Diese Anmeldungen zeigten sehr schnell, daß die Aufbringung derartiger Umlagen den gesamten Gedanken der Montan-Union unmöglich machen mußte. Frankreich verzichtete daher für sich und die Saar auf Ausgleichszahlungen; nach § 28 hat die „Hohe Behörde" nur das Recht, zugunsten Frankreichs während der Übergangszeit Ausgleichsumlagen zwischen den französischen Revieren zu erheben. Belgien wäre dagegen ohne eine derartige Anpassungsregelung nicht in die Montan-Union einzufügen gewesen; mit Belgien wären dann auch die beiden anderen Beneluxstaaten dem Vertrag ferngeblieben. Allerdings waren die ursprünglich von Belgien erhobenen Forderungen in dem erwähnten Umfang nicht zu realisieren. Für Deutschland wird nach der vorstehend skizzierten endgültigen Vereinbarung im ersten Jahr eine Maximalumlage von rund 65 Millionen DM, innerhalb der Gesamtlaufzeit also ein Betrag von höchstens rund 195 Millionen DM zu Lasten seines Kohlenbergbaus aufzubringen sein. Als Äquivalent für dieses außergewöhnliche Opfer erhält Deutschland die durch den Fortfall der unrentablen belgischen Zechen ermöglichte Erweiterung seines Absatzmarktes, was insbesondere für Krisenzeiten von größter Bedeutung sein wird. Die italienische Eisenindustrie erhält keinerlei Ausgleichszahlungen, sie wird zur Erleichterung ihrer Anpassung lediglich ermächtigt, während der fünfjährigen Übergangszeit in starker Degression einen gewissen Zollschutz aufrechtzuerhalten. Danach muß sie sich jedoch in vollem Umfang ebenfalls dem freien Wettbewerb innerhalb der MontanUnion und sogar unter weiterer Senkung ihrer Außenzölle auf die in anderem Zusammenhang erwähnten 3 % auch dem Wettbewerb von außerhalb der Montan-Union stellen. Luxemburg schließlich soll in besonderem Maße angesichts des außergewöhnlich hohen Anteils seiner Stahlproduktion am gesamten Volkseinkommen von den auch für Deutschland wesentlichen Schutzmöglichkeiten des § 29 des Übergangsabkommens Gebrauch machen können. i Der Vertrag über die Montan-Union soll nach der fünfjährigen Übergangszeit noch weitere 45 Jahre, insgesamt also 50 Jahre vom Zeitpunkt seines Inkrafttretens an laufen. Es ist daher im Ausschuß zunächst die Frage erhoben worden, ob ein Parlament eines der Unterzeichnerstaaten überhaupt die Verantwortung für eine so lange Bindung wesentlicher Teile seiner Volkswirtschaft an die hier im einzelnen behandelten Bestimmungen des Vertrages übernehmen könne. Es wurde dabei von der Mehrheit des Ausschusses nicht verkannt, daß kein Unterzeichnerstaat ohne die Sicherheit eines langfristigen Bestehens der Montan-Union sich aus politischen Gründen beispielsweise dem Prinzip der freien Standortbildung für die Kohle- und Stahlindustrien innerhalb des Gesamtgebietes unterwerfen könne. Andererseits konnte der Ausschuß aber nicht daran vorübergehen, daß ein Vorausdenken aller innerhalb von 50 Jahren möglichen wirtschaftlichen und auch politischen Entwicklungen, wie es der Vertrag in seiner Konzeption und Funktionenteilung tatsächlich unternimmt, ein Unterfangen ist, das naturnotwendig Gefahr läuft, die lebendige Wirklichkeit in unerwünschte Fesseln zu spannen. Der Ausschuß mußte daher vor einer abschließenden Stellungnahme zu den Funktionsmöglichkeiten des Schuman-Planes als solchen und seinen wahrscheinlichen Auswirkungen auf die deutsche Volkswirtschaft eingehend die im Vertrag enthaltenen Revisionsmöglichkeiten prüfen. Im Artikel 95 Absatz 1 wird zunächst einmal bei einstimmiger Zustimmung des „Rates", d. h. aller Mitgliedstaaten, und nach Anhörung des paritätischen „Beratenden Ausschusses" die Möglichkeit eröffnet, im Rahmen der grundlegenden Artikel 2, 3, 4 und 5 des Vertrages durch Erlaß von Entscheidungen oder Empfehlungen der „Hohen Behörde" offensichtliche technische Vertragslücken zu schließen. Die folgenden Absätze des Artikels 95 beschäftigen sich mit der Möglichkeit einer ersten Vertragsrevision nach Ablauf der fünfjährigen Übergangszeit. Diese Revision, über deren technisch sehr erschwerte Durchführung unter ausnahmsweiser Mitwirkung der „Versammlung" und des „Gerichtshofs` bereits an anderer Stelle berichtet worden ist, ist jedoch in zweierlei Hinsicht von vornherein begrenzt; sie darf nämlich einmal nicht den überstaatlichen Charakter der Montan-Union, insbesondere der „Hohen Behörde", in der Richtung auf ein bloßes zwischenstaatliches Organ abschwächen — diesem Prinzip konnte die Mehrheit des Ausschusses zustimmen. Die Revision nach Artikel 95 darf aber weiterhin auch nicht die legislativen Vollmachten der „Versammlung" gegenüber der „Hohen Behörde" verstärken: diese Einschränkung hat die Mehrheit des Ausschusses außerordentlich bedauert. Im übrigen können im Rahmen dieser Einschränkungen alle wesentlichen Anpassungen in den der „Hohen Behörde" übertragenen Befugnissen vorgenommen werden, die aus Schwierigkeiten bei der Anwendung des Vertrages oder aus einer tiefgehenden Änderung der wirtschaftlichen oder technischen Bedingungen resultieren. Die „große" Revisionsklausel des Vertrages, die erst nach Ablauf der Übergangszeit wirksam wird, gestattet gemäß Artikel 96 auf Vorschlag jedes einzelnen Mitgliedstaates oder der „Hohen Behörde" jede materielle Änderung des Vertrages — wenn auf Grund dieses Vorschlages der „Rat" mit Zweidrittelmehrheit, d. h. mit den Stimmen entweder Deutschlands und Frankreichs, dazu beispielsweise Belgiens und Luxemburgs, oder Deutschlands oder Frankreichs und dazu beispielsweise Italiens, Belgiens und Luxemburgs, für die sofortige Abhaltung einer Konferenz der Vertragsstaaten eintritt. Die von einer solchen Konferenz beschlossenen Änderungen treten in Kraft, wenn sie genau wie das vorliegende Vertragswerk von den einzelnen Parlamenten der Mitgliedstaaten ratifiziert worden sind. Für den Fall des Beitritts weiterer europäischer Länder, z. B. Großbritanniens oder Schwedens, zu diesem Vertrag ist keine erneute Konferenz aller beteiligten Staaten vorgesehen. Vielmehr genügt hier eine einstimmige Entscheidung des „Rates", der ebenso einstimmig die Bedingungen für den Beitritt festzusetzen hat. Das Sonderproblem der sowjetischen Besatzungszone wird nach § 22 der Übergangsbestimmungen allein von der Bundesregierung im Einverständnis mit der „Hohen Behörde" geregelt. Der Vertrag erkennt damit eindeutig an, daß die sowjetische Zone im Verhältnis zur Bundesrepublik nicht als Ausland anzusehen ist. Für Berlin gilt nach der Auffassung der Bundesregierung, der sich die Mehrheit des Ausschusses anschloß, mindestens das gleiche, wenn nicht hier sogar noch die Bestimmungen des Artikels 79 verstärkend im Sinne einer noch engeren Bindung wirken. Die Eingliederung der sowjetischen Besatzungszone nach einer Wiedervereinigung Deutschlands wird Gegenstand besonderer Anpassungsmaßnahmen sein müssen, die durch Zusatzverträge zu regeln sein werden. Die große Revision des Vertrages nach Artikel 96 ist sicherlich nicht allzu einfach, andererseits aber bei Vorliegen wichtiger gemeinsamer Anliegen der Mitgliedstaaten, die sich aus der Entwicklung und aus den Erfahrungen ergeben, auch nicht übermäßig erschwert. Die Mehrheit des Ausschusses gelangte daher nach der Prüfung des Schuman-Plans als solchen, d. h. ohne Einbeziehung der deutschen Vorbelastungen kraft siegerstaatlicher Machtausübung, zu der Auffassung, daß der Vertrag verständlicherweise vom deutschen Standpunkt aus vielleicht nicht als eine Ideallösung angesehen werden, daß eine solche Ideallösung aber nach menschlichem Ermessen gegenwärtig auch gar nicht erhofft werden könne. Bei einer überstaatlichen Gemeinschaft, der sich verschiedene Volkswirtschaften freiwillig unterstellen sollen, muß jede einzelne zu Kompromissen bereit sein. Das Ergebnis dieses Kompromisses muß allerdings die Risiken und Chancen im einzelnen gerecht verteilen und für die Gesamtheit einen Fortschritt und eine Verbesserung bedeuten und technisch funktionieren können. In dieser Hinsicht gelangte die Mehrheit des Ausschusses nach der hiermit vorgelegten eingehenden Prüfung zu einem positiven Urteil. Es blieb dem Ausschuß aber noch die verantwortungsvolle Aufgabe gestellt, zu prüfen, ob wirklich die mit einem solchen, unter dem Leitgedanken der Nichtdiskriminierung stehenden überstaatlichen Gemeinschaftsvertrag unvereinbaren, einseitig Deutschland auferlegten siegerstaatlichen Beschränkungen spätestens mit der Eröffnung des gemeinsamen Marktes ihr Ende finden werden, wie dies in Übereinstimmung mit der Auffassung der Bundesregierung in dem eingangs zitierten Schreiben des französischen Außenministers vom 18. April 1951 als Voraussetzung für die Montan-Union bestätigt und in der Stellungnahme des Bundesrats zur Drucksache Nr. 2401 und in dem fast gleichlautenden Antrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 2484 unterstrichen worden ist. Dem Ausschuß wurden zu diesem Zweck vertraulich die Auskünfte über die Londoner Vereinbarungen vom 19. Oktober 1951 gegeben und dem Vorsitzenden, dem stellvertretenden Vorsitzenden und dem Berichterstatter die Texte dieser Vereinbarungen zugänglich gemacht, die inzwischen auch veröffentlicht worden sind. Nach der ersten dieser Vereinbarungen, dem „Protokoll über den Entwurf eines Abkommens zur Beendigung des Abkommens über die Ruhr", haben die Regierungen der USA, Belgiens, Frankreichs, Luxemburgs, der Niederlande und Großbritanniens — also die Unterzeichnerstaaten des Ruhrstatuts — beschlossen, den Entwurf eines Abkommens zur Beendigung der Funktionen der Internationalen Ruhr- behörde und des Abkommens über die Ruhr zu unterzeichnen, sobald der Schuman-Plan in Kraft getreten sein wird. Nach Artikel 1 und Artikel 6 dieses Abkommens hört jede Funktion der Internationalen Ruhrbehörde — außer ihrer eigenen Abwicklung — und jede Existenz des Ruhrstatuts spätestens mit der Errichtung des gemeinsamen Marktes, also sechs Monate nach Ernennung der Mitglieder der „Hohen Behörde" auf. Vor diesem Zeitpunkt finden aber bereits eine Reihe von Bestimmungen des Ruhrstatuts bzw. Eingriffsrechte der Ruhrbehörde ihr Ende. So gibt es schon vor der Errichtung des gemeinsamen Marktes keine einseitigen Exportauflagen der Ruhrbehörde mehr, wenn die „Hohe Behörde" schon zuvor den Artikel 59 Absatz 3 des Schuman-Planes anwendet. Nach der dritten Vereinbarung, dem Abkommen zur Änderung des Abkommens über die Industriekontrollen vom 3. April 1951, das im Namen der USA, Frankreichs und Großbritanniens von den Hohen Kommissaren in Kraft gesetzt wird, treten mit Inkrafttreten des Schuman-Planes alle mengenmäßigen oder technischen Beschränkungen der Stahlproduktion und der Stahlkapazität und damit die entsprechenden Funktionen der Alliierten Kontrollgruppen und des Alliierten Sicherheitsamtes für Deutschland außer Kraft. Als viertes Dokument ist diesen Vereinbarungen eine Anweisung an die Hohen Kommissare zur Ausführung dieser Abkommen beigefügt. Nach dieser Weisung stellen die Alliierte Hohe Kommission und ihre Dienststellen — also insbesondere die Kohle- und Stahlkontrollgruppen und das Sicherheitsamt — alle ihre Funktionen auf dem Gebiet von Kohle und Stahl ein mit der einzigen Ausnahme, daß das Gesetz Nr. 27 zur Entflechtung und Neuordnung des deutschen Kohlenbergbaus und der deutschen Stahlindustrie noch zu Ende durchgeführt wird. Die außerordentliche Tragweite dieser Vereinbarungen über die Beseitigung von Ruhrstatut und Ruhrbehörde sowie über die Aufhebung aller Produktions- und Kapazitätsbeschränkungen in der Stahlindustrie im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Schuman-Planes, deren sich der Ausschuß in seiner Mehrheit vollauf bewußt war, bedarf im Rahmen dieses Berichts keiner weiteren Unterstreichung. Der Ausschuß hat mit Genugtuung davon Kenntnis genommen, daß eine Wiederholung der bedauerlichen Entscheidungen des Militärischen Sicherheitsamtes über die AugustThyssen-Hütte und Watenstedt-Salzgitter nicht mehr möglich ist und mit dem ungehinderten Wiederaufbau dieser Werke nach Inkrafttreten des Schuman-Plan-Vertrages unverzüglich begonnen werden kann. Der Ausschuß war sich durchaus darüber klar, daß die Beendigung der Funktionen des Alliierten Sicherheitsamtes und der Alliierten Kontrollgruppen, soweit sie die Produktion und Kapazität von Kohle, Eisen und Stahl betreffen, mit dem Inkrafttreten des Schuman-Planes leider noch nicht gleichzeitig das Ende der Tätigkeit des Alliierten Sicherheitsamtes auf anderen Gebieten, z. B. der Kontrolle der Buna-Produktion oder der Elektronenröhren-Fabrikation bedeutet. Er erkannte jedoch in seiner Mehrheit an, daß diese Frage in den Komplex der gegenwärtig laufenden Verhandlungen über den Generalvertrag gehört und mit der Montan-Union nicht direkt in Zusammenhang gebracht werden kann. Zweifelhaft erschien der Mehrheit des Ausschusses allerdings die Konsequenz der Weitergeltung der Vollmachten der Hohen Kornmission zur Ausführung des Gesetzes 27 und damit im Zusammenhang stehend das Schicksal des deutschen gemeinschaftlichen Kohlenverkaufs. In dem dem Ausschuß bereits zu einem früheren Zeitpunkt zur Kenntnis gebrachten Schriftwechsel zwischen der Hohen Kommission und der Bundesregierung über das Gesetz 27 hatte die Hohe Kommission zum Ausdruck gebracht, daß der baldige Abschluß dieser Entflechtungs- und Neuordnungsmaßnahmen eine Voraussetzung für das Funktionieren des Schuman-Planes bilde und daß es ihr Ziel sei, mit dem Abschluß der Durchführung des Gesetzes 27 alle Kontrollen auf diesem Gebiet zu beenden. Das Gesetz 27 wird aber im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Schuman-Planes wohl leider noch nicht durchgeführt sein, so daß Deutschland in dieser Beziehung mit einem schweren Handikap in den Vertrag hineingehen müßte. Dieses Handikap wurde von der Mehrheit des Ausschusses nur dann für tragbar gehalten — und diese Meinung wurde durch eine entsprechende Erklärung der Fraktionen der FDP, CDU/CSU und DP der Bundesregierung zur Kenntnis gegeben — wenn seitens der Alliierten nochmals ausdrücklich klargestellt wird, daß Deutschland auch im Hinblick auf die vom Gesetz 27 getroffenen Regelungen nach Abschluß seiner unverzüglichen Durchführung nur mehr den für alle anderen Mitgliedstaaten des Schuman-Planes gemäß den Artikeln 65 und 66 geltenden Bestimmungen unterworfen sein wird. Wenn diese unter dem Gesichtspunkt der völligen Nichtdiskriminierung eigentlich selbstverständliche Klarstellung erfolgt, wird nach der Auffassung der Mehrheit des Ausschusses auch hier gerade durch den Schuman-Plan eine zusätzliche deutsche Chance zur vernünftigen Korrektur von der europäischen Wirklichkeit fremden, übertrieben dogmatischen Entscheidungen, ja sogar ein echter Rechtsanspruch in dieser Richtung eröffnet. Dabei ließ die Mehrheit des Ausschusses keinen Zweifel darüber, daß sie durchaus die Grundtendenzen einer Beseitigung der Zusammenballung übermäßiger wirtschaftlicher Macht bejaht, wie sie Artikel 65 und 66 des Schuman-Planes vorsehen. Hinsichtlich des gemeinschaftlichen Kohlenverkaufs, dessen Auflösung ursprünglich von den Alliierten für den 1. Juli 1951 vorgesehen war, konnte die Bundesregierung dem Ausschuß mitteilen, daß die deutschen Bemühungen zur Verhinderung dieser bedingungslosen Auflösung zwischenzeitlich zur Bildung einer paritätischen alliierten-deutschen Sachverständigenkommission führten. Diese hat inzwischen einen auch von den beiden deutschen Sachverständigen unterzeichneten Vorschlag für eine Neuregelung des deutschen Kohlenverkaufs ausgearbeitet, mit dem sich aber die Bundesregierung bisher nicht einverstanden erklärt hat, weil er einen sehr schwerfälligen und kostspieligen Apparat zur Folge haben müßte. Es sei nunmehr zwischen der Hohen Kommission und der Bundesregierung zur erneuten Diskussion über die Verbesserung dieses Vorschlages gekommen. Der Vorschlag der paritätischen Sachverständigenkommission sah eine zentrale Funktion des gemeinschaftlichen Kohlenverkaufs nur in. den Krisen- oder Mangellagen des Schuman-Planes vor; im übrigen sollten 6 Erzeugergruppen mit je 9 Inlandsverkaufsstellen gebildet werden. Immerhin war für die Ruhrkohle eine Auftragskoordinierung nach Sorten, ein Beschäftigungsausgleich, eine Verkehrssteuerung und eine statistische Zusammenfassung in einer Gemeinschaftsverwaltung vorgesehen. Die deutschen Abänderungsvorschläge wollen dieser Gemeinschaftsverwaltung ein dauerndes Weisungsrecht gegenüber den angeschlossenen Zechen einräumen, ihr ferner den Abschluß von Verträgen mit Großverbrauchern und für den Export sowie die Abrechnung von Mehr- und Mindererlösen zubilligen. Nach der Erklärung der Bundesregierung ist die bisher erreichte Lösung — und dieser Auffassung schloß sich die Mehrheit des Ausschusses an — zwar nicht optimal, aber doch praktisch brauchbar. Auch in dieser Frage darf aber nach der Auffassung der Mehrheit des Ausschusses Deutschland nach Inkrafttreten des Schuman-Planes unter dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung nur noch den, gleichen Bestimmungen unterliegen wie die anderen Unterzeichnerstaaten auch. Am Schlusse dieses Berichts über die vielleicht eingehendsten Beratungen, die bisher in dem Ausschuß stattgefunden haben, sollen noch einmal vor dem Deutschen Bundestag die wesentlichsten Gründe kurz zusammengefaßt werden, die die Mehrheit des Ausschusses sich unter den anschließend genannten Vorbehalten für den SchumanPlan entscheiden ließ. Es waren dies: 1. das Ziel eines im Interesse des Friedens und sozialen Fortschritts liegenden gleichberechtigten Zusammenwachsens der freien europäischen Völker, das überhaupt den Anstoß zum Schuman-Plan gebildet hat. Der Ausschuß hätte es in seiner Mehrheit auch begrüßt, wenn es gelungen wäre, zunächst einen allgemeinen politischen Überbau, eine bundesstaatliche Verfassung für dieses Europa zu errichten. Er war sich aber während seiner ganzen Beratungen der Tatsache nur zu bewußt, daß in der politischen Ebene nicht die Wünschbarkeiten, sondern vielmehr die harten Realitäten und das jeweils Erreichbare entscheiden. So sah er in seiner Mehrheit im Schuman-Plan das erste wirkliche Teilstück einer übernationalen europäischen Einigung. 2. die Erkenntnis des Zurückbleibens des Lebensstandards der europäischen Völker aus ihrer kleinstaatlichen Abgeschlossenheit gegenüber dem großräumigen Amerika: während in den USA auf 135 Millionen Einwohner jährlich 100 Millionen t Stahl als feste Grundlage eines gehobenen Lebenstandards entfallen, beträgt dieser stählerne Unterbau ihrer Volkswirtschaften mit 155 Millionen Einwohnern in den Schuman-Plan-Ländern mit 32 Millionen t im Jahre 1950 noch nicht einmal ein Drittel des amerikanischen. Die Mehrheit des Ausschusses war der Auffassung, daß es ihre höchste Pflicht sei, jede Gelegenheit zu ergreifen, die wirklich geeignet erscheint, diese europäische Armut zu überwinden. 3. die eindeutigen Bestimmungen des Schuman-Planes, keinerlei rechtliche oder wirtschaftliche Benachteiligungen eines seiner Partner zu dulden, sondern allen nach Maßgabe ihrer Lei- stungsfähigkeit und Tüchtigkeit auf dem gemeinsamen Markt bei Freizügigkeit der Arbeitskräfte, freier Standortbildung und Freiheit der Kapitalinvestitionen die gleichen Chancen im Interesse der Steigerung der europäischen Gesamtproduktion und Beschäftigung zu eröffnen. Die Mehrheit des Ausschusses konnte in diesen Bestimmungen des Schuman-Planes weder Anzeichen eines Superkartells noch die Grundlagen eines gefährlichen „Dirigismus" erblicken, noch sah sie in ihnen die Befürchtungen einer einseitigen Ausbeutung bestätigt, sondern vielmehr ausschließlich die Absicht, die auch in der eigenen Volkswirtschaft so erfolgreich zur Wirksamkeit gelangten Kräfte der freien Initiative zur Entfaltung zu bringen. 4. die Feststellung, daß auch in Zeiten des Mangels oder der drohenden Arbeitslosigkeit die gemeinsame europäische Verantwortung an die Stelle kurzsichtiger Interessenpolitik treten soll, wie sie uns Deutschen leider in den siegerstaatlichen Institutionen 'der Ruhrbehörde und des Ruhrstatuts vorexerziert worden ist. 5. die Gewißheit, daß mit dem Inkrafttreten des Schuman-Planes Ruhrbehörde und Ruhrstatut sowie Kapazitäts- und Produktionsbegrenzungen bei Kohle und Stahl und die entsprechenden Funktionen von Sicherheitsamt und alliierten Kontrollgruppen endlich ein Ende finden werden. 6. die Überzeugung, daß weder dem dringenden Wunsche des 'deutschen Volkes nach Wiedervereinigung noch seiner ständigen Anteilnahme an dem Schicksal des Saargebiets durch den Beitritt zum Schuman-Plan ein Abbruch geschieht — im Gegenteil ist es die Überzeugung der Mehrheit des Ausschusses, daß das Problem der Saar erst auf Grund der europäischen Einigung seine derzeitigen kleinlichen 'machtpolitischen Aspekte verlieren kann, und 'daß das Interesse ganz Europas auf die Eingliederung eines wieder geeinten Deutschlands in die Gemeinschaft der freien Völker gerichtet sein muß. 7. der Wille der Mehrheit des Ausschusses, auch einen nicht ganz leichten deutschen Beitrag zur Mehrung des gegenseitigen Vertrauens zwischen den europäischen Völkern zu erbringen, um schneller zu dem letzten Ziel des vereinigten freien Europas zu gelangen. So beschlossen der Wirtschaftspolitische Ausschuß des Deutschen Bundestages und der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten mit ihrer Mehrheit, dem Bundestag vorzuschlagen, die Ziffern 1 bis 4 des Antrages Drucksache Nr. 2484 der Fraktion der SPD als durch die Ergebnisse ihrer Beratungen für erledigt zu erklären und die Ziffer 5 des Antrages der Fraktion der SPD nach den Klarstellungen durch den Schriftwechsel zwischen der Regierung der Republik Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland abzulehnen. Beide Ausschüsse haben ferner von der Erklärung der Bundesregierung Kenntnis genommen, daß dem Wunsche' des Bundesrates nach einer Mitwirkung in einem besonderen Gesetz Rechnung getragen werden soll. Die Bundesregierung wird an dieser Stelle abschließend noch ein technisches Monitum zur Kenntnis nehmen müssen: der Ausschuß hätte es begrüßt, wenn die deutsche Übersetzung des Schuman-Plans an manchen Stellen genauer gewesen wäre, so daß er sich in diesen Fällen den wahren Sinn des Vertrages nicht erst an Hand des französischen Textes hätte erarbeiten müssen. Die Bundesregierung hat die mangelhaften Stellen der Übersetzung bereits in den Ausschüssen berichtigt und die Herstellung eines revidierten Textes zugesagt. Die Mehrheit des Ausschusses für Wirtschaftspolitik empfiehlt — unter dem von der Fraktion der FDP gemachten Vorbehalt, daß seitens der Hohen Kommission noch vor der Abstimmung im Plenum auf die hinsichtlich der Anwendung des Gesetzes Nr. 27 von der Bundesregierung an die Hohe Kommission gerichtete Note eine befriedigende Antwort erteilt wird — dem Deutschen Bundestag, den Gesetzentwurf Drucksache Nr. 2401 betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zuzustimmen. Die Mehrheit des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten — dessen Bezeichnung nach der Ratifizierung des Schuman-Plans hoffentlich bald auf den letzteren Teil beschränkt werden kann — empfiehlt dem Plenum 'ebenfalls die Zustimmung zu dem genannten Gesetzentwurf. In diesem Ausschuß haben die den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP und Föderalistischen Union angehörenden Mitglieder ihre Zustimmung zum Ratifikationsgesetz, allerdings ebenfalls unter dem Vorbehalt gegeben, daß „seitens der Hohen Kommission auf die über die Anwendung des Gesetzes Nr. 27 der Alliierten Hohen Kommission an diese gerichtete Note vor der Beratung des Gesetzes im Plenum eine die genannten Fraktionen befriedigende Antwort erteilt werde". Dr. Preusker, Berichterstatter
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Victor-Emanuel Preusker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Entsprechend einem Beschluß des Wirtschaftspolitischen Ausschusses, des federführenden Ausschusses für den Schumanplan, hatte ich den Bericht bereits schriftlich zu erstatten.*) Sie brauchen nicht zu befürchten, daß ich Ihnen den ganzen Bericht hier noch einmal vortragen werde. Ich werde an vielen Stellen auf den schriftlichen Bericht verweisen können; aber angesichts des Wunsches, dem auch von dem Herrn Abgeordneten Mellies Ausdruck gegeben wurde, daß dem deutschen Volke Gelegenheit gegeben werden solle, die Problematik des ganzen Schumanplans erfassen zu können, werde ich hier doch etwas ausführlicher auf den Schuman-plan als Grundlage für unsere zweite, eingehende Beratung zu sprechen kommen müssen.
    Der Deutsche Bundestag steht mit dieser Beratung des Schumanplans zweifellos vor der schwerwiegendsten Entscheidung, die er bisher im Laufe seiner Funktion zu treffen gehabt hat. Er soll sich darüber klar werden, ob er den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, den Schumanplan, in der vorliegenden Form oder unter bestimmten Auflagen und mit bestimmten Vorbehalten zu ratifizieren vermag oder nicht.
    Angesichts der ungewöhnlichen Bedeutung der Entscheidung des Bundestages über den Schuman-plan für die zukünftige deutsche Entwicklung und das zukünftige europäische Schicksal sei noch einmal kurz an seine Vorgeschichte erinnert. Deutschland konnte das ihm einseitig durch das Londoner Abkommen auferlegte Ruhrstatut stets nur als eine schwerwiegende Diskriminierung kraft machtstaatlichen Siegerrechts empfinden und mußte in ihm den sichersten Weg zur Verhinderung einer europäischen Einigung erblicken. Erst am 9 Mai 1950 schien die Zeit für eine die Vergangenheit überwindende und in die Zukunft weisende Initiative in Europa reif zu sein. An diesem Tage nämlich hat namens der französischen Regierung der französische Außenminister Robert Schuman sein Programm entwickelt, dessen wichtigste Punkte ich noch einmal kurz zitieren möchte:
    Der Weltfriede kann nur erhalten bleiben,
    — so lautete die Erklärung der französischen Regierung —
    wenn man den Gefahren, die ihn bedrohen, mit schöpferischen Leistungen begegnet. Friedliche Beziehungen sind ohne ein geordnetes lebensvolles Europa ... undenkbar ... Europa kann nicht auf einmal oder als ein umfassender Bau erstehen, ... Voraussetzung für den Zusammenschluß der europäischen Nationen ist aber die Beseitigung des jahrhundertealten Gegensatzes zwischen Frankreich und Deutschland ...
    *) Schriftlicher Bericht Siehe Anlage Seite 7629,


    (Dr. Preusker)

    Die französische Regierung schlägt daher vor, die gesamte französisch-deutsche Kohle- und Stahlerzeugung in einer den anderen europäischen Ländern offenstehenden Organisation einer gemeinsamen Hohen Behörde zu unterstellen.
    Das Zusammenlegen der Kohle- und Stahlerzeugung wird zwangsläufig zur ersten Etappe des Europäischen Staatenbundes, der sofortigen Schaffung gemeinsamer Grundlagen für den Ausbau der Wirtschaft, und zu einem Wandel im Geschick dieser Länder führen .. . Mit dem so erzielten Zuwachs an Mitteln kann dann Europa an die Verwirklichung einer seiner wesentlichen Aufgaben herangehen, nämlich die Erschließung des afrikanischen Kontinents .. .
    Schon kurze Zeit später, am 3. Juni 1950, erklärten die französische, die deutsche, die niederländische, die belgische, die luxemburgische und die italienische Regierung ihr Einverständnis mit der Aufnahme von Verhandlungen über dieses weitgesteckte Programm. Leider war die britische Regierung nicht bereit, sich im voraus in gleicher Weise zu binden.
    Die Verhandlungen begannen am 20. Juni 1950. Als Beweis für die Gründlichkeit, mit der dieses schwierige Problem erörtert wurde, mag der Hinweis dienen, daß erst am 12. April 1951 der Vertrag so weit gediehen war, daß anschließend in letzten gemeinsamen Beratungen der Außenminister der sechs beteiligten Staaten, die noch weitere sechs Tage währten, am 18. April 1951 die Unterzeichnung des Vertragswerkes erfolgte, das uns, dem Deutschen Bundestage, heute und in den nächsten Tagen zur Ratifizierung vorliegt.
    Deutschland besaß, obwohl es gleichberechtigter Partner in diesen europäischen Verhandlungen war, während des Zeitraumes der Verhandlungen politisch noch nicht die Voraussetzungen, überhaupt die Verfügungen zu treffen, die ihm in dem Schumanplan als Vertragsaufgabe gestellt waren. Es bestand insbesondere noch in vollem Umfange das Londoner Abkommen vom 28. April 1949 und die daraufhin errichtete Ruhrbehörde; es bestand die in dem Abkommen über die beschränkten und verbotenen Industrien vom 3. April 1951 niedergelegte Begrenzung der deutschen Stahlproduktion und Stahlkapazität; es bestanden die sich darauf beziehenden Eingriffsrechte des alliierten Sicherheitsamtes in Koblenz und es bestanden die Alliierten Kohle- und Stahlkontrollgruppen, deren wichtigste Aufgabe die Durchführung des alliierten Entflechtungsgesetzes Nr. 27 bildet, die aber darüber hinaus auch im Bereich der gesamten Kohle-und Stahlproduktion wichtige Kontroll- und Eingriffsrechte besitzen. Es bestand schließlich zwisehen Deutschland und Frankreich das immer noch ungelöste Saarproblem.
    Die Bundesregierung konnte daher den Schuman-plan nur unter der Voraussetzung unterzeichnen, daß die einseitigen siegerstaatlichen Maßnahmen auf dem Gebiet von Kohle und Stahl spätestens im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des in Aussicht genommenen gemeinsamen Marktes ein Ende finden würden und daß ferner die Unterzeichnung dieses Vertrages über die Montan-Union keinerlei Präjudizierung des Saarproblems bedeuten durfte. Frankreich war nur einer der Vertragsstaaten der Ruhrbehörde und der übrigen alliierten Abmachungen. Amerika und England stehen außerhalb des Schumanplans. Deshalb konnte zunächst die französische Regierung nichts anderes tun, als ihrerseits ihren festen Willen zu bekunden, daß sie sich
    dafür einsetzen werde, daß die Deutschland kraft
    siegerstaatlichen Rechts einseitig auferlegten Maßnahmen beseitigt würden. Dies ist in einem Brief,
    der der Begründung zu dem Vertragswerk beigefügt worden ist, durch den französischen Außenminister Schuman geschehen. Ich bitte Sie, diesen
    Brief in seinem Wortlaut noch einmal dort nachzulesen. Andererseits bestand das Problem der
    Saar zwischen Frankreich und Deutschland allein.
    Hier war es das dringende Anliegen der Bundesregierung, ausdrücklich von der französischen Regierung bestätigt zu erhalten, daß durch die Unterzeichnung des Schumanplans der Regelung des
    Saarproblems in keiner Weise vorgegriffen würde.
    Dem Vertrag selbst ist dieser Briefwechsel und
    das Antwortschreiben des französischen Außenministers als Anlage beigefügt. Ich darf aus diesem Antwortschreiben des französischen Außen
    ministers kurz den wesentlichen Inhalt zitieren:
    Die französische Regierung erblickt in der
    Unterzeichnung des Vertrages durch die Bundesregierung keine Anerkennung des gegenwärtigen status der Saar durch die Bundesregierung. Sie ist nicht der Auffassung, daß
    der Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl dem
    endgültigen status der Saar vorgreift, der
    durch einen Friedensvertrag oder durch einen
    an Stelle des Friedensvertrags abgeschlossenen
    Vertrag zu regeln ist.
    Das waren also die Unterlagen und der politische und wirtschaftliche Ausgangspunkt der Debatten im Ausschuß für Wirtschaftspolitik und dann auch im Außenpolitischen Ausschuß. Es lagen nur diese Versprechen und Zusicherungen im politischen Bereich vor, deren Erfüllung zunächst außerhalb der alleinigen Macht der französischen Regierung lag.
    Dementsprechend wurde im Ausschuß der Antrag gestellt, die Beratungen über den Schumanplan bis zur Klärung dieser politischen Fragen auszusetzen. Dieser Antrag wurde mit 13 gegen 12 Stimmen in dem Sinne abgelehnt, daß zunächst einmal das Vertragswerk so auf seinen materiellen Inhalt, seine Funktionsmöglichkeiten und seine zu erwartenden Auswirkungen geprüft werden sollte, als ob alle einseitigen siegerstaatlichen Maßnahmen entsprechend den gemachten Zusicherungen bereits in Fortfall gekommen wären. Der Ausschuß hat aber in seiner großen Mehrheit keinen Zweifel darüber gelassen, daß er sich die in der Bundesratsdrucksache sowie die in der in Punkt 1 gleichlautenden Drucksache Nr. 2484 der Fraktion der SPD niedergelegten Forderungen in vollem Umfange zu eigen gemacht hatte und für seine endgültige Entscheidung die vorherige Erfüllung dieser französischen Zusicherungen von maßgeblicher Bedeutung sein wird.
    Bei der Prüfung des Vertrags war zunächst die Frage zu beantworten, was die einzelnen Mitgliedstaaten des geplanten Vertragswerks in die MontanUnion einbringen würden, welche besonderen Vor-oder Nachteile in ihrer Ausgangsposition zu erblicken seien und wie man im einzelnen die verschiedenartigen Interessen der Vertragspartner zu beurteilen habe.
    Im Gebiet der sechs Schumanplan-Länder Frankreich, Deutschland, Niederlande, Belgien, Luxemburg und Italien wohnen zur Zeit 155 Millionen Menschen. Deutschland hat daran einen Anteil von


    (Dr. Preusker)

    31%. In diesem Gesamtgebiet betrug die Steinkohlenförderung im Jahre 1950 217 Millionen t. Zum Vergleich nenne ich Großbritannien mit allein 214 Millionen t, also fast derselben Menge, oder die USA mit 497 Millionen t, also weit mehr als dem Doppelten. Hiervon entfielen auf Deutschland etwas über die Hälfte, genau 51 %, auf die Saar weitere 7 %, auf Frankreich 23,4 %, auf Belgien 12,5 %, auf die Niederlande 5,6 % und schließlich auf Italien 0,5 N. Deutschland hatte also bei weitem den größten Anteil an der Steinkohlenförderung innerhalb der Montan-Union aufzuweisen. Deutschland und die Saar und daneben Belgien sind auch die beiden einzigen Länder, die in größerem Umfang als Kohle- und Koksexporteure auftreten, während die übrigen vier Länder, Frankreich, die Niederlande, Italien und Luxemburg, in erster Linie an dem Import von Kohle und Koks interessiert sind. Immerhin ist es von Bedeutung, zu wissen, daß die gesamte europäische Montan-Union noch 'ein Ausfuhrgebiet für Kohle — 1950 allerdings in geringerem Umfang, aber doch in erheblicherem Umfang für Koks, nämlich 5,8 Millionen t — ist.
    Deutschland war bisher das einzige dieser sechs Länder, das seine Vorkriegsleistung auf dem Gebiet der Steinkohlenförderung noch nicht erreicht hat. Seine Schichtleistung lag noch um 32 % unter dem Vorkriegsstand, während sie beispielsweise in Frankreich, das ebenfalls noch nicht ganz herangekommen war, nur noch um 11 % darunter lag. Die Ursachen für diese besondere Benachteiligung Deutschlands sind vom Ausschuß eingehend erörtert warden. Sie sind einmal in dem durch zwei Weltkriege bedingten Raubbau an der deutschen Kohle zu sehen. In den letzten fünfzig Jahren wurden rund 100 Normalfelder à 2,5 Millionen t Kohle abgebaut, aber nur ganze elf Felder neu abgeteuft. Die Ursachen sind weiter zu erblicken in der erheblichen Überalterung der deutschen bergmännischen Bevölkerung, und sie sind schließlich in den erheblichen Kriegszerstörungen an Bergarbeiterwohnungen zu suchen. Auch das Fehlen der Rechtsträger kraft der alliierten Eingriffe durch die Maßnahmen, die schließlich im Gesetz Nr. 27 kodifiziert worden sind, haben ein Übriges zu dieser Benachteiligung der deutschen Entwicklung im Steinkohlenbergbau beigetragen.
    Es soll auch nicht vergessen werden, zu erwähnen, daß beispielsweise Frankreich mit seinem Anteil- von nur 23% an der europäischen Steinkohlenförderung allein 1,1 Milliarden DM an Marshallplanmitteln für den Steinkohlenbergbau erhielt, während Deutschland nur 0,33 Milliarden DM in dem gleichen Zeitraum bekommen hat.
    Aber trotz dieser enormen Handikaps des deutschen Steinkohlenbergbaus ist sowohl die geologische als, auch die Kostenlage des deutschen Bergbaus auch gegenwärtig weitaus günstiger als die der anderen Teilnehmerstaaten der MontanUnion, mit der alleinigen Ausnahme der im Gesamtrahmen .nicht bedeutenden Niederlande. In Belgien beträgt die Schichtleistung nur rund zwei Drittel der deutschen, und in Italien, dessen sardinischer Bergbau allerdings von ganz geringer Bedeutung ist, liegt sie noch weit darunter.
    Nun besteht in sämtlichen Ländern der MontanUnion seit Ende 1950 eine erhebliche Kohlenknappheit. Sie ist am stärksten in Deutschland in Erscheinung getreten, weil man in Deutschland durch die Auflagen der Ruhrbehörde eine ungleichmäßige Benachteiligung in der Kohlenversorgung herbeigeführt hatte. Auf der anderen Seite hat aber der Ausschuß eindeutig feststellen können, daß bei zielbewußter Finanzierungs-, Investitions- und Wohnungsbaupolitik in keinem anderen Land der Montan-Union die Aussichten für eine Steigerung der Steinkohlenförderung so günstig sind wie in Deutschland.
    Auf dem Gebiet der Eisenerzförderung ist im Rahmen der Montan-Union allein Frankreich mit seinen lothringischen Minettevorkommen Überschußgebiet. Es hat damit einen Anteil von rund 66 %. In Deutschland spielt die Eisenerzförderung immerhin eine gewisse Rolle. Wir fördern rund 10,9 Millionen t Eisenerz und haben damit doch noch einen Anteil von 24 %. Allerdings ist Deutschland nach der ganzen Ausrichtung seiner Stahlindustrie in allererster Linie auf die Einfuhr von Schwedenerzen angewiesen. Es hat im Jahre 1950 4,8 Millionen t einführen müssen, und die Aufrechterhaltung dieser Schwedenerzeinfuhr im Austausch gegen Ausfuhr von deutscher Kohle und deutschem Koks ist eine Lebensfrage für Deutschland; denn diese Schwedenerze bilden die Grundlage für die Erzeugung der hochwertigen SiemensMartin-Stähle, auf die Deutschland im wesentlichen Umfange spezialisiert ist.
    Deutschland steht mit dieser Interessenlage in der Erzeinfuhrfrage innerhalb der Montan-Union nicht allein. Auch Belgien, Luxemburg und die Niederlande sind in gleicher Weise an der Einfuhr von Schwedenerzen interessiert, so daß hier die Interessenlage innerhalb der Montan-Union erheblich anders und günstiger für Deutschland zu beurteilen ist als in der Kohlenfrage. Die deutsche Eisenerzförderung kann ohne Zweifel noch erheblich gesteigert werden. Andererseits darf aber nicht außer acht gelassen werden, daß nur wenige deutsche Erzgebiete mit den Schwedenerzen wirtschaftlich konkurrieren können. Die Kosten verhalten sich im Gesamtdurchschnitt wie etwa 1 zu 5. Ferner ist aber auch zu beachten, daß die deutsche Eisenerzförderung gegenüber den Kosten der lothringischen Minetteförderung durchaus nicht so benachteiligt ist, daß sie diesen Wettbewerb zu scheuen hätte.
    An Rohstahl — der zweiten großen Säule der geplanten Montan-Union — wurden im Jahre 1950 in ihrem Bereich 31,7 Millionen t erzeugt. Wenn wir das wiederum mit den Zahlen von Großbritannien und den USA vergleichen, so ergibt sich, daß in Großbritannien im gleichen Jahre eine Rohstahlerzeugung von 16,6 Millionen t stattfand, während gleichzeitig in den USA fast 88 Millionen t Rohstahl produziert wurden und im Jahre 1951, in dem die Erzeugung an Rohstahl innerhalb der Montan-Union etwa 35 Millionen t erreicht hat, in Amerika bereits die 100-Millionen-t-Grenze überschritten werden konnte. Der deutsche Anteil an der Rohstahlproduktion der Montan-Union beträgt gegenwärtig rund 36 %, liegt also auch hier an erster Stelle, während der französische Anteil zur Zeit 27 % beträgt.
    Es konnte nicht außer acht gelassen werden, daß infolge der gerade in der deutschen Eisen- und Stahlindustrie durchgeführten Demontagen und der Verhinderung von Investitionen kraft besatzungsrechtlicher Maßnahmen der deutsche Anteil in der Stahlerzeugung von vor dem Kriege knapp 50 % auf diese 36 % zurückgefallen ist. Auf der andern Seite hat Frankreich aber auch nur etwa die Hälfte dieses deutschen Anteilsverlustes durch seine Investitionen über Monnet-


    (Dr. Preusker)

    Plan und Marshallplan-Hilfe als Zuwachs erhalten. Die restliche Hälfte ist vor allem ein Kapazitätszuwachs der kleineren Länder Luxemburg, Belgien, Niederlande und auch Italien.
    Während also Frankreich ohne Zweifel in die Montan-Union mit einem stark modernisierten Produktionsapparat, insbesondere im Besitz von zwei Breitbandwalzstraßen hineingeht, ist Deutschland hier wesentlich benachteiligt. Seine Anlagen weisen ein Durchschnittsalter von 38 Jahren auf, und ihm wurde bisher die Errichtung einer Breitbandstraße ständig versagt. Trotz dieses außerordentlichen Handikaps, das weit schwerer wiegen mag als auf dem Gebiet der Steinkohle, ist aber auch wiederum festzustellen gewesen, daß Deutschland innerhalb der Montan-Union mit seiner Stahlproduktion, bisher in vollem Umfange wettbewerbsfähig geblieben ist, auch dann noch wettbewerbsfähig geblieben ist, als es, um die Exportauflage der Ruhrbehörde auszugleichen, in erheblichem Maße die doppelt so teure amerikanische Kohle für seine Stahlindustrie verwenden mußte. So betragen gegenwärtig die Preise für die Tonne Formstahl in Frankreich 353,75 DM, in Belgien 352,80 DM, in Deutschland dagegen nur 325,50 DM. Für die Tonne Grobbleche liegen die Dinge noch günstiger: in Frankreich 430,30 DM, in Belgien 396,90 DM, in Deutschland nur 348,60 DM. So zieht sich ein ähnliches Verhältnis in einem Gefälle zugunsten Deutschlands durch alle übrigen Walzwerkserzeugnisse hindurch.
    Auf besonderen Wunsch Italiens wurde schließlich auch der Schrott, allerdings in etwas eingeschränktem Umfang, mit in die Montan-Union einbezogen. Innerhalb der Montan-Union fielen im Jahre 1950 rund 20 Millionen t Schrott an, davon innerhalb Deutschlands 11 Millionen t, innerhalb Frankreichs etwas über 5 Millionen t. Deutschland und Frankreich waren gleichzeitig Schrottexportländer, Deutschland dabei allerdings nicht in vollem Umfange freiwillig. Aber die gesamte MontanUnion kommt mit ihrem Schrottbedarf und Schrottaufkommen annähernd dorthin, wohin sie bei einer gewissen Steigerung ihrer Erzeugung kommen muß, so daß von dieser Seite her keine ernste Problematik befürchtet zu werden braucht.
    Abschließend läßt sich also als Ergebnis der eingehenden Prüfung der rein volkswirtschaftlichen Ausgangspositionen feststellen, daß der Schlüssel zur Wertung der einzelnen Faktoren unter deutschen und zugleich europäischen Aspekten in der Frage liegt, wie schnell es Deutschland gelingen wird und gleichzeitig gestattet ist, seine Kohleförderung wesentlich zu erhöhen und die notwendigen Nachholinvestitionen in seiner Eisen- und Stahlindustrie durchzuführen, damit wirklich die Voraussetzungen für einen gemeinsamen europäischen Markt erfüllt werden können.
    Inwieweit nun der Schumanplan diese lebenswichtigen deutschen und zugleich im besten Sinne europäischen Zielsetzungen zu begünstigen oder zu behindern geeignet und überhaupt funktionsfähig erscheint, sollte in der zunächst durchgeführten Überprüfung des Vertrages unter Ausklammerung der offengebliebenen politischen Fragen geklärt werden. Der Schumanplan stellt als seine wesentlichste Aufgabe in Art. 2 heraus — und lassen Sie mich das wörtlich zitieren —:
    Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl ist dazu berufen, im Einklang mit der Gesamtwirtschaft der Mitgliedstaaten . . . zur Ausweitung der Wirtschaft, zur Steigerung der
    Beschäftigung und zur Hebung der Lebenshaltung in den Mitgliedstaaten beizutragen ...;
    sie hat hierbei dafür zu sorgen, daß keine
    Unterbrechung in der Beschäftigung eintritt,
    und zu vermeiden, daß im Wirtschaftsleben
    der Mitgliedstaaten tiefgreifende und anhaltende Störungen hervorgerufen werden.
    Der Vertrag will diese Ausweitung der Wirtschaft und Beschäftigung sowie die Hebung des Lebensstandards in den Unterzeichnerstaaten erreichen: einmal durch die Schaffung eines gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl lediglich auf der Grundlage des höchsten wirtschaftlichen Effekts; zweitens durch die Ausschaltung aller wettbewerbsverfälschenden Faktoren politischer oder sonstwie diskriminierender Art, wie Zölle, Kartelle, übermäßige Machtzusammenballungen, Subventionen, Sonderlasten oder sonstige privatwirtschaftliche wettbewerbsbehindernde Abreden; zum dritten durch die Verankerung des Prinzips der staatlichen oder überstaatlichen Nichtintervention in diesen Markt in Zeiten eines relativen wirtschaftlichen Gleichgewichts oder aber in Zeiten einer wirtschaftlichen Krisenlage durch eine möglichst gering bleibende staatliche oder überstaatliche Intervention; und viertens durch den gemeinsamen Einsatz der Finanzierungsmöglichkeiten aller sechs Montanunion-Länder und auf der Grundlage dieser Gemeinsamkeit noch durch dieMobilisierung zusätzlicher Mittel dritter Staaten zugunsten der Erweiterung der Kapazität der europäischen Kohle- und Stahlerzeugung. Seine Absichten können also kurz als die Gewährleistung eines geordneten und fairen Wettbewerbs, mithin als das Gegenteil eines überstaatlichen Dirigismus zentralverwaltungswirtschaftlicher Prägung oder als das Gegenteil eines Superkartells alter Prägung bezeichnet werden.
    Da der Schumanplan bewußt die Ebene herkömmlicher zwischenstaatlicher Abmachungen verläßt und an ihre Stelle überstaatliche Einrichtungen setzen will, auf die allerdings nur Teile der einzelstaatlichen Souveränität der Unterzeichnerländer übergehen sollen, hat er die Problematik, die sich hieraus ergeben mußte, in der Weise zu lösen versucht, daß er im voraus berücksichtigt hat, welche gesetzgeberischen Notwendigkeiten während der Laufzeit dieses Vertrages entstehen könnten, und dieses gesamte Gesetzgebungswerk bereits in den Vertrag hineingelegt.
    So sind die Exekutivrechte der Hohen Behörde, der wichtigsten überstaatlichen Einrichtung des Schumanplans, und damit die möglichen Auswirkungen der einzelstaatlichen Souveränitätsverzichte von vornherein genau abgegrenzt und übersehbar, so daß in dieser Richtung jeder der beteiligten Staaten von Anfang an weiß, womit er im äußersten und im günstigsten Fall rechnen muß oder rechnen kann. Es ist allerdings eine andere Frage — die den Ausschuß sehr beschäftigen mußte —, inwieweit die Wirklichkeit des wirtschaftlichen Lebens und der politischen Entwicklung der Völker während 'der vorgesehenen Dauer des Vertrages in den vorgezeichneten Bahnen verlaufen wird.
    Dieser relativ starren Vertragskonstruktion entsprechend sind die legislativen Funktionen der Organe, die diese Funktionen in einem Staatswesen ausüben würden, nur sehr schwach ausgebildet. Der Rat wird im wesentlichen auf eine Mitwirkung bei der Exekutive, die Versammlung auf die Kontrolle der Exekutive beschränkt. Nur im Revisionsfalle erhalten sowohl der Rat als auch die Versammlung gewisse echte gesetzgeberische Voll-


    (Dr. Preusker)

    machten. Der Ausschuß hat in seiner Gesamtheit diese der natürlichen Entwicklung und einer lebensvollen europäischen Integration zweifellos nicht sehr gut angepaßte außerordentliche Beschränkung der Legislative der Schumanplan-Organe als einen erheblichen Mangel empfunden und hat mit Befriedigung zur Kenntnis genommen, daß es immer wieder die Bemühungen der Bundesregierung während der Vertragsverhandlungen waren, die hier einen stärkeren Durchbruch zu einer dauernden gesetzgeberischen Funktion der Organe erreichen wollten. -
    Im Gegensatz zu der schwachen Ausprägung der legislativen Organe ist die richterliche Gewalt des Vertrags mit so weitgehenden Befugnissen ausgestattet worden, daß in ihr tatsächlich eine echte überstaatliche Institution geschaffen worden ist.
    Das Exekutivorgan, die Hohe Behörde, soll nun aus neun Mitglieder bestehen, von denen nicht mehr als zwei der gleichen Staatsangehörigkeit sein dürfen. Die Mitglieder der Hohen Behörde sind verpflichtet, keinerlei Weisungen von irgendeiner Regierung, auch nicht der, deren Staatsangehörigkeit sie besitzen, entgegenzunehmen; sie sind obendrein gebunden, mindestens bis drei Jahre nach ihrem Ausscheiden aus ihrer Funktion keinerlei geschäftliche Verbindung mit irgendeinem Eisenoder Stahlunternehmen zu haben. Ihre Unabhängigkeit und ihre Entscheidungsfreiheit in einem wirklich überstaatlichen, übernationalen Sinn soll also so stark sichergestellt werden, wie es durch Paragraphen und Buchstaben überhaupt geschehen kann.
    Der Ausschuß hat die verhältnismäßig hohe Zahl von neun Mitgliedern für weniger günstig gehalten als die während der Vertragsverhandlungen einmal genannte Zahl von fünf Mitgliedern. Er hat aber zur Kenntnis genommen, daß man hier einem dringenden Wunsch der kleinen Staaten entsprechen mußte, die bei nur fünf Mitgliedern nicht einmal vollzählig in der Hohen Behörde durch eigene Vertreter hätten mitwirken können.
    Die Mehrheit der Mitglieder des Ausschusses war dann noch besonders daran interessiert, zu erfahren, ob innerhalb der Hohen Behörde auch eine ausreichende gewerkschaftliche Repräsentanz in Aussicht genommen sei. Es konnte durch die Bundesregierung bestätigt werden, daß darüber während der Vertragsverhandlungen in Paris eingehend gesprochen worden ist und daß man sogar schon einen führenden, mit Namen genannten Gewerkschaftsvertreter eines der Montanunion-Länder für die Hohe Behörde in Aussicht genommen hat.
    Die Beschlüsse der Hohen Behörde müssen mit absoluter Mehrheit gefaßt werden, d. h. also immer mit mindestens 5 zu 4 Stimmen, wobei sie im einzelnen Entscheidungen sein können, d. h. mit in allen Teilen verbindlicher Rechtswirkung ausgestattete Rechtsverordnungen, oder sie können Empfehlungen sein; das sind zwar in ihren Zielen ebenso verbindliche Rechtsakte, aber sie lassen denjenigen, an die sie sich richten — ob das nun Staaten oder einzelne Unternehmen sind —, die Wahl der Mittel völlig frei. Schließlich kann die Hohe Behörde auch mit bloßen Stellungnahmen ihre Wünsche äußern. Diese Stellungnahmen sind weder hinsichtlich der Ziele noch hinsichtlich der Wahl der Mittel verbindlich. Wesentlich ist — und das unterscheidet nach der Meinung des Ausschusses die Hohe Behörde im stärksten Maße von einer Art Kartell —, daß die Hohe Behörde zum Zwecke der Nachprüfung ihrer Maßnahmen und der Objektivität, mit der diese Maßnahmen überparteilich und wirklich übernational getroffen sind, ihre Entscheidungen zu begründen hat und daß diese Begründungen auch zu veröffentlichen sind. Sie hat außerdem in allen wesentlichen Fällen, in denen sie nach dem Vertrag etwas unternehmen kann, zuvor einen Beratenden Ausschuß zu hören. Dieser Beratende Ausschuß, dem 30 bis 51 Mitglieder angehören, welche vom Rat aus Vorschlagslisten der Unternehmerverbände, der verarbeitenden Industrien, der Gewerkschaften der Unterzeichnerstaaten ausgewählt werden müsssen, muß paritätisch zusammengesetzt sein, d. h. je zu einem Drittel Vertreter der Gewerkschaften, der Unternehmensverbände aus Kohle und Stahl und der Verbände der verarbeitenden Industrien enthalten.
    Die im wesentlichen auf die Kontrolltätigkeit beschränkte Versammlung soll ihrerseits aus 78 Mitgliedern bestehen, die aus der Mitte der Parlamente oder in direkter Wahl der Einzelstaaten zu ermitteln sind. Deutschland, Frankreich und Italien, die drei großen Partner des vorgesehenen Vertrags, sollen in dieser Versammlung mit je 18 Mitgliedern, Belgien und die Niederlande mit je 10 und schließlich Luxemburg mit 4 Mitgliedern vertreten sein. Da sich die Bundesregierung dem von der sogenannten „Saarregierung" vorgebrachten Wunsch nach einer eigenen Repräsentation und einer selbständigen Partnerschaft in diesem Montanunions-Vertrag erfolgreich widersetzen konnte, gibt es also keine unmittelbaren Vertreter der Saar; wohl aber sind entsprechend den Formulierungen des Art. 79 des Vertrags, nach dem Frankreich zur Zeit die außenpolitischen Belange der Saar mit vertritt, die drei auf die Saarbevölkerung treffenden Vertreter in die Frankreich zugestandene Zahl von 18 Delegierten eingerechnet, wobei es Frankreich überlassen bleibt, ob es nun tatsächlich Vertreter der Saarbevölkerung entsenden will oder nicht.
    Das wichtigste Recht der Versammlung im normalen Vertragsablauf besteht in der Möglichkeit, die Hohe Behörde in jedem Jahre auf Grund der Erörterung des von ihr vorzulegenden gesamten Tätigkeitsberichtes mit einer Zweidrittelmehrheit, mindestens der Majorität der Mitglieder der Versammlung zu stürzen.
    Der Rat, das bundesratsähnliche Organ im Schumanplan, setzt sich aus sechs Mitgliedern zusammen. Und zwar soll jeder einzelne Mitgliedstaat je einen Vertreter seiner Regierung in diesen Rat entsenden. Wenn in dem vorliegenden Vertrag eine Zustimmung des Rates zu irgendeiner Maßnahme der Hohen Behörde vorgesehen ist, so muß diese Zustimmung — wenn nicht, wie bei allen wesentlichen Akten, eine Einstimmigkeit erforderlich ist — mit der absoluten Mehrheit der Mitglieder erfolgen. Dabei ist noch die weitere Erschwerung eingebaut worden, daß innerhalb dieser absoluten Mehrheit sich mindestens die Stimme eines Landes befinden muß, das 20 % der Kohle- und Stahlerzeugung der Montan-Union auf sich vereinigt, d. h. also entweder die Stimme von Deutschland oder von Frankreich. Ergibt sich eine Stimmengleichheit, dann müssen sich sowohl die Stimmen Deutschlands als auch Frankreichs innerhalb der Stimmen der Länder befinden, die zugestimmt haben. Deutschland und Frankreich zusammen können also innerhalb der Montan-Union niemals überstimmt werden; wohl aber besteht theoretisch die


    (Dr. Preusker)

    Möglichkeit, daß eines der beiden Länder, Deutschland oder Frankreich, innerhalb der Montan-Union im Rat überstimmt wird.
    Hier greifen nun aber als Sicherung die Vollmachten des Gerichtshofs ein. Der Gerichtshof besteht aus sieben auf die Dauer von sechs Jahren in gemeinsamem Einvernehmen der Unterzeichnerstaaten ernannten unabhängigen Richtern, die sich ihren Präsidenten jeweils für drei Jahre selbst bestellen. Ist ein Mitgliedstaat der Ansicht, irgendeine Handlung oder Unterlassung der Hohen Behörde, die durch eine Zustimmung des Rates ermöglicht wurde, sei geeignet, tiefgreifende ,und anhaltende Störungen in seiner Wirtschaft auszulösen, und ergreift die Hohe Behörde auf Grund dieser Ansicht des betreffenden Staates keine gegenteiligen Maßnahmen, um diesen Sachverhalt abzustellen, dann ist der Gerichtshof nach Art. 37 verpflichtet, die zugrunde liegende, von dem einen Staat angeführte materielle Rechtslage im vollen und uneingeschränkten Umfang nachzuprüfen. Hierzu wurde ausdrücklich durch die Bundesregierung bestätigt und auch auf die entsprechenden französischen Kommentare hingewiesen, daß damit der Gerichtshof in bewußter Abweichung von den Formulierungen in den anderen Artikeln, insbesondere in Art. 33, auch für die Würdigung der wirtschaftlichen Tatsachen oder Umstände zuständig ist, die den angefochtenen Entscheidungen der Hohen Behörde zugrunde gelegen haben, auch ohne daß der Hohen Behörde erst ein Ermessensmißbrauch nachgewiesen werden muß. In allen Fällen, in denen der anfechtende Staat daraufhin vom Gerichtshof ein obsiegendes Urteil erhält, ist die Hohe Behörde zur Wiedergutmachung und im Falle einer entsprechenden Verurteilung durch den Gerichtshof zur Schadensersatzzahlung verpflichtet. Es sind also auch nach dieser Richtung hin sehr weitgehende Sicherungen gegen einen Mißbrauch hinsichtlich der Objektivität und Überparteilichkeit der Hohen Behörde und des Rates in den Vertrag eingebaut worden.
    Der Ausschuß hat diese Sicherungen gegen eine willkürliche Majorisierung Deutschlands oder irgendeines anderen Partnerstaates der MontanUnion durch die Hohe Behörde und den Rat in seiner Mehrheit für ausreichend angesehen, um derartige Entwicklungen, die außerdem dem Prinzip der Nichtdiskriminierung und den ganzen Zielen der Montan-Union völlig zuwiderlaufen würden, überhaupt nicht entstehen zu lassen.
    Wenn die vorstehend skizzierten gemeinsamen Organe ihre vertraglich vorgesehenen Aufgaben wahrnehmen, welcher Raum bleibt dann noch für eine einzelstaatliche Wirtschaftspolitik, wie wird es insbesondere in den einzelnen Staaten aussehen, wenn es bei Kohle und Stahl einen gemeinsamen Markt gibt und wenn die übrigen Bereiche der Volkswirtschaften nach wie vor innerhalb der nationalstaatlichen Gebundenheit bleiben sollen? Die Erzeugung und Verteilung von Kohle und Stahl innerhalb eines auf diesen begrenzten Ausschnitt abgestellten gemeinsamen Marktes müssen ja zwangsläufig alle Bereiche der Wirtschaftspolitik -- Devisen-, Handelspolitik, Sozialpolitik, Finanzpolitik, Lohnpolitik — berühren. Der Vertrag mußte also, wenn er die mögliche Gesetzgebung des gesamten Vertragsablaufs vorwegnehmen wollte, hierüber bestimmte Gedanken festlegen. Er tut das in der Weise, daß er grundsätzlich die einzelstaatliche Souveränität auf dem Gebiet der Verkehrs-, der Finanz-, der Lohnpolitik usw. proklamiert und in den Fällen, in dènen auf diesen Gebieten Rückwirkungen durch den Vertrag ausgelöst werden, den Staaten die Möglichkeit eröffnet, indirekte Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen.
    Die Tätigkeit der Hohen Behörde soll sich in der Normallage des Schumanplans auf die eines Garanten eines geordneten und fairen Wettbewerbs beschränken; aber dabei sollen, wie es in dem Vertrag heißt, die sich frei bildenden Preise innerhalb der Gemeinschaft möglichst niedrig sein, jedoch nicht in irgendeiner Form Dumpingpreise darstellen. Der Vertrag will diese möglichst niedrigen Preise dadurch erreichen, daß er zwar jedem einzelnen Unternehmen gestattet, seine Preise so festzusetzen, wie es ihm nach der Beurteilung der Markt- und Kostenlage zweckdienlich erscheint, aber festlegt, daß kein Unternehmen das Recht hat, innerhalb der Montan-Union in anderen Märkten höhere Preise in Anspruch zu nehmen, als bei Abzug der Mengenrabatte und der Frachtkosten unter Zurückführung auf die eigenen Preise am Ort des Unternehmens gegebenenfalls zulässig wären. Umgekehrt darf aber jedes Unternehmen — ich möchte an den konkreten Fall, sagen wir einmal, des verstärkten Wettbewerbs der lothringischen Eisen-und Stahlindustrie und der Ruhrstahlindustrie auf dem süddeutschen Markt erinnern — in die niedrigeren Preisangebote von anderen Unternehmen der Montan-Union eintreten. Ja, jedes Unternehmen darf sogar, wenn von außerhalb der Gemeinschaft noch niedrigere Angebote auf irgendeinem Markt in den sechs Ländern erfolgen, auch in diese niedrigeren Preise eintreten, in dem letzten Fall unter Anzeige an die Hohe Behörde. Für die deutschen Grundstoffindustrien bedeutet diese Regelung der Preisbildung trotz ihres produktionsmäßigen Handikaps in der Ausstattung und in der Produktionsentwicklung keinerlei Benachteiligung, wie wir schon aus dem Vergleich der derzeit bestehenden Preisverhältnisse gesehen haben.
    Die Hohe Behörde kann, wenn sie glaubt, daß kurz vor einer Mangellage oder in einer solchen die Ordnung der Märkte mit keinem andern Mittel mehr aufrechtzuerhalten ist, Höchstpreise festsetzen, aber auch nur unter diesen Voraussetzungen, nicht während des normalen Marktablaufs. Diese Höchstpreise müssen dann aber unter Berücksichtigung der normalen Kosten einschließlich der Möglichkeit einer angemessenen Produktionserweiterung, Kapitalverzinsung und Hebung des sozialen Standards gebildet sein. Auch diese Bestimmung wurde von der Mehrheit des Ausschusses als grundsätzlich keine Gefahr darstellend angesehen.
    Nun gehört zum gemeinsamen Markt auch die Beseitigung aller Ein- und Ausfuhrzölle sowie aller mengenmäßigen Beschränkungen für Kohle und Stahl innerhalb der Montan-Union. Im größeren Teil der Unterzeichnerstaaten hat es bei Kohle ohnehin keine Zölle gegeben; wohl aber bestehen bei Stahl zur Zeit sehr unterschiedliche Zollsätze bei den einzelnen Montan-Union-Ländern. Diese Lage mußte vom Ausschuß bezüglich der möglichen Auswirkungen natürlich besonders eingehend geprüft werden; denn es könnte ja sonst sehr leicht die Gefahr auftreten, daß dritte Länder zunächst einmal nach Belgien oder Holland oder Luxemburg einführen, die zur Zeit für Stahl nur einen Zoll von 1 °/o haben, um die Möglichkeiten des freien, gemeinsamen Marktes durch Weitereinfuhr nach Deutschland oder nach Italien oder Frankreich aus-


    (Dr. Preusker)

    zunutzen. Der Vertrag hat auch diese Dinge geregelt. Zum Teil ist diese Regelung im Vertrag selbst enthalten, vor allem aber in den Übergangsbestimmungen, und zwar in der Weise, daß nach einer Übergangszeit von längstens sieben Jahren alle Staaten der Montan-Union praktisch auf einen Außenzollsatz für Stahl von 3 % hinuntergekommen sein müssen, also mehr oder weniger für Stahl zum Freihandelsgebiet geworden sind. Belgien und Luxemburg haben während dieser Zeit ihre Zollsätze von 1 auf 3 % heraufzusetzen.
    Was bedeutet das nicht nur für Deutschland, sondern möglicherweise auch für die gesamte Montan-Union? Gegenüber Amerika ist Europa im Augenblick durchaus wettbewerbsfähig — insbesondere ist es Deutschland —, nicht aber gegenüber England. Die englischen Stahlpreise liegen gegenwärtig um etwa 15 bis 20 % unter den deutschen, allerdings — so hat der Ausschuß festgestellt — auf Grund von Tatsachen, die nach den Bestimmungen des Schumanplans zweifellos nicht als echte Wettb ewerbsmaßnahmen bezeichnet werden können. Der Schumanplan sieht deshalb auch ausdrücklich vor, daß während der Übergangszeit mit England Verhandlungen zu führen sind, um eine Regelung dieser schwierigen Frage zu erreichen. Wenn diese Verhandlungen nicht zu einer befriedigenden Lösung führen, dann besteht nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, innerhalb der Montan-Union die geeigneten Vorkehrungen gegen derartige, dann als Dumping anzusehende Maßnahmen zu treffen.
    Sehr ernst mußte den Ausschuß aber die Frage beschäftigen: Wenn nun durch die Bildung des gemeinsamen Marktes die deutsche Kohle- und Stahlausfuhr, soweit sie nach Frankreich, Italien, Belgien, Holland oder Luxemburg geht, nicht mehr in dem gleichen Sinne Ausfuhr ist wie bisher, — gibt es dann nicht die Gefahr, daß wesentliche deutsche Interessen bezüglich der Versorgung mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln gefährdet werden könnten? Zunächst einmal war rein real festzustellen, daß die deutsche Gesamtausfuhr an Kohle und Stahl im ersten Halbjahr 1951 ganze 141/2 % von 1,56 Milliarden Dollar ausgemacht hat, daß also nach wie vor über 85 % der deutschen Gesamtausfuhr Gebiete darstellen, über die in Handelsvertragsabmachungen frei verfügt werden kann.
    Zum zweiten war festzustellen, daß es sich im Zuge einer Politik, die sich ja doch bisher in ihrem Ziel zum mindesten als außerordentlich erfolgreich erwiesen hat und die die Abgeschlossenheit und die zweistaatliche Kompensation durch die, Liberalisierung des Außenhandels überwinden will, ohnehin ergeben hätte, daß auch Kohle und Stahl mit in diese Liberalisierung hineinkämen, mithin als besonderes Außenhandelsobjekt bei Handelsvertragsverhandlungen in Fortfall kommen müßten. Schließlich sind auch während der gegenwärtig noch bestehenden Geltung der Bestimmungen des Ruhrstatuts die deutschen Anstrengungen, Kohle und Eisen zu wertvollen Tauschgütern bei einer Handelsvertragsabmachung zu machen, in erheblichem Maße eingeschränkt; denn wir können ja nicht frei darüber verfügen.
    Überhaupt stand diese Erörterung im Ausschuß etwas' sehr stark unter dem Eindruck der gegenwärtigen außergewöhnlichen Mangellage; sie stand unter dem Eindruck, als ob die derzeitigen Verbrauchs- und Produktionszahlen etwas Unabänderliches darstellten. Demgegenüber war die Mehrheit des Ausschusses, insbesondere unter Hinweis auf das Ziel, daß man doch nach der Überwindung dieser gegenseitigen Abschließung der einzelnen Volkswirtschaften strebe, der Auffassung, daß die deutsche Volkswirtschaft, wenn sie überhaupt glaubt, innerhalb der gesamten übrigen Volkswirtschaften wettbewerbs- und lebensfähig zu sein und diese Wettbewerbs- und Lebensfähigkeit erhalten zu können, dann auch bereit sein muß, sowohl die Chancen als auch die Risiken eines freien Güteraustauschs auf sich zu nehmen.
    Die Aufhebung der Zölle und die Herstellung durchgehender Verkehrstarife innerhalb des Schumanplan-Bereiches stellen eine Voraussetzung für die Beseitigung aller wettbewerbsverfälschenden Faktoren dar. Ebenso mußte der Schumanplan auch Prinzipien für die soziale Ordnung innerhalb der Montan-Union aufstellen. Diese Berücksichtigung der sozialen Interessen der Arbeitnehmer, die schon in den Grundforderungen des Schumanplans zum Ausdruck kommt, nimmt dementsprechend auch innerhalb des Vertrages einen sehr breiten Raum ein. Ich habe bereits auf die Frage der Repräsentanz der Gewerkschaften in der Hohen Behörde sowie auf die paritätische Vertretung in dem Beratenden Ausschuß hingewiesen. Ich habe noch nicht darauf hingewiesen; daß es nach dem Vertrag außerdem noch beratende regionale Organe gibt, die sich ebenfalls in angemessener Weise aus den gleichen Gruppen zusammensetzen müssen und die ebenfalls jederzeit die Möglichkeit haben, ihre Sorgen sowie ihre Anträge an die Hohe Behörde heranzutragen, aber nur, wenn sie tatsächlich nicht nur Unternehmer, nur Verarbeiter oder nur Arbeitnehmer sondern in dieser angemessenen Weise alle drei umfassen.
    Wichtig ist vor allem die Mußvorschrift des Vertrages und seiner Übergangsbestimmungen, daß die Hohe Behörde notfalls auch mit nicht rückzahlbaren Beihilfen eingreifen muß, wenn es infolge der Einführung des gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl in einem der Länder zu Schwierigkeiten in der Weiterbeschäftigung von Arbeitnehmern bei Kohle und Stahl kommt. Diese selbe Verpflichtung hat die Hohe Behörde nach Art, 56 auch während des ganzen übrigen Ablaufes des Schumanplans. Sie muß dafür sorgen, daß keinerlei Beschäftigungsminderung eintritt, notfalls sogar dadurch, daß sie Investitionen in anderen Industrien als Kohle und Stahl finanziert, um die Unterbringung freiwerdender Arbeitskräfte, z. B. verursacht durch technische Umwälzungen, zu ermöglichen.
    Die Mehrheit des Ausschusses hat diese sehr weitgehenden vertraglichen Regelungen des Schumanplans zugunsten einer Mitwirkung der Arbeitnehmer bei allen Entscheidungen, zugunsten der Sicherung ihrer Arbeitsplätze, als einen weiteren Beweis für die Ernsthaftigkeit der positiven Ziele des Vertrages und insbesondere für den völligen Gegensatz zu kartellähnlichen Absprachen früherer Jahrzehnte angesehen. Ursprünglich, so wurde dem Ausschuß berichtet, hat sogar die Absicht bestanden, materiell völlig gleiche Lohnbedingungen schon zu Beginn des Vertrages innerhalb der ganzen Montan-Union zu schaffen. Man hat aber schließlich davon Abstand genommen, weil ja ein untrennbarer Zusammenhang zwischen sämtlichen Löhnen innerhalb einer jeden Volkswirtschaft gegeben ist. Wenn man bei den Bergarbeitern oder Stahlarbeitern Lohnänderungen eintreten läßt, so hat das sofort auch Rückwirkungen auf die Bauwirtschaft und alle übrigen Bereiche.


    (Dr. Preusker)

    Der Vertrag hat einen indirekten Weg gewählt, um trotzdem binnen einer relativ kurzen Zeit zu dem gleichen Ziel zu kommen. Er hat nämlich die absolute Freizügigkeit der Bergleute und der Stahlfacharbeiter innerhalb der gesamten MontanUnion gefordert, und zwar haben diese Facharbeitskräfte der Kohle- und Stahlindustrie dann den Anspruch auf Ausschaltung jeder Diskriminierung sowohl in der Frage der Löhne als auch in der Frage der Sozialversicherung. Es ist vollkommen klar — das war für den Ausschuß ein ernstes Problem —, daß bei einer großen Ungleichmäßigkeit der sozialen Bedingungen zu Beginn des Schumanplans insbesondere bei der jetzt bestehenden Mangellage sofort ein starker Sog von Arbeitskräften in die Länder einsetzen würde, die die günstigsten sozialen Bedingungen aufzuweisen haben. Aus diesem Sog, den im Augenblick keines der Vertragsländer aushalten könnte, ist ein Zwang zum Ausgleichen der sozialen Bedingungen abzuleiten. Bei der gegenwärtigen Währungsdivergenz und den sonstigen Ungleichmäßigkeiten in den Lohn- und Sozialversicherungsbedingungen ist es sehr schwer, zu sagen, ob und inwieweit zur Zeit eine Ungleichmäßigkeit in der Entlohnung vorliegt. Der Ausschuß ist aber auf Grund der Unterlagen und der Auskünfte der Sachverständigen in seiner Mehrheit zu der Überzeugung gekommen, daß Deutschland hier zumindest weder weit unter noch weit über dem Durchschnitt liegt. Außerdem sind auch bereits eine Reihe von Gegenseitigkeitsabkommen auf dem Gebiet der Sozialversicherung abgeschlossen worden — so mit Frankreich, unmittelbar bevorstehend sind Abkommen mit Holland und Belgien —, um die vom SchumanplanVertrag geforderte Freizügigkeit auch wirklich durchzuführen.
    Angesichts dieser tatsächlichen und rechtlichen Umstände hat sich daher die Mehrheit des Ausschusses die Auffassung der Bundesregierung zu eigen gemacht„ daß die Empfehlung des Bundesrates zu Punkt 4 bereits durch den Vertrag selbst wie auch durch die reale Lage auf dem Lohn- und Sozialversicherungsgebiet in den entscheidenden Unterzeichnerstaaten erfüllt ist.
    Nun enthält der Schumanplan neben dem einen Postulat der grundsätzlich freien Preisbildung und dem zweiten der Freizügigkeit der Arbeitskräfte als drittes Postulat das der Freiheit in der Investitionstätigkeit. Werden Investitionen vorgenommen, ohne daß sie zu diesem Vertrag in Widerspruch stehende Subventionen, Beihilfen, Schutzmaßnahmen oder Diskriminierungen nach sich ziehen, so können sie zu jeder Zeit und an jedem Ort in jeder Form der Finanzierung, mit eigenen oder fremden Mitteln durchgeführt werden. Die Hohe Behörde hat nach dem hierfür maßgeblichen Art. 54 des Vertrages außer einem Auskunftsrecht keinerlei Verbots- oder negative Eingriffsmöglichkeiten, es sei denn, sie stellt fest, daß bestimmte Investitionen Subventionen, Beihilfen, Schutzmaßnahmen oder Diskriminierungen mit sich bringen. Aber auch dann kann sie eine solche Investition nicht generell verbieten, sondern nur ihre Finanzierung mit fremdem Kapital unterbinden. Sie kann also niemanden daran hindern, auch für unwirtschaftlichste Vorhaben sein eigenes Geld zu riskieren.
    Dabei muß noch besonders darauf hingewiesen werden, daß die vereinzelt, von offenbar sehr oberflächlichen Lesern des Vertragswerkes 'in der Öffentlichkeit aufgestellte Behauptung, die Hohe Behörde könne Investitionen auch dann auf die ausschließliche Finanzierung durch Eigenkapital beschränken, wenn durch sie in anderen Ländern der Gemeinschaft eventuell Subventionen, Beihilfen und Schutzmaßnahmen heraufbeschworen werden könnten, in einem solchen Maße gegen die ganzen Grundprinzipien des Vertrages verstößt, daß sie schlechthin als unsinnig bezeichnet werden muß. Nach Art. 2 des Schumanplans ist es eines seiner wesentlichen Ziele, die rationellste Verteilung der Erzeugung auf dem höchsten Leistungsstande durch den gemeinsamen Markt mit freier Preisbildung und mit Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu sichern. Nach Art. 3 Buchstabe g) haben die Organe der Montan-Union — ich zitiere wieder wörtlich — „im gemeinsamen Interesse die geordnete Ausweitung und Modernisierung der Erzeugung unter Bedingungen zu fördern, die Schutzmaßnahmen aller Art gegen Konkurrenzindustrien ausschließen." In Art. 4 werden als diese Bedingungen das Verbot von Schutzmaßnahmen aller Art gegen die Auswirkungen des geordneten Leistungswettbewerbs, insbesondere von durch die Staaten bewilligten Subventionen oder Beihilfen, ausdrücklich zur Unterstreichung des obersten Vertragsprinzips der Nicht-Diskriminierung aufgeführt.
    Der Ausschuß hat daher in seiner Mehrheit als eindeutig erwiesen angesehen, daß jede andere Art der Auslegung des Art. 54 als im Sinne einer begrenzten Möglichkeit der Hohen Behörde, lediglich aus einzelstaatlichen politischen Autarkievorstellungen heraus durchgeführte. Investitionen zu behindern, die nur mit Hilfe von dauernden Subventionen durchgeführt und mühselig am Leben erhalten werden könnten, absolut falsch ist. Diese Auffassung wurde auch durch die entsprechenden Formulierungen, wie sie in der französischen Parlamentsdebatte von den französischen Berichterstattern gebraucht worden sind, untermauert. So hat z. B. der französische Berichterstatter des Außenpolitischen Ausschusses hervorgehoben, daß es vollständig verkehrt ist, zu sagen, „daß die Hohe Behörde die Macht besitzt, Investitionsprogramme zu untersagen". Er hat erklärt: „Ein nationales Programm kann im Rahmen der Bedingungen des Vertrages immer ausgeführt werden. Die einzige Entscheidungsmacht, über die die Hohe Behörde in Investitionsfragen verfügt, ist die, alle Finanzierungsmittel außer denen, über die das Unternehmen selbst verfügt, zu verbieten, wenn sie entscheidet, daß das Programm antiwirtschaftlich ist." Der französische Berichterstatter des Ausschusses für die Industrieproduktion hat die gleiche Auffassung vielleicht noch pointierter vorgetragen, indem er gesagt hat, es könnten nur antiökonomische Investitionen bei geschlossenen Märkten behindert werden, und der Begriff der Subventionen und Protektionen des Art. 54 sei nur auf diesen Zustand, nicht auf die freie Konkurrenz anwendbar.
    Nach dem Negativen hin ist also die Hohe Behörde nicht zum Verbot von Investitionen berechtigt. Sie ist im Gegenteil geradezu gehalten, Entwicklungen zu fördern, die auf Grund einer günstigeren Wettbewerbslage, einer günstigeren Kostenlage an dieser und nicht an einer anderen Stelle Investitionen zur Folge haben müßten. Diese positive Forderung, die der Schumanplan der Hohen Behörde in der Finanzierung auferlegt, gibt zwar keinen Rechtsanspruch, aber zum mindesten auch für Deutschland eine zusätzliche Chance. Und wenn der ganze Vertrag in seinen ganzen Bestimmungen sinngemäß angewandt wird, müßten auch gerade für die Finanzierung der deutschen Kohle- und


    (Dr. Preusker)

    Stahl-Nachholinvestitionen Mittel der Hohen Behörde eingesetzt werden können.
    Ich möchte zu diesem Teil ausdrücklich auf die Ausführungen in meinem schriftlichen Bericht verweisen und nur noch anfügen, daß der Ausschuß die von ihm geprüfte Frage, inwieweit eventuell die Remontagekredite oder gar die Investitionshilfe als solche nicht zulässigen Subventionen angesehen werden könnten, in seiner Mehrheit eindeutig verneinen konnte. Ich darf dazu darauf hinweisen, daß der einzige Vorteil der Remontagekredite ein etwas ermäßigter Zinssatz ist. Ich darf auf den Grundsatz der Gleichbehandlung innerhalb der Montan-Union hinweisen und darauf aufmerksam machen, daß gerade erst jetzt bei der Ratifizierung in Frankreich besondere Verbilligungen für die Finanzierung der französischen Montanindustrie beschlossen worden sind. Die Investitionshilfe selbst bedeutet nichts anderes als eine normale Kreditgewährung, kann also überhaupt nicht darunterfallen. Im übrigen ist nach deutscher Auffassung, die, wie im Ausschuß bestätigt wurde, auch bei den Verhandlungen in Paris vorgetragen worden ist, der Ersatz der Demontageschäden ein echter Schadensersatz, aber in keiner Weise eine Subvention oder eine Beihilfe.
    Die Errichtung des gemeinsamen Marktes, die Freizügigkeit der Arbeitskräfte, die freie Investition innerhalb dieses Bereiches, d. h. die freie Standortwahl nach den günstigsten Produktionsbedingungen sind noch nicht alle Säulen, auf die der Schumanplan seine Funktion begründen will; es kommt noch eine sehr eingehende Fixierung der Vorschriften über die horizontale und die vertikale Konzentration, d. h. über die Kartell- und Konzernbildung hinzu. Diese Bestimmungen sind in den Artikeln 65 und 66 enthalten und sehen bei den Kartellen ein grundsätzliches Verbot, dagegen bei der vertikalen Konzentration, dem Verbund zwischen Kohle und Stahl, eine Genehmigungspflicht vor. Für den Ausschuß war in diesem Zusammenhang besonders wichtig, zu prüfen, ob der Schumanplan die Aufrechterhaltung eines gemeinsamen Kohleverkaufs grundsätzlich unmöglich macht oder nicht. Der Ausschuß mußte dabei zu dem Ergebnis kommen, daß in Krisen- oder Mangellagen die Hohe Behörde sogar verpflichtet ist, solche gemeinschaftlichen Kohleverkaufseinrichtungen zu schaffen, und daß sie auch nach Art. 53 des Vertrages die Genehmigung zur Aufrechterhaltung — und zwar zur dauernden Aufrechterhaltung — derartiger Einrichtungen erteilen kann. Wie das dann in Deutschland und in Frankreich — das ja in seinem Comité des Forges eine viel weitergehende syndikatsmäßige Verkaufseinrichtung besitzt als Deutschland — im einzelnen aussieht, ist eine zweite Frage. Zum mindesten muß nach dem Grundsatz der Nicht-Diskriminierung die Frage des gemeinsamen Kohleverkaufs für alle Länder der Montan-Union unter gleichem Recht gelöst werden.
    Bei der Frage des Art. 66, der Genehmigungspflicht für die vertikale Konzentration, für die Verbundwirtschaft zwischen Kohle und Stahl, mußte den Ausschuß die Frage beschäftigen, ob etwa auf Grund dieses Artikels die von den Alliierten geschaffene einseitige, siegerstaatliche Entflechtung, da sie, bei grundsätzlicher Bejahung der Ziele dieser Maßnahmen, über das Ziel hinausgeschossen ist, als für alle Zeiten fixiert, zementiert, gelten muß. Die Bundesregierung konnte darauf hinweisen, daß es ihren Bemühungen gelungen ist, in den Abs. 2 von Art. 66 eine Ziffer 2 hineinzubringen, nach der gemäß dem Grundsatz der Nicht-Diskriminierung „der Größe der innerhalb der Gemeinschaft bestehenden Unternehmen gleicher Art insoweit Rechnung zu tragen ist, als die Hohe Behörde dies für gerechtfertigt hält, um die aus einer Ungleichheit der Wettbewerbsbedingungen sich ergebenden Nachteile zu vermeiden oder auszugleichen". Ich möchte das überspitzt einmal so formulieren, wie die Mehrheit des Ausschusses diese Bestimmung begriffen hat: wenn auf Grund der Formulierung des Abs. 2 Ziffer 2 eine Verbundwirtschaft zwischen Kahle und Eisen für Deutschland nicht in gleicher Weise wie für die anderen Schumanplan-Länder zugelassen wird, müßte der Gerichtshof sogar zu der Entscheidung kommen, daß alle übrigen europäischen Schumanplan-Länder das Gesetz Nr. 27 bei sich auch durchzuführen haben. Für den Ausschuß hat sich als Ergebnis der Prüfung herausgestellt, daß auch hier der Grundsatz der Nicht-Diskriminierung, d. h. der völligen Gleichberechtigung zwischen den Ländern, entscheidend ist, so daß es in der vertikalen Konzentration ebenso wie in der horizontalen Konzentration in keiner Weise zweierlei Recht geben kann.
    Im Zusammenhang mit Art. 66 war als ein Anliegen insbesondere der Opposition noch die Frage zu klären, ob der Schumanplan etwa grundsätzlich irgendeine innerstaatliche Neuordnung des Eigentums an den Grundstoffindustrien behindert. Der Art. 83 enthält in dieser Richtung eine Generalklausel, die die Möglichkeit einer solchen Behinderung verneint. Es ist auch die Auffassung der Bundesregierung und der Mehrheit des Ausschusses gewesen, daß die Generalklausel des Art. 83 gegenüber den Dekonzentrations- und Dekartellisierungsbestimmungen der Art. 65 und 66 eine Lex specialis darstellt.
    Die Überprüfung der unter der Ausgangsvorstellung der Normallage für die Funktion des Schumanplans vorgesehenen Vertragsbestimmungen, ergibt nach der Meinung der Mehrheit des Ausschusses eindeutig, daß den in Art. 5 des Vertrages aufgestellten Forderungen der Nicht-Intervention oder möglichst geringen Intervention weitgehend entsprochen worden ist. Für den Ausschuß mußte sich natürlich die Frage erheben, ob nicht diese Normallage mit ihrer Nicht-Intervention der Hohen Behörde, ihrem gemeinsamen freien Markt, der Freizügigkeit der Arbeitskräfte nur eine schöne Theorie ist und ob nicht die Wirklichkeit ganz anders aussieht, nämlich ständig Mangellagen oder Absatzkrisen aufweist. Dabei war aus der geschichtlichen Entwicklung der letzten Jahrzehnte festzustellen, daß die Normallagen tatsächlich in die Minderzahl gewesen sind, daß allerdings nicht die Mangellagen — die etwas wirklich Einmaliges und Vorübergehendes darstellen —, sondern die Absatzkrisen überwogen haben. Auf der anderen Seite hat der Ausschuß auch den Hinweis der Bundesregierung anerkannt, daß die Absatzkrisen der Vergangenheit ihr Entstehen wesentlich der nationalstaatlichen Abgeschlossenheit verdankten, in der Investitionen in Kohle und Stahl nicht ausschließlich unter wirtschaftlichen, sondern zum Teil auch unter politischen Autarkiegesichtspunkten durchgeführt worden seien, und daß sich daher viel mehr und häufiger Brüche in der Entwicklung ergeben hätten, die bei einem gemeinsamen Markt mit seinen großen Absatzmöglichkeiten und der. ausschließlichen Geltung wirtschaftlicher Gesichtspunkte nicht mehr zu befürchten seien. Aber der Ausschuß konnte nicht an der Tatsache vorbei-


    (Dr. Preusker)

    gehen, daß die derzeitige Situation, mit der Deutschland in den Schumanpian hineingehen wird, die einer Mangelhige ist. Er mußte sich deshalb mit der Frage beschäftigen, welche Vorschriften der Vertrag für eine solche Mangellage enthält. In Art. 57 ist für außergewöhnliche Lagen als Generalklausel an und für sich vorgesehen, daß die Hohe Behörde im Wege der Fühlungnahme mit den Regierungen indirekte Maßnahmen vorziehen soll, d. h. eine Einwirkung auf öffentliche Investitionen, die entweder verstärkt oder vorübergehend eingestellt werden. Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß in der gegenwärtigen europäischen Situation diese indirekten Maßnahmen noch nicht wieder ausreichen.
    Der Art. 59, der die Mangellage regelt, sieht nun zwei Möglichkeiten vor. Einmal kann die Hohe Behörde auf Grund einer einstimmigen Entscheidung des Rates — das heißt, auch Deutschland muß zustimmen — Verwendungsprioritäten und eine Verteilung des Gesamtaufkommens an Kohle und Stahl innerhalb der Gemeinschaft festlegen. Das ist aber wahrscheinlich nicht der reale Fall des Beginns der Hohen Behörde, sondern der wahrscheinliche Fall wird der des Art. 59 Ziffer 3 sein, nach dem bei einer nicht vorhandenen Einstimmigkeit des Rats die Hohe Behörde nur „entsprechend" — im maßgebenden französischen Text heißt es „en fonction", das läßt sich sehr schwer mit „entsprechend" allein übersetzen, es ist etwas mehr als „entsprechend", es knüpft mehr an die direkten mathematischen Verhältnisse an — dem Verbrauch, wie er in den einzelnen Ländern besteht, das Gesamtaufkommen an Kohle und Stahl auf die einzelnen Länder aufteilt. Die Weiterverteilung dieses Aufkommens bleibt, wie es auch gegenwärtig der Fall ist, Aufgabe der einzelnen Regierungen.
    Dabei gibt es nun folgende weitere Eingriffsmöglichkeiten der Hohen Behörde: Wenn die Einzelstaaten die Anteile der Ausfuhr und die Anteile, die sie ihrer eigenen Kohle- und Stahlindustrie zuteilen, unverhältnismäßig kürzen, dann hat die Hohe Behörde die 'Sanktionsmöglichkeit, diese Kürzungen zugunsten des gemeinsamen Markts zu verwenden. Im übrigen bleibt es stets ihre Aufgabe, sich innerhalb der von den einzelnen Regierungen für Kohle und Stahl zugewiesenen Mengen in die Feinverteilung bei den einzelnen Unternehmen auf einer gerechten Grundlage einzuschalten. Es ist ferner für die Hohe Behörde bei einer Mangellage die Möglichkeit gegeben, eine gewisse für alle Länder der Montan-Union geltende Einschränkung der Ausfuhr zu verfügen. Dieser Punkt mußte natürlich von Deutschland sehr eingehend geprüft werden, denn mit ihm hängt ja die Frage der Sicherstellung unserer Schwedenerzeinfuhr zusammen, auf die ich bereits in einem anderen Zusammenhang hinweisen durfte.
    Im Vertrag selbst gibt es hier gegen eine einseitige eventuelle Maßnahme der Hohen Behörde sofort die S cherung einer Klage beim Hohen Gerichtshof des Schumanplans; denn eine Entscheidung, die diese Aufrechterhaltung der deutschen Kohle- und Stahlausfuhr zugunsten der Schwedenerzeinfuh r nicht mehr gewährleisten würde, müßte ja ohne Zweifel zu ernsten, tiefgreifenden und anhaltenden Störungen der deutschen Wirtschaft führen.
    Schön sind die Bestimmungen über die Mangellage sicher nicht, aber sie bedeuten doch nach der Mehrheitsauffassung des Ausschusses gegenüber dem derzeitigen Zustand, wie er durch die Ruhrbehörde besteht, eine erhebliche Verbesserung, denn es kann jetzt nicht mehr ohne Rücksicht auf die deutschen Verbrauchsinteressen und auf die deutschen Notwendigkeiten eine Entscheidung allein zugunsten der anderen Staaten getroffen werden, sondern die Entscheidungen müssen in gerechter Abwägung der Lebenserfordernisse aller sechs Staaten und in einer echten europäischen Verantwortung getroffen werden.
    Der Ausschuß mußte zum anderen in Erwägung ziehen, daß Deutschland als Äquivalent dafür in der Krisenlage, also in der Überschußlage, bestimmte Sicherungen erhält, die es bisher nicht besitzt. Nach dem Art. 58 kann nämlich die Hohe Behörde beim Vorliegen einer offensichtlichen Krise Produktionsquoten innerhalb der MontanUnion einführen, sie kann Einfuhrbeschränkungen vornehmen, Mindestpreise festsetzen und obendrein nach dem Art. 63 noch verfügen, daß etwaige Diskriminierungsmaßnahmen von Großverbrauchern, etwa von Eisenbahnverwaltungen einzelner Partnerstaaten, in dem Sinne abgestellt werden, daß der vor der Krise bestehende Marktanteil des einzelnen Landes innerhalb der Montan-Union auch während der Krise erhalten bleibt, so daß also nicht die anderen Länder auf Kosten nur eines einzigen Landes sich in ihrer Aufnahme von Kohle abschließen und ihre Produktion weiterhin in unverzollter Form bestehen lassen können, während das ganze Gewicht der Krise allen auf dem einen Lande liegt. Es unterliegt ja wohl keinem Zweifel, daß der Zustand der offensichtlichen Krise, wenn in Deutschland bei einem Anteil von über 50 % der Kohlenförderung und einem Anteil von 36 % der Stahlerzeugung die Dinge sich ungünstig entwickeln, auch gleichzeitig in dem gesamten Gebiet gegeben sein muß. Auch das ist im übrigen durch den Gerichtshof justitiabel.
    Im Ausschuß ist noch eingehend geprüft worden, warum wohl in den Formulierungen des Art. 59, der die Mangellage regelt, und des Art. 58, der die Krise behandelt, gewisse Unterschiede enthalten sind. In dem einen Falle wird eine Feststellung verlangt, in dem anderen Falle kommt es auf die Auffassung der Hohen Behörde an. Die Mehrheit des Ausschusses schloß sich aber doch der Auffassung der Bundesregierung an, daß Deutschland gar kein Interesse daran haben könne, daß jede regionale Krise, die sich etwa in Sardinien abspielt, gleich zur Verhängung eines Quotensystems in ganz Europa führt, sondern daß man so weit wie irgend möglich der Selbstheilungskraft der Unternehmen die Chancen offenhalten müsse. Es wurde weiter daran erinnert, daß im Falle der Krise die Ausfuhr keinen Beschränkungen unterliegt, wie umgekehrt im Falle der Mangellage auch die Einfuhr aus dritten Ländern freibleibt, so daß auch hier noch gewisse innerstaatliche Möglichkeiten nach der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des einzelnen Staates verbleiben.
    Je nachdem, ob die Gesamtentwicklungsmöglichkeit eines gemeinsamen Marktes für Kohle und Stahl innerhalb des Ausschusses positiv oder negativ angesehen wurde, wurden natürlich die Bestimmungen über die Mangellage lind die Krise für bedenklich oder für zu gering in den Schutzmaßnahmen ausgelegt. Aber die Mehrheit des Ausschusses wandte sich mit Entschiedenheit gegen die Auffassung, daß man auch in aller Zukunft davon ausgehen müsse, daß die Regel immer die Ausnahmelage sein müsse, und meinte, daß der gemeinsame Markt durchaus eine Erweiterung der Mög-


    (Dr. Preusker)

    lichkeiten des Verbrauchs an Kohle und Stahl mit sich bringen wird und daß die Absatzkrisen der Vergangenheit nicht in erster Linie eine Folge einer wirklichen Übererzeugung in Europa, sondern eines bedauerlichen, durch die Verhältnisse erzwungenen Unterverbrauchs gewesen sind.
    Ich erwähnte vorhin, daß sich die Montan-Union Gedanken darüber machen mußte, was geschieht, wenn von den einzelnen Volkswirtschaften Maßnahmen auf ganz anderen Gebieten ergriffen werden, z. B. Währungsabwertungen oder ein völliger Umbau des Steuersystems oder ähnliche Dinge, die zwar nicht direkt etwas mit Kohle und Stahl zu tun haben, die aber ohne Zweifel auch auf Kohle und Stahl und die gemeinsame Marktfunktion entscheidend einwirken müssen. Diese Möglichkeiten will der Art. 67 des Vertrages regeln, der hier drei schematische Fälle konstruiert, die Sie bitte in der Begründung oder in meinem schriftlichen Bericht nachlesen wollen. Aber es ist dabei wohl zu sagen — das empfand die Mehrheit des Ausschusses —, daß diese Regelung des Vertrages seinen schwächsten Punkt darstellt und daß die Wirklichkeit sicher in 'einiger Zeit gerade an diesen Ausgleichsmaßnahmen Schwierigkeiten heraufbeschwören wird. Aber der Wille der Mehrheit des Ausschusses ging dahin, daß man die Überwindung dieser Schwierigkeiten aus der Anpassung und Verzahnung der gesamten Volkswirtschaften mit den Teilgebieten von Kohle und Stahl nur in einer weiteren europäischen Integration suchen dürfe, aber nicht, indem man das Rad wieder vollkommen zur einzelstaatlichen Sonderentwicklung zurückdrehe.
    Technisch kann also nach der Auffassung der Mehrheit des Ausschusses, wie sie in diesem Bericht begründet ist, die europäische Montan-Union durchaus funktionieren. Sie bedarf aber vorweg einer Reihe von Anpassungsmaßnahmen während der Übergangszeit, um gewisse Sonderlagen zu bereinigen. Diese Sonderlagen waren vor allen Dingen der belgische Kohlenbergbau, der sardinische Kohlenbergbau und die italienische Eisen- und Stahlindustrie. Die beiden großen Länder Deutschland und Frankreich hatten auch eine Reihe von Sonderwünschen, Deutschland auf dem Gebiete der Berücksichtigung seines Nachholbedarfs bei Eisen-und Stahlinvestitionen und Frankreich auf dem Gebiete der Anpassung seiner zum Teil überalterten Kohlenreviere. Beide Staaten haben aber, nachdem sie die Anmeldungen der kleineren Partner auf Ausgleichszahlungen in Paris vor sich sahen, darauf verzichtet, auch ihrerseits noch solche Ausgleichsforderungen geltend zu machen; denn allein Belgien meldete einen Anspruch auf Ausgleichszahlungen in Höhe von 150 Millionen Dollar, Italien in Höhe von 5 Millionen Dollar an. Frankreich bezifferte seine Ausgleichsforderungen auf 40 Millionen Dollar und die der Saar auf 10 Millionen Dollar. Derartige Ausgleichszahlungen hätten den gesamten Gedanken der Montan-Union unmöglich machen müssen. So hat Frankreich nur in einem Artikel der Übergangsbestimmungen die Möglichkeit erhalten, daß die Hohe Behörde innerhalb der französischen Reviere eine gewisse Ausgleichsbelastung vornehmen darf. Für die besonderen Wünsche Deutschlands hinsichtlich seiner Stahlindustrie sind, ohne daß Deutschland direkt genannt ist — aber, wie lins im Ausschuß mitgeteilt wurde, immerhin auf Grund der klaren Erkenntnis, daß es sich bei dem § 29 Abs. 3 der Übergangsbestimmungen um eine Regelung für Deutschland mit handelt —, die Regelungen in diesem § 29 der Übergangsbestimmungen getroffen worden.
    Zugunsten der belgischen und der italienischen Kohlenbergwerke haben nun Deutschland und Holland als die beiden Kohleproduktionsländer mit den günstigsten Bedingungen die Verpflichtung übernommen, fünf Jahre lang Ausgleichszahlungen zu leisten, und zwar in der Weise, daß diese Zahlungen von Jahr zu Jahr um 20 % vom Höchstbetrag geringer werden, so daß sie nach fünf Jahren völlig aufhören. Sie können maximal für Deutschland innerhalb dieser fünf Jahre eine Summe von 195 Millionen DM erreichen. Das ist eine sehr schwere Belastung; aber auf der andern Seite bedeutet es auch für die übrigen Länder, insbesondere für Belgien, eine erheblich risikovolle Entwicklung, innerhalb von fünf Jahren entweder mit Hilfe dieser Ausgleichszahlungen, zu denen jeweils ein gleich hoher Betrag der eigenen Regierung treten muß, die volle Wettbewerbsfähigkeit mit den anderen Ländern zu erreichen oder aber diejenigen Gruben, bei denen das nicht erreicht wird, stillzulegen, so daß Deutschland spätestens nach dem Ablauf von sieben Jahren in vollem Umfange unter seinen Wettbewerbsmöglichkeiten auch den Zugang auf den belgischen und italienischen Markt erhält. Unter diesen Voraussetzungen konnte sich die Mehrheit des Ausschusses schließlich mit diesen Bestimmungen auch einverstanden erklären.
    Ich muß, ehe ich zum Schluß komme, noch eine Frage -anschneiden, und das ist die, warum der Vertrag auf 50 Jahre geschlossen worden ist. Fünf Jahre davon sind die Übergangszeit, und 45 Jahre soll er danach laufen. Zweifellos ist eine fünfzigjährige Bindung etwas, bei dem man sich außerordentlich genau überlegen muß, ob man es verantworten kann oder nicht. Aber der Ausschuß mußte auf der andern Seite auch anerkennen, daß es einzelnen Partnern dieser Montan-Union unmöglich gewesen wäre, die Gefahr der eventuellen Stillegung von Teilen ihres Kohlenbergbaues oder ihrer Stahlindustrie in Kauf zu nehmen ohne die relative Sicherheit, daß sie wirklich dauernd mit einem gemeinsamen Markt und einem gerechten Zugang zu Kohle und Stahl rechnen können. Schließlich sollte ja auch nach dem ganzen Plan des Vertrags ein erster Schritt zu einer weiteren europäischen Vereinheitlichung getan werden.
    Allerdings war der Ausschuß in seiner Mehrheit auch der Meinung, daß eine so lange Vertragsdauer gewisse Revisionsmöglichkeiten in sich schließen muß. Die Prüfung des Vertrags daraufhin ergab, daß einmal am Ende der Übergangszeit eine kleine Revision möglich ist, die allerdings die Aufteilung der Funktionen zwischen Hoher Behörde und Versammlung nicht verschieben darf, Weder in Richtung auf eine Abschwächung des überstaatlichen Charakters noch — leider — in Richtung auf eine Erweiterung der legislativen Vollmachten der Versammlung. Nach der Übergangszeit besteht die Möglichkeit, jederzeit eine große Revision des Vertrags durchzuführen. Jedes einzelne Mitglied oder jede Mitgliedsregierung kann sie beantragen; es muß dann nur eine Zweidrittelmehrheit im Rat zustandekommen, die bei einem wirklich gemeinsamen Anliegen nach Auffassung der Mehrheit des Ausschusses auch zustandekommen wird. Dann können die vorgeschlagenen Revisionen auf dem üblichen Verhandlungswege zwischen den Staaten, wie auch dieser Vertrag ausgehandelt worden ist, beraten werden. Anschließend werden sie in der


    (Dr. Preusker)

    gleichen Weise, wie das jetzt mit dem Schumanplan-Vertrag geschieht, den sechs Unterzeichnerstaaten — vielleicht sind es im Laufe der Zeit mehr geworden — zur Ratifikation vorgelegt.
    Der Ausschuß hatte sich sodann noch sehr eingehend mit der Frage zu befassen, wie das Problem der derzeitigen sowjetischen Besatzungszone in dem - Schumanplan geregelt ist. Dabei ist festzustellen, daß der Vertrag als solcher davon ausgeht, als ob Deutschland bereits eine Einheit wäre. Nur im § 22 der Übergangsbestimmungen wird zur Unterstreichung dieses Grundsatzes die Regelung der Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der sowjetischen Besatzungszone direkten Vereinbarungen zwischen der Bundesregierung und der Hohen Behörde überlassen, solange das notwendig ist. Allerdings war die Mehrheit des Ausschusses der Meinung, daß Deutschland in dem Augenblick, in dem die Wiedervereinigung Deutschlands — hoffentlich bald — erfolgen kann, an die anderen Mächte herantreten muß, um die Notwendigkeiten, die sich aus der veränderten Situation ergeben, dann im Vertragswege zu regeln und zu klären.
    Nachdem diese Dinge im Ausschuß durchberaten waren, trat eine längere Beratungspause bis zu dem Augenblick ein, in dem auch die politischen Diskriminierungen Deutschlands als befriedigend geklärt angesehen werden konnten, so wie sie in der Drucksache Nr. 2401 als Forderungen des Bundesrats und in der Drucksache Nr. 2484 der SPD als Forderungen der sozialdemokratischen Fraktion wiedergegeben sind.
    Dem Ausschuß wurde zunächst vertraulich von den inzwischen veröffentlichten Abmachungen zwischen den Alliierten bzw. den Unterzeichnerstaaten des Ruhrabkommens Kenntnis gegeben, die am 18. und 19. Oktober vereinbart worden sind. Danach konnte . und kann es für den Ausschuß keinem Zweifel mehr unterliegen, daß mit dem Inkrafttreten des gemeinsamen Marktes sowohl das Londoner Abkommen über die Ruhr als auch die Ruhrbehörde selbst aufhören zu existieren und keine ihrer Funktionen mehr ausüben werden. Es konnte weiter für den Ausschuß keinem Zweifel unterliegen, daß auch jede Begrenzung der Stahlkapazität wie auch der Stahlproduktion vom Augenblick des Inkrafttretens der Hohen Behörde an beseitigt ist, daß sich also dann so bedauerliche Entscheidungen, wie sie kürzlich hinsichtlich der August-Thyssen-Hütte und Watenstedt-Salzgitters noch getroffen werden konnten, einfach nicht mehr wiederholen können. Und es konnte auch keinem Zweifel für den Ausschuß unterliegen, daß in Beziehung auf die Eisen- und Stahlproduktion jegliche Funktion des Alliierten Sicherheitsamts wie auch der alliierten Kontrollgruppen beendet ist.
    Insbesondere mußte der Ausschuß nach der Formulierung der Ziffer 3 der Anweisungen an die Hohen Kommissare auch als feststehend ansehen — wenn man weiter noch den damaligen Brief des französischen Außenministers mit heranzieht —, daß auch im Rahmen des Gesetzes Nr. 27 keine Möglichkeit mehr mit dem Geiste dieses Vertrags und dem Buchstaben der Abmachungen vereinbar ist, in die Produktion oder in innerbetriebliche Vorgänge der einzelnen Unternehmen oder in ihre Investitionsvorhaben einzugreifen. Allein ausgeklammert war nach den Abmachungen vom 18. und 19. Oktober die Durchführung, und zwar die baldmöglichste Durchführung des Gesetzes Nr. 27 selbst, und hier war für eine Mehrheit des Ausschusses der Wunsch maßgebend, noch einmal ausdrücklich von den Alliierten bestätigt zu erhalten, daß nach dieser Durchführung des Gesetzes Nr. 27 auch auf diesem Gebiet, nämlich dem Gebiet der Verbundwirtschaft oder der horizontalen Konzentration, der vernünftigen Regelung des gemeinschaftlichen Kohlenverkaufs usw. für Deutschland nur noch die für alle übrigen Schumanplan-Partner geltenden Vertragsbestimmungen anwendbar sind und nicht mehr irgendwelche Sonderregelungen des Gesetzes Nr. 27.
    Nach dieser eingehenden Überprüfung und nach diesen politischen Zusicherungen, die Deutschland auf dem Gebiet des Wegfalls von Ruhrbehörde und Ruhrstatut, Sicherheitsamt, Produktions- und Kapazitätsbeschränkungen erhalten hat, war die Mehrheit des Ausschusses bereit, unter dem eben genannten Vorbehalt einer ausdrücklichen Zusicherung hinsichtlich des Gesetzes Nr. 27 für die Empfehlung zugunsten des Schumanplans zu stimmen.
    Wenn ich am Ende noch einmal kurz die Gründe zusammenfassen darf, die für den Ausschuß dabei entscheidend waren, so waren dies:
    Erstens das Ziel eines im Interesse des Friedens und sozialen Fortschritts liegenden gleichberechtigten Zusammenwachsens der freien europäischen Völker.
    Zweitens: Die Erkenntnis des Zurückbleibens des Lebensstandards der europäischen Völker wegen ihrer bisherigen kleinstaatlichen Abgeschlossenheit. Der Ausschuß konnte es in seiner Mehrheit nicht als ein naturgegebenes Etwas hinnehmen, daß 135 Millionen Einwohner im großen Amerika 100 Millionen t Stahl als Grundlage eines gehobenen Lebensstandards zur Verfügung haben dürfen, während 155 Millionen Europäer durch ihre Abgeschlossenheit dauernd auf einem Drittel — auf 32 Millionen t — beschränkt bleiben sollen. Der Ausschuß hielt es in seiner Mehrheit für seine Pflicht, jede Gelegenheit zu ergreifen, um diese europäische Armut zu überwinden.
    Drittens waren es die eindeutigen Bestimmungen des Schumanplans, keinerlei rechtliche oder wirtschaftliche Benachteiligungen eine seiner Partner zu dulden, sondern allen nach Maßgabe ihrer Leistungsfähigkeit und Tüchtigkeit auf dem gemeinsamen Markt bei Freizügigkeit der Arbeitskräfte, freier Standortbildung und Freiheit der Kapitalinvestitionen die gleichen Chancen im Interesse der Steigerung der europäischen Gesamtproduktion und des gesamten europäischen Lebensstandards zu eröffnen.
    Es war viertens die Feststellung, daß auch in Zeiten des Mangels oder der drohenden Arbeitslosigkeit die gemeinsame europäische Verantwortung an die Stelle kurzsichtiger Interessenpolitik treten soll, wie sie uns Deutschen leider in den siegerstaatlichen Institutionen der Ruhrbehörde und des Ruhrstatuts vorexerziert worden ist.
    Fünftens war es die Gewißheit, daß mit dem Inkrafttreten des Schumanplans Ruhrbehörde und Ruhrstatut sowie Kapazitäts- und Produktionsbegrenzungen bei Kohle und Stahl und die entsprechenden Funktionen von Sicherheitsamt und alliierten Kontrollgruppen endlich ein Ende finden werden.
    Sechstens war es die Überzeugung, daß weder dem dringenden Wunsch des deutschen Volkes nach Wiedervereinigung noch -seiner ständigen Anteilnahme am Schicksal der Saar durch den Beitritt zum Schumanplan irgendein Abbruch geschieht. Im Gegent il war es die Meinung der Mehrheit des


    (Dr. Preusker)

    Ausschusses, daß erst auf der Grundlage des Schumanplans, nachdem hierdurch jede kleinstaatlich denkende Machtpolitik aus der Saarfrage herauskommt, die Möglichkeit für eine großzügige,_ den deutschen berechtigten Interessen entsprechende Lösung der Saarfrage entstehen kann.
    Siebentens war es der Wille der Mehrheit des Ausschusses, auch einen nicht ganz einfachen deutschen Beitrag zur Mehrung des gegenseitigen Vertrauens zwischen den europäischen Völkern zu erbringen, um schneller zu dem letzten Ziel des vereinigten freien Europas zu gelangen; denn die Mehrheit des Ausschusses war sich darüber klar, daß wir uns im politischen Raum nicht im Bereich von Wünschbarkeiten, sondern im Bereich von harten Realitäten befinden.
    So beschlossen der Wirtschaftspolitische Ausschuß des Deutschen Bundestags und der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten mit ihrer Mehrheit, dem Bundestag vorzuschlagen, die Ziffern 1 bis 4 des Antrags der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 2484 als durch die Ergebnisse ihrer Beratungen für erledigt zu erklären und die Ziffer 5 des Antrags der Fraktion der SPD nach den Klarstellungen durch den Schriftwechsel zwischen der Regierung der Republik Frankreich und der Bundesrepublik Deutschland abzulehnen.
    Beide Ausschüsse haben ferner von der Erklärung der Bundesregierung Kenntnis genommen, daß dem Wunsch des Bundesrats nach einer Mitwirkung in einem besonderen Gesetz Rechnung getragen werden soll.
    Die Mehrheit des Ausschusses für Wirtschaftspolitik empfiehlt dem Deutschen Bundestag — unter dem von der Fraktion der FDP gemachten Vorbehalt, daß seitens der Hohen Kommission noch vor der Abstimmung im Plenum auf die hinsichtlich der Anwendung des Gesetzes Nr. 27 von der Bundesregierung an die Hohe Kommission gerichtete Note eine befriedigende Antwort erteilt wird —, dem Gesetzentwurf Drucksache Nr. 2401 betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zuzustimmen.
    Die Mehrheit des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten, dessen Bezeichnung nach der Ratifizierung des Schumanplans hoffentlich bald auf den letzteren Teil begrenzt werden kann, empfiehlt dem Plenum ebenfalls die Zustimmung zu dem genannten Gesetzentwurf. In diesem Ausschuß haben die den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP und der Föderalistischen Union angehörenden Mitglieder ihre Zustimmung zum Ratifikationsgesetz allerdings ebenfalls unter dem Vorbehalt abgegeben, daß „seitens der Hohen Kommission auf die über die Anwendung des Gesetzes Nr. 27 der Alliierten Hohen Kommission an diese gerichtete Note vor der Beratung des Gesetzes im Plenum eine die genannten Fraktionen befriedigende Antwort erteilt werde".

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Einzelbesprechung der zweiten Beratung, möchte vorher aber darauf hingewiesen haben, was Ihnen zweifellos aufgefallen ist, daß wir die Anlage 2 zur Drucksache Nr. 2401, die zunächst in der Form einer Bundesratsdrucksache verteilt worden war, erneut verteilt haben, weil sich einige Korrekturen der deutschen Übersetzung als erforderlich herausgestellt haben. Ich glaube nicht, daß das einen sachlichen Unterschied bedeutet, da Inhalt der Beschlußfassung und des Vertrages der französische Text der MontanUnion ist.
Das Wort hat zunächst der Herr Bundeskanzler.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Konrad Adenauer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Namens der Bundesregierung habe ich dem Bundestag bei der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs betreffend den Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl einige Mitteilungen über Tatsachen zu machen, die seit der ersten Lesung eingetreten und die für die Beurteilung des Ihnen zur Entscheidung vorliegenden Vertragswerkes von Bedeutung sind. Es liegt in der Natur der Sache, daß ich dabei einige Dinge wiederholen muß, die der Herr. Berichterstatter Ihnen eben schon vorgetragen hat.
    Die Mitteilungen, die ich Ihnen zu machen habe, stehen in engem Zusammenhang mit Erklärungen der Fraktionen dieses Hauses, die bei der ersten Beratung im Plenum oder bei der Beratung in den Ausschüssen abgegeben worden sind, und mit Erklärungen, die in der Stellungnahme des Bundesrats vom 27. Juni 1951 enthalten sind.
    Es ist erklärt worden, daß vor der Verabschiedung des Ratifizierungsgesetzes eine verbindliche Zusage aller in Frage kommenden ausländischen Mächte darüber vorliegen müsse, daß folgende besatzungsrechtlichen Institutionen und Bestimmungen:
    a) Ruhrbehörde,
    b) alliierte Kohle- und Stahlkontrollgruppen,
    c) _Eingriffsrechte der Alliierten Sicherheitsbehörde in Kohle- und Stahlwirtschaft,
    d) Beschränkung der Stahlkapazität und Stahlproduktion
    mit dem Augenblick, in dem die Vertragsorgane ihre Funktionen übernehmen, spätestens mit der Errichtung des gemeinsamen Marktes, vollständig fortfallen.
    Die Bundesregierung erklärt hierzu:
    a) Ruhrbehörde. Die Signatarregierungen des Londoner Abkommens vom 28. April 1949 über die _Errichtung der Internationalen Ruhrbehörde — das sind die Regierungen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens, Frankreichs, Belgiens, Luxemburgs und der Niederlande — haben am 19. Oktober 1951 durch ein von ihnen unterzeichnetes und inzwischen veröffentlichtes Protokoll ein Abkommen über die Beendigung des Ruhrstatuts und die Auflösung der Ruhrbehörde gebilligt und dessen Inkraftsetzung mit Inkrafttreten des Vertrags über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl beschlossen. Nach diesem -Abkommen wird die Ruhrbehörde spätestens mit Errichtung des gemeinsamen Marktes aufgelöst; einen wesentlichen Teil der Funktionen wird sie schon zu einem früheren Zeitpunkt einstellen. Wegen der Einzelheiten darf ich auf den Wortlaut des Abkommens verweisen; er liegt den Mitgliedern des Hohen Hauses vor.
    b) Alliierte Kohle- und Stahlkontrollgruppen. Am 19. Oktober 1951 haben die drei Besatzungsmächte in einer gemeinsamen Weisung an ihre Hohen Kommissare in Deutschland bestimmt, daß


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    mit Inkrafttreten des Vertrags über die MontanUnion die Alliierte Hohe Kommission und die ihr angeschlossenen Dienststellen einschließlich der Kohle- und Stahlkontrollgruppen die Ausübung aller Funktionen auf dem Gebiet von Kohle und Stahl einstellen, für die die Hohe Behörde gemäß-den Bestimmungen des Vertrags zuständig ist. Dies gilt insbesondere für die Tätigkeit der Kontrollgruppen auf dem Gebiet der Investitionen und der Verwaltung der Kohle- und Stahlunternehmen. Auch der Wortlaut dieser Weisungen ist veröffentlicht worden und liegt dem Bundestag vor.
    Die erwähnte Formulierung hat in der Öffentlichkeit zu der Meinung Anlaß gegeben, daß gewisse Befugnisse von den Besatzungsmächten auf die Hohe Behörde übergehen. Diese Meinung trifft in keiner Weise zu, weder für die Kontrollgruppen noch für die Ruhrbehörde noch für das Sicherheitsamt oder für irgendeine andere Besatzungsstelle. Die besatzungsrechtlichen Befugnisse auf den Gebieten, auf denen die Montangemeinschaft zuständig wird, hören schlechthin auf. Die europäischen Rechtssätze, die auf diesen Gebieten in Zukunft gelten, haben mit diesen besatzungsrechtlichen Befugnissen nichts zu tun. Sie sind anderer Herkunft, sie haben andere Ziele und haben anderen Inhalt. Das gilt auch für die Fragen des Kartellwesens und der Unternehmenskonzentrationen. Auch diese Fragen unterstehen in Zukunft ausschließlich der für alle Mitgliedstaaten gleichen Regelung des Schumanplans. Dem widerspricht auch nicht die noch abzuschließende Durchführung des Gesetzes Nr. 27 der Besatzungsmächte.
    Der Vertrag über die Kohle- und Stahlgemeinschaft überläßt die Gestaltung der Eigentumsordnung nach Art. 83 grundsätzlich den Mitgliedstaaten; er behandelt Fragen der E n t flechtung überhaupt nicht. Er befaßt sich hinsichtlich der Unternehmensstruktur nur mit der Vornahme von Zusammenschlüssen, also mit Verflechtungen; die Entflechtungen bleiben Sache der einzelnen Mitgliedstaaten. Die alliierten Entflechtungsmaßnahmen in Deutschland, die sich in dem Gesetz Nr. 27 niedergeschlagen haben, gehören zu den unmittelbaren Folgen des verlorenen Krieges und wurden bereits im Jahre 1945 eingeleitet; sie haben also mit dem Schumanplan nichts zu tun.

    (Unruhe und Lachen bei der SPD und auf der äußersten Rechten. — Zuruf von der SPD: Siehe französische Kammer!)

    Andererseits würde es für die Bundesrepublik natürlich untragbar sein, wenn die jeweilige Unternehmensstruktur auf unbestimmte Zeit Gegenstand von Dekonzentrationsmaßnahmen alliierter Stellen bliebe. Die Alliierte Hohe Kommission hat daher auf Wunsch der Bundesregierung ausdrücklich erklärt — auch diese Erklärung ist der Öffentlichkeit bekanntgegeben worden und liegt dem Hohen Hause vor —, daß „nach Abschluß der Maßnahmen zur Durchführung des Gesetzes Nr. 27 . . . die Kohle- und Stahlindustrie in Deutschland keinen beschränkenden Bindungen außer denen unterliegt, die sich aus den Bestimmungen des Vertrags über den Schumanplan ergeben".

    (Abg. Rische: Das sind kriegerische Bestimmungen!)

    Gleichzeitig hat die Hohe Kommission ihrer Absicht Ausdruck gegeben, das im Gesetz Nr. 27 vorgesehene Programm so schnell wie möglich zu Ende zu führen.
    Was die Frage der Bindung Deutschlands an die durch das Gesetz Nr. 27 geschaffene Struktur der Kohle-' und Stahlindustrie anlangt, so gilt hier in Zukunft das Recht der Montan-Union, das für alle ihre Mitgliedstaaten gleich ist. Nach der auf besonderen Wunsch der deutschen Delegation aufgenommenen Bestimmung des Art. 66 Ziffer 2 des Vertrags ist bei der Genehmigung von neuen Unternehmenszusammenschlüssen die Größe von anderen in der Gemeinschaft bestehenden Unternehmen gleicher Art nach dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung zu berücksichtigen.
    c) Eingriffsrechte der Alliierten Sicherheitsbehörde in die Kohle- und Stahlwirtschaft. Für das Militärische Sicherheitsamt, das ebenfalls eine Dienststelle der Alliierten Hohen Kommission ist, gilt das gleiche, was bereits über die Kontrollgruppen gesagt worden ist. Auch das Sicherheitsamt stellt alle seine Funktionen ein, soweit sich diese auf Sachgebiete und Erzeugnisse beziehen, die Gegenstand des Schumanplan-Vertrages sind.

    (Abg. Rische: Vertrag der Unsicherheit!)

    In diesen Zusammenhang gehört ein Punkt des Bundesratsbeschlusses: Beschränkung der Stahlkapazität und Stahlproduktion. Alle Maßnahmen des Militärischen Sicherheitsamtes auf dem Gebiet der Stahlindustrie dienten der Einhaltung der Kapazitäts- und Produktionsbegrenzung, wie sie durch das Abkommen zwischen den Besatzungsmächten über die Industriekontrollen vom 3. April 1951 festgelegt waren. Nach einem ebenfalls am 19. Oktober gebilligten Abkommen, das bei dem Inkrafttreten der Europäischen Kohle- und Stahlgemeinschaft in Kraft gesetzt wird, werden alle diese Kapazitäts- und Produktionsbeschränkungen für die deutsche Stahlindustrie in vollem Umfange beseitigt. Für irgendeine Tätigkeit des Sicherheitsamtes auf dem Gebiet der deutschen Kohle- und Stahlindustrie ist daher kein Raum mehr.

    (Abg. Rische: Das kann man sich vorstellen, wenn man rüstet!)

    In Punkt 2 des Beschlusses des Bundesrats, den
    ich eben erwähnt habe, ist folgendes gesagt:
    Der Bundesrat empfiehlt der Bundesregierung, bei Verhandlungen über zusätzliche Abkommen zu den bisherigen Übergangsabkommen entsprechend dem darin niedergelegten Schutzprinzip (§§ 24 ff.) den vordringlichen deutschen Investitionsbedarf in der Stahlerzeugung zu berücksichtigen.
    Die Vordringlichkeit des Investitionsbedarfs der deutschen Stahlindustrie ist bereits bei den Verhandlungen über den Schumanplan von der deutschen Delegation wiederholt und nachdrücklich zur Sprache gebracht worden. Schon nach den Grundsätzen des Vertrags über die Förderung der standortgünstigsten und wirtschaftlichsten Unternehmen hat dieser Bedarf Anspruch auf bevorzugte Befriedigung. Die Bundesregierung wird diese Frage weiter mit besonderer Aufmerksamkeit im Auge behalten und ihren Standpunkt bei allen künftigen Verhandlungen — insbesondere auch im Ministerrat der Gemeinschaft — mit Nachdruck geltend machen.
    In dem Beschluß des Bundesrats heißt es an einer anderen Stelle:
    Außerdem muß eine befriedigende Regelung getroffen sein über die Verbundwirtschaft zwischen Kohle und Stahl und über eine wirtschaftlich vernünftige Organisation des Absatzes deutscher Kohle.


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    Der Bundesrat ersucht die Bundesregierung, bei den in Gang befindlichen Verhandlungen besonderen Nachdruck auf die Erreichung dieses Zieles zu legen.
    Dazu ist folgendes festzustellen: Die Neuregelung der Verbundwirtschaft und der KohlenverkaufsOrganisation gehört in den Bereich des bereits behandelten Gesetzes Nr. 27 und hat mit dem Vertrag über die Montan-Union unmittelbar keine Verbindung. Andererseits sind aber beide Komplexe für die zukünftige Stellung der deutschen Industrie im gemeinsamen Markt von Bedeutung. Es war daher von vornherein das Bemühen der Bundesregierung, die Verhandlungen über Verbundwirtschaft und Kohlenverkauf zu Ergebnissen zu führen, die wirtschaftlich vernünftig und mit den Interessen der deutschen Montanwirtschaft vereinbar sind.
    Auf dem Gebiete der Verbundwirtschaft ist dies nach Ansicht der Bundesregierung erreicht, indem entgegen der ursprünglichen Absicht der völligen Trennung von Kohle und Stahl nunmehr die 75prozentige Deckung des Kohlenbedarfs der Stahlwerke aus eigenen Zechen erreicht werden konnte. Sollten die Regelungen im Einzelfall zu Nachteilen infolge von Ungleichheit der Wettbewerbsbedingungen im Verhältnis zu anderen Unternehmen des gemeinsamen Marktes führen, so bietet die Kohle-und Stahlgemeinschaft alle Möglichkeiten zu einer Korrektur solcher Fehlkonstruktionen.

    (Unruhe bei der SPD.)

    Die Verhandlungen über die Neugestaltung des deutschen Kohlenverkaufs sind noch nicht abgeschlossen. Gegenwärtig ist die Bundesregierung bemüht, die von deutschen Sachverständigen zwar als tragbar anerkannten letzten Vorschläge noch weiter zu verbessern.
    „Der Bundesregierung ist bei den Beratungen empfohlen worden, durch eine gemeinsame Erklärung der beteiligten Mächte klarstellen zu lassen, daß durch Maßnahmen der Hohen Behörde
    a) eine Sozialversicherungsreform nicht behindert,
    b) Sozialversicherungsleistungen nicht gesenkt,
    c) eine Tarifvertragsfreiheit nicht beschränkt werden sollen."
    Es handelt sich bei dieser Empfehlung um den Wunsch nach einer Klärung und Auslegung der Bestimmungen des Vertrags auf sozialem Gebiet. Nach eingehender Prüfung der einschlägigen Bestimmungen ist die Bundesregierung zu der Feststellung gelangt, daß diese Bestimmungen der Hohen Behörde keine Befugnisse in dem oben genannten Sinne gewähren. Da über die Bedeutung der Vertragsbestimmungen schon bei den Verhandlungen keinerlei Zweifel bestanden, bedarf es keiner nochmaligen gemeinsamen Erklärung der beteiligten Mächte über diese Punkte, die im übrigen nur in der Form eines zu ratifizierenden Zusatzabkommens rechtlich bindende Wirkung erlangen könnte.
    Im einzelnen ist folgendes zu bemerken. Die Hohe Behörde ist durch keine Bestimmung des Vertrags ermächtigt, irgendwelche Entscheidungen oder Anweisungen zu erlassen, wodurch Vorschriften über die Sozialversicherung oder Tarifverträge abgeändert oder aufgehoben werden können. Für den Fall, daß eine Sozialversicherungsreform „schwere Störungen des Gleichgewichts hervorruft, indem sie die Unterschiede der Produktionskosten wesentlich vergrößert", besitzt die Hohe Behörde lediglich die Zuständigkeit zu gewissen Ausgleichsmaßnahmen.

    (Zurufe von der SPD.)

    Auch diese Zuständigkeit aber und die sich möglicherweise ergebende Befürchtung, daß auf Deutschland ein dem sozialen Fortschritt abträglicher indirekter Zwang ausgeübt würde, kommt aus doppeltem Grund nicht in Betracht. In tatsächlicher Hinsicht wird eine derartige Möglichkeit auf absehbare Zeit schon dadurch ausgeschlossen, daß Deutschland mit seinen Produktionskosten keineswegs an der Spitze der Mitgliedstaaten steht. Nur in diesem letzten Fall aber kann die Hohe Behörde im Hinblick auf soziale Maßnahmen, die eine weitere Erhöhung der Produktionskosten mit sich bringen, tätig werden. Vor allem aber, das ist das Wesentlichste, könnte die Hohe Behörde auch in einem solchen Falle Deutschland nie eine Verpflichtung auferlegen, durch die der soziale Fortschritt gehemmt werden könnte. Art. 67 gibt vielmehr der Hohen Behörde lediglich das Recht, den betreffenden Mitgliedstaat zu ermächtigen, den in Betracht kommenden Unternehmen eine Beihilfe zu gewähren. Weit entfernt davon, den sozialen Fortschritt zu hemmen, gewährt also diese Bestimmung lediglich die Möglichkeit, das allgemeine Subventionsverbot des Schumanplans zu durchbrechen, falls der Mitgliedstaat dieses im Interesse .des sozialen Fortschritts für notwendig erachtet.
    Schließlich hat der Bundesrat gewünscht, „daß bei der Willensbildung der deutschen Stellen im Rahmen des Schumanplans die Mitwirkung des Bundesrats vor der Ratifizierung im Gesetz sichergestellt wird". Die Bundesregierung hat wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß die besonderen Interessen vor allem des Landes Nordrhein-Westfalen an diesem für die Kohle- und Stahlindustrie so entscheidenden Vertragswerk berücksichtigt werden müssen. Es erschien daher auch ihr zweckmäßig, die Mitwirkung des Bundesrats in dem Umfang, wie es in dem Beschluß vorgesehen ist, sicherzustellen. Ein entsprechender Gesetzentwurf liegt dem Bundestag bereits vor. Die Bundesregierung würde es begrüßen, wenn der Bundestag diesem Gesetzentwurf zustimmte, damit diesem berechtigten Wunsch des Bundesrats entsprochen wird.
    Es liegt weiter ein Antrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei vom 10. Juli 1951 vor. Auf die Punkte 1 bis 3 dieses Antrags bin ich in meinen Ausführungen schon eingegangen. Er enthält jedoch noch zwei weitere Anregungen.
    Die eine — Ziffer 4 — verlangt „ausreichende deutsche Verfügung über Kohle und Stahl für die Ausfuhr, um die für die deutsche Ernährung und Rohstoffversorgung notwendigen Einfuhren sichern zu können". Bei der Prüfung dieser Frage ist zu unterscheiden zwischen Lieferungen von Kohle und Stahl innerhalb der Gemeinschaft und solchen nach andern Ländern. Es trifft zu, daß nach Inkrafttreten des Vertrags Kohle und Stahl nicht mehr Gegenstand von Handelsvertragsverhandlungen mit Ländern der Gemeinschaft sein können. Demgegenüber ist aber festzustellen, daß der Wert der deutschen Kohle- und Stahlausfuhr nach den Schumanplan-Ländern im ersten Halbjahr 1951 nur 10,7 % des Wertes der gesamten deutschen Einfuhr an Lebensmitteln und Rohstoffen betrug. Der größere Teil unserer Nahrungsmittel- und Rohstoffeinfuhren stammt aus Ländern, die nicht zur MontanUnion gehören. Schließlich ist darauf hinzuweisen,


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    daß die Kompensationsverträge, die der Antrag der SPD-Fraktion anscheinend im Auge hat, mit fortschreitender Liberalisierung des Außenhandels ohnehin an Bedeutung verlieren.
    Hinsichtlich der Ausfuhr von Kohle und Stahl nach nicht zum Schumanplan gehörenden Ländern sind die Mitgliedstaaten nach dem SchumanplanVertrag grundsätzlich frei. Lediglich im Falle einer Mangellage erfolgt eine Zuteilung verknappter Rohstoffe, wobei die Hohe Behörde als ein europäisches, von nationalen Regierungseinflüssen befreites Gremium den Bedarf aller Länder der Montan-Union nach objektiven Gesichtspunkten zu prüfen hat. Hierbei ist der Exportbedarf der einzelnen Mitgliedstaaten besonders zu berücksichtigen, wie j a die Förderung des zwischenstaatlichen Warenaustausches nach Art. 3 lit. f) zu den wesentlichen Aufgaben der Gemeinschaft gehört. Eine Gefahr für die deutsche Versorgung an Nahrungsmitteln und Rohstoffen besteht daher nicht.
    Als letzten Punkt enthält der SPD-Antrag den Wunsch nach einer „Klarstellung der Position des Saargebiets im Zusammenhang mit dem Schuman-plan, insbesondere auch Herbeiführung einer verbindlichen Äußerung der französischen Regierung darüber, daß sie die Beibehaltung des gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Status des -Saargebiets nicht als Voraussetzung für die französische Beteiligung am Schumanplan ansieht". Eine solche verbindliche Äußerung der französischen Regierung, wie sie der sozialdemokratische Antrag fordert, liegt bereits vor, und zwar in einem Schreiben, das der Herr französische Außenminister am 18. April 1951 an mich gerichtet hat, und das dem Vertrag als Anlage beigefügt ist.
    Es war nicht die Aufgabe des Schumanplans, die Saarfrage zu lösen. Die beiden beteiligten Mächte, Frankreich und Deutschland, waren sich darüber einig, daß die Saar in die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl einbezogen wird. Die übrigen Probleme um die Saar sind offen geblieben und erfahren durch den Schumanplan-Vertrag keinerlei Änderungen,

    (Zuruf rechts: Na, na!)

    insbesondere ist der deutsche rechtliche und moralische Anspruch auf die Saar unverändert bestehen geblieben. Eines aber wird die Gründung der Europäischen Gemeinschaft mit sich bringen: _den Beweis, daß das Gemeinsame zwischen Frankreich und Deutschland stärker ist als das Trennende. Die französische Regierung hat -— und das möchte ich hier ausdrücklich betonen — zu keinem Zeitpunkt der Verhandlungen über den Schumanplan irgendeine Forderung hinsichtlich der Anerkennung des gegenwärtigen Status an der Saar an die Bundesregierung gestellt;

    (Zurufe und Unruhe bei der SPD)

    sie hat vielmehr — und das geht aus dem Ihnen vorliegenden Briefwechsel zwischen Hen Schuman und mir klar hervor — die eindeutige Erklärung zur Kenntnis genommen, daß die Bundesregierung durch die Unterzeichnung des Vertrages keine Anerkennung des gegenwärtigen Status an der Saar ausspricht.
    Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch auf folgendes hinzuweisen. Deutschland hat an der Saar politische und wirtschaftliche Interessen, Frankreich dagegen ausschließlich wirtschaftliche Interessen, die sich in erster Linie auf den freien Zugang zur Kohle und zum Stahl der Saar beziehen. Dieses Interesse Frankreichs wird durch die Einbeziehung der Saar in den gemeinsamen Markt der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl befriedigt. Dadurch haben sich aber die Aussichten auf eine angemessene Lösung des Saarproblems wesentlich verbessert.
    Ich füge einige Klarstellungen über zwei weitere Punkte hinzu, die der Bundesregierung besonders am Herzen liegen, nämlich die Stellung Berlins und die Stellung der sowjetischen Besatzungszone im Schumanplan.
    Was Berlin anlangt, so ist die wichtigste Frage die, ob der Bedarf Berlins an Hohle und Stahl dieselbe rechtliche Behandlung erfährt wie der Bedarf der Bundesrepublik im übrigen. Das ist der Fall. Der Bedarf Berlins an Kohle und Stahl gemäß dem Vertrage ist Bedarf der Bundesrepublik. Er wird also bei etwa erforderlichen Zuteilungsmaßnahmen mit berücksichtigt.
    Im übrigen ist die Anwendung des Vertragsrechts auf das Gebiet von Berlin eine Frage der Anwendung des Art. 79 des Vertrags. Danach findet der Vertrag auf die europäischen Gebiete der Mitgliedstaaten sowie auf diejenigen europäischen Gebiete Anwendung, deren auswärtige Angelegenheiten ein Unterzeichnerstaat übernimmt. Die Gleichstellung Berlins mit der Bundesrepublik im übrigen unterliegt dem bekannten Vorbehalt der Besatzungsmächte. Hiernach ist die Herstellung der Voraussetzungen für die Anwendung des Vertrags auf das Gebiet von Berlin abhängig von der Gestaltung des Verhältnisses der Bundesrepublik zu Berlin. Über die Klarstellung dieses Verhältnisses wird zur Zeit im Zusammenhang mit der Ablösung des Besatzungsstatuts verhandelt. Die Verhandlungen nehmen einen günstigen Verlauf.
    Bezüglich der sowjetischen Besatzungszone stellt § 22 des Übergangsabkommens klar, daß der Schumanplan diesen Teil Deutschlands nicht abtrennt, sondern im Gegenteil die bestehende Verknüpfung respektiert und die Wege zu einem endgültigen Anschluß offenhält.

    (Zuruf links: Na, na!)

    Die Aufnahme der Bestimmungen über die sowjetische Besatzungszone in die Übergangsbestimmungen bringt als übereinstimmende Auffassung aller Vertragschließenden zum Ausdruck, daß es sich bei der gegenwärtigen Lage der sowjetrussischen Zone nur um einen vorübergehenden Zustand handelt. Die Bestimmung erkennt darüber hinaus durch ihren Inhalt an, daß auch im gegenwärtigen Zustand die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der sowjetischen Besatzungszone eine inner deutsche Angelegenheit sind. Es beruht auf einem Mißverständnis, wenn man gemeint hat, die Aufnahme der Bestimmung in das Kapitel über „dritte Länder" ermögliche die Auslegung, als sei die sowjetische Besatzungszone nach der Auffassung des Schumanplans im Verhältnis zur Bundesrepublik Ausland; denn, nach dem Sprachgebrauch des Vertrags hat der Ausdruck „dritte Länder" mit dem Begriff „Ausland" nichts zu tun, sondern er umfaßt alle Gebiete, die außerhalb des aktuellen Anwendungsbereichs des Schumanplans liegen, gleichviel, ob sie staatsrechtlich Ausland oder Inland sind. Im Gegenteil schließt der Inhalt des § 22 die erwähnte Auslegung in der unzweideutigsten Weise aus. Denn dieser Inhalt besteht gerade darin, daß er die Regeln über Export und Import für unanwendbar erklärt und statt dessen die Beziehungen zur sowjetischen Besatzungszone der internen Regelung durch die Bundesregierung mit Zustimmung der Hohen Behörde unterstellt.


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    So wird schon jetzt die Zusammengehörigkeit ganz Deutschlands vom Schumanplan in seiner grundsätzlichen Regelung beachtet. Darüber hinaus, meine Damen und Herren, sehen die bereits feststehenden Klauseln des Generalvertrages über die Ablösung des Besatzungsstatuts vor, daß die Gesamtheit der Bestimmungen der Montangemeinschaft in einer durch Vereinbarung der beteiligten Parteien angepaßten Fassung dem wiedervereinigten Deutschland in- gleicher Weise zugute kommen wird wie jetzt der Bundesrepublik.
    Schließlich darf ich noch einige Entwicklungen, die seit der ersten Lesung im Ausland eingetreten sind, kurz streifen. Dort hat die dem Schumanplan günstige Entwicklung weitere Fortschritte gemacht. Die niederländische Volksvrtretung hat mit 62 Stimmen gegen 6 Stimmen, also mit allen Stimmen gegen die kommunistischen, den Schumanplan ratifiziert.

    (Bravo! in der Mitte.)

    Ebenso hat die französische Volksvertretung trotz der insbesondere von der französischen Industrie mit Nachdruck geltend gemachten Bedenken mit großer Mehrheit dem Plan zugestimmt. Auch Großbritannien hat seine dem Plan günstige Auffassung bekräftigt und verdeutlicht. Alle Signatarstaaten des Schumanplan-Vertrags haben es außerordentlich bedauert, daß Großbritannien sich nicht in der Lage sieht, Mitglied der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl zu werden. In der Erkenntnis, daß eine enge Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und Großbritannien aber unerläßlich ist, und um die Zugehörigkeit Großbritanniens zu Europa zu bekunden, haben die Regierungen der Signatarstaaten wiederholt ihrem Wunsch nach einer möglichst engen Verbindung Großbritanniens mit der Montangemeinschaft Ausdruck gegeben.
    Wir haben mit Genugtuung feststellen können, daß die britische Regierung sich diesem Appell nicht versagt hat. Anläßlich des Besuches des Premierministers Churchill in der französischen Hauptstadt ist am 18. Dezember 1951 folgendes Kommuniqué veröffentlicht worden:
    Die britischen Minister hoffen, daß der Schumanplan alsbald in Kraft treten wird, und haben erneut die britische Absicht bestätigt, enge Beziehungen zu der Hohen Behörde herzustellen, sobald diese errichtet sein wird. Zu diesem Zweck beabsichtigen sie, eine ständige Delegation am Sitz der Hohen Behörde einzurichten.

    (Zuruf rechts: Sehr freundlich!)

    Die Bundesregierung begrüßt diese Erklärung und gibt der Hoffnung Ausdruck, daß dieser Entschluß der britischen Regierung nur ein erster Schritt sein wird in der Richtung auf eine immer größere Annäherung Großbritanniens an die sich ständig festigende Gemeinschaft der freien europäischen Völker.
    Die Tatsachen, über die ich Ihnen berichtet habe, geben der Bundesregierung das Vertrauen, Sie mit noch mehr Zuversicht als bisher um Ihre Zustimmung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf zu bitten. Die Zusagen der Alliierten, welche die gleichberechtigte Stellung Deutschlands auch außerhalb des unmittelbaren Rahmens des Plans sicherstellen sollen, sind uns nunmehr in verbindlicher Form gegeben. Bedenken über den Inhalt des Vertrages haben sich bei Nachprüfung zerstreut. In der öffentlichen Meinung der Welt hat der Plan immer mehr Boden gewonnen.

    (Lachen und Zurufe links.)

    Die Bundesregierung hat nicht in Anspruch genommen, daß mit dem Vertragswerk etwas Vollkommenes geschaffen worden sei. Insbesondere hat sie nicht behauptet, damit von vornherein und mit mathematischer Sicherheit alle Gefahren gebannt zu haben, die man sich irgendwie und irgendwo ausdenken kann. Alles Große, meine Damen und Herren, ist ein Wagnis.

    (Sehr gut! in der Mitte und rechts.)

    Auch die Gründung eines neuen Europas ist kein risikofreies Unternehmen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Aber die Bundesregierung glaubt, daß das, was geschaffen worden ist, nicht nur brauchbar ist, sondern einen großen Fortschritt und einen vielverheißenden Anfang darstellt.
    Sie alle, meine Damen und Herren, wissen, welche Autorität Herr Geheimrat Professor Dr. Adolf Weber besitzt. Er hat auf der Jahressitzung der Bayerischen Akademie der Wissenschaften am 1. Dezember 1951 einen Vortrag gehalten über Montan-Union und volkswirtschaftliche Produktivität. Er macht ganz wie wir. gewisse kritische Bemerkungen. Er fordert insbesondere eine weitere Vereinigung Europas auf wirtschaftlichem Gebiet. Aber lassen Sie mich aus seinem Vortrag folgende Sätze zitieren:
    Es ist zu begrüßen, daß der erste praktische Schritt zur europäischen Integration von der Kohle ausgeht, nicht bloß weil die Kohle, das Brot der Industrie, von besonderer Wichtigkeit ist, sondern auch deshalb, weil auf keinem anderen Gebiet die Widersinnigkeit partikularistischer Sonderinteressen volkswirtschaftlich so nachteilig wirkt. Nur dann, wenn diese Widersinnigkeit beseitigt wird, besteht Hoffnung, daß die Kohlenengpässe verschwinden, insbesondere auch dadurch, daß die standortmäßigen Vorteile und die unternehmerischen Leistungen der Montanindustrie im Ruhrgebiet voll zur Geltung kommen. Die Beseitigung der Diskriminierungen, die dies verhindern, ist nach Ratifizierung des Schumanplans ein sehr wesentlicher Beitrag zur Steigerung der volkswirtschaftlichen Produktivität. Aber der Plan enthält auch in sich wichtige Ansätze für die unbedingt notwendige Produktivitätssteigerung. Vier Gruppen von Maßnahmen kommen in Betracht:
    1. der große gemeinsame Markt,
    2. Heranziehen von Auslandskapital,
    3. bessere Raumökonomie,
    4. Überwindung von volkswirtschaftlichen Hemmungen durch die gemeinsame Zentrale.
    An einer anderen Stelle des Vortrages heißt es:
    Ganz besonders wichtig ist, daß der Schumanplan in den Dienst einer besseren europäischen Raumökonomie auf dem Gebiet der Kohlen-und Eisengewinnung tritt. Im Gegensatz zu USA erfolgte die Standortwahl zu sehr unter politischen und kollektiv-egoistischen Gesichtspunkten. Wenn das nun anders werden soll, sind die im Schumanplan vorgesehenen Übergangserleichterungen zugunsten der Betriebe, die sich bei freier Konkurrenz auf die Dauer nicht halten können, unerläßlich.
    Und endlich führt Geheimrat Weber noch folgendes aus:
    Auf jeden Fall muß die volkswirtschaftliche
    Produktivität so gesteigert werden, daß eine


    (Bundeskanzler Dr. Adenauer)

    destruktive Weltinflation vermieden wird. Dieses Ziel ist ohne volkswirtschaftliche Integration Westeuropas nicht zu erreichen. Voraussetzung dafür ist, daß Frankreich und Deutschland endlich begreifen, wie geringfügig das ist, was sie trennt, und wie groß die Möglichkeiten sind, die sie mit vereinten Kräften erreichen können.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Man darf es wohl als politisches Kernstück des Schumanplans bezeichnen, daß es für Frankreich und Deutschland 50 Jahre lang gewissermaßen technisch unmöglich gemacht wird, Krieg gegeneinander zu führen, und daß diese Länder gezwungen werden, während dieser langen Zeit Hand in Hand zu arbeiten.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Demgegenüber
    — so schließt Herr Weber —
    verblassen alle anderen Erwägungen,

    (Sehr gut! rechts)

    die für und gegen den Schumanplan vorgebracht werden können, aber sie dürfen deshalb im Interesse des nachhaltigen Erfolges nicht vernachlässigt werden.
    Lassen Sie mich diesen Ausführungen, namentlich den Schlußsätzen des Herrn Geheimrat Weber, noch folgendes Wort hinzufügen: Meine Damen und Herren, wenn dieser Schritt, die Schaffung der Montan-Union, nicht getan wird, besteht in absehbarer Zeit für Europa keine Hoffnung mehr,

    (Sehr gut! in der Mitte)

    es besteht keine Hoffnung für wirtschaftliche und keine Hoffnung für politische Gesundung. Man kann nicht ernstlich glauben, die Regierungen Europas würden, wenn der gegenwärtige Versuch scheitern sollte, sich in nächster Zeit zu einem neuen Versuch zusammenfinden. Die Enttäuschung des Mißlingens würde alles lähmen. Die Jugend der europäischen Völker würde die Hoffnung auf eine bessere Zukunft verlieren.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sehr richtig!) Amerika, das im Schumanplan den Prüfstein für die Fähigkeit Europas sieht, seine Zwistigkeiten zu überwinden, würde sich mit Enttäuschung abwenden.


    (Lachen bei der KPD.)

    Die Weltlage, die jetzt trotz allem Ernst der Hoffnung Raum gibt, wäre von Grund auf verschlechtert.
    Hier und jetzt muß der Anfang gemacht werden. Unsere Völker, meine Damen und Herren, Europa und die Welt warten darauf. Alles Vertrauen, nicht nur zu uns, sondern zu Europa überhaupt, ist mit diesem Anfang verknüpft.
    Es ist die Entscheidung, die Sie zu treffen haben, in Wahrheit eine Entscheidung für oder gegen Europa.

    (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und rechts.)

    An Sie alle, ohne Unterschied der Partei, richtet die Bundesregierung die Bitte, in gleicher Weise wie es die niederländische und die französische Volksvertretung getan haben, sich für Europa zu entscheiden. Von Ihrem Ja hängt es ab, ob die europäische Einigung Wirklichkeit wird.

    (Abg. Frau Strohbach: Die deutsche Einigung sollte man zuerst verwirklichen!)

    Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, eine Entscheidung zu treffen, die der Größe der Aufgabe gerecht wird.

    (Langanhaltender, lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)