Rede von
Dr.
Hermann
Kopf
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion des Deutschen Bundestages hat beim Bundesverfassungsgericht eine Klage gegen die Bundesregierung eingereicht und beantragt, ganz allgemein festzustellen, daß auch Verträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Alliierten Hohen Kommission der Zustimmung der für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes bedürfen; weiterhin, daß die Bundesregierung die dem Bundestag nach Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes zustehenden verfassungsmäßigen Rechte verletzt hat, indem sie es unterließ, die zwischen dem Bundeskanzler und der Alliierten Hohen Kommission getroffenen Abmachungen — das sogenannte Petersberger Abkommen — dem Bundestag in der Form eines Bundesgesetzes zur Zustimmung vorzulegen.
Das Bundesverfassungsgericht hat diese Klage dem Präsidium des Deutschen Bundestags zur Äußerung übersandt. Der Rechtsausschuß hatte sich mit der Frage zu befassen, ob und in welcher Weise der Bundestag zu dieser Klage Stellung nehmen soll. Zunächst lag nur eine kurze Klagebegründung vor, in der von der Klagepartei ausgeführt wird, daß nach Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes Verträge, die die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, der Zustimmung und Mitwirkung der für die Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften bedürfen. Ferner wurde ausgeführt, daß das Petersberger Abkommen ein Vertrag sei, der sowohl Gegenstände der Bundesgesetzgebung berühre als auch Abmachungen politischer Natur enthalte. Eine ausführliche Klagebegründung, die von der SPD-Fraktion inzwischen beim Bundesverfassungsgericht eingereicht worden ist, lag dem Rechtsausschuß bis jetzt noch nicht vor.
Nach dem Gesetz über das Bundesverfassungsgericht besteht die Möglichkeit, daß auch der Bundestag bei einem derartigen Konflikt zwischen den obersten Bundesorganen dem Verfahren beitreten kann; er muß nicht beitreten, aber er kann beitreten. Daher war die Frage zu prüfen, ob von diesem Beitrittsrecht Gebrauch gemacht werden soll.
Nun hat in der Sitzung des deutschen Bundestags vom 24. und 25. November 1949 nicht nur eine Bekanntgabe des Petersberger Abkommens stattgefunden, sondern es ist damals auch über einen Antrag der Fraktion der SPD abgestimmt worden. Die SPD hat damals beantragt, der Bundestag solle
es mißbilligen, daß der Herr Bundeskanzler das mit der Hohen Kommission geschlossene Abkommen ohne bundesgesetzliche Ermächtigung gemäß Art. 24 Abs. 1 des Grundgesetzes unterzeichnet hat, obwohl damit eine Übertragung von Hoheitsrechten verbunden war. Weiterhin sollte nach dem Antrag der SPD-Fraktion der Bundestag der Auffassung Ausdruck geben, daß das Abkommen auch bei Außerachtlassung des Art. 24 Abs. 1 des Grundgesetzes gemäß Art. 59 Abs. 2 des Grundgesetzes der Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften des Bundes durch Bundesgesetz bedarf. Über diesen Antrag der SPD-Fraktion sowie über einen ähnlich gehaltenen Antrag der kommunistischen Fraktion ist eine Abstimmung erfolgt. Beide Anträge sind damals von der Mehrheit dieses Hauses abgelehnt worden. Diese beiden Anträge haben nicht zu dem behaupteten politischen Inhalt des Abkommens Stellung genommen, sondern in erster Linie zu der Rechtsfrage, ob dieses Abkommen der Genehmigung der zur Bundesgesetzgebung zuständigen Körperschaften bedarf oder nicht. Der Bundestag hat damals durch Ablehnung dieser beiden Anträge in seiner Mehrheit zum Ausdruck gebracht, daß er eine derartige Genehmigung nicht für erforderlich hält. Der Bundestag hat somit damals zur Rechtsfrage selbst bereits Stellung genommen.
Nun liegt zu der Frage, ob und inwieweit der Bundestag sich bei Prozessen ähnlicher Art einschalten soll, bereits ein Präzedenzfall vor, nämlich der Prozeß über die Rechtsgültigkeit der beiden Neugliederungsgesetze. In diesem ersten Fall hat der Bundestag beschlossen, zwar nicht dem Verfahren beizutreten, aber von dem Äußerungsrecht, das ihm in dem speziellen Fall der Normenkontrolle zusteht, Gebrauch zu machen; und er hat davon auch Gebrauch gemacht.
Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um eine Normenkontrolle, sondern um einen Konflikt zwischen den höchsten Bundesorganen. Hier sehen die Bestimmungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes nicht ein bloßes Äußerungsrecht vor. Vielmehr kann die Mitwirkung des Bundestages nur in der Form des Beitritts der einen oder anderen Partei gegenüber erfolgen.
Ich bin nun, nachdem bereits dieser eine Präzedenzfall vorliegt und nachdem der Bundestag zu der in der Klage aufgeworfenen Rechtsfrage durch Ablehnung der beiden Anträge selbst Stellung genommen hat, der Auffassung, daß es sich für den Bundestag empfehlen dürfte, sich auch in diesem Falle durch Beitritt am Verfahren zu beteiligen. Der Beitritt kann meines Erachtens nur in der Weise erfolgen, daß der Bundestag die Stellungnahme, die er damals durch die Ablehnung der beiden Anträge zum Ausdruck gebracht hat, auch heute wieder beibehält, d. h. daß er zu seinem damaligen Mehrheitsbeschluß steht. Ich stelle namens eines Teiles der Ausschußmitglieder den Antrag — einen Antrag, den ich gleich übergeben werden —:
Der Bundestag beschließt, in dem Verfassungsrechtsstreit der sozialdemokratischen Fraktion des Bundestages gegen die Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht der Bundesregierung gemäß § 65 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes beizutreten. Der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht wird beauftragt, über Art und Form des Beitritts dem Bundestag einen -Vorschlag zur Beschlußfassung zu unterbreiten.
Zur Klarstellung sei nochmals bemerkt, daß der Bundestag drei Wahlmöglichkeiten besitzt. Er
könnte erstens davon absehen, sich selbst in irgendeiner Form an dem Verfahren zu beteiligen. Er kann zweitens den Beitritt beschließen und hierbei entweder der Klagpartei, der sozialdemokratischen Fraktion, oder der Beklagten, der Bundesregierung, beitreten.
Aus den Gründen, die ich Ihnen dargelegt habe, wird von mir im Auftrage eines Teiles der Ausschußmitglieder — eine Abstimmung hat bei uns nicht stattgefunden — der Antrag gestellt, daß der Bundestag der beklagten Partei, nämlich der Bundesregierung, beitreten möge und damit die Stellungnahme der Mehrheit des Bundestages bestätigen wolle. Ferner soll der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht dem Plenum Vorschläge darüber machen, in welcher Art und Form — ob schriftlich oder mündlich, ob durch Entsendung eines Vertreters oder bloß auf schriftlichem Wege — dieser Beitritt vollzogen werden soll.