Rede von
Hans-Gerd
Fröhlich
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(WAV)
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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch die Verordnung über Maßnahmen auf dem Gebiete des Mietpreisrechts vom 29. November 1951, die wohl als der Vorläufer einer grundlegenden, im Frühjahr zu erwartenden Reform anzusehen ist, ist in weiten Kreisen der Mieter, im besonderen unter den sozial schwachen Schichten, den Vertriebenen, den Bombengeschädigten, den Empfängern von Mindestrenten usw., eine erhebliche Unruhe eingetreten. Sie sehen bereits ihre schwer erkämpften bescheidenen Teuerungszulagen an den Hausbesitz dahinschwimmen und befürchten auf Grund dieser Verordnung neue Auseinandersetzungen mit den Vermietern, unter denen sie in der Vergangenheit neben ihren sonstigen Nöten schon schwer zu leiden hatten. Nach dieser Verordnung kann ab Dezember 1951 der Hausbesitz die sogenannten Richtsatzmieten für den sozialen Wohnungsbau, wenn auch nur nach freier Vereinbarung, zugrunde legen. Gibt der Mieter sein Einverständnis hierzu nicht, so besteht die Möglichkeit, die Miete unter Einschaltung der Preisbehörde wieder herabzudrücken, jedoch nicht unter 110 % der Stichtagmieten vom 17. Oktober 1936. Wenn eine solche Erhöhung auch nur nach freier Vereinbarung möglich ist, so werden im allgemeinen die Mieter, um allen Auseinandersetzungen und den allzu bekannten kleinen Schikanen aus dem Wege zu gehen,
nolens volens ihre Zustimmung dazu geben müssen. — Natürlich ist es so!
Ähnlich sieht es mit den Zuschlägen für Untermieter aus, die ab Dezember 20 %, bei gesetzlicher Untermiete 5 % der Leerraummieten betragen können.
Besondere Bedenken haben wir jedoch gegenüber der Freigabe der Mieten und Pachten für gewerbliche Räume. Im besonderen die neu errichteten Existenzen der Vertriebenen, die unter den schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen in einem außerordentlich harten Existenzkampf stehen, kommen durch die Lockerung der bisher bestehenden gesetzlichen Bestimmungen in sehr ernsthafte Schwierigkeiten. Böwillige Vermieter und Verpächter, vielleicht noch durch Konkurrenzbetriebe aufgestachelt, könnten durch unerfüllbare Überforderungen zur Vernichtung vieler Neuexistenzen führen. Beispiele für einen solchen Mißbrauch liegen bereits vor. Bundesregierung und Länderregierungen sollten dieser Entwicklung ihr besonderes Augenmerk zuwenden; denn in diesen Fällen würden die an solche Betriebe gegebenen Aufbaudarlehen in eine ernste Gefahr gebracht werden. Im übrigen werden die Betroffenen selbstverständlich versuchen, ihre erhöhten Betriebskosten auf die Verbraucher abzuwälzen. Preissteigerungen würden die unausbleibliche Folge sein, und neue, bereits angekündigte Lohnkämpfe würden die immer mehr sichtbar werdenden sozialen Spannungen verschärfen.
— Hoffentlich wird sie nicht durch die Ereignisse dramatisiert, die kommen können.
Nach glaubwürdigen Schätzungen dürften etwa 70 % des gesamten Wohnraums als Altwohnraum im Sinne der Verordnung zu betrachten sein und dürfte eine Bevölkerung von 25 bis 30 Millionen Menschen in Betracht kommen. Besonders betroffen werden die sozial schwachen Bevölkerungskreise mit etwa 10 Millionen Menschen. Für sie erscheinen
die getroffenen Maßnahmen im augenblicklichen Zeitpunkt völlig unverständlich. Man ist außerordentlich bestürzt darüber, daß die Bundesregierung sich bei einer so schwerwiegenden, in die Lebenshaltung des überwiegenden Teiles der Bevölkerung eingreifenden Verordnung der Stellungnahme des Bundestages und des Bundesrates zu entziehen versucht hat. Wir glauben, daß sie sich damit einen sehr schlechten Dienst erwiesen hat. Der BHE hält die Mieterhöhung unter Ausschaltung des Bundesrates in Form einer Rechtsverordnung für mit dem Grundgesetz unvereinbar. Wir begrüßen den Antrag der Sozialdemokratischen Partei und werden ihm unsere Zustimmung geben.