Rede von
Dr.
August
Dresbach
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Die Antragsteller sind sich bewußt, daß die Gesetzgebung über das Kommunalverfassungsrecht bei den Ländern liegt. Die gleiche Lage ist beim kommunalen Abgabenrecht gegeben, allerdings im Rahmen der Art. 105 Abs. 2 Ziffer 3 und 106 Abs. 2 des Grundgesetzes. Hier ergibt sich das besondere Interesse am materiellen Recht der reinen Kommunalsteuern, das der Bund in seine Gesetzgebung einbezogen hat: Gewerbesteuer und Grundsteuer. Es kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die endgültige Regelung des Finanzausgleichs zwischen Bund und Ländern gemäß Art. 107 des Grundgesetzes ebenfalls stark die Interessen der Gemeinden und Gemeindeverbände treffen wird. Die Bundesgesetzgebung auf dem Gebiete des Beamtenrechts im
Sinne des Art. 75 Ziffer 1 berührt die Gemeinden nur rahmenmäßig. Soweit die Gemeinden und Gemeindeverbände in Bundesauftragsangelegenheiten tätig werden, sind die Rechte des Bundes gemäß Art. 85 Abs. 2 Satz 2 in der Beamtenrechtsgesetzgebung schon stärker. Die Gesetzgebung zu Art. 131 hat schließlich gezeigt, wieweit der Bund in das innerste Gefüge, d. h. in die Personalhoheit der Gemeinden eingreifen kann.
Zum kommunalen Wirtschaftsrecht kann die Auffassung vertreten werden, daß hier die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes gemäß Art. 74 Ziffer 11 in Frage kommt. Verwiesen sei auf die bedeutsame Rolle der Gemeinden und Gemeindeverbände bei der Energieversorgung, der Wasserwirtschaft, beim Nahverkehr und auch bei der Ernährungswirtschaft, soweit die Schlacht- und Viehhöfe der größeren Städte zur Verfügung stehen.
Die gesamte kommunale Wirtschaft berührt sich wiederum mit den Fragen der Kreditversorgung. Wie stark die Interessen der Gemeinden und Gemeindeverbände von allen Interventionen des Bundes auf dem Gebiete des Bau-, Siedlungs- und Wohnungswesens berührt werden, braucht wohl nicht näher ausgeführt zu werden. Kurz vermerkt sei hier der vom ersten Bundeswohnungsbaugesetz verordnete zehnjährige Grundsteuerausfall.
Die Funktionen des Trägers der öffentlichen Fürsorge bringen die Gemeinden und Gemeindeverbände in enge Berührung mit der Sozialversicherung und damit in den. Bereich der Anrechenbarkeit der übrigen sozialen Leistungen einschließlich derer der Soforthilfe. Der Umstand, daß die Gemeinden und Gemeindeverbände Betriebseigentümer sind, macht sie zum mindesten zu starken Interessenten an der sozialpolitischen Gesetzgebung, sei es auf dem Gebiet des Mitbestimmungsrechts, sei es auf dem Gebiet des Tarifvertragswesens, des Kündigungsschutzes usw. Die Gemeinden dürfen hier mit gutem Recht eine Sonderstellung gegenüber der Erwerbswirtschaft verlangen. Der Tatbestand des Betriebseigentums ragt in den Komplex des Lastenausgleichs hinein.
Diese Aufzählung von Berührungspunkten zwischen Gemeinden und Bund und dessen Gesetzgebung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Das sogenannte Dritte Reich hat, gestützt auf die Vorarbeiten in der Weimarer Republik, das Kommunalrecht durch Reichsgesetzgebung stark vereinheitlicht. Es darf festgestellt werden, daß die damals geschaffenen Vorschriften über Haushaltsrecht, Kassenrecht, Eigenbetriebe usw. nach wie vor ganz oder teilweise in den Ländern gelten und daß beispielsweise die sogenannte revidierte Gemeindeordnung, die vom britischen Gesetzgeber oktroyiert wurde, das Finanz- und Wirtschaftsrecht der Deutschen Gemeindeordnung von 1935 fast kopiert hat. Auf dem Gebiet des Kommunalverfassungsrechts haben es sich die Besatzungsgesetzgeber dagegen sehr angelegen sein lassen, das Recht ihrer Heimatländer aufzuzwingen, so daß hier allmählich eine Art babylonischer Sprachenverwirrung entstanden ist. Genannt sei beispielsweise das sinngemäße Auseinanderfallen gleichlautender Dienstbezeichnungen in der britischen Zone einerseits und in den anderen Besatzungszonen andererseits.
Das Interesse des Bundes an einem weitgehend gleichförmigen Kommunalverfassungsrecht ist vor allem im Hinblick auf die Art. 84 und 85 des
Grundgesetzes gegeben, d. h. also in der Ausführung der Bundesgesetze. Der Begriff „nachgeordnete" Behörde in Art. 84 Abs. 3 des Grundgesetzes betrifft nicht nur unmittelbare Landesbehörden, beispielsweise solche der inneren Verwaltung, sondern auch Kommunalbehörden. Der Begriff „alle Behörden" gemäß Art. 85 Abs. 4 des Grundgesetzes erfaßt auch die Gemeinden und Gemeindeverbände.
Mit einer Zunahme der Bundesgesetzgebung und der Bundesaufträge muß gerechnet werden. Unser ganzes Tun und Treiben in diesem Hohen Hause bietet den Beweis. Für die steigenden Aufgaben der Bundessicherheit kommt eine wachsende Verwaltungstätigkeit in Frage, die früher unter der Abkürzung RV verstanden wurde. Wenn aber solche Aufgaben wachsen oder wieder erwachsen, dann hat gerade der Bund ein Interesse daran, die Gemeinden und Gemeindeverbände gleichförmig ansprechen zu können, und er hat ein weiteres Interesse daran, daß die Gemeinden - wie übrigens auch die Länder - über die genügende Verwaltungskraft verfügen.
Die Antragsteller glauben, den Sinn des Grundgesetzes dahin auslegen zu dürfen, daß es besser sei, die Gemeinden und Gemeindeverbände als Unterinstanz in Bundesauftragsangelegenheiten einzuschalten, denn neue vertikale Sonderbehörden des Bundes aufzubauen. So ist beispielsweise den Stadt- und Landkreisen die Errichtung der Soforthilfeämter übertragen worden. Die Gefahr neuer Bundessonderbehörden steht aber offensichtlich vor der Tür, wie die Anträge auf den Drucksachen Nrn. 2852 und 2853 besagen. In diesen Anträgen zur Ergänzung des Art. 87 des Grundgesetzes wird nicht mehr und nicht weniger verlangt als eine bundeseigene Verwaltung für Angelegenheiten der Vertriebenen, und zwar in Form von Mittel- und Unterbehörden. Wenn es nicht zur Errichtung neuer Bundessonderbehörden kommen soll, dann muß der Bund ein wachsames Auge für die Lage der Gemeinden und Gemeindeverbände haben und eine starke koordinierende Stellung einnehmen. Die gegebene Stelle hierfür ist das Bundesministerium des Innern.
Das Interesse der Gemeinden und Gemeindeverbände verlangt auf der andern Seite, daß jegliche Gesetzgebung des Bundes, die neue Aufträge und Ausgaben für die Gemeinden und Gemeindeverbände bringt, durch eine Art von Filter gesiebt werde. Die meisten der Antragsteller sind deshalb auch der Meinung, daß die gegenwärtigen Referate im Bundesministerium des Innern nicht genügen, sondern daß es zu einer regelrechten Kommunalabteilung im Sinne der Abteilung V des früheren Reichsinnenministeriums kommen muß. Die Antragsteller sind sich aber bewußt, daß es bis dahin noch lange Weile haben kann, daß aber dann der besagte Filter zum mindesten in Form eines Ausschusses für Kommunalpolitik des Bundestages eingerichtet werden muß. Die Belange der Gemeinden und Gemeindeverbände können unter dem Gesichtswinkel des Bundes nicht nur dem Bundesrat anvertraut werden, zumal da es auf dem sehr wichtigen Gebiet der sogenannten inneren Finanzausgleiche auch starke Konfliktspunkte zwischen den Ländern einerseits und den Gemeinden und Gemeindeverbänden andererseits geben kann. In kommunalen Dingen muß es eine volle Parität zwischen Bundestag und Bundesrat geben. Deshalb der Antrag. Er trägt den Interessen der Gemeinden Rechnung, aber er legt das Schwergewicht auf
das Interesse des Bundes an den Gemeinden, und zwar im Sinne genügender Verwaltungskraft zur Erfüllung von Bundesauftragsangelegenheiten.
Der Antrag zielt nicht auf eine Verfassungsänderung; in den Motiven ist sogar einmal angeführt worden, daß er eine Änderung des Grundgesetzes vermeiden will. Deshalb dürfte er für alle Parteien annehmbar sein.
Und nun noch ein Wort der freien Rede: Kommunalpolitiker aller Parteien, vereinigt Euch!