Rede von: Unbekanntinfo_outline
Was mit der Stellung eines Bundesministers vereinbar ist, unterliegt nicht Ihrer Beurteilung.
Tun Sie Ihre Pflicht, wie ich die meine tue, dann nützen wir unserem Volke. Daß die Rentensucht unseres Volkes eines der größten Übel der Zeit ist,
sollten Sie auf Grund Ihrer Tätigkeit wissen.
Wenn der Großteil eines Volkes ein arbeitsloses Einkommen beziehen will, dann ist dieses Volk zum Untergang verurteilt.
Was ich gesagt habe, stützt sich nicht auf die Äußerung eines einzelnen Arztes. Das Problem beschäftigt mich seit Jahrzehnten.
Meine These wird von allen einsichtigen Ärzten bestätigt.
Einer, der es wissen muß, hat mir vor wenigen Tagen erklärt, daß ich zu niedrig gegriffen habe.
Das Übel sitzt ja noch viel tiefer. Die Renteneinstellung lähmt den Lebenswillen, fördert die Flucht in die Krankheit, mindert den Gesundungswillen.
Bitte, sprechen Sie mit einem vernünftigen Arzt über die Dinge, und schreiben Sie mir dann, ob Sie die Forderungen Ihres Briefes aufrechterhalten.
Vielleicht ist Ihnen klar, daß die Vorwürfe, die ich erhebe, sich in erster Linie gegen unsere Ärzte richten — ein ernstes Problem, über das manches zu sagen ist.
Bitte, nehmen Sie dies zur Kenntnis. Ich weise Ihr Verlangen in aller Form und mit aller Schärfe zurück.
Sie sind dazu nicht legitimiert und verlangen Unrechtes.
Meine Damen und Herren! Diesen Brief hätte der Bundesjustizminister besser nicht geschrieben.
Denn wenn es auch zweifellos ehrenhaft sein mag, . einen einmal eingenommenen Standpunkt zu vertreten, so ist es doch sicher nicht minder ehrenvoll, von einer Meinung abzurücken, wenn man erkannt hat, daß sie falsch ist.
Herr Dr. Dehler hat mit seiner Darstellung Hunderttausende braver deutscher Arbeiter und ihre Familien, die ein Leben lang ihre Pflicht im Arbeitsprozeß erfüllten und jetzt im Alter die Früchte ihres Fleißes in Form bescheidener Sozialversicherungsrenten genießen, diffamiert.
Er hat Hunderttausende von Kriegsopfern beider Weltkriege, die Leben und Gesundheit hingaben, wie das Gesetz es befahl, kollektiv beleidigt,
hat die im Rentenwesen tätigen Beamten und Angestellten zu Unrecht verdächtigt, ihre Pflicht zu vernachlässigen.
Er hat ohne ausreichendes Beweismaterial schwerste Vorwürfe gegen den Berufsstand der, Ärzte gerichtet, die ihre Gutachten nach bestem fachlichem Wissen und Gewissen erstatten. Er hat darüber hinaus sich unerträglich im Ton vergriffen gegenüber einer Selbsthilfeorganisation der Kriegsopfer, die für aas Recht im Mitglieder eintritt und selbst bestrebt ist, Auswächse zu unterbinden,
indem sie ihre Arbeit immer wieder betont unter das Gesetz der staatspolitischen Verantwortung gestellt hat.
Wenn Herr Bundesminister der Justiz Dr. Dehler nicht bereit ist, die persönlichen Konsequenzen daraus zu ziehen, dann bedaure ich, dem Hause die Annahme des Antrags meiner Fraktion Drucksache Nr. 2897 empfehlen zu müssen.
Nachdem dieser Vorfall jedoch nicht nur einen unerfreulichen Einzelfall darstellt, sondern Rede und Brief von Herrn Dr. Dehler symptomatisch sind für die immer deutlicher in Erscheinung tretende Methode des Versuchs, einen Keil zwischen Kriegsopfer und Steuerzahler zu treiben, möchte ich dazu auch noch als selbst schwer Kriegsbeschädigter Stellung nehmen. Die Kriegsopfer haben ihre schicksalsmäßige Zugehörigkeit zum deutschen Volke mit dem Verlust von Leben und Gesundheit bezahlen müssen. Um ihre Versorgung in bescheidenstem Umfang zu ermöglichen, entfällt naturgemäß ein Teil der jedem Staatsbürger auferlegten Steuerlast für diesen Zweck. Aber, meine Damen und Herren, dieser Teil steht in keinem Verhältnis zu den Opfern, die den Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen auferlegt sind.
Was sie verloren haben, kann mit Geld und Gut
auf dieser Welt nicht mehr wettgemacht werden.
Deshalb sollte jeder in diesem Staate, nicht nur der
Herr Bundesminister der Justiz, auf solche
Methoden verzichten, die an schlechte Instinkte
appellieren und geeignet sind, die Seele unseres Volkes zu vergiften.
Wenn man schon den Kriegsopfern ihre Renten neidet, dann sollte man ihnen doch wenigstens nicht die Achtung versagen, auf die sie einen Anspruch haben!