Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Paul, ich würde Ihnen vorschlagen, gelegentlich einmal wieder zur Sache zu kommen!
Paul (KPD), Antragsteller: Das gehört zur Sache. Das gehört zur Rede des Herrn Justizministers. Darauf hat er Bezug genommen. Das große Versäumnis der deutschen Arbeiterbewegung und ihrer Gewerkschaften besteht darin, daß die Arbeiterschaft und die Gewerkschaften nicht einheitlich gegen den Hitlerfaschismus Front gemacht und die Demokratie und die Arbeiterrechte aktiv verteidigt haben. Aber die deutschen Großkapitalisten sind. die Hauptschuldigen am ersten und zweiten Weltkrieg und an der Entstehung des Hitlerfaschismus in Deutschland.
Wer aber die Pläne und die Absichten des deutschen Großkapitals und seine Hauptschuld am letzten Krieg leugnet, der macht sich mitverantwortlich für das Unglück, das über unser Volk gekommen ist. Heute sind diese Herrschaften wieder dabei, mit dem amerikanischen Finanzkapital unser
Volk in einen neuen, dritten Weltkrieg zu stürzen.
Der Bundesjustizminister spricht davon, daß sich die Bundesregierung nicht von Klasseninteressen leiten lassen dürfe. Aber der Bundesinnenminister Lehr hat, wie das „Hamburger Echo" meldet, vor dem Überseeklub in Hamburg ganz deutlich gesagt, daß die Klasseninteressen der Großunternehmer am besten durch die heutige Bundesregierung gewahrt würden.
Das haben wir als Arbeiter schon längst gewußt. Jeder Arbeiter kann das täglich an der Praxis der Politik der Bundesregierung nachprüfen.
Es ist ganz klar, daß der Bundesjustizminister versucht, die freie Marktwirtschaft seines Ministerkollegen Erhard über den Klee zu loben; aber es ist eine Gemeinheit, eine Frechheit, zu behaupten, die Arbeiterschaft und die Gewerkschaften hemmten die wirtschaftliche Fortentwicklung der Bundesrepublik. Es stimmt, was die Gewerkschaften sagen: Diese Regierung hat die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer gemacht.
Ich brauche bloß auf die Tatsache hinzuweisen, daß zwei Drittel aller Arbeitnehmer und Angestellten heute ein Monatseinkommen unter 250 DM haben, daß aber die Großunternehmer nach der Währungsreform über 58 Milliarden DM verdienten und zur Errichtung neuer Anlagen investieren konnten. Weiter weise ich darauf hin, daß die Aktien der großen Konzerne der Kohlengruben und der Stahlwerke 1 : 1 umgetauscht wurden, während das Sparkapital, das ersparte Vermögen der kleinen Leute restlos durch die Währungsreform geraubt wurde, bei der die Politiker, die diese Regierung gebildet haben und stützen, wahrlich ihre Finger im Spiele hatten.
Herr Bundesjustizminister, Sie sprechen davon, daß die Freiheit bei Ihnen am besten gewahrt sei. Die Freiheit, die Sie meinen, das ist die Freiheit der Großkapitalisten zur rücksichtslosen Ausplün-
derung der breiten Massen. Die Freiheit, die Sie meinen, das ist die Freiheit der Militaristen, der Revanchepolitiker, die unser Volk in einen neuen Krieg hetzen möchten,
das ist die Freiheit der Terrororganisationen, der Bombenwerfer, der faschistischen Untergrundbewegung.
Die Freiheit, die Sie meinen, das ist die ungehemmte Kriegshetze bei gleichzeitiger Unterdrückung der Stimme des Friedens.
Die Freiheit, die Sie meinen, das ist die Beschneidung des Koalitions- und Streikrechts der Arbeiter, das ist die Aussperrung und die Massenentlassung, wie wir es jetzt bei den Fliesenlegern gesehen haben.
Die Freiheit, die Sie meinen, das ist der Gummiknüppel, die Bereitschaftspolizei,
das ist der Wasserwerfer gegen die streikenden Arbeiter.
Ich sage mit aller Deutlichkeit: die Arbeiterschaft wird diese provozierenden Redensarten
der Minister Lehr und Dehler nicht einfach Weiter
hinnehmen. Schon zeigt sich in den Streikkämpfen
der Arbeiter, in dem hessischen Metallarbeiterstreik, in dem Streik der Bremer und Hamburger
Hafenarbeiter, daß die Arbeiter jetzt mit der Regierung ein ernstes Wort auf der außerparlamentarischen Ebene reden.
Herr Minister Dehler, daß Sie mit dem AdenauerKabinett überhaupt noch da sind, dafür können Sie sich nur bei solchen Gewerkschaftsführern wie Christian Fette bedanken. Wenn nach dem Willen der Arbeiter gehandelt würde, wäre die ganze Adenauer-Regierung schon längst nicht mehr da.