Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich darf annehmen, daß das Haus mit der Überweisung des Antrages an den Ausschuß für Jugendfürsorge einverstanden ist. — Das ist der Fall; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 3 der Tagesordnung:
a) Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Mißbilligung der Haltung des Bundesministers der Justiz Dr. Dehler ;
b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Mißbilligung der Haltung des Bundesministers der Justiz Dr. Dehler .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Begründung der beiden Anträge je 15 Minuten, für die Aussprache 90 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Zur Begründung des Antrags der Fraktion der KPD Herr Abgeordneter Paul, bitte!
Paul (KPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! In der 140. Sitzung am 9. Mai hat sich der Bundestag bereits mit den bösartigen Verdächtigungen und Angriffen des Bundesjustizministers Dehler gegenüber den Gewerkschaften und damit der gesamten Arbeiterschaft beschäftigt. Eindeutig wurde damals trotz der Versuche des Herrn Bundesjustizministers, den Inhalt seiner Rede in Uslar zu bagatellisieren, festgestellt, daß er tatsächlich erklärt hat, daß die Arbeiterschaft und ihre Gewerkschaften durch die Urabstimmung über die Durchsetzung des Mitbestimmungsrechts den Weg des Rechts verlassen hätten und zuchthausreif seien. Der Justizminister wurde trotz des heftigen Protests und der Forderung der Arbeiterschaft nach Abtritt, wie nicht anders zu erwarten war, von der Bundesregierung in seiner Haltung gedeckt.
Unserem heutigen Antrag liegt die Rede des Bundesjustizministers vom 16. Oktober 1951 zugrunde. Diese Rede wurde zwar aus taktischen Gründen etwas umgearbeitet und erst dann über den bayerischen Rundfunk gesendet. Aber die aus taktischen Gründen abgeänderte Rede vom 16. Oktober 1951 zeigt, daß der Bundesjustizminister von dem ursprünglichen Text keineswegs abgewichen ist. Seine feindselige Haltung gegenüber der Arbeiterschaft und ihren Gewerkschaften wurde bereits in der 140. Sitzung des Bundestags sichtbar. In der vom Rundfunk verbreiteten Rede wurde gleichfalls klar, daß der Bundeskanzler Dr. Adenauer die ursprüngliche Fassung der Rede seines Ministers Dehler nicht grundsätzlich abgelehnt hat. Der Bundesjustizminister hat nämlich in seiner korrigierten Rede wörtlich gesagt: „Er" — Dr. Adenauer — „bat mich, lange bevor die Reaktion des selbstverständlich prompt unterrichteten Deutschen Gewerkschaftsbundes einsetzte, mit Rücksicht auf die politische Situation des Tages die Rede kurz zu verschieben." Dr. Adenauer deckt also, wie man mit Recht annehmen kann, den Inhalt der ursprünglichen Fassung der Rede seines Justizministers. Der Bundesjustizminister bezeichnet in seiner Rede die Gewerkschaften als „eine bösartige Geschwulst im deutschen Volkskörper". Das ist die Sprache eines Scharfmachers der Kohlenbarone, der Stahlherren, des westdeutschen Bankkapitals. Die Worte Dr. Dehlers sind eine Provokation
der organisierten Arbeiter, Angestellten und Beamten.
Wissen Sie, Herr Dr. Dehler, was eine bösartige Geschwulst ist, welches den deutschen Volkskörper vergiftet,
welches das deutsche Volk in die Gefahr der Vernichtung bringt? Das ist eine Regierung, die durch Remilitarisierung und geheime Militärabkommen unser Volk in ein großes Unglück stürzen will!
Dieses bösartige Gewächs zu entfernen und damit unser Volk vor neuen Kriegsschrecken zu bewahren, das ist eine der wichtigen Aufgaben der deutschen Arbeiterschaft und ihrer Gewerkschaften.
Herr Dr. Dehler wünscht genau so wie der Chef der Arbeitgeberverbände, Herr Raymond, Gewerkschaftsorganisationen nach dem Muster der amerikanischen Gewerkschaften. Die amerikanischen Gewerkschaften aber unterstützen das Kriegsprogramm des Herrn Truman, sie arbeiten an der Organisierung des Krieges aktiv mit. Herr Bundesjustizminister, Sie wünschen Gewerkschaften, die die Arbeiter vom Kampf um ihre Lebensinteressen, vom Kampf gegen die Remilitarisierung abhalten wollen. Wenn der Bundesjustizminister Dehler auf die Hirsch-Dunckerschen Gewerkvereine in der Vergangenheit hinweist, dann möchte ich daran erinnern, daß diese Gewerkvereine Bismarckscher
Prägung doch nur geschaffen wurden, um die deutschen Arbeiter von der Organisierung in den freien Gewerkschaften abzuhalten und gleichzeitig zu verhindern, daß die Arbeiter den Kampf um die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen aufnahmen.
Ich halte es für verfehlt — und mit mir Millionen von Arbeitern —, mit einem Wortführer des westdeutschen Großkapitals über den Marxismus zu diskutieren. Es gab schon vor dem Herrn Dehler Vertreter des kapitalistischen Systems, die vorgaben, den Marxismus überwunden zu haben.
Der Bundesjustizminister reiht sich nämlich mit seiner Rede nur würdig in jene Ahnengalerie ein, die auch durch Hitler und Göring geziert wird.
Herr Göring hat sich auf dem sogenannten Parteitag der NSDAP in Nürnberg großspurig hingestellt und gesagt: „In 50 Jahren wird keiner mehr von Marxismus reden!"
Auch Göring haben die Würmer längst zerfressen, Herr Bundesjustizminister, der Marxismus
gewinnt immer mehr Eingang in die Herzen und
Hirne
von Millionen ausgebeuteter und unterdrückter Menschen in den kapitalistischen Ländern.
Die Richtigkeit der Lehren von Marx und Engels kann jeder Arbeiter selbst prüfen, wenn er sich die volksfeindliche Politik dieser Adenauer-Regierung ansieht.
Der Herr Bundesjustizminister hat in seiner Rede den Versuch unternommen, die deutschen Konzern- und Monopolherren von der Schuld am ersten und zweiten Weltkrieg und an der Entstehung des Hitlerfaschismus reinzuwaschen. Geschichtliche Tatsache aber ist, daß sich mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise 1928/29 die deutschen Industrieherren auf die Hitlerpartei als ihre Interessenvertreterin orientiert haben.
Durch politische und wirtschaftliche Manipulationen haben sie die damalige Krise vertieft und verlängert und somit das Massenelend gesteigert. Revanchepolitik und Chauvinismus wurden dadurch vorwärtsgetrieben, und der Hitlerbewegung wurde damit in das Amt verholfen.
Ich möchte weiter den Herrn Bundesjustizminister und alle, die es vergessen haben sollten, daran erinnern, daß es die deutschen Kohlenbarone waren, der Herr Kirdorff, der Herr Thyssen,
die im Kohlensyndikat durchgesetzt haben, daß pro Tonne Kohle 50 Pfennig an die Hitlerpartei abzuführen waren.
Es ist eine unbestreitbare Tatsache, daß die Thyssen, die Kirdorff, die Krupp, die Männer aus der rheinisch-westfälischen Schwerindustrie es waren, die die Hitlerbewegung finanziert und gefördert haben. In ihrem Auftrag und in ihrem Interesse
haben SA-Banden die Arbeiterviertel, die Gewerkschaftsversammlungen überfallen und Gewerkschaftshäuser demoliert.