Das Wort hat der Minister Dr. Spiecker.
Dr. Spiecker, Minister des Landes NordrheinWestfalen: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat beanstandet, daß im Bundesrat die Aufnahmeländer gegen das Umsiedlungsgesetz gestimmt haben. Wir haben aber — ich spreche für Nordrhein-Westfalen — gegen dieses Umsiedlungsgesetz deshalb gestimmt, weil wir den Zeitplan des Gesetzes für undurchführbar gehalten haben. Ich möchte mich mit Ihnen auf einer Basis finden. Der große Gesetzgeber Moses hat es wahrscheinlich sehr viel leichter gehabt, die zehn Gebote auf einen Papyrus zu pinseln, als all die andern, die sie nachher zu erfüllen hatten. So geht es, seitdem überhaupt Gesetze gemacht werden. Es ist sehr viel leichter, Gesetze zu machen, sie sogar einstimmig zu beschließen, als sie nachher durchzuführen. Weil wir — die Aufnahmeländer — davon überzeugt gewesen sind, daß die Umsiedlung in der vorgesehenen Zeit gar nicht durchführbar ist, haben wir im Bundesrat gegen das Umsiedlungsgesetz gestimmt.
Der Herr Bundeswohnungsbauminister hat Ihnen heute erklärt, daß zur Durchführung des Gesetzes im besten Fall mindestens ein Jahr notwendig ist. Danach brauche ich eigentlich gar keine Rechenexempel mehr vorzuführen; denn das Gesetz ist Ende Mai dieses Jahres verkündet worden, und jetzt stehen wir im November. Wie können Sie also erwarten, daß das Bauprogramm schon ganz oder im wesentlichen durchgeführt ist! Wenn die Erfüllung der Gesetze schon allgemein schwierig ist, so ist die Ausführung dieses speziellen Gesetzes den Ländern, die ja nun einmal den Bund gezeugt und aus der Taufe gehoben haben und auch bereit sind, seine Ausführungsorgane zu sein, nur dann möglich, wenn es so gemacht ist, daß es wirklich ausführbar ist. Das ist kein Wort der Kritik, sondern nur ein Wort des Ansporns dazu, daß wir das uns vorliegende Gesetz in der Durchführung so abändern, daß die Umsiedlung tatsächlich vonstatten gehen kann. Sie ist im Gange. Bislang ist geschehen, was geschehen konnte. Für mein Land darf ich sagen, daß das Bauprogramm von 1950, das noch auf der Verordnung des Herrn Bundesministers für Vertriebene beruht, heute zu 82 bis 85 % ausgeführt ist. Das Programm für das laufende Jahr ist erst im Werden.
Ich möchte Ihnen einige Zahlen mitteilen, um eine Bemerkung des Herrn Berichterstatters richtigzustellen, der gesagt hat, daß die Länder nur wirtschaftlich und nicht menschlich an die Dinge herangehen. Ich möchte darauf hinweisen, daß das Land Nordrhein-Westfalen im Jahre 1949 einen Wanderungsgewinn von 281 185 Personen hatte. Davon waren 74 101 Flüchtlinge, von diesen 33 011 Zuwanderer aus den drei Abgabeländern. Im Jahre 1950 hatten wir einen Wanderungsgewinn von 253 400 Personen. Davon waren 83 763 Flüchtlinge, von denen 58 733 Zuwanderer aus den Abgabeländern waren. Bis August 1951 hatte mein Land einen Wanderungsgewinn von 172 015 Personen. Davon waren 94 476 Flüchtlinge, von denen 81 464 Zuwanderer aus den Abgabeländern kamen. Sie entnehmen diesen Zahlen, daß es sich nicht nur um gelenkte Vertriebene handeln kann. Aber solange wir eine Freizügigkeit in Deutschland haben, können Sie nicht erwarten, und zwar aus menschlichen Gründen nicht, daß wir unsere Polizei beauftragen, die bei uns Zuwandernden nun über die Grenzen nach Niedersachsen oder Rheinland-Pfalz oder woher sie gekommen sind, abzuschieben. Wenn ich Ihnen diese Zahlen nenne, meine Damen und Herren, und hinzufüge, daß wir in Nordrhein-Westfalen allein noch 1 400 000 Menschen haben, die menschenunwürdig untergebracht sind,
dann verstehen Sie, daß das Problem bei uns nicht
einfach liegt und daß wir mehr, als überhaupt
menschlich zu erwarten war, bis heute getan haben.
Wir haben im Jahre 1949 90 000 Wohnungen errichtet. Wir haben im Jahre 1950 105 000 Wohnungen errichtet, und im Jahre 1951 werden es mindestens wieder soviel werden.
Ich glaube, daß man das alles zusammen sehen muß. Wir tun alles, um auch den Flüchtlingen als Umsiedlern zu helfen. Das beweisen die Zahlen, und das beweist das Programm, das wir für dieses Jahr aufgestellt haben. Ich glaube, wenn wir uns sachlich über diese Dinge unterhalten, können wir sehr bald einig werden.
Nun möchte ich noch eine Richtigstellung treffen. Mein Vorredner, der Herr Abgeordnete Besold, hat behauptet, wir hätten j a sehr viel mehr Wohnraum als z. B. die Bayern. Das ist leider nicht der Fall.
Die Wohnungsdichte ist bei uns — ebenso selbstverständlich in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg — erheblich größer als die in Bayern. Also auch da muß man vorsichtig sein, wenn man Vergleiche zieht.
Ich möchte hiermit meine Ausführungen schließen, weil ich nur den Wunsch hatte, Ihnen darzulegen, daß das Land Nordrhein-Westfalen, wie die 109 Abgeordneten meines Landes in diesem Hause wohl bezeugen können, sein Bestes tut.