Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir wissen wohl alle, daß das Heimatvertriebenenproblem eines der schwierigsten Nachkriegsprobleme ist. Unsere Haltung zum Heimatvertriebenenproblem ist aber auch einer der besten Prüfsteine dafür, ob wir beim Aufbau unserer jungen Demokratie, unseres Bundes die richtige Haltung haben und den richtigen Weg gehen. Es ist allmählich peinlich, immer wieder zur Heimatvertriebenenfrage im Bund sprechen und immer wieder feststellen zu müssen, daß die Lösung dieses Problems nicht vorwärtsgeht. Es ist die Frage aufzuwerfen, ob wir den Weg eines egoistischen, materialistischen Interessenklubs gehen, der in Zukunft nicht in der Lage sein wird, die schweren Belastungen, die wir noch zu überstehen haben werden, zu tragen, oder ob wir einen echten Bund 'wollen, der gerade in der Tragung gemeinsamer Lasten, die sich aus der Nachkriegssituation ergeben haben, Bande knüpft. Da müssen wir uns einmal ganz offen und ehrlich einige Minuspunkte vor Augen halten. Wenn ich das Abstimmungsergebnis im Bundesrat bei der Verabschiedung des Gesetzes zur Umsiedlung von 300 000 Flüchtlingen überblicke und feststellen muß, daß in einer Zeit, wo die Lebensbedingungen im Bund ganz andere sind als zu der Zeit, da die flüchtlingsüberbelasteten Länder die Heimatvertriebenen aufgenommen haben, gerade die Aufnahmeländer wie Baden, Nordrhein-Westfalen, Württem-
berg-Baden, Württemberg-Hohenzollern mit Nein gestimmt haben, so muß ich sagen, daß das wohl nicht die richtige Haltung sein kann. Denn 300 000 sind bei der Millionenzahl von Flüchtlingen in den überbelasteten Ländern nur eine geringe Belastung für die Aufnahmeländer. Es würde bei der Umsiedlung auf die Aufnahmeländer nur ein ganz bescheidener Teil an Heimatvertriebenen entfallen sein. Daher hat weder eine sachliche Berechtigung zu diesem Nein bestanden, noch war es psychologisch angebracht. Es ist aber auch keine Haltung insbesondere gegenüber den Ländern, die mit Heimatvertriebenen überbelastet sind, wenn z. B. das Land Nordrhein-Westfalen im August dieses Jahres noch 11 760 Heimatvertriebene aus dem Jahre 1950 abzurufen hatte. Wenn man auf der anderen Seite aus dem Bericht des Instituts für Raumforschung in Bonn feststellen muß, daß in Nordrhein-Westfalen ganz gewaltige Bewegungen vorhanden sind — in der freien Wanderung und in der gelenkten Umsiedlung —, wobei Nordrhein-Westfalen eine Viertelmillion Arbeitskräfte aufgenommen hat, so ist das ein Beweis, daß dort auch genügend Wohnräume vorhanden sind. In dieser Zahl sind aber nur 10 % Umsiedler und Heimatvertriebene.
Daher ist auch der Einwand der Aufnahmeländer nicht berechtigt, daß nicht genügend Altwohnraum vorhanden sei. Wenn man den Maßstab der Belegung der Altwohnräume in den flüchtlingsüberbelasteten Ländern zugrunde legte, würde man in den Aufnahmeländern ausreichend Altwohnräume freibekommen, um hier Heimatvertriebene aufnehmen zu können.
Oder: Wenn an dem Tage, nachdem hier das Gesetz über die Leistungen der Länder an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer — 27 % Abgabe an den Bund — beschlossen wurde, um den Bundeshaushalt auszugleichen, in der Zeitung zu lesen war, daß sich der Bund geweigert hat, einen Zuschuß zur Auflösung von 291 Flüchtlingslagern in Bayern zu geben, wo die Wohnverhältnisse menschenunwürdig sind, wie es in dem Bericht heißt, dann ist das wohl bei der Lösung des Heimatvertriebenenproblems kein richtiges Verhältnis von Bund und Ländern.
Dann lese ich im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung die letzten Auslassungen der Herrn Bundesflüchtlingsministers bezüglich der Mittel, die nun zur Verfügung gestellt werden, um den Umsiedlern Wohnraum zu schaffen und die Umsiedlung vorwärtszutreiben, wie eben auch der Herr Wohnungsbauminister ausgeführt hat, und eine Pressemitteilung des Bundesministeriums für Vertriebene vom 7. November 1951, daß diese für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung stehenden Bundesmittel, die immerhin 255 Millionen DM betragen, künftig nach diesem Vorschlag sämtlich den Ländern mit der Auflage gegeben werden, eine bestimmte Anzahl von Umsiedlern unterzubringen. Das ist also eine richtige Maßnahme. Wenn dann aber diese Auflage nicht durchgeführt oder wenn sie abgebogen wird, wenn der Herr Flüchtlingsminister vielleicht deswegen, weil er ein gutes Herz hat, knieweich wird, dann verstehe ich seine Ausführungen nicht, die er erst kürzlich laut einem Bericht in dem oben erwähnten Bulletin vom 15. November 1951 gemacht hat. Da heißt es nämlich — und hier muß die Haltung der einzelnen Aufnahmeländer, die diese Wohnungsbaumittel bekommen, kritisiert werden —, die Tatsache, daß diese Mittel an Umzusiedelnde
zweckgebunden seien, habe vielfach in den Aufnahmeländern große Schwierigkeiten ausgelöst. Es sei die Empörung der anderen Wohnungsuchenden in den Aufnahmeländern rege geworden, die sich dagegen gewandt hätten, daß die Umzusiedelnden als Neuankömmlinge bevorzugt werden sollten.
Nun hat man sich nach diesem Bericht des Herrn Flüchtlingsministers dazu verstanden, die Mittel, die für die Umzusiedelnden gegeben worden sind, auch denjenigen zuzuführen, die schon in dem Aufnahmelande sind, um hier keine Beunruhigung — die gar nicht berechtigt wäre, — auszulösen.
Man muß auch fragen: Hat die Bundesregierung alles getan, um diese Probleme zu lösen? Man darf nicht stur von dem Standpunkt ausgehen, daß Wohnung u n d Arbeit geschaffen werden müßten, um die Umsiedlung vorwärtszubringen, obwohl ich das begreife. Ich glaube vielmehr, bei dem langsamen Gang müßte man sich auch dazu verstehen, daß man hier, wenn nur Wohnungen vorhanden sind — und es sind im Vergleich zu den überbelegten Ländern Altwohnungen da —, schärfer vorgeht und auch dann schon eine Umsiedlung vornimmt, wenn ein Arbeitsplatz noch nicht geschaffen ist.
Ich darf weiter fragen, ob alle Mittel, die der Bund hat, ausgeschöpft worden sind. Dabei möchte ich daran erinnern — und gerade die gestrige Debatte hat mich darauf gebracht —, daß j a die Bayernpartei schon längst einen Antrag eingebracht hat, dessen Durchführung ein sehr gutes Mittel gewesen wäre, die Aufnahmeländer zu zwingen, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Wir haben mit Drucksache Nr. 2112 die Errichtung einer Bundesumsiedlungs-Ausgleichskasse für Heimatvertriebene beantragt. An diese Ausgleichskasse sollte von den aufnahmepflichtigen Bundesländern jährlich ein Betrag von mindesten 500 DM für jeden Angehörigen der genannten Bevölkerungsgruppe geleistet werden usw., wenn die Umsiedlungsverpflichtungen nicht erfüllt werden sollten.
Nun habe ich mich gestern erkundigt, wie es um diesen Antrag steht. Der Antrag stammt vom 4. April 1951. Er ist an den Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen und an den Ausschuß für Heimatvertriebene überwiesen worden. Im Ausschuß ist noch kein Beschluß gefaßt worden,
— Das ist egal; das hat andere Gründe. Aber Sie hätten hier ein sehr parates Mittel gehabt, die Dinge vorwärtszutreiben.
— Wenn Sie schon diese Schwierigkeiten sehen, dann müssen Sie auch diese Wege gehen. Es muß uns doch allen klar sein, — —