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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 177. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. November 1951 7277 177. Sitzung Bonn, Freitag, den 23. November 1951. Geschäftliche Mitteilungen . 7279A, 7293D, 7314A Eintritt der Abg. Frau Ansorge in den Bundestag 7279A Übertritt des Abg. Dr. Glasmeyer von der Zentrumsfraktion zur Fraktion der CDU/ CSU 7279A Änderung der Tagesordnung 7279B Beratung der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betr. Umsiedlung von Heimatvertriebenen (Nr. 2746 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. bundeseigene Mittel- und Unterbehörden für die Umsiedlung von Heimatvertriebenen (Nr. 2853 der Drucksachen) . 7279B zur Sache: Dr. Edert (Gast-CDU), Interpellant . 7279B Dr. Lukaschek, Bundesminister für Vertriebene 7280D Tichi (BHE/DG) 7283B Morgenthaler (CDU) 7285A Stech (SPD) 7286B Wildermuth, Bundesminister für Wohnungsbau 7287D Dr. Besold (BP) 7288D Dr. Spiecker, Minister des Landes Nordrhein-Westfalen 7290B Schellhaus, Minister für Vertriebene des Landes Niedersachsen . . . . 7291A Dr. Zawadil (FDP) . . . . . 7291C, 7297D Goetzendorff (Fraktionslos) 7294A Müller (Frankfurt) (KPD) 7294C Kuntscher (CDU) 7295D Ewers (DP) 7297B zur Geschäftsordnung: Dr. Kopf (CDU) 7298C Dr. Kather (CDU) 7298D Ausschußüberweisung 7298D Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr. Ott u. Gen. betr. Protest gegen die Zwangsumsiedlung in Rumänien (Nrn. 2837, 2645 der Drucksachen 7298D Dr. Freiherr von Rechenberg (FDP), Berichterstatter 7299A Dr. -Mende (FDP) (zur Geschäftsordnung) 7299B Beschlußfassung 7299C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik isterreich über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll (Nr. 2575 der Drucksachen), Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (21. Ausschuß) (Nr. 2803 der Drucksachen) . . . . 7299C Dr. Preller (SPD), Berichterstatter 7299D Beschlußfassung 7300A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über Sozialversicherung nebst Schlußprotokoll und drei Zusatzvereinbarungen (Nr. 2683 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (21. Aus- schuß) (Nr. 2804 der Drucksachen) . . . 7300A Dr. Preller (SPD), Berichterstatter 7300B Beschlußfassung 7300D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den vorläufigen Handelsvertrag vom 12. Februar 1951 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung des Königreichs Griechenland (Nr. 2792 der Drucksachen) 7300D Ausschußüberweisung 7301A Erste Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes über die Übernahme von Sicherheitsleistungen und Gewährleistungen im Ausfuhrgeschäft (Nr. 2793 der Drucksachen) 7301A Ausschußüberweisung 7301A Erste Beratung des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Gesetzes zur Neuordnung des Geldwesens (Emissionsgesetz) vom 20. Juni 1948 (Nr 2776 der Drucksachen) 7301A Dr. Bertram (Z), Antragsteller . . 7301A Seuffert (SPD) 7302A Dr. Bucerius (CDU) 7302B Ausschußüberweisung 7302B Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Nr. 2830 der Drucksachen) 7302B Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 7302C Seuffert (SPD) 7302D Ausschußüberweisung 7302D Erste und zweite Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP und BP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes in der Fassung vom 30. Juni 1951 (Nr. 2691 der Drucksachen) 7303A Dr. Krone (CDU) 7303B Abstimmung 7303B Dritte Beratung vertagt 7303B Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen (Nr. 525 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) (Nr. 2697 [neu] der Drucksachen; Umdruck Nr. 351 [neu], 374, 375) 7303B Degener (CDU), Berichterstatter . 7303C Dr. Kneipp (FDP) 7305D, 7310A Struve (CDU) 7306C Dr. Besold (BP) . . . . 7307A, 7309A, B, C Ludwig (SPD) 7307C Sabel (CDU) 7307D Abstimmungen . . 7308A, 7309A, B, C, 7310A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Bewertung des Vermögens für die Hauptveranlagung 1949 (Nr. 2278 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 2690 der Drucksachen; Umdruck Nr. 349) 7303A, 7310B Dr. Gülich (SPD), Berichterstatter . 7310B Abstimmung 7313D Dritte Beratung vertagt 7303B, 7313D Dritte Beratung des Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Tarifvertragsgesetzes (Nr. 2396 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) (Nr. 2779 der Drucksachen; Umdruck Nr. 372) 7314A Sabel (CDU): als Berichterstatter 7314B als Abgeordneter 7315B Richter (Frankfurt) (SPD) . 7314D, 7315C, D Abstimmungen 7315D, 7316A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Inkrafttreten von Vorschriften des Gesetzes über die Beförderung von Personen zu Lande (Nr. 2489 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) (Nr. 2782 der Drucksachen) . . 7316A Schulze-Pellengahr (CDU), Berichterstatter 7316B Beschlußfassung 7316D Beratung des Berichts des Ausschusses für Verkehrswesen (27. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr, von Brentano und Gen. betr. Bau einer Autobahnauffahrt bei Viernheim (Hessen) (Nrn. 2765, 2528 der Drucksachen) 7316D Knothe (SPD) 7317A Beschlußfassung 7317C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Sozialpolitik (21. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Erweiterung der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung (Nrn. 2802, 1711 der Drucksachen; Umdruck Nr. 373) 7317D Euler (FDP) (zur Geschäftsordnung) . 7317D Beratung vertagt 7317D Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der BP betr. Anpassung der Bezüge öffentlich Bediensteter an das Preisgefüge, über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Ausgabe von Verbilligungsscheinen, über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Hilfeleistung für die Unwettergeschädigten in Franken, über den Antrag der Abg. Ohlig u. Gen. betr. Ausbesserungsarbeiten an den Deichen der unteren Hunte und über den Antrag der Abg. Striebeck u. Gen. betr. Ausbau und Verlegung der Bundesstraße 1 in Mülheim (Ruhr) (Nrn. 2820, 1794, 2151, 2491, 2357, 2378 der Drucksachen) . . . 7318A Frau Rösch (CDU), Berichterstatterin 7318A Beschlußfassung 7318D Nächste Sitzung 7318D Die Sitzung wird um 9 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Meine Damen und Herren! Ich begrüße die Interpellation, weil durch sie das Interesse des gesamten deutschen Volkes auf dieses außerordentlich wichtige Problem hingelenkt wird, und ich empfinde die Interpellation nur als eine Unterstützung für das Anliegen, das mich besonders angeht. Ich möchte vorausschicken, daß die Frage der Umsiedlung nicht nur eine Frage der überbelegten Länder, der Flüchtlingsländer Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern, ist. Es ist selbstverständ-


    (Bundesminister Dr. Lukaschek)

    lich, daß diese Länder entlastet werden müssen, nachdem durch das Hereindrücken von mindestens sechs Millionen im Jahre 1945/46 dort eine Lage entstanden ist, die diese Länder auf die Dauer nicht ertragen können. Darüber herrscht gar kein Streit; das wird von niemandem bestritten.
    Die Umsiedlung hat noch zwei andere Gesichtspunkte, einmal den Gesichtspunkt, daß den Heimatvertriebenen, die in den Flüchtlingsländern, besonders in Schleswig-Holstein, in fürchterlicher Not sitzen, auch rein persönlich geholfen werden muß, daß sie also dorthin umgesiedelt werden müssen, wo sie Wohnung und Arbeitsplatz bekommen. So wie die Dinge liegen, kann der Arbeitsplatz nur gegeben werden und sich praktisch finden, wenn die Wohnung an dem Platz liegt, wo es Arbeit gibt. Das ist das schwierigste Problem. Denn Arbeit gibt es grundsätzlich nur an den Orten, wo ein großes Industriepotential vorhanden ist. Dieses Industriepotential ist deshalb so geschmälert, weil gerade an diesen Orten auch die größte Zerstörung durch die Bombenangriffe angerichtet ist. Mit anderen Worten, der Arbeitsplatz ist nur vorhanden, wenn eine Wohnung gebaut wird. Altwohnraum ist in den Aufnahmeländern natürlich reichlicher vorhanden als in den anderen Ländern. Herr Edert hat gesagt, daß Nordrhein-Westfalen eine Belegung von 3,7 Personen je Wohnung habe. Das ist nicht richtig; Nordrhein-Westfalen ist stärker belegt. Es handelt sich bei der Zahl von 3,7 um die Aufnahmeländer in der französischen Zone. Aber diese Wohnungen sind leider auch nur da. wo keine Arbeit zu finden ist, also z. B. im Hochschwarzwald und auf dem Hunsrück.

    (Zuruf links: Auf der Alb!)

    In Nordrhein-Westfalen sind die Dinge schlimm. Dort haben wir wohl die Möglichkeit, sofort 120 000 bis 140 000 Arbeitsplätze zu besetzen; die Voraussetzung für die Besetzung der Arbeitsplätze ist aber immer das Vorhandensein einer Wohnung, mit anderen Worten der Wohnungsbau. So muß man die Dinge sehen.
    Ich möchte auch auf das zweite Moment hinweisen: die Umsiedlung ist nicht nur eine Angelegenheit der Heimatvertriebenen als solcher, sondern sie ist auch eine Angelegenheit von großer volkswirtschaftlicher Bedeutung. Es geht darum, die Leute, die fern von jedem Arbeitsplatz sitzen, in eine volkswirtschaftlich befriedigende Tätigkeit für das Gesamte zu bringen. Es geht nicht an, daß heute noch, nach unserer Schätzung, 12 000 bis 15 000 Bergleute aus den Ostgebieten fern von den Gruben arbeitslos dasitzen. Aber das ist, wie gesagt, von der Unterbringung abhängig. Nur eine erschreckende Zahl möchte ich Ihnen da nennen: aus Nordrhein-Westfalen sind innerhalb des letzten Jahres, und zwar deshalb, weil sie auf die Dauer nicht in Baracken, fern von ihrer Familie, leben wollten. ungefähr 52 000 bis 53 000 Bergarbeiter fortgelaufen. Das ist eine wirtschaftlich höchst betrübliche Zahl.
    Nun steht außer jedem Zweifel, daß, wenn ein Gesetz erlassen ist, jeder verpflichtet ist, dieses Gesetz durchzuführen. Das gilt für die Abgabeländer genau so wie für die Aufnahmeländer. Theoretisch ist richtig, daß die Länder, auch wenn man ihnen nicht einen Pfennig für den Wohnungsbau gegeben hätte, trotzdem nach dem Gesetz verpflichtet gewesen wären, für die Unterbringung 7U sorgen. Darüber braucht man nicht zu streiten. Nur steht die Praxis der Durchführung eines Gesetzes diesem theoretisch richtigen Satz immer etwas im Wege. Ich habe bei den Verhandlungen über das Gesetz im März dieses Jahres darauf hingewiesen — und auch das Hohe Haus, insbesondere der Herr Abgeordnete Pfender, haben, wie Sie beim Nachlesen des Protokolls über die 124. Sitzung feststellen können, mit aller Entschiedenheit darauf hingewiesen —, daß die Aufnahmeländer in die Lage versetzt werden müssen, durch Bereitstellung von Mitteln auch die nötigen Wohnungen zu bauen.
    Ich selbst habe es ebenfalls für meine wichtigste Aufgabe gehalten, diese Mittel zu besorgen, und ich bin — das kann ich wohl sagen — Tag für Tag gelaufen, um diese Mittel zusammenzubekommen. Die Notwendigkeit der Mittelbeschaffung ist auch bei den Verhandlungen über das Gesetz im Wohnungsbauausschuß, insbesondere durch den Abgeordneten Lücke, betont worden. Ich selber habe dringend gebeten, für die Finanzierung bzw. für die Deckung zu sorgen. Es fehlten nämlich — wenn ich Ihnen die Rechnung aufmachen darf — etwa 400 Millionen DM, die aufzubringen sind. Wenn Sie 300 000 Leute umsiedeln, so brauchen Sie für diese — 300 000 geteilt durch 4 gleich — 75 000 Wohnungen. Zur Finanzierung von 75 000 Wohnungen gehören 750 Millionen DM. Wir haben aus allen Ecken 255 Millionen DM zusammengekratzt. Damit wäre es, wenn man den sogenannten Förderungsbetrag von 5500 DM pro Wohnung zugrunde legt, möglich gewesen, für 200 000 Umsiedler zu sorgen. Dann mußten aber auch — und das ist die Aufgabe der Länder — die ersten Hypotheken und die letzte Stelle besorgt werden. Für die ersten Hypotheken wären 400 Millionen DM notwendig gewesen. Diese Summe bringt, wie die Dinge heute liegen, der Kapitalmarkt nicht in voller Höhe auf. Ich habe daraufhin den Finanzminister gebeten, für die Deckung Sorge zu tragen. Der Finanzminister hat zunächst gesagt, er könne es nicht, und war gewillt. Art. 113 des Grundgesetzes diesem Gesetz gegenüber zur Anwendung zu bringen. Schließlich hat er aber, weil damals die Hoffnung bestand, eine Anleihe zu bekommen, einen Betrag in Höhe von 260 Millionen DM in den außerordentlichen Etat eingesetzt. Der außerordentliche Etat kam jedoch leider nicht zum Zuge, weil keine Anleihemöglichkeit bestand. Wir haben also 255 Millionen DM verteilt, und zwar von Januar/März bis in den Juni hinein, soweit wir das Geld bekommen konnten.
    Nun war es meiner Meinung nach ein Fehler, daß die Länder die Mittel erst vergeben haben, nachdem sie die erste und die letzte Stelle finanziert hatten. So kommt es, daß manche Länder im Rückstand sind. Das gilt insbesondere für Nordrhein-Westfalen. Es wäre richtiger gewesen, diese 255 Millionen DM sofort auch zur Vorfinanzierung zu verteilen und hernach durch die Kraft des privaten Kapitalmarktes oder durch sonstwie zu beschaffende Mittel. z. B. durch die Soforthilfe, die erste Hypothek abzulösen. Die 255 Millionen DM hätten, geteilt durch 10 000, 25 000 Wohnungen ergeben; wir hätten also 100 000 Menschen umsiedeln können.
    Zusammengefaßt können Sie sagen, die Umsiedlung dieses Jahres sei gescheitert, wenn Sie nämlich die Zahl 300 000 der Zahl von 25 000 de facto Umgesiedelten gegenüberstellen. Aber es ist falsch, die Dinge so zu sehen. De facto sind in diesem Jahre 81 000 umgesiedelt worden, und zwar etwa 50 000 aus dem Überhang des vorigen Jahres und 25 000 aus dem Soll des Jahres 1951. Dazu kom-


    (Bundesminister Dr. Lukaschek)

    men noch einige Tausend, die heute noch nicht verrechnet sind. Wir müssen uns darüber im klaren sein, wenn Mittel im Februar vergeben werden, dann gehört zur Planung ein Zeitraum von zwei Monaten, zur Vergebung der Mittel ein weiterer Zeitraum von zwei Monaten und schließlich zur Ausführung des Baues noch ein Zeitraum von sechs Monaten. Die ersten Wohnungen, die aus dieser Mittelvergabe erstellt werden können, werden also im Dezember dieses Jahres fertig. Die weiteren werden im Laufe des nächsten Jahres bis zum Juli/August erstellt werden. Man darf unter diesen Gesichtspunkten nicht sagen: Die Umsiedlung ist gescheitert! Sie ist nur durch die Not der Verhältnisse verzögert. Alle Länder sind heute bereit, sie durchzuführen, wenn sie Wohnungen erstellt haben.
    Wir haben nun geprüft, ob wir nicht den Mißstand beseitigen können, der durch die Methode der Vergabe der Mittel notwendigerweise eintritt. Wenn wir nämlich die Umsiedlung an die Tatsache der Beschaffung einer speziellen Wohnung binden, kommen wir in das bürokratische Verzögern hinein. Wir haben für das nächste Jahr in Übereinstimmung mit den Landesflüchtlingsverwaltungen und auch mit dem Herrn Wohnungsbauminister ein System ausgedacht, wonach dieses „Kästchenwesen", wie wir es nennen, aufhört und die Bundesmittel den Ländern insgesamt überwiesen werden, die Überweisung aber an die Verpflichtung gebunden wird, eine ganz bestimmte Rate von Umsiedlern unterzubringen, so daß man freier ist.
    Auf die Frage — ich will sie einmal zuspitzen —: Hat die Bundesregierung ihre Pflicht getan?, würde ich sagen: sie hat getan, was in ihren Kräften stand. Welche Mittel hat die Bundesregierung, wenn sie nach dem Grundgesetz handeln will? Maßgeblich ist Art. 84 des Grundgesetzes. In Art. 83 steht, daß die Länder verpflichtet sind, die Bundesgesetze in eigener Verantwortung durchzuführen. In Art. 84 gibt es zwei Mittel. Nach Art. 84 Abs. 3 kann die Bundesregierung Bevollmächtigte in die Länder entsenden zur Nachprüfung, ob dem Gesetz Genüge getan ist. Meine Herren, ich habe mir diese Ermächtigung für mich und den Herrn Wohnungsbauminister vom Bundeskabinett geben lassen. Ich hatte gebeten, die Beantwortung der Interpellation auf Anfang Dezember zu verschieben, und zwar nicht aus politischen, sondern aus sachlichen Gründen. Uns fehlen nämlich noch die Antworten der Länder auf die Fragen: „Was habt ihr mit den 255 Millionen DM getan? Wann habt ihr verplant? Wann habt ihr vergeben? Wann habt ihr angefangen zu bauen? Wann habt ihr fertiggestellt? Wann ist es soweit, daß die Umsiedler hereinkommen?" Diese Angaben fehlen noch. Sie werden besorgt; ich glaube, in den nächsten Tagen werden sie eingehen. Dann erst kann man einen wirklichen Schluß ziehen, ob eines der Länder seine gesetzliche Verpflichtung verletzt hat. Ich mache darauf aufmerksam, daß der Bund ja nur die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung, nicht die verwaltungsmäßige Richtigkeit nachzuprüfen und Mängel nur bezüglich der Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtung zu rügen hat.
    Es bleibt dann der Art. 84 Abs. 4, nach dem eine Verletzung des Gesetzes festgestellt werden kann. Diese Feststellung kann aber nur im Einvernehmen mit dem Bundesrat geschehen. Nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Länder des Bundes können einen solchen Antrag stellen. Ich habe lange darauf gewartet, daß bei den heftigen Beschwerden der Länder eines der Länder den Mut haben würde, im Bundesrat den Antrag zu stellen, daß dieses oder jenes Land das Recht verletzt hat. Es ist nicht geschehen, aus einem sehr naheliegenden Grunde. Ich glaube nämlich, daß sich im Bundesrat eine Geschlossenheit der Länder finden würde, dieses Ansinnen heftig zurückzuweisen. Es wäre jedenfalls ein Schritt von höchster politischer Bedeutung.
    Es bleibt noch eins. In § 17 Abs. 1 des Umsiedlungsgesetzes steht, daß die Bundesregierung das Recht hat, Einzelweisungen zu geben. Diese Einzelweisungen liegen mir schwer auf dem Herzen, ich darf wohl sagen, seit Jahr und Tag. Denn ich werde ja immer auf die Möglichkeit von Einzelweisungen hingewiesen und gefragt: „Warum erläßt du keine Einzelweisung, um diese Dinge durchzuführen?" Ich bitte doch einmal nachzudenken, welchen Inhalt eine solche Einzelweisung haben könnte. Die Einzelweisung ist ja auch streng an das Gesetz gebunden und muß ganz spezialisiert sein. Eine Weisung: „Du, Land Baden, hast 9000 Umsiedler aufzunehmen!" steht schon im Gesetz; eine solche Einzelweisung brauchen wir nicht. Wenn die Einzelweisung Zweck haben soll, dann muß sie dahin gehen, die wirkliche Aufnahme zu erzwingen. Die große Frage ist, ob ich eine Einzelweisung an das Land Baden oder Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen des Inhalts erlassen kann: Du hast deinen dir zur Verfügung stehenden Wohnraum so einzuschränken, daß du eine gleiche Belegung wie Schleswig-Holstein hast. Einmal ist das, wie ich Ihnen schon gesagt habe, nicht so einfach; denn der Wohnraum, den die Länder zur Verfügung haben, befindet sich an den Orten, wo es keine Arbeit gibt. Die Verhältnisse sind ja auch bei den Heimatvertriebenen unterdessen etwas anders geworden, und zwar mit Recht. Die Heimatvertriebenen lehnen es ab, irgendwohin umgesiedelt zu werden, wo sie nicht Arbeit und Wohnung in erreichbarer Nähe haben. Ich muß allerdings sagen: ich persönlich würde es für richtiger halten, Leute aus Schleswig-Holstein nach den südlichen Ländern zu bringen, weil dort die Lebensverhältnisse, auch wenn die Umgesiedelten keine Wohnung und Arbeit haben, doch erträglicher und besser sind. Aber nun sind fünf Jahre vergangen, und ich halte es für berechtigt, wenn die Heimatvertriebenen diese Forderung stellen. Hier möchte ich anknüpfen und auch einmal etwas loben — mich oder die Bundesregierung loben.

    (Hört! Hört! und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Mindestens 80 % der Umgesiedelten haben Arbeit und Wohnung gefunden. Wenn seit Bestehen der Bundesregierung rund 300 000 Heimatvertriebene umgesiedelt und davon 80 % in Arbeit und Wohnung gebracht worden sind, so ist das, objektiv gesehen, eine Riesenleistung.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Subjektiv, für die Betroffenen, ist es natürlich, wie auf allen Gebieten des Vertriebenenwesens, erheblich zu wenig, und es muß alles eingesetzt werden, um mehr zu erreichen.
    Nun fragen wir, wohin die Weisung gehen kann. Die Weisung kann dahin gehen, daß der Wohnraum eingeschränkt werden muß. Als ich das dem Herrn Wohnungsbauminister sagte, hat er gesagt: Um Gottes willen, du überlegst dir die praktischen


    (Bundesminister Dr. Lukaschek)

    Konsequenzen nicht, das ist nicht so einfach; dann mußt du das Wohnungsbaugesetz de facto ändern. Es wäre über Art. 119 gegangen. Dann hätte ich aber in alle die Vorzugsrechte eingreifen müssen, in die Vorzugsrechte der Spätheimkehrer, der Kriegsverletzten, der Kinderreichen usw. Alle diese Dinge hätten Verwirrung in die gesamte Wohnungswirtschaft gebracht. Das kann man nicht tun, wenn man vor der Verantwortung steht.

    (Sehr richtig! bei der CDU.)

    Der Weg wäre also nicht möglich gewesen. Es bleibt nur übrig, die Einzelweisung dahin zu fassen, daß, wie es ein Regierungspräsident gegenüber einem Kommunalverband tun kann, die Länder angewiesen werden, zwangszuetatisieren, d. h. die Mittel in dem Augenblick zur Verfügung zu stellen, in dem die Auflage der Umsiedlung kommt.
    Ich glaube, es ist grobe Theorie, wenn wir bei der grundgesetzlichen Gestaltung, die wir nun einmal haben, solche Wege beschreiten wollten. Deshalb fällt auch das leider weg. Es bleibt nichts anderes übrig, als mit allem Nachdruck — und das habe ich getan — immer darauf hinzuweisen. Ich bin von Platz zu Platz, von Ministerpräsident zu Ministerpräsident gefahren und habe Vorstellungen erhoben und Verständnis gefunden. Wenn hier das Wort „Bitte" ausgesprochen worden ist, so kann ich darauf nur sagen: es ist völlig gleichgültig, ob ich sage: Ich bitte, oder: Ich fordere. Mir kommt das Wort „fordern" schon etwas abgegriffen vor, so wie das Wort „verankern" und ähnliche Worte, die heute so Mode sind. Ich bitte lieber, und zwar mit Nachdruck. Eins wollen Sie sich klarmachen: wenn wir diese Dinge mit Gewalt durchsetzen, werden die Verhältnisse letzten Endes auf dem Buckel meiner Heimatvertriebenen gelöst. Wenn ich einen Heimatvertriebenen mit Polizei, um den extremsten Fall zu nehmen, in eine Wohnung setze, gibt es einen Unfrieden und eine Nichtbereitschaft zu helfen. Die Konsequenzen haben letzten Endes die Heimatvertriebenen zu tragen. Das ist die schwierige Situation des Vertriebenenministers, der letzten Endes auf das gesamtdeutsche Pflichtbewußtsein, auf die christliche Liebe angewiesen ist. Mit Gewalt sind die Dinge nicht zu lösen.

    (Beifall in der Mitte.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Interpellation gehört. Ich frage, ob eine sofortige Besprechung der Interpellation gewünscht wird. Ich bitte die Damen und Herren, die für eine Besprechung sind, eine Hand zu erheben. — Das sind mehr als 50 Abgeordnete; damit wird die Interpellation besprochen. Im Rahmen der Besprechung der Interpellation wird der Antrag der Fraktion der FDP begründet werden.
Zunächst hat das Wort der Abgeordnete Tichi im Rahmen einer von mir vorgeschlagenen Redezeit von 90 Minuten.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans Tichi


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Bundesminister für Vertriebene der Meinung ist, daß mit seinen Darlegungen die Situation gerettet und seine und der Bundesregierung Schuld an dem Zusammenbruch der Umsiedlungsaktion aus der Welt geschafft sei, dann hat er sich schwer getäuscht. Herr Minister, die Wurzeln des Übels liegen viel tiefer, und wir haben alle Ursache, diese Eiterbeule aufzustechen. Der Herr Bundeskanzler hat am Sonnabend in einer großen Kundgebung des Bundes vertriebener
    Deutscher in Hannover zu uns gesprochen. Ich hätte gewünscht, daß er bei der Arbeitstagung, die am nächsten Tage stattfand, die schwere Anklage meines Parteifreundes, des Abgeordneten Dr. Gille aus Schleswig-Holstein, gegen die Bundesregierung wegen ihrer Umsiedlungspolitik gehört hätte. Herr Minister Lukaschek hat sie gehört, wahrscheinlich auch gut verstanden, und hat die Stimmung der Delegierten vernommen, die aus ganz Westdeutschland zusammengekommen sind.
    •Eines muß mit aller Klarheit gesagt werden. Man ist in Regierungskreisen ernstlich besorgt wegen des wachsenden Radikalismus, aber man bemuht sich keineswegs ebenso ernstlich um die Beseitigung einer sozialen Kluft, die in ihren Ursachen die Quelle des Radikalismus ist. Wenn die durch Jahre hindurch vertrösteten und hingehaltenen Heimatvertriebenenmassen nun zur Selbsthilfe greifen und, wie wir hören, vorläufig in SchleswigHolstein Trecks organisieren, um in die Aufnahmeländer zu ziehen, dann muß man verstehen, daß es um eine begreifliche Notwehr der Enterbten und um eine sehr ernste Sache geht. Wir haben keinen Grund, diese begreifliche Notwehraktion zu unterbinden oder aufzuhalten. In Schleswig-Holstein gehen Listen von Haus zu Haus. Von der dänischen Grenze bis nach Niedersachsen hinunter tragen sich die Flüchtlinge und Vertriebenen darin ein. Sie setzen ihre Unterschrift unter folgenden Text:
    Das Scheitern der offiziellen Umsiedlungsaktion infolge des restlosen Versagens der Regierungen und Parteien hat bei den unterzeichneten Heimatvertriebenen den Wunsch hervorgerufen, zur Selbsthilfe überzugehen und im Frühjahr 1952 zusammen mit anderen Schicksalsgenossen in einem geschlossenen Treck nach Süddeutschland zu ziehen, um aus der jetzigen trostlosen Lage herauszukommen. Zu diesem Entschluß sind wir vor allem durch die Erkenntnis gekommen, daß wir hier zur Dauerarbeitslosigkeit verurteilt sind und eine menschenwürdige Unterbringung auf absehbare Zeit nicht möglich sein wird. Vor allem aber wollen wir unsere Kinder nicht weiterhin im Elend aufwachsen und unter den jetzigen Verhältnissen seelisch und körperlich verkommen lassen.
    Diese Aktion hat bereits nach Niedersachsen herübergegriffen und wird wahrscheinlich auch in Bayern nicht ausbleiben.
    Wenn es zu dieser revolutionären Tat kommen sollte, dann gebe ich den Herren Landbürgermeistern und Landräten, vor allem aber der einheimischen Bevölkerung der Aufnahmeländer den gutgemeinten Rat, diesen armen, von der Not gepeitschten Menschen und ihren Familien Tür und Tor zu öffnen und sie nicht vor ihnen zuzuschlagen.
    Ich habe in meiner Heimat etwas Ähnliches erlebt, als unmittelbar nach dem ersten Weltkriege die ersten Trecks aus Siebenbürgen über Österreich zu uns kamen. Da habe ich gesehen, daß viele begüterte Bauern die Türen zuschlugen und daß diese armen Teufel damals im Freien kampieren mußten. Die Menschen, die heute als Heimatlose hier in Westdeutschland Zuflucht suchen müssen, sind dieselben Bauern, die damals herzlos waren. Das sollte zur Warnung dienen. Denn wir wissen nicht, was noch über die deutschen Lande kommen wird. Was nützen uns die Kundgebungen der Kirchen, was nützen uns die Bischofskonferenzen

    (Sehr gut! links)



    (Tichi)

    über das Flüchtlingsproblem, wenn nicht wahre Nächstenliebe und Christentum in die breiten Massen jener christlichen Bevölkerung eindringen, die alles behalten und nichts verloren hat und nun der Schicksalsgemeinschaft eines gemeinsam verlorenen Krieges aus dem Wege geht?
    Es ist für jeden Bewohner der Bundesrepublik, dessen Herz nicht zu Stein geworden ist, untragbar, und er kann es nicht verstehen, daß heute, sieben Jahre nach dem Kriege, bei dem wirtschaflichen Aufschwung Deutschlands seit 1948 wieder Züge des Elends und der Verzweiflung durch die deutschen Lande ziehen müssen. Ein Volk, das sich Luxusautomobile, Luxuslokale und Luxusgeschäfte in solcher Zahl leistet, Paläste, Kinos und Residenztheater baut, kann sich nicht Millionen Unzufriedene leisten, die einen Staat ablehnen, von dem sie ungerecht behandelt werden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Der Zusammenbruch der Umsiedlung ist vom staatspolitischen Standpunkt betrachtet mehr, als die verantwortlichen Stellen zugeben wollen. Dieses Fiasko ist nicht nur ein schwerer Schlag gegen unsere Flüchtlingspolitik, sondern ein Bankrott unserer föderalistischen Staatspolitik als solcher.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wenn der Staat von seinen Bürgern verlangt, daß sie seine Gesetze befolgen, dann muß er auch so viel Autorität haben, daß die Minister, die Staatssekretäre und die Bürokraten in den Aufnahmeländern ein Gesetz respektieren, das der Bundestag einmütig beschlossen hat und das vom Bundespräsidenten sanktioniert worden ist.
    Eines ist schon grotesk: die Interpellation, über die wir heute verhandeln, wurde von der Fraktion der CDU/CSU eingebracht, somit von einer Partei, die die Regierung in den Aufnahmeländern beherrscht,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    die heute hier unter Anklage stehen, einer Partei, der auch der Bundesvertriebenenminister Dr. Lukaschek angehört. Daher haben wir den Eindruck, daß es sich hier um eine Flucht vor der Verantwortung handelt und um nicht mehr. Es muß doch allen Verantwortlichen klar sein, um was es geht. Heute leben 300 000 Heimatvertriebene in Lagern und in Massenquartieren, oft 20 bis 40 Personen in einem Raum. Was das für die Moral der Familie und der Kinder bedeutet, kann nur der verstehen, der diese Lager besucht hat. Von 7 600 000 Heimatvertriebenen leben allein 60 %, das sind 4 700 000, in den Ländern Bayern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Von 450 000 arbeitslosen Vertriebenen befinden sich vier Fünftel, das sind 360 000, in diesen Ländern. Die Situation wird noch dadurch erschwert, daß jährlich 200 000 Flüchtlinge aus der Ostzone hereinströmen, die man, auch wenn sie illegal kommen, nicht mehr herausbringen kann und vielleicht auch nicht soll.
    Die Aufnahmeländer machen die Aufnahme weiterer Vertriebener davon abhängig, daß ihnen der Staat die notwendigen Wohnungsbaumittel zur Verfügung stellt. Wir haben wohl eine andere Auffassung. Von den Mitteln für den allgemeinen Sozialen Wohnungsbau wurden in den drei Abgabeländern 80 bis 90 % für Wohnungen für Vertriebene verwendet, während der Bundesdurchschnitt 37,5 % für Vertriebenenwohnungen beträgt. Daher kann man annehmen, daß in den Aufnahmeländern höchstens 20 bis 30% von den ihnen zugeteilten Mitteln des allgemeinen Sozialen Wohnungsbaues für Vertriebene verwendet wurden.
    Der Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat den Ländern verschiedene Mittel gesperrt, weil sie nach seiner Meinung ihre Pflicht nicht erfüllen. Die Bundesregierung hätte es demnach in der Hand, den Aufnahmeländern die Mittel für den allgemeinen Sozialen Wohnungsbau zu sperren, solange sie nicht das ihnen auferlegte Soll von Heimatvertriebenen übernehmen.
    Die Aufnahmeländer bestreiten auch, daß bei ihnen Wohnraum vorhanden sei. Auch das ist nicht richtig. Auch die einheimische Bevölkerung in Bayern, in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein mußte sich in ihrem Wohnraum einschränken, als die großen Massen der Vertriebenen aus den anderen Ländern hereinfluteten,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    während es bekannt ist, daß in den Aufnahmeländern noch Tausende von Wohnungen vorhanden sind, die man aber nicht erfassen will.
    Wir wollen auch nicht — und das sei deutlich gesagt —, daß Mittel der Soforthilfe — und es geht um Hunderte von Millionen — für andere Zwecke als für Wohnungen für Vertriebene verwendet werden, wie es geschehen ist.
    Und noch eines. Der Herr Bundesminister für Vertriebene hat heute und vor einigen Tagen im Rundfunk über das Problem der Umsiedlung gesprochen. Sein Appell an die Aufnahmeländer, ihre Pflicht zu erfüllen, war so schwach, daß er kaum eine Wirkung haben wird. Das wissen wir. Es fällt schwer, anzunehmen, daß auch nur einer der Betroffenen die Mahnung des Herrn Ministers ernst nehmen wird. Das einzige, was wir bewundern, ist das Vertrauen, das Herr Bundesminister Dr. Lukaschek in die Geduld der Heimatvertriebenen setzt. Diese Geduld, Herr Minister, ist vorbei! Erst gestern hat mir ein Minister erzählt, daß der Bundesminister Lukaschek im Vermittlungsausschuß geschwiegen hat, als das Gesetz über die Teuerungszulagen der Unterhaltsempfänger verschlechtert wurde.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Unser Problem, meine Damen und Herren, ist viel zu ernst, die Verantwortung der Regierung und ihres Ressortministers viel zu groß. Wenn sich der Minister für Vertriebene zu schwach fühlt, dann möge er einer starken Persönlichkeit Platz machen, die sich durchsetzt und in der Regierung durchgreift.

    (Beifall bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Tichi an die Front! — Abg. Dr. Mende: Doch nicht etwa dem BHE?)

    — Suchen Sie sich jemanden! — Wir haben nichts davon, wenn der Minister für Vertriebene lediglich die Rolle eines Bettelmannes spielt. Das erkläre ich mit aller Deutlichkeit, Herr Kollege Mende, nicht nur im Namen meiner Gruppe, sondern ich erkläre das im Namen meiner Partei, des BHE, dessen zweiter Vorsitzender ich bin.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Die Erklärung des Herrn Ministers hat uns nicht befriedigt.

    (Beifall beim BHE-DG. — Zuruf von der Mitte: Ihre Rede auch nicht!)