Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als Ende des vergangenen Jahres bekannt wurde, daß die Alliierten die von ihnen seit der Besetzung ausgeübte Paßhoheit an die deutsche Bundesregierung mit Wirkung vom 1. Februar 1951 zurückgeben würden, war man geneigt, sich über ein neues Stückchen zurückgewonnener Souveränität zu freuen; das um so mehr, als die Hohen Kommissare auf ihre bis dahin erhobene Forderung der zentralen Paßausstellung durch eine Bundesbehörde verzichtet hatten. Die Freude wurde aber getrübt, als sich herausstellte, daß an die Übertragung der Paßhoheit Vorbehalte geknüpft waren, die nicht nur die deutsche Souveränität stark einschränkten, sondern darüber hinaus die Diskriminierung eines bestimmten Personenkreises offenkundig werden ließen. Zu dem Erbe, das die Bundesregierung aus der Hand des Combined Travel Board empfing, gehörte auch die Verpflichtung der Anerkennung der Schwarzen Listen, jener Kataloge mit den Namen von einigen Tausend Deutschen, von denen bei der Begründung der Interpellationen schon die Rede gewesen ist. Die Beachtung dieser Sperrlisten durch die deutschen Paßbehörden hat neben der Unannehmlichkeit für den deutschen Beamten, dem Antragsteller die Gründe für die Verweigerung eines Passes nicht angeben zu dürfen, die weitere, daß
durch dieses Kontrollsystem eine Verzögerung in der Paßausstellung von bis zu 10 Tagen eintritt, es sei denn, daß der Antragsteller die nicht geringen Kosten für telegraphische Rückfragen bei den Zentralstellen übernimmt.
Man hätte nun erwarten dürfen, daß die Bundesregierung, die, wie der Herr Bundesinnenminister soeben ausführte, Anstrengungen unternommen hat, bei den Alliierten darauf hinzuwirken, die Listen zu beseitigen, alles vermieden hätte, was den Eindruck erwecken konnte, daß deutsche Stellen die Auffassung der Alliierten teilten. Statt dessen hat der uns im Ausschuß zur Beratung vorliegende Entwurf eines Gesetzes über das Paßwesen auf Drucksache Nr. 2509 in seinem § 7 Abs. 2 Buchstabe b noch die Bestimmung enthalten, daß ein Paß zu versagen sei, wenn der Ausstellung des Passes von den Besatzungsmächten widersprochen wird. Hätten nicht der Bundesrat und der zuständige Ausschuß dieses Hohen Hauses diese Bestimmung gestrichen, dann würde Ihnen heute die Beschlußfassung über die Festlegung alliierten Rechtes in einem deutschen Gesetz obliegen.
Aber es blieb nicht bei diesem Schönheitsfehler im Regierungsentwurf. Im § 1 Abs. 2 des Entwurfs war verlangt, daß der Paß für Deutsche wie für Ausländer vor dem Grenzübertritt eines Sichtvermerkes bedürfe. Meines Wissens war die Einführung des Sichtvermerks für Deutsche eine nazistische Erfindung, die dazu diente, die Gestapo aktiv in das Paßwesen einzuschalten. Schon allein die Erinnerung an jene Zeit übelster politischer Schnüffelei hätte hier zur Vorsicht mahnen müssen. ganz abgesehen von dem stets betonten Willen zur Völkerverständigung, den man am besten praktiziert, wenn man es den Menschen erleichtert, zusammenzukommen, anstatt ihnen durch bürokratische Maßnahmen das Kontaktnehmen zu erschweren. Handelt es sich etwa hier auch um eine von alliierter Seite beeinflußte Bestimmung oder liegen etwa deutscherseits politische oder besondere polizeiliche Interessen vor, den Paßinhaber unter Kontrolle zu haben? Für die letzte Vermutung spräche die gleichfalls im Regierungsentwurf enthalten gewesene, vom Ausschuß beseitigte Strafbestimmung im § 11 Abs. 2, wonach Geldstrafe oder Gefängnis bis zu einem Jahre demjenigen angedroht war, der eigenmächtig von den Reisezielen oder Reisewegen abweicht oder die Reisefristen überschreitet, die ihm in einer für das Überschreiten der Auslandsgrenze erforderlichen oder bestimmten Urkunde vorgeschrieben sind.
Man stelle sich diese Bestimmung in der Praxis vor. Ein deutscher Erholungsreisender gibt bei Einreichung seines Antrages auf Erteilung eines Visums dem Schweizer Konsulat als Zielstation seiner Reise Zürich an, ändert aber seinen Plan und nimmt Aufenthalt in Genf. Von dort benutzt er einen Ausflugsomnibus eines Reisebüros, um einen Besuch im französischen Chamonix zu machen. Nach der im Regierungsentwurf noch enthaltenen Vorschrift würde er sich in doppeltem Sinne strafbar gemacht haben und hätte, wenn er nach Deutschland zurückgekehrt war, zum mindesten eine ordentliche Geldbuße zu erwarten gehabt.
Neben der Gefahr der Bespitzelung, die eine solche Bestimmung in sich schlösse, wäre der entstehende Straftatbestand auch rechtlich eine Merkwürdigkeit. Das Abweichen von Reisezielen und
Reisewegen wäre eine Tat, die, im Ausland begangen, der Gerichtsbarkeit eben dieses Landes zu unterstellen, keinesfalls aber durch ein deutsches Gericht zu ahnden gewesen wäre.
Daß hingegen eine entsprechende Vorschrift für Ausländer in den § 11 Abs. 2 aufgenommen wurde, wobei als Ausländer alle Nichtdeutschen gelten, ist aus Gründen der inneren Sicherheit berechtigt. Wir haben alles Interesse daran, den Fremdenverkehr in der deutschen Bundesrepublik durch alle möglichen Erleichterungen bei der Einreise zu fördern, und haben deshalb auch einer Ermächtigung für die Länder zugestimmt, die ihnen gestattet, den kleinen Grenzverkehr gesondert zu regeln.
Wir würden es auch begrüßen, wenn zunächst alle an der europäischen Union interessierten Länder, wie es der Herr Bundesinnenminister schon anregte, auf den Sichtvermerks- und Visumzwang in Gegenseitigkeitsabkommen verzichteten. Wir müssen aber, solange das nicht geschehen ist, auch für den Bundesgesetzgeber das Recht in Anspruch nehmen, die Bundesrepublik gegen illegales Verhalten von Ausländern zu schützen.
In diesem Zusammenhang darf mit Genugtuung festgestellt werden, daß man sich im schwedischen Reichstag dafür einsetzte, mit der Bundesregierung Verhandlungen mit dem Ziele der Abschaffung des gegenseitigen Visumzwanges herbeizuführen. Andererseits mußten wir nach Pressemeldungen registrieren, daß der Bundesrat der Schweiz zu unserem Bedauern einem entsprechenden deutschen Verschlag gegenüber eine ablehnende Antwort erteilte.
Während der Ihnen heute zur Beschlußfassung vorliegende Ausschußbericht das Ergebnis von Bemühungen ist, die darauf abzielten, in der Regierungsvorlage enthaltene bürokratische Erschwernisse zu beseitigen, mußte andererseits eine im § 9 enthaltene Schutz- und Sicherungsbestimmung eine nicht unbedeutende Verschärfung erfahren. Anlaß dazu war die Mitteilung eines Regierungsvertreters über beobachtete starke Auswüchse im Hausierhandel durch Ausländer. Seit Monaten wurde beobachtet, daß namentlich in den westlichen Grenzgebieten der Bundesrepublik Stoffhändler meist italienischer Herkunft durch den illegalen Verkauf minderwertiger Anzug- und Kleiderstoffe ihr Unwesen trieben. Diese zugewanderten fliegenden Händler fanden bei ihrer Einreise nach Deutschland die Unterstützung von in der Bundesrepublik vorhandenen landsmännischen Organisationen. Durch das Angebot großer Mengen von betrügerisch als Importware gekennzeichneten minderwertigen Stoffen werden nicht nur die Käufer und der reguläre Handel geschädigt, sondern es gehen auch dem Fiskus viele Millionen an Steuern verloren. Anknüpfend an die fremdenpolizeilichen Vorschriften wurde deshalb in § 9 unter b) eine Sicherungsbestimmung gegen solche unerwünschten Elemente getroffen.
Wir stellen mit Genugtuung fest, daß das neue Gesetz eine Bestimmung enthält, wonach einem Deutschen ein Paß zur Rückkehr in das Gebiet des Geltungsbereichs des Grundgesetzes nicht verweigert werden kann.
Ebenso begrüßen wir, wie der Herr Berichterstatter schon ausführte, die Einfügung der Worte „" und die Aufnahme der nun bei deutschen Gesetzen üblichen Berlin-Klausel.
Wir schließen uns auch der im Ausschuß einmutig vertretenen Auffassung an, daß überall dort, wo im Gesetz von einer Auslandsgrenze die Rede ist, sich dieses nach deutschem Recht nie auf die östliche Saargrenze oder eine Zonengrenze beziehen kann.
Desgleichen findet die Vorschrift in § 12 unsere Zustimmung, wonach bei leichteren Paßvergehen das Gesetz zur Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts vom 26. Juli 1949 in der Fassung vom 29. März 1950 bis zum Erlaß eines entsprechenden neuen Gesetzes Anwendung findet.
Wenn wir auch dem Paßgesetz in der Fassung der Ausschußvorlage unsere Zustimmung geben, so haben wir doch an seine Durchführung eine Reihe von Wünschen und Forderungen zu knüpfen, über die mein Parteifreund Mommer schon in der Begründung unserer Interpellationen teilweise gesprochen hat. Da bleibt, wie wir der Regierungsantwort entnehmen, der Wunsch nach einem Jugendpaß weiterhin offen.
Daß Verhandlungen zur Erzielung von Erleichterungen beim Grenzübertritt gerade mit Frankreich zu keinem positiven Ergebnis gekommen sind, befremdet uns um so mehr, als sowohl der französische Hohe Kommissar als auch Außenminister Schuman bei wiederholten Gelegenheiten in ihren Ansprachen sich dahin geäußert haben, daß zunächst und sofort mindestens der Jugend eine Gelegenheit gegeben werden müsse, ohne Paßerschwernisse über die Grenzen hinweg zusammenzukommen. Uns will scheinen, daß die Ablehnung eines Jugendpasses, der den friedlichen Gedankenaustausch fördern soll, schlecht zu der EuropaPropaganda paßt, die ganz besonders von Frankreich betrieben wird. Auf der anderen Seite aber läßt man Jugend frei die Grenze passieren, wenn es sich um den Eintritt in die Fremdenlegion handelt; und es ist auch kaum anzunehmen, daß deutsche Jungens etwa im Gewande eines PlevenPlan-Soldaten Paßschwierigkeiten bekommen, wenn sie über die Grenze geführt werden sollten.
Dann besteht das Ersuchen an die Bundesregierung weiter, den Angriff auf den Visumzwang energisch fortzusetzen. Die Abschaffung des Visumzwangs in allen Ländern des freien Europas war eine der von den Delegierten der Hamburger Europa-Konferenz vom September dieses Jahres einmütig erhobenen Forderungen. Teilziel solcher Verhandlungen müßte auch im Interesse des deutschen Fremdenverkehrs sein, die im Paßgesetz noch notwendig gewesenen Vorschriften über den Sichtvermerkzwang für Ausländer durch Gegenseitigkeitsabkommen überflüssig zu machen. Mit großer Befriedigung dürfen wir feststellen, daß die Bundesrepublik Österreich dabei mit gutem Beispiel vorangegangen ist, indem sie den deutschen Paßinhabern bei Erteilung eines gebührenfreien Permits, das in Gestalt eines Stempelabdrucks in den Reisepaß erteilt wird und dessen Erlangung nur eine Minute Zeit beansprucht, einen vierwöchigen Aufenthalt in den von den Westmächten besetzten Teilen des Landes gestattet.
Ernstestes Anliegen und deshalb immer neu zu erhebende Forderung bleibt das Verlangen nach Beseitigung der Überwachung aller die Grenzen der Bundesrepublik überschreitenden Personen durch eine Zentralkartei der Alliierten und die Aufhebung der ebenso diskriminierenden Schwarzen Listen. Ihre Aufrechterhaltung ist schon deshalb mit dem Grundgesetz unvereinbar, weil das Recht auf die Nachprüfung eines Verwaltungs-