Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was hat sich aus der bisherigen Diskussion über diesen Antrag ergeben? Bisher haben wir über die Konstitution des Europarats gehört, daß dieser Rat eine Zusammenfassung von politischen Persönlichkeiten ist, die ihre Tätigkeit darauf beschränken müssen, Empfehlungen zu erteilen. Heute haben wir gehört, daß die dort auftretenden Politiker à titre personel reden; und nun wird uns heute in diesem Antrage zugemutet, daß diese Versammlung von Persönlichkeiten, die nicht die Völker der im Europarat nur scheinbar zusammengefaßten Länder vertreten, eine der höchsten, wichtigsten Funktionen erfüllen soll, eine Funktion, die nur durch die Völker selber erfüllt werden kann, nämlich die, eine Verfassung für ein vereinigtes Europa zu schaffen.
Was wird uns heute als Grund genannt, heute, im Gegensatz zu dem, was Herr Euler bei Bekanntgabe dieses Antrags in der Presse gesagt hat? Er hat nämlich seinerzeit gesagt, daß dieser Antrag von der FDP ausginge und daß er bei der Debatte hier im Bundestag die Überzeugung erkennen lassen solle, daß „die deutsche Einheit in Freiheit nur in einer europäischen Föderation in Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten und Großbritannien geschaffen werden kann".
Herr Kollege Becker hat heute einige andere Gründe genannt, die die FDP und logischerweise auch die Koalition zu diesem Antrage geführt haben. Er hat seinen Antrag heute nicht damit begründet, Europa solle einiger werden, Europa solle geeint werden, sondern: Europa soll mächtiger werden. Er hat auch gesagt, gegen wen und gegen was. Er sprach von der Bedrohung Europas durch Asien. Dieser Sammelbegriff wurde heute in die Debatte geworfen. Er wurde konkreter, als er von der Bedrohung Europas durch die Sowjetunion sprach.
Ich habe hier schon zehnmal gesagt, daß es kein größeres Verbrechen am deutschen Volke gibt, als Dinge so darzustellen, als sei unsere Sicherheit durch die Völker der Sowjetunion bedroht.
- Das ist ein Betrug.
Das ist ein erbärmlicher Betrug am deutschen Volk.
Heute wurde also ausgesprochen, was der Europarat eigentlich sein soll. Er soll dieses Europa, dieses Partikelchen eines Europas, „mächtiger machen"; er soll es zu einem Instrument machen, das es nämlich bisher nicht sein durfte, zu einem Instrument, das positiv an der Remilitarisierung Europas mitarbeiten und mitwirken kann. Das ist der Zweck dieses Antrages. Mit Recht ist hier ausgesprochen worden, daß an die Stelle der „Planungen" dieser Konferenz von mehr oder minder schön redenden Politikern in der Zwischenzeit etwas viel Realeres getreten ist. Es ist hier auch ausgesprochen worden, was das ist. Man sprach mit Recht davon, daß an Stelle des Geschwätzes vom vereinigten Europa die Realität Schuman-Plan treten soll, dieser Schuman-Plan, der von den ewigGestrigen, Herr Kollege Becker, als ein Plan gedacht ist, der das realisieren soll, was bisher den deutschen Imperialisten trotz zweier Weltkriege nicht gelungen ist. Was die deutschen Imperialisten vom Schuman-Plan erwarten, das wurde auf der Präsidialkonferenz der Vereinigung der Industrie-und Handelskammern von Nordrhein-Westfalen sehr eindeutig ausgesprochen. Laut „Industrie-Kurier" vom 15. Juni 1950 wurde dort erklärt:
Seit Jahrzehnten steht die politische Einigung Europas als unerledigter Punkt auf der Tagesordnung der Konferenzen und auf dem Wunschzettel des kleinen Mannes. Wir erinnern uns an die Träume Napoleons des Ersten, an das Mitteleuropa von Friedrich Naumann, an das Großraumeuropa von Hitler. Nun wird mit dem Schuman-Plan
— so sagt diese Zeitung —
der Versuch gemacht, durch eine einheitliche Produktionsbasis von Kohle und Stahl auf wirtschaftlich begrenztem Raum die politische Einigung Europas einen Schritt vorwärts zu bringen.
Mit zynischer Offenheit wird hier also ausgesprochen, daß dieser Schuman-Plan dem Zweck dienen soll, die bereits zweimal mißglückten Aggressionspläne des deutschen Imperialismus mit neuen Methoden, mit demokratisch, — mit europäisch verbrämten Methoden zu verwirklichen, nämlich der Aufgabe, die gesamte westeuropäische Montanindustrie mit amerikanischer Hilfe unter dem Kommando der Rüstungsherren an der Ruhr zusammenzufassen, und zwar diesmal in dem Großraumeuropa des Herrn Konrad Adenauer
und des Herrn Schumacher. — Ja, Herr Pünder, haben Sie das „Aha!" geschrien? — Daß auch Sie ein Haar in der Suppe gefunden haben, das hat mir Ihr sehr gemäßigtes Auftreten für diesen Antrag hier am heutigen Tage bewiesen.
Und ein Wort an die Adresse der Kollegin Wessel. Dieser heutige Antrag hat einen konkreten, einen höchst gefährlichen Zweck, nämlich den Zweck, die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands zu verhindern. Die Leute, die diese Frage hier heute in die Debatte hineinwerfen, wollen damit eine Vertiefung der von Deutschen ausgehenden Bestrebungen, Deutschland zu einigen, verhindern. Das ist der Sinn dieses Antrages, den diese ewig-Gestrigen heute hier eingebracht haben.
Dieses Europa, wie sie es sehen, wie es Herr Dr. Konrad Adenauer sieht, das ist kein Europa im Sinne eines Zusammenschlusses der friedliebenden Menschen Europas. Dieses Europa endet an der Elbe; dieses Europa richtet sich als Kriegsinstrument gegen die Kräfte des Friedens, die ihre größte und herrlichste Repräsentation in den Völkern der Sowjetunion und in ihrer Regierung finden.
Die Einigung Europas, die Herstellung eines wirklich friedlichen Europas kann nur durch die Völker Europas erfolgen. Ein geeintes, friedliches deutsches Volk kann und wird auch positiv an der Wiederherstellung dieser Einheit Europas im Sinne des ganzen Europas mitarbeiten. Wenn wir aus unserem Deutschland ein Land machen, in dem die Kräfte des Friedens, die Kräfte der echten Demokratie die Gesetze des Geschehens bestimmen,
dann werden wir auch fertigbringen, das Mißtrauen, das draußen in den Völkern gegen dieses von Ihnen geplante vereinigte Europa besteht, zu beseitigen. Dann werden auch solche Tatsachen aus der Welt zu schaffen sein, die nichts anderes sind als ein eklatanter Beweis für das berechtigte Mißtrauen gegen diese Herren, die heute in Westdeutschland die Einigung Europas unter diesem verlogenen Titel betreiben. Ich meine den Beschluß der belgischen Sozialistischen Partei, die auf ihrem Parteitag — alle Mann — noch einmal ihre Bedenken eindeutig ausgesprochen hat gegen Spaak, gegen den Europarat-Spaak, gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands, gegen diese Remilitarisierungspläne,
die die von Ihnen in der Mehrheit geforderten deutschen Formationen der Europa-Armee unter das Kommando der ehemaligen Nazi-, der Hitler-, der faschistischen Generäle stellen sollen.
Wir sagen deshalb mit derselben Klarheit und Eindeutigkeit, wie wir zum Europarat nein gesagt haben, auch zu diesem Antrag nein, der nichts anderes ist als ein Versuch, das aufzuhalten, was Sie nicht mehr aufhalten werden, nämlich die Herstellung der Einheit Deutschlands durch unser eigenes deutsches Volk.