Rede von
Dr.
Hermann
Pünder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es sollte nicht das Ziel der gegenwärtigen Debatte sein, eine große außenpolitische Aussprache über die letzten schicksalhaften Fragen unserer Zukunft zu entfachen, über Schumanplan, Europaarmee, kleineuropäische Lösung, Lösung mit dem britischen Weltreich zusammen usw. Uns liegt der Antrag Drucksache Nr. 2790 mit der Ermächtigung an die Delegierten vor, die in wenigen Tagen nach Straßburg fahren. Über diesen Antrag, glaube ich, brauchten nicht sehr viele Worte gewechselt zu werden. Das Haus und die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes sind doch wohl der Auffassung, daß über dieses Problem schon reichlich genug Worte gewechselt sind und daß das deutsche Volk endlich Taten sehen möchte.
Darnach sehnt sich die überwältigende Mehrheit des deutschen Volkes. Dieser Sehnsucht hat schon unser Grundgesetz in verschiedenen Artikeln einen elementaren Ausdruck gegeben. Wir haben uns ja auch hier in diesem Hohen Hause mit diesem Problem schon recht eingehend befaßt. Ich darf Sie an die Entschließung Drucksache Nr. 1193 vom 19. Juli vorigen Jahres erinnern, in der wir in einigen wenigen lapidaren Sätzen dieser Sehnsucht des deutschen Volkes Ausdruck gegeben haben. Man könnte deshalb darüber streiten, ob es überhaupt notwendig gewesen wäre, einen solchen Antrag auf eine besondere Ermächtigung, wie sie hier erbeten wird, zu stellen.
Es liegt vielleicht auch noch ein anderer Schönheitsfehler vor. Damals trug die Entschließung Drucksache Nr. 1193 die Unterschrift von sechs Fraktionen. Heute haben nur die drei dort verzeichneten Fraktionen unterschrieben. Nun, trotz dieses vielleicht vorliegenden Schönheitsfehlers wollen wir uns ruhig und sachlich mit dieser Entschließung befassen.
Für meine politischen Freunde darf ich die Erklärung abgeben, daß wir diesem Antrage zustimmen werden, und zwar mit der ausdrücklichen Bitte, diesen Antrag nicht zuvor noch einem Ausschuß zu überweisen. Denn die Zeit drängt ja etwas. Wenn mit diesem Antrag überhaupt eine politische Wirkung erzielt werden soll, muß es schnell geschehen. Denn von Montag früh oder Sonntag abend ab befinden wir Delegierte uns ja bereits in Straßburg.
Sachlich wäre wohl nicht viel hervorzuheben, denn das Notwendige ist bereits im vorigen Jahr in der Entschließung Drucksache Nr. 1193 niedergelegt. Damals haben wir mit fast völliger Einstimmigkeit — nur vier Stimmen haben gefehlt — beschlossen, daß sich das deutsche Volk, dargestellt durch seinen Bundestag, für einen solchen europäischen Bundespakt einsetzt. Wir haben hierfür verschiedene Richtsätze aufgestellt: eine übernationale Bundesgewalt wollten wir geschaffen wissen. die nach allgemeinen, unmittelbaren und freien Wahlen gegründet werden sollte. Wir haben die Befugnisse, die diese übernationale Gewalt haben sollte, in bezug auf die Wirtschaft, die Sozialpolitik, die europäische Außenpolitik, die Gleichheit der Rechte, die Grundrechte und die menschliche Freiheit genau umrissen.
Ich hatte selber die Ehre, diese Entschließung des Deutschen Bundestages im Europarat in Straßburg bekanntzugeben. Wir fanden für diese deutsche Willensmeinung viel freundliches Echo. Immerhin: es ist mehr oder weniger bei diesem freundlichen Echo geblieben. Ein positives Echo ist leider einstweilen kaum zu verzeichnen gewesen. Vielleicht bietet dieser Antrag, der uns vorliegt, eine weitere Untermauerung unserer Stellung in Straßburg und unserer Autorisierung, in bezug auf dieses allseitig erstrebte Ziel mit unseren Bemühungen fortzufahren.
Wir sollten uns heute nicht zu sehr in Einzelheiten verlieren, was auch sicher nicht die Ansicht des verehrten Herrn Vorredners gewesen ist, der in seinem einleitenden Bericht nur das Gesamt- problem umrissen wissen wollte. Es bestünde sonst die Gefahr, daß wir uns heute ins Uferlose verlieren würden. Dann müßte tatsächlich eine Ausschußberatung eintreten, die aber aus diesem zeitlichen Grunde sicher nicht zweckmäßig wäre.
Dagegen würde ich der Meinung sein — und diese Meinung wird wohl von allen Delegierten des Straßburger Europarats geteilt —, daß sehr bald nach dieser Herbsttagung des Europarats das Hohe Haus sich die Zeit nehmen sollte, mindestens eine ganze Sitzung einmal diesen außerordentlich bedeutsamen europäischen Problemen zu widmen,
und zwar alsdann möglichst auch unter Beteiligung der Bundesregierung. Denn alles andere, was wir hier verrichten, wäre mehr oder weniger Kleinholzhacken, wenn wir nicht dauernd dieses große Ziel und diese Sehnsucht des deutschen Volkes vor Augen haben würden.
Damit will ich schließen. Wir sind gegen eine Ausschußberatung. Wir sind dafür, daß der Antrag Drucksache Nr. 2790 heute möglichst wieder mit einer überwältigenden Mehrheit, wie im vorigen Jahre, angenommen wird. Wir möchten es für zweckmäßig halten, nach der Herbsttagung die Delegierten von Straßburg zu beauftragen, über ihre Arbeit und die Ergebnisse von Straßburg zu berichten.