Rede von
Gottfried
Leonhard
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn ich die uns heute zur Beratung vorliegende Drucksache Nr. 2701 mit der Drucksache Nr. 1345 vergleiche, dann werde ich an das alte Sprichwort erinnert: „Es kommt selten etwas Besseres nach!"
Dieses Gesetz wäre geeignet, eine Entwicklung einzuleiten, die man etwa so umschreiben könnte: „Vom Vierfarbstift zurück zum Gänsekiel!" Vergleichen Sie, meine Damen und Herren, bitte den Katalog dieser beiden Drucksachen einmal miteinander, dann werden Sie mir bestimmt recht geben. Übrigens ging uns heute eine Stellungnahme des Zentralverbandes gewerblicher Einkaufsvereinigungen des Handels zu. Diese Stellungnahme ist außerordentlich interessant und bringt alles Wesentliche zum Ausdruck, was wir beachten sollten. Nur rein fiskalisches Denken konnte übersehen, wie wirtschaftschädigend die Einführung dieser Steuer bei der labilen Lage unserer Wirtschaft wirken müßte.
Einer, der sehr viel von wirtschaftlichen Dingen versteht, bezeichnete die geplante Steuer als eine für die Wirtschaft mörderische Steuer, und diesem Ausspruch möchte ich nichts hinzufügen.
Es scheint mir nun dringend notwendig zu sein, einige unterbelichtete Stellen dieses Gesetzentwurfs etwas deutlicher zu beleuchten, um sie besser sichtbar zu machen. Nach Abs. 2 der Begründung soll die Aufwandsteuer „Aufwendungen nicht lebensnotwendiger Art treffen, die im allgemeinen von den bemittelteren Schichten der Bevölkerung gemacht werden". Ich frage Sie, meine Damen und Herren: werden Haushaltsporzellan, Fotoapparate, Strickwaren, Kugelschreiber und ähnliches nur von den bemittelteren Schichten der Bevölkerung gekauft?
Sehen Sie bitte den Katalog unter diesen Gesichtspunkten einmal erneut an! Wen träfe denn diese Steuer? Doch vor allen Dingen die Ausgebombten, die Vertriebenen, die allmählich wieder aus ihren Trümmerbehausungen und Barackenlagern herauskommen und sich jetzt die Dinge anschaffen müssen, die andere, welche nicht so hart vom Schicksal getroffen wurden, noch besitzen. Ich erinnere an die Beleuchtungskörper, an die Waschmaschinen, die Staubsauger, Elektrogeräte, Rundfunkgeräte, Glas, Porzellan, Keramik, Textil- und Lederwaren, Teppiche usw.
Dabei darf nicht übersehen werden, daß die Menschen, welche jetzt wieder in Neubauwohnungen kommen — und dazu gehört auch die Mehrzahl der Jung- oder Neuvermählten —, ihr Leben lang eine bedeutend höhere Miete zu zahlen haben, die ihre sonstige Lebenshaltung für dauernd sehr herabdrückt.
Wie will man eine solch einseitige Belastung rechtfertigen? Soweit Qualitätsbegriffe eine Rolle spielen, wie z. B. bei der Gewichtsbegrenzung für Möbelstoffe, würde die Einführung dieser Steuer zu einer Qualitätsverschlechterung führen; und diese muß unter allen Umständen vermieden werden. Ramsch gibt es — bei Gott — mehr als genug, und das deutsche Volk ist wirklich zu arm, um sein Geld für minderwertiges Zeug hinauszuwerfen.
Viele Dinge, die früher nicht jedem zugänglich waren, sind heute tatsächlich zu Gegenständen des täglichen Bedarfs für jedermann geworden. Diese Entwicklung kann und darf unter keinen Umständen mehr zurückgeschraubt werden. Mir fiel dieser Tage die altbekannte Waschmaschinen-Reklame ein: „Wenn Vater waschen müßte . . .!" Sie alle kennen diese Reklame. In Abwandlung dieses Reklamewortes möchte ich heute sagen: Wenn Schäffer waschen müßte,
dann würde er bestimmt die Waschmaschinen nicht sonderbesteuern!
Sollen denn unsere Frauen wieder so waschen, wie die entführte Gudrun am Meeresstrand der Normandie zu tun gezwungen wurde?
Soviel Porzellan, wie durch die laufende Nr. 8 Buchstabe f des Entwurfs, durch welche das Haushaltsporzellan erfaßt werden soll, zerschlagen würde, wurde wohl noch selten durch ein Steuergesetz zerschlagen.
Und wenn man in Nr. 19 Buchstaben c und d liest, daß die reinen oder mindestens 80 %igen Wollwaren ebenfalls zu dieser Steuer herangezogen werden sollen, dann könnte man wirklich in die Wolle geraten, und zwar selbst auf die Gefahr hin, dafür sonderbesteuert zu werden.
Sollte diese Steuer je eingeführt werden, dann möchte man am liebsten betrübt und traurig auf leisen Kreppsohlen davonschleichen. Doch auch für diese Kreppsohlen wäre wieder die Sondersteuer fällig. Und wenn einer vor Wut darüber seinen Leder- oder auch Nicht-Lederkoffer packen wollte, dann hätte er wieder für diesen Koffer die Sondersteuer zu berappen.
Und wollen wir tatsächlich die Neujahrslebkuchen und die Bonbons der Kinder sonderbesteuern und der Bevölkerung die Dauerbackwaren verteuern? Wir wissen doch, wie sauer das Volk auf die geplante Süßwarensteuer reagierte. Und jetzt steckt diese Süßwarensteuer wieder in dem Entwurf.
Herr Bundesfinanzminister, die Mehrheit des Bundestages hat erkannt, was alles an Gefahren für unsere Wirtschaft im Bauch dieses trojanischen Pferdes versteckt ist.
Dieses trojanische Pferd wollen wir dem Lebensbereiche unseres Volkes lieber fernhalten.
In dem Katalog wird auch eine ganze Anzahl größerer oder kleinerer Geschenkartikel erfaßt, mit denen viele Menschen bislang anderen eine Freude bereitet haben. Soll denn nun das bißchen Freudebereiten auch noch sonderbesteuert werden? Was man in anderen Ländern macht, kann uns mehr oder weniger gleichgültig sein. Der Bundesfinanzminister legt ja auch keinen Wert darauf, wie er uns erklärte. Wir haben die Interessen unserer Bevölkerung zu vertreten.
Als Vertreter Pforzheims — ich spreche hier auch für die Schwäbisch-Gmünder und Hanauer Industrie — möchte ich nur wünschen, Sie alle hätten mit mir vergangene Woche die Gelegenheit gehabt, der Eröffnung der Ständigen Musterausstellung Pforzheim beizuwohnen. Wie viele künstlerische Ideen sah man da in die Wirklichkeit umgesetzt! Wahrlich eine imposante Schau, welche Zeugnis ablegte von dem Aufbauwillen der gesamten Uhren-und Schmuckwarenindustrie, dem Unternehmungsgeist der Fabrikanten, den künstlerischen Leistungen und dem Fleiß der Arbeiter und Angestellten, der vielen Tausend Frauen und Männer, für welche die Herstellung dieser Gegenstände Broterwerb bedeutet. Pforzheim mit seinen heute wieder 55 000 Einwohnern bedeutet für unsere Volkswirtschaft mehr, als man auf Grund seiner Bevölkerungszahl annehmen könnte. Pforzheim ist, wie Ihnen allen bekannt ist, wohl eine der am meisten zerstörten Städte, die in den schauerlichen Abendstunden des 23. Februar 1945 in einem Inferno von Bomben und Phosphor unterging und von seinen fleißigen 80 000 Bewohnern in wenigen Minuten nahezu 18 000 Menschen verlor und deren Industrie so gut wie restlos vernichtet wurde. Diese Stadt erzielte 1949 18 Millionen DM, 1950 45 Millionen DM und 1951 etwa 70 Millionen DM Export. Dies entspricht einer Exportziffer von über 1260 DM pro Kopf der Pforzheimer Bevölkerung. Entfiele auf alle 48 Millionen Bewohner unseres Bundesgebietes der gleichhohe Exportbetrag, so entspräche dies im Jahre 1951 einem Gesamtexport von über 60 Milliarden DM. Ohne gesicherten Inlandsmarkt ist aber ein solcher Export niemals zu erzielen; dies muß jedem Einsichtigen klar sein.
Als Vertreter des südwestdeutschen Raums mit seiner vielfältigen Veredelungsindustrie muß ich diese Steuer ablehnen; denn gerade unser südwestdeutscher Raum würde von den verheerenden Folgen einer solchen Steuer ungleich schwer getroffen werden.
Daß auch wieder in diesem Gesetzentwurf das mir so verhaßte Wort „ermächtigt" zweimal vorkommt, möchte ich nur kurz erwähnen. Wieviele Klagen hören wir immer wieder über die Gesetzesauslegung und Gesetzeshandhabung durch die Bürokratie, und zwar durch den Erlaß von Durchführungsbestimmungen und ähnlichem.
„Aufwand" steuer scheint mir allerdings wie auch einigen meiner Herren Vorredner der richtige Name für das zu sein, was hier geplant wird. Es
gibt Besitzsteuern, es gibt Ertragsteuern; dies hier wäre nur eine Aufwandsteuer, bei welcher der Ertrag in keinem Verhältnis zum Aufwand und den wirtschaftschädigenden Folgen stünde.
Auf eine Luxussteuer, von der man jetzt auch wieder spricht, trifft, wie die Erfahrung lehrt, genau dasselbe zu. Ich wende mich deshalb vorsichtshalber schon jetzt gegen eine solche Luxussteuer, bei der das Aufkommen eben auch in keinem Verhältnis zu den Aufwendungen stände.
Es sollte nicht immer in erster Linie nach neuen Steuerquellen gesucht werden, sondern wir sollten alle Haushalte und Verwaltungseinrichtungen des Bundes, der Länder, der Kreise, der Gemeinden und sonstigen Körperschaften auf ihre Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit überprüfen. Dies würde bestimmt Ersparnisse bringen, mehr an Ersparnissen, als durch eine Aufwandsteuer an Einnahmen je erzielt werden könnte.
Ich hoffe, daß sich der Bundestag seiner hohen Verantwortung bewußt ist und diesen Weg einschlägt.