Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir Sozialdemokraten haben an dem, Zustandekommen eines Gesetzes, das die Organisation und die Betriebsverfassung dieses wichtigsten deutschen Betriebsvermögens regeln sollte, seit Jahren mitgearbeitet. Wir haben bereits im Vereinigten Wirtschaftsgebiet ernsthafte Versuche gemacht, zu einer Regelung dieses Fragen-komplexes zu kommen. Daß es im Vereinigten Wirtschaftsgebiet nicht mehr dazu kam, mag mit mannigfachen staatsrechtlichen Erwägungen zusammengehangen haben. Daß aber in der Folgezeit die Beratung dieses Gesetzes so große Schwierigkeiten — auch in zeitlicher Beziehung — gemacht hat, liegt bestimmt nicht daran, daß die Sozialdemokraten nicht in positivster Weise versucht haben, diesem Gesetz Inhalt und Form zu geben, sondern liegt daran, daß manche eben über die Verfassung der Bundesbahn eine besondere Auffassung hatten', die doch sehr wesentlich dahin neigte, daß die Bundesbahn mehr oder weniger ein von der Regierung geleitetes Institut werden sollte. Man wollte eben den Organen der Bundesbahn nur eine sehr eingeschränkte Kompetenz zugestehen.
Die Mehrheit dieses Hauses wollte nicht den Interessen dieses Betriebes folgen und wollte den Organen nur beratende Funktion und nur beratende Mitwirkung gestatten. Das hat schließlich
noch in der Endphase, die Anfang Juli dieses Jahres — vor den Parlamentsferien — in so besonderer Weise beschleunigt werden mußte, dazu geführt, daß das Gesetz entgegen den Absichten dieser Mehrheit nicht mehr zustande gekommen ist und daß es dann noch Wochen dauerte, bis wir es zur endgültigen Beratung in der Gestalt dieses Vermittlungsvorschlags vorgelegt bekamen.
Wir haben gegen dieses Gesetz bereits in der zweiten und dritten Lesung geltend gemacht, daß ein wesentliches Faktum seines Inhalts für uns die Tatsache sein muß, daß der Bundestag nicht auf eine unmittelbare Einflußnahme durch Mitwirkung im Verwaltungsrat verzichten kann. Das wollen wir bei dieser Gelegenheit noch einmal mit Nachdruck hervorheben. Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, daß die Mehrheit des Bundestags mit der Opposition bei einem solchen wirtschaftlichen Unternehmen der Bundesrepublik alle jene Sicherungen gewährleisten sollte, auf die man für den Bundestag bei nicht-haushaltsgebundener Betriebsführung nicht verzichten kann, jedenfalls nach unserer Vorstellung. Wir verkennen nicht, daß mit den Beschlüssen des Vermittlungsausschusses in einiger Hinsicht — was die Ernennung des Vorstandes und die Kompetenzen des Verwaltungsrats betrifft — gegenüber den Beschlüssen der Mehrheit dieses Hauses vom 6. Juli Verbesserungen herbeigeführt worden sind. Es verbleibt aber der Umstand, daß wir nicht zustimmen können, daß der Bundestag völlig ausgeschaltet wird.
Darüber hinaus ist für uns von wesentlicher Bedeutung, daß hinsichtlich der Zusammensetzung des Vorstandes und auch hinsichtlich der Erfüllung des Gedankens der Mitbestimmung der in diesem Betriebe arbeitenden Menschen auch im Verwaltungsrat keinem der tragenden Gedanken entsprochen wird, die wir für eine Neuordnung der Wirtschaftsverfassung und unserer Wirtschaftsorganisation als Voraussetzung für die bessere Gestaltung unserer Sozialordnung ansehen. Auf die Erfüllung der Forderung auf Einordnung des Arbeitsdirektors
als gleichberechtigtes Vorstandsmitglied ist für uns ebensowenig zu verzichten wie auf diejenige, daß die organisierte Arbeiterschaft gleichberechtigte Mitbestimmung durch paritätische Besetzung des Verwaltungsrats verlangen muß. Solange das nicht erfüllt ist — das trifft angesichts der Vorschläge des Vermittlungsausschusses für die dadurch entstehende geänderte Fassung des Bundesbahngesetzes nach wie vor zu —, ist eine Zustimmung der sozialdemokratischen Fraktion unmöglich. Wenn in einem öffentlichen Betriebe, dessen gemeinwirtschaftliche Aufgaben und Stellung in den Eingangsbestimmungen des Bundesbahngesetzes ausdrücklich anerkannt werden, keine privaten Interessen dem entgegenstehen, daß die Arbeiter, Angestellten und Beamten allzusehr in die Geheimnisse der kapitalistischen Gewinnproduktion eindringen,
dann ist es nicht möglich, eine bessere soziale Ordnung durch bessere Gestaltung der Betriebsverfassung und -organisation herbeizuführen. Wir Sozialdemokraten können dann einem solchen Gesetz nur mit Ablehnung begegnen.
Für diese Ablehnung ist aber auch nicht ohne Bedeutung, daß der Vermittlungsvorschlag des Bundesrats zu § 40, der die Ausnahmestellung für alle Verkaufsstände und dergleichen auf dem Bahngelände hinsichtlich des Ladenschlusses regelt, sowohl aus Wettbewerbsgründen als auch aus solchen sozialpolitischer Natur für uns unannehmbar ist. Ich kann dem Herrn Berichterstatter auch insoweit nicht folgen, als er für den Vermittlungsausschuß darstellte, daß nach der Fassung des § 40 Abs. 2, die der Bundestag beschlossen habe, alle Verkaufsstände, die vor der Sperre liegen, ausgeschlossen gewesen sein sollten. Ich darf darauf aufmerksam machen, daß selbstverständlich alle Bahnhofswirtschaften, alle Gaststätten, der Zeitschriften- und Buchhandel von dieser Regelung ausgenommen waren, also das, was dem echten Reisebedarf dient. Ich darf weiterhin darauf aufmerksam machen, Herr Minister Renner, daß, wenn Sie in Ihrem Bericht sagen, daß dieses Problem nach dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses durch Verwaltungsvorschriften und Verwaltungsanordnungen geregelt werden soll, danach sowohl für den Bundesrat als auch für den Bundestag nach der vom Vermittlungsausschuß vorgelegten Fassung keinerlei Mitwirkungsmöglichkeit besteht.
Das sind die Gründe dafür, daß wir auch in dieser Hinsicht dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses nicht entsprechen können, besonders nachdem wir die Absichten des Herrn Bundesministers für Verkehr aus den Ausschußberatungen über den Inhalt dieser Verwaltungsanordnungen ja bereits kennen, die seinerzeit bei der Beratung des § 40 behandelt worden sind.
— Ich gebe eine Erklärung ab, und ich schließe jetzt damit, daß ich Ihnen sage
— beruhigen Sie sich doch, Herr Kollege Strauß, darüber "können Sie anderer Meinung sein als ich —: Wir werden aus den dargelegten Gründen sowohl die Ziffern 1 bis 5 als auch den Vermittlungsvorschlag zu Ziffer 6 ablehnen.