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ID0117202100

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 172. Sitzung. Bonn, Mittwoch, 7. November 1951 7093 172. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. November 1951. Geschäftliche Mitteilungen 7094A, 7099B, 7106C Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Zweiten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Kreditanstalt für Wiederaufbau 7094A Gesetz zur Ergänzung und Abänderung des Gesetzes über den Verkehr mit Getreide und Futtermitteln 7094B Gesetz über das Handelsabkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Königlich Ägyptischen Regierung 7094B Gesetz über internationale Vereinbarungen auf dem Gebiete des Zollwesens 7094B Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit 7094B Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung 7094B Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts 7094B Anfrage Nr. 199 der Fraktion der FDP betr Besatzungsbauten (Nrn. 2361, 2772 der Drucksachen) 7094B Anfrage Nr. 209 der Fraktion der SPD betr Schwerbeschädigte und Arbeitslosenfürsorge (Nrn. 2624, 2768 der Drucksachen) . 7094B Anfrage Nr. 210 der Zentrumsfraktion betr. Verwendung von Nickel zur Prägung neuer Zweimark-Stücke (Nrn. 2635, 2756 der Drucksachen) 7094B Anfrage Nr. 215 der Fraktion der BP und der Abg. Reindl u. Gen. betr. Entwendung von Geheimakten aus dem Bundeskanzleramt (Nrn. 2646, 2767 der Drucksachen) 7094C Anfrage Nr. 216 der Fraktion der SPD betr Richtlinien für bereitgestellte Mittel zur Sicherung von Leistungen der Altersversorgung (Nrn. 2679, 2769 der Drucksachen) 7094C Anfrage Nr. 217 der Fraktion der BP betr. Stellenbesetzung beim Bundeskriminalamt (Nrn. 2681, 2757 der Drucksachen) . . 7094C Anfrage Nr. 219 der Zentrumsfraktion betr. Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche (Nrn. 2698, 2755 der Drucksachen) . . . . 7094C Anfrage Nr. 220 der Fraktion der BP betr. Abgeltung von Besatzungsschäden (Nrn. 2710, 2771 der Drucksachen) 7094D Änderungen der Tagesordnung 7094D K Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen (Nr. 525 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) (Nr. 2697 der Drucksachen) . . . 7094D, 7095A Arndgen (CDU) (zur Tagesordnung) 7094D Rückverweisung an den Ausschuß . . . 7095A Glückwunsch zum 75. Geburtstag des Abg. Dr. Leuchtgens 7095A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Handelsabkommen vom 20. Juli 1951 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Peru (Nr. 2702 der Drucksachen) 7095A Ausschußüberweisung 7095B Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der §§ 1274 ff. der Reichsversicherungsordnung (Nr. 2693 der Drucksachen) 7095B, C Horn (CDU): zur Geschäftsordnung 7095B zur Sache 7104C Meyer (Hagen) (SPD), Antragsteller 7095D, 7107 Storch, Bundesminister für Arbeit 7098B, 7101B Kohl (Stuttgart) (KPD) 7099B Willenberg (Z) 7100C Arndgen (CDU) 7101C Dr. Atzenroth (FDP) 7102A Frau Schroeder (Berlin) (SPD) . . 7102C Frau Kalinke (DP) 7103B Ausschußüberweisung 7105A Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Gewerbeordnung (Nr. 2494 der Drucksachen). Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (20. Ausschuß) (Nr. 2632 der Drucksachen) 7095B, 7105B Dr. Kneipp (FDP), Berichterstatter . 7105B Beschlußfassung 7105C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Handelsvertrag vom 2. Februar 1951 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Chile (Nr. 2534 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr. 2662 [neu] der Drucksachen) 7095C, 7105C Beschlußfassung 7105D Nächste Sitzung 7106A Anlage: Nachträgliche Ergänzungen zur Rede des Abg. Meyer (Hagen) als Antragsteller in der ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der §§ 1274 ff der Reichsversicherungsordnung 7107 Die Sitzung wird um 13 Uhr 30 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht der 172. Sitzung Nachträgliche Ergänzungen zur Rede des Abgeordneten Meyer (Hagen) als Antragsteller in der ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der §§ 1274 ff der Reichsversicherungsordnung (Nr. 2693 der Drucksachen): Zu Seite 7095 D: Beispiel A: Ein Knappschaftsrentner hat Anspruch auf eine Knappschaftsrente in Höhe von 113,90 DM; ferner bezieht er eine Unfallrente in Höhe von 40,50 DM. Die Unfallrente wird auf die Knappschaftsrente in Anrechnung gebracht, so daß der Rentner bisher an Gesamtrente bezog: aus der knappschaftlichen Rentenversicherung 73,40 DM, aus der Unfallversicherung 40,50 DM, Gesamtrente 113,90 DM. Nach dem Rentenzulagegesetz wird der Zuschlag nicht gezahlt nach der Knappschaftsrente in Höhe von . . 113,90 DM, sondern nach der gekürzten Rente in Höhe von 73,40 DM, Zuschlag nach dem Rentenzulagegesetz also 17,50 DM. Gesamtrente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung mit Zuschlag . . 90,90 DM, Rente aus der Unfallversicherung . 40,50 DM, Gesamtrente 131,40 DM. Wenn dem Rentenbezieher die Unfallrente ganz entzogen würde, würde derselbe folgende Rente bekommen: Rente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung 113,90 DM, Zuschlag nach § 2 des Rentenzulagegesetzes 27,50 DM, Gesamtrente also 141,40 DM. Beispiel B: Ein Knappschaftsrentner hat Anspruch auf eine Knappschaftsrente in Höhe von 118,50 DM; ferner bezieht er eine Unfallrente in Höhe von 50,00 DM. Die Unfallrente wird auf die Knappschaftsrente in Anrechnung gebracht, so daß der Rentner bisher an Gesamtrente bezog: aus der knappschaftlichen Rentenversicherung 68,50 DM, aus der Unfallversicherung 50,00 DM, Gesamtrente 118,50 DM. Nach dem Rentenzulagegesetz ergibt sich folgende Rente: Rente aus der knappschaftlichen Versicherung 68,50 DM, Zuschlag nach § 2 des Rentenzulagegesetzes 17,50 DM, Unfallrente 50,00 DM, Gesamtrente 136,00 DM. Wenn dem Rentner die Unfallrente ganz entzogen würde, ergäbe sich folgende Rente: Rente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung 118,50 DM, Zuschlag nach § 2 des Rentenzulagegesetzes 30,00 DM, Gesamtrente 148,50 DM. Zu Seite 7097 D: Ein anderer bezieht eine 40prozentige Unfallrente in Höhe von 70,90 DM. Als Vollrentner erhält er eine Reichsrente aus der Invalidenversicherung einschließlich Kinderzuschlag für zwei minderjährige Kinder von 96,70 DM. Er müßte also 167,60 DM bei Anwendung des Versicherungsprinzips erhalten. Das wäre doch wohl für vier Personen ein viel zu geringer Lebensstandard, bei dem man sich ausrechnen kann, wie diese beiden Kinder aufgezogen werden, der Nachwuchs unseres Volkes. Dieser Bedauernswerte, der infolge seines Unfalls noch sehr viele Sonderaufwendungen machen muß, fällt unter den § 1274, der seine Invalidenrente um 50 % kürzt, so daß ihm für vier Köpfe insgesamt für alle seine Ausgaben 167,60 minus 48,30 119,30 DM verbleiben. Und das geschieht einem Menschen, der jahrelang schwer für das Gemeinwohl seine Pflicht getan hat. In einer Zuschrift teilt mir ein Rentner mit, daß er erst drei Wochen nach der Bewilligung seiner Unfallrente Invalide geworden ist und deshalb jahrelang statt 137,80 DM nur 68,90 DM ausgezahlt bekommen hat. Wegen Staublungenerkrankung erhielt ein Bergmann am 11. Dezember 1947 die Berufsrente. Er wurde am 18. Dezember 1947 zur Nachuntersuchung bestellt, und es wurde eine schwere Staublunge festgestellt. Im Januar 1948 erhielt er den Rentenbescheid mit dem Vermerk: Die Staublunge wird rückwirkend vom 4. Dezember 1947 anerkannt. Durch diese Erklärung wurde ihm zu gleicher Zeit auch nur die halbe Knappschaftsrente gezahlt, d. h. die Vollrente von 164,13 auf 82 DM gekürzt. Lassen Sie mich aus der Fülle der vor mir liegenden noch unbearbeiteten Zuschriften folgende Stelle verlesen, um Ihnen die seelische Auswirkung neben der materiellen zu zeigen: Auch ich bin ein Opfer dieser Paragraphen. Seit 1912 bin ich Bergmann gewesen und habe treu und redlich meine Knappschaftsbeiträge zahlen müssen. Da ich auf Grund einer Staublungenerkrankung Unfall- und Knappschaftsrentner wurde, müßte ich als Gegenleistung die volle Knappschaftsrente beziehen. Doch um dieselbe bin ich wie viele andere Kameraden betrogen worden. Das ist der Dank des Staates an seine treuesten Söhne, die ihr höchstes Gut, nämlich ihre Gesundheit, hergaben. Zu Seite 7098 A: Im Jahre 1947 nach Wegfall der von der RVO. abweichenden Vorschriften der britischen Militärregierung sind aber diese Renten von den Knappschaften erneut umgerechnet und neue Bescheide unter Anwendung der Ruhensvorschriften nach § 1274 RVO. ausgefertigt worden, d. h., das wohlwollende Anerkenntnis wurde wieder entzogen und die knappschaftliche Leistung wieder dem Ruhen unterworfen. Hierzu muß gesagt werden, daß keinerlei Umstände eingetreten waren, die diese neue Einstellung gerechtfertigt hätten. Für die davon betroffenen Bergleute ist diese Renteneinbuße aber recht fühlbar geworden, und sie hat dem demokratischen Staatsgedanken fühlbaren Schaden zugefügt. Es ist schwer verständlich, daß hier die Länderregierungen und auch das Bundesarbeitsministerium im Dienstaufsichtswege gegen diese willkürlichen Maßnahmen der Sozialversicherungsträger nicht eingetreten sind. Diese verständnisvolle Regelung, die bis 1945 angewandt wurde, entsprang dem Gefühl der Dankbarkeit denen gegenüber, die durch diese mörderische Erkrankung an Silikose nicht nur im Durchschnitt etwa fünf Jahre früher als alle anderen Invaliden sterben müssen, sondern sie war auch deshalb begründet, weil der Tod infolge Silikose in der Regel äußerst qualvoll ist. Den Berufsgenossenschaften ist an diesem Zustand keine Schuld zuzumessen. Der Direktor der Bergbauberufsgenossenschaft, Bezirksstelle Bochum, erklärte anläßlich eines Berufsgenossenschaftstages am 29. Juni 1949 in München folgendes: Es muß aber gegenüber den Kritikern an der Rentenzahlung der Berufsgenossenschaften auf folgendes hingewiesen werden: Die vielen Millionen, die die Berufsgenossenschaften für Silikosefälle aus den Beiträgen der Unternehmer ausgegeben haben und fortlaufend ausgeben, werden zwar den Versicherten und ihren Angehörigen ausgezahlt, aber nur ein Bruchteil ist ihnen eigentlich als Schadenersatz für einen Berufsschaden zugute gekommen, denn die Silikoserenten werden nicht zusätzlich zu den durch eigene Beitragsleistung erworbenen Leistungen der Rentenversicherung gezahlt, sondern die Feststellung der Leistung der Unfallversicherung bewirkt zugleich in erheblichem Umfang ein Ruhen der Leistungen der Rentenversicherung. Seit 1929 haben also die bedeutenden Silikose-Aufwendungen zu einem erheblichen Teil nur zu einer Lastenverschiebung unter den Versicherungsträgern geführt.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Louise Schroeder


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe nicht die Absicht, der Begründung unseres Antrags, die mein Herr Kollege Meyer gab, noch sehr viel hinzuzufügen. Ich bin aber im Gegensatz zu den Ausführungen meines Vorredners der Ansicht, daß die Begründung unseres Antrags durch den Herrn Kollegen Meyer nicht etwa Differenzen aufgezeigt hat, sondern uns an Hand der gezeigten Beispiele den ganzen Ernst dieser Angelegenheit — des Ruhens eines Teiles der Renten — vor Augen geführt hat.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ich wundere mich sehr, daß uns der Herr Arbeitsminister auseinandergesetzt hat, er habe nicht die für die Durchführung unseres Antrags erforderlichen Mittel und es sei, wenn dieser Antrag angenommen würde, auch keine Sicherheit dafür gegeben, daß die heutigen Beitragszahler in den Genuß der entsprechenden Rente kämen.
    Ich möchte darauf hinweisen, Herr Kollege Arndgen, daß es — wie Sie schon selber gesagt haben — Ihre Fraktion gewesen ist, die im Februar dieses Jahres den Antrag Drucksache Nr. 1971 gestellt hat, in dem es unter Ziffer 3 heißt, daß die Vorschriften über das Ruhen von Renten der Rentenversicherungen neben Renten der Unfallversicherung wieder auf den Stand der Gesetzgebung des Jahres 1911 gebracht werden sollen.

    (Hört! Hört! links.)

    Das ist zwar nicht ganz das, was wir heute beantragen; aber Sie wünschten ebenfalls eine Veränderung des heutigen Zustands, die unbedingt Kosten hervorruft.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Herr Kollege Arndgen, wenn Sie gemeint haben, es würden hier Beispiele aneinandergereiht, ohne daß man auch nachweisen könne, wie sich denn das, was wir fordern, in die Tat umsetzen ließe, dann gestatten Sie mir die Frage: Haben Sie sich denn überlegt, wie Sie Ihren Antrag in die Tat umsetzen wollen und können? Ich möchte darauf hinweisen, daß dieser Antrag einstimmig von diesem Hause angenommen worden ist; auch die Regierung hat sich nicht gegen ihn gewehrt. Um so mehr wundere ich mich, daß der Herr Arbeitsminister, der leider inzwischen verschwunden ist,

    (Zurufe)



    (Frau Schroeder [Berlin])

    — ach nein, Verzeihung, da sitzt er; ich bitte um Entschuldigung —, heute das große Geschütz auffährt und sagt: Wenn ihr solche Anträge stellt und annehmt, dann schädigt ihr die heutigen Beitragszahler. Ich glaube, Herr Minister, Sie hätten das schon bei der Einbringung des Antrags Drucksache Nr. 1971 sagen müssen!

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Im übrigen ist meine Fraktion selbstverständlich damit einverstanden, daß unser Antrag im Ausschuß beraten wird. Ich bitte aber um Entschuldigung, wenn ich den mit vollem Recht angeführten vielen Beispielen über das Unrecht, das gerade denen geschieht, die sich durch doppelte Beitragszahlung für ihr Alter oder ihre Invalidität eine Sicherung verschaffen wollen, um nicht der Allgemeinheit zur Last zu fallen, doch noch eins hinzufüge; denn es geht nicht nur die Sozialpolitiker dieses Hauses, sondern ganz besonders uns Frauen an. Ich glaube, es trifft für uns alle zu, daß wir, solange wir sozialpolitisch arbeiten, den Frauen gesagt haben: Wenn ihr euch verheiratet, so haltet eure Versicherung aufrecht, damit ihr im Alter geschützt seid.

    (Lebhafte Zustimmung.)

    Ich habe in diesen Tagen ein Schreiben einer Frau bekommen, das vom 24. Oktober dieses Jahres datiert ist. Diese Frau hat als frühere Bankangestellte nach ihrer Eheschließung Jahrzehnte hindurch den Beitrag für ihre eigene Versicherung gezahlt, neben dem Beitrag, den der Mann für seine Versicherung gezahlt hat. Jetzt ist der Mann gestorben, und wie sieht es nun aus? Nach dem Gesetz über die Angestelltenversicherung erhält sie als Witwenrente fünf Zehntel des Ruhegeldes des Mannes, also die Hälfte der Rente, die bisher der Mann erhalten i hat. Sie erhält aber auf Grund der Ruhensvorschriften nun nicht etwa ihre eigene Rente weiter, deren Anwartschaft sie mühsam erworben hat, sondern sie erhält als kranke 57jährige Frau, die nicht mehr arbeitsfähig ist, wiederum infolge der Ruhensvorschriften nur die Hälfte der ihr auf Grund freiwillig weitergezahlter Beiträge zustehenden eigenen Rente. Was bedeutet das? Eine solche Frau im Alter von 57 Jahren, die krank und invalide ist, muß sich allein im Leben durchschlagen. Sie kann ihre Wohnung nicht mehr halten und hat auch sonst die größten Schwierigkeiten. Ich glaube, so etwas können gerade wir Frauen nicht mitmachen, gerade wir, die wir hier zum großen Teil Frauen vertreten und die wir ihnen immer wieder sagen: Sorgt selbst für Alter und Invalidität. Gerade wir, glaube ich, haben das größte Anrecht darauf und auch die größte Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß einem solchen Unrecht, wie es durch die Ruhensvorschriften geschaffen worden ist, ein Ende gemacht wird.
    Ich bin also einverstanden, daß wir unsern Antrag noch einmal eingehend im Ausschuß durchberaten.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Kalinke.

(Unruhe und Zurufe. — Abg. Renner: „Versicherungsprinzip"!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Margot Kalinke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Es ist kein Verdienst der Sozialdemokratischen Partei, nun hier initiativ geworden zu sein,

    (Lachen und Zurufe links) und ich glaube, sie ist mit uns einig, daß diese Frage hier in diesem Hause so ernsthaft — —(Fortgesetztes Lachen bei der SPD.)

    — Ich weiß nicht, was dabei zu lachen ist, meine Herren und Damen von der SPD.

    (Erneute Zurufe und Unruhe links.)

    Sie haben durchaus die Möglichkeit, diese ernste Frage mit Gelächter zu beantworten. Wir bedauern, daß Sie das tun, und ich bedaure, daß Sie diese Frage immer wieder dazu benutzen, parteipolitisch eine Diskussion einzuleiten, meine Herren, bei der Sie etwas anderes meinen als nur nur das Wohl der Versicherten, bei der Sie zuerst die Organisationsform meinen!

    (Weitere Zurufe und Unruhe links.)

    Ich bitte doch, mir zuzuhören. Sie können ja antworten; Sie haben die Gelegenheit dazu. Setzen Sie sich doch nicht ins Unrecht durch das Geschrei, das Sie immer erheben, und hören Sie doch zu.

    (Unruhe.)

    Auch ich habe dem Unfug zugehört, der oft genug hier von der Linken des Hauses vertreten wird, wenn es nur um eine sachliche Diskussion gehen sollte!

    (Fortgesetzte Zurufe links.)

    Wenn wir über die Reform der Rentenversicherung diskutieren, dann wollen wir hier — und das ist die Auffassung meiner politischen Freunde, die wir seit zwei Jahren an diesem Pulte immer wiederholen - endlich aufhören mit dem Weg zu einer Staatsbürgerversorgung, indem wir Versprechungen machen, die wir nicht halten können, und beginnen mit einer Reform unserer Sozialversicherung, einer Reform an Haupt und Gliedern, von der S i e zwar die Einheitsorganisation meinen, w i r aber die Wiederherstellung der Versicherungsgerechtigkeit.
    Deshalb fordern wir wiederholt mit Ihnen die Beseitigung der einschränkenden Bestimmungen bei Doppelrenten. Wir fordern die Wiederherstellung des Anspruchs desjenigen, der, wie Frau Schroeder es richtig dargestellt hat, aus eigener Verantwortung Beiträge geleistet hat, und wir fordern weiter, daß die Rentenversicherung an die Situation der beschäftigten Frauen in Deutschland angepaßt wird, die in keinem Verhältnis mehr zu dem steht, was 1911 einmal Grundlage der Gesetzgebung war. Über ein Drittel aller neuen Arbeitsplätze, die die Bundesregierung geschaffen hat, sind von Frauen eingenommen, und über die Hälfte aller Versicherten in der Krankenversicherung sind Frauen; über ein Drittel in der Rentenversicherung ebenfalls. Und weil das so ist, wollen wir nicht, daß von dem Beitrag, den der männliche Versicherte zahlt, seine Frau und seine Kinder und sogar seine geschiedene Frau Renten bekommen, wenn von demselben Beitrag, den die weibliche Versicherte sogar freiwillig als Weiterversicherung zahlt, ihr dann die erworbene Rente gekürzt wird. Wenn es auch ein hartes Wort war, das der Herr Kollege Kohl gesprochen hat — nämlich der „Versicherungsbetrug" —, so müssen wir uns doch zu dieser Erkenntnis hier bekennen, wenn wir die Versicherungsgerechtigkeit wahrhaft wollen.
    Aber, meine Herren von der Opposition, wenn Sie solche Dinge sachlich bei der Reform der Reichsversicherungsordnung begründen, werden wir im Ausschuß immer einig sein! In diesen Fragen sollten Sie doch darauf verzichten, gemeinsam mit der KPD immer dieselben Ausführungen über das „Ziel der Einheitsrentenversicherung" zu machen. Ich möchte nur das Beispiel herausgreifen,


    (Frau Kalinke)

    das mich auch zu dem Zwischenruf vom „Grundbetrag in der Invalidenversicherung und in der Angestelltenversicherung" veranlaßte. Sie, die Inner der Materie, wissen, daß der Grundbetrag in der Invalidenversicherung vom Staat getragen wird, und Sie wissen, daß in der Angestelltenversicherung die Entwicklung deshalb eine andere war, weil hier nicht der Staat der Garant einer Staatsbürgerversorgung ist, sondern weil es sich hier um eine echte Versicherung handelt.

    (Zurufe links.)

    Die Angestelltenversicherung erhält nur Erstattungen für Auftragsangelegenheiten. Sehen Sie, darin unterscheidet sich unsere Auffassung ganz wesentlich von der Ihren. Auch Sie sollten heute nicht mehr die Erfahrungen Englands und Frankreichs übersehen. Sie sollten nicht mehr in öffentlichen Diskussionen, in öffentlichen Organisationen darüber sprechen, daß man in einem verarmten Volke ein Beispiel nachahmen sollte, das uns zu einem noch größeren Ruin führen würde, als es in Frankreich und England bereits geführt hat.

    (Lachen und Zurufe links.)

    Das Experiment Berlin hat uns ebenfalls genügend praktische Lehren gegeben, um zu wissen, daß wir bei der Reform der Rentenversicherung alles tun müssen, um denjenigen, die Beiträge zahlen, auch wieder das Vertrauen zu geben, daß sie im Alter eine Rente erhalten.
    Ich bin der Auffassung, daß der Weg des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes nicht richtig war. Wir haben dem Gesetz damals auch nicht nur nicht zugestimmt, sondern haben in jeder Auseinandersetzung immer wieder erklärt, wie falsch dieser Weg war. Es ist nicht richtig, Mindestrenten zu geben, die heute zum Leben und zum Sterben nicht ausreichen, und den Menschen dann doch zur Fürsorge zu schicken. Es ist auch nicht richtig, die Fürsorgelasten von den Gemeinden auf die Sozialversicherungsträger abzuwälzen. Es ist ferner nicht richtig — und ich will Ihnen sehr gern diese wenig positiven Dinge sagen —, die großen gesundheitspolitischen Aufgaben des Volkes, wofür alle Steuerzahler die Mittel aufzubringen haben, auf die Sozialversicherungsträger abzuwälzen, und es ist ebenfalls nicht richtig, Einrichtungen zu schaffen, die nicht übersichtlich und klar genug sind, um die Mittel der Sozialversicherung so zu verwalten, wie wir uns das vorstellen. Ich brauche nur darauf hinzuweisen, daß wir als eine Leistung der Rentenversicherung die „Krankenversicherung der Rentner" haben, die bisher noch pauschal erstattet wird ohne Kontrolle, ob für den pauschal gezahlten Beitrag durch die Rentenversicherung auch wirklich die Versicherung in Anspruch genommen wurde,

    (Sehr richtig! rechts)

    und weiter, daß in den großen Auseinandersetzungen zwischen der Sozialversicherung und den Ärzten, in dem Kampf um die Neuordnung der Sozialpolitik heute noch kein ernsthaftes Wort über die Reform vom Wesen und Inhalt her gesprochen worden ist, sondern immer nur Schlagworte, die nichts weiter meinen als die Organisation.
    Meine Freunde glauben an die Möglichkeit des deutschen Volkes, sich aus eigener Kraft verantwortungsbewußt zu reformieren und sich Versicherungsträger zu schaffen, in denen das höchste Ziel die Belohnung desjenigen ist, der aus der „Kraft der Persönlichkeit" freiwillig Beiträge leistet und Beiträge erspart,

    (Lachen links) von denen er auch etwas haben will. Wir glauben, 8 daß auf dem Wege zur Reform der Sozialversicherung mit einer „Psychose unserer Zeit", nämlich dem „Versprechen der totalen Sicherheit", endlich Schluß gemacht werden soll,


    (lebhafte Schlußrufe links)

    damit wir das beseitigen können, was in der Sozialversicherung ungerecht und unbillig ist. Wir werden für die Beseitigung der Paragraphen, die die Gewährung von Doppelrenten und den durch Beiträge erworbenen Rechtsanspruch einschränken wollen, im Ausschuß zusammen mit der Opposition kämpfen. Wir glauben auch nicht, daß die Gesetzgebung von 1911 die Grundlage sein kann, und wir sind überzeugt, daß wir einen Weg finden werden! Wir können uns aber nicht immer damit trösten lassen — das sei dem Herrn Arbeitsminister gesagt —, daß die mathematische Bilanz nach zwei Jahren noch nicht fertig ist, sondern wir müssen einen Weg finden, die Leistungen zu revidieren, die unverantwortbar sind, und Leistungen dort zu geben, wo sie aus Gründen der Beitragszahlung und der Gerechtigkeit gegeben werden müssen.

    (Beifall rechts.)