Rede von
Louise
Schroeder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich habe nicht die Absicht, der Begründung unseres Antrags, die mein Herr Kollege Meyer gab, noch sehr viel hinzuzufügen. Ich bin aber im Gegensatz zu den Ausführungen meines Vorredners der Ansicht, daß die Begründung unseres Antrags durch den Herrn Kollegen Meyer nicht etwa Differenzen aufgezeigt hat, sondern uns an Hand der gezeigten Beispiele den ganzen Ernst dieser Angelegenheit — des Ruhens eines Teiles der Renten — vor Augen geführt hat.
Ich wundere mich sehr, daß uns der Herr Arbeitsminister auseinandergesetzt hat, er habe nicht die für die Durchführung unseres Antrags erforderlichen Mittel und es sei, wenn dieser Antrag angenommen würde, auch keine Sicherheit dafür gegeben, daß die heutigen Beitragszahler in den Genuß der entsprechenden Rente kämen.
Ich möchte darauf hinweisen, Herr Kollege Arndgen, daß es — wie Sie schon selber gesagt haben — Ihre Fraktion gewesen ist, die im Februar dieses Jahres den Antrag Drucksache Nr. 1971 gestellt hat, in dem es unter Ziffer 3 heißt, daß die Vorschriften über das Ruhen von Renten der Rentenversicherungen neben Renten der Unfallversicherung wieder auf den Stand der Gesetzgebung des Jahres 1911 gebracht werden sollen.
Das ist zwar nicht ganz das, was wir heute beantragen; aber Sie wünschten ebenfalls eine Veränderung des heutigen Zustands, die unbedingt Kosten hervorruft.
Herr Kollege Arndgen, wenn Sie gemeint haben, es würden hier Beispiele aneinandergereiht, ohne daß man auch nachweisen könne, wie sich denn das, was wir fordern, in die Tat umsetzen ließe, dann gestatten Sie mir die Frage: Haben Sie sich denn überlegt, wie Sie Ihren Antrag in die Tat umsetzen wollen und können? Ich möchte darauf hinweisen, daß dieser Antrag einstimmig von diesem Hause angenommen worden ist; auch die Regierung hat sich nicht gegen ihn gewehrt. Um so mehr wundere ich mich, daß der Herr Arbeitsminister, der leider inzwischen verschwunden ist,
— ach nein, Verzeihung, da sitzt er; ich bitte um Entschuldigung —, heute das große Geschütz auffährt und sagt: Wenn ihr solche Anträge stellt und annehmt, dann schädigt ihr die heutigen Beitragszahler. Ich glaube, Herr Minister, Sie hätten das schon bei der Einbringung des Antrags Drucksache Nr. 1971 sagen müssen!
Im übrigen ist meine Fraktion selbstverständlich damit einverstanden, daß unser Antrag im Ausschuß beraten wird. Ich bitte aber um Entschuldigung, wenn ich den mit vollem Recht angeführten vielen Beispielen über das Unrecht, das gerade denen geschieht, die sich durch doppelte Beitragszahlung für ihr Alter oder ihre Invalidität eine Sicherung verschaffen wollen, um nicht der Allgemeinheit zur Last zu fallen, doch noch eins hinzufüge; denn es geht nicht nur die Sozialpolitiker dieses Hauses, sondern ganz besonders uns Frauen an. Ich glaube, es trifft für uns alle zu, daß wir, solange wir sozialpolitisch arbeiten, den Frauen gesagt haben: Wenn ihr euch verheiratet, so haltet eure Versicherung aufrecht, damit ihr im Alter geschützt seid.
Ich habe in diesen Tagen ein Schreiben einer Frau bekommen, das vom 24. Oktober dieses Jahres datiert ist. Diese Frau hat als frühere Bankangestellte nach ihrer Eheschließung Jahrzehnte hindurch den Beitrag für ihre eigene Versicherung gezahlt, neben dem Beitrag, den der Mann für seine Versicherung gezahlt hat. Jetzt ist der Mann gestorben, und wie sieht es nun aus? Nach dem Gesetz über die Angestelltenversicherung erhält sie als Witwenrente fünf Zehntel des Ruhegeldes des Mannes, also die Hälfte der Rente, die bisher der Mann erhalten i hat. Sie erhält aber auf Grund der Ruhensvorschriften nun nicht etwa ihre eigene Rente weiter, deren Anwartschaft sie mühsam erworben hat, sondern sie erhält als kranke 57jährige Frau, die nicht mehr arbeitsfähig ist, wiederum infolge der Ruhensvorschriften nur die Hälfte der ihr auf Grund freiwillig weitergezahlter Beiträge zustehenden eigenen Rente. Was bedeutet das? Eine solche Frau im Alter von 57 Jahren, die krank und invalide ist, muß sich allein im Leben durchschlagen. Sie kann ihre Wohnung nicht mehr halten und hat auch sonst die größten Schwierigkeiten. Ich glaube, so etwas können gerade wir Frauen nicht mitmachen, gerade wir, die wir hier zum großen Teil Frauen vertreten und die wir ihnen immer wieder sagen: Sorgt selbst für Alter und Invalidität. Gerade wir, glaube ich, haben das größte Anrecht darauf und auch die größte Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß einem solchen Unrecht, wie es durch die Ruhensvorschriften geschaffen worden ist, ein Ende gemacht wird.
Ich bin also einverstanden, daß wir unsern Antrag noch einmal eingehend im Ausschuß durchberaten.