Rede von
Anton
Sabel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem Antrag der Fraktion der SPD wurde die Forderung erhoben, die Bundesregierung zu ersuchen, dem Bundestag alsbald einen Gesetzentwurf über die Arbeits-und Sozialgerichtsbarkeit vorzulegen. Weiterhin wurde in diesem Antrag gewünscht, daß für die Regierung bindende Beschlüsse über den Aufbau der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit gefaßt werden sollten. Darüber hinaus sollte drittens auch noch die sachliche Zuständigkeit dieser Gerichte durch einen Beschluß des Bundestages abgegrenzt werden.
Der Ausschuß für Arbeit schlägt Ihnen mit Drucksache Nr. 2634 vor, zu beschließen, an die Bundesregierung das Ersuchen zu richten, dem Bundestag unverzüglich Gesetzentwürfe über die Arbeitsgerichtsbarkeit und Sozialgerichtsbarkeit vorzulegen. Im Ausschuß bestand Einmütigkeit darüber, daß ein dringendes Bedürfnis vorhanden ist, die Spitze der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit bald zu schaffen. Zur Begründung ist zunächst die Notwendigkeit angeführt worden, baldigst zu einer Rechtseinheitlichkeit zu kommen. Weiterhin wurde geltend gemacht, daß es insbesondere beim Sozialversicherungs- und Versorgungsrecht darum geht, endlich die Möglichkeit zu schaffen, die Unzahl von Revisionen zu erledigen, die gerade in Sozialversicherungsstreitigkeiten und Streitigkeiten aus dem Versorgungsrecht vorliegen, daß es aber auch hier um der Rechtseinheitlichkeit willen notwendig ist, baldigst die höchste Instanz zu schaffen.
Strittig war die Frage, ob es zweckmäßig sei, entsprechend dem Vorschlage der SPD die Arbeits-und Sozialgerichte zusammenzulegen. Der Ausschuß hat hierzu Sachverständige auf dem Gebiete des Arbeits- und Sozialrechtes gehört, beispielsweise die Professoren Dr. Dersch, Dr. Nipperdey und Dr. Sitzler. Es sind weiterhin Praktiker aus der Arbeitsgerichtsbarkeit, die Präsidenten der Landesarbeitsgerichte in Mainz und Frankfurt und Fachleute aus der Praxis der Sozialversicherung, insbesondere aus den Oberversicherungsämtern, und außerdem noch Sachverständige aus dem Kreise der Sozialpartner gehört worden. Diese Sachverständigen haben fast einmütig die Auffassung vertreten, daß eine Zusammenlegung der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit nicht zweckmäßig sei, und zur Begründung dieser Auffassung unter anderem vorgetragen, daß die in Frage stehenden Streitigkeiten von unterschiedlicher Rechtsnatur sind. Arbeitsgerichtssachen sind im allgemeinen bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten des Arbeitsrechts; Ausnahmen sind beispielsweise Streitigkeiten aus dem Betriebsverfassungsrecht. Bei der Sozialversicherung und beim Versorgungsrecht ist die Situation anders; hier stehen öffentlich-rechtliche Streitigkeiten zur Behandlung. Auch das Verfahren ist bei den verschiedenen Streitigkeiten unterschiedlich. Während wir im Arbeitsgerichtsprozeß im allgemeinen den Parteibetrieb kennen und die in einigen Punkten abgewandelte Zivilprozeßordnung Anwendung findet, ist die Grundlage für das Verfahren bei Streitigkeiten in der Sozialversicherung und im Versorgungsrecht ein Verfahren ähnlich dem, das wir bei den Verwaltungsgerichten kennen. Es wurden auch die Schwierigkeiten in der bezirklichen Einteilung betont, die einer Zusammenfassung der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit entgegenstehen würden.
Von den Antragstellern ist bei den Beratungen noch darauf verwiesen worden, daß die Fassung des Art. 96 des Grundgesetzes erkennen lasse, daß der Parlamentarische Rat eine Zusammenfassung der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit gewünscht habe. Der Ausschuß für Arbeit hat hierzu die Meinung des Bundesjustizministeriums eingeholt, er hat aber auch die Sachverständigen befragt. Übereinstimmend wurde die Auffassung vertreten, daß eine Zweigleisigkeit in der Arbeits- und Sozialrechtsprechung dem Wortlaut des Art. 96 des Grundgesetzes nicht entgegenstehe.
Über die Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeit der Arbeits- und Sozialgerichte hat der Ausschuß keine Vorschläge gemacht. Der dem Hause vorgelegte Antrag wollte der Bundesregierung bezüglich der Fassung der zu schaffenden Gesetze keine starre Bindung auferlegen; es wurde nicht für zweckmäßig gehalten, hier schon — wie es im Antrag der SPD-Fraktion gewünscht wurde — die Marschroute allzu eng festzulegen. Wir waren der Meinung, daß die Bundesregierung zweifellos die von den Sachverständigen im Ausschuß erstatteten Gutachten auch mit zur Grundlage ihrer Arbeit an den zu schaffenden Gesetzentwürfen nehmen sollte. Über die sachliche Zuständigkeit wird bei den abschließenden Beratungen der zu erwartenden Gesetzentwürfe zu diskutieren sein.
Nochmals möchte ich allerdings betonen, daß der Ausschuß es für dringlich hält, daß die gewünschten Gesetzesvorlagen bald dem Hause vorgelegt werden. Von der Bundesregierung ist die Erklärung abgegeben worden, daß ein Entwurf über die Arbeitsgerichtsbarkeit in aller Kürze zu erwarten
sei; hier sind die Vorarbeiten sehr weit fortgeschritten. Kritischer sieht die Situation bei dem Entwurf über die Sozialgerichtsbarkeit aus. Auch hier ist im Ausschuß einstimmig der Wunsch vertreten worden, daß nun schnellstens ein entsprechender Gesetzentwurf dem Bundestag vorgelegt werde.
Ich bitte namens des Ausschusses, dem von ihm gestellten Antrag auf Drucksache Nr. 2634 Ihre Zustimmung zu geben.