Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gegenstand der Interpellation ist die Zustimmung der Bundesregierung zu dem Abkommen über die Organisation der Verwaltung des Hafens Kehl. Dieses Abkommen ist vom Lande Baden mit einer französischen Körperschaft des öffentlichen Rechts verhandelt und abgeschlossen worden, nämlich der autonomen Hafenverwaltung von Straßburg. Die Bundesregierung hat die Zustimmung dazu erteilt. Ob sie damit richtig gehandelt hat, hängt von der Antwort auf drei Fragen ab, nämlich die Fragen:
1. ob sich das Land Baden im Rahmen seiner Zuständigkeit gehalten hat,
2. ob sich die in dem Abkommen von dem Land Baden eingegangenen Verpflichtungen im Rahmen der von der Bundesregierung übernommenen internationalen Verpflichtungen halten,
3. ob außenpolitische Bedenken gegen das Abkommen bestehen.
Die erste Frage ist zu bejahen. Baden ist Eigentümer der Hafenanlagen. Der Inhalt des Vertrages betrifft Gegenstände, die nicht durch Bundesgesetzgebung, sondern durch Landesgesetzgebung zu regeln sind, nämlich die Errichtung, die Organisation und den Aufgabenbereich einer landesrechtlichen Körperschaft des öffentlichen Rechts, die für die Verwaltung des Kehler Hafens zuständig sein soll. Die Verwaltung der Häfen ist nicht Bundes-, sondern Ländersache. Das ist durch den Staatsvertrag betreffend den Übergang der Wasserstraßen von den Ländern auf das Reich vom 9. Juli 1921 bestimmt, und an dieser Trennung von Wasserstraßenverwaltung und Hafenverwaltung hat das Grundgesetz nichts geändert. Auch die von dem Land Baden in dem geplanten Abkommen übernommenen Verpflichtungen halten sich unzweifelhaft im Rahmen dieser Landeszuständigkeit, nämlich die Verpachtung des landeseigenen Grundbesitzes an die Hafenverwaltung, die Verpachtung weiterer Grundstücke, die im Hafengebiet liegen und für den Hafenbetrieb erforderlich sind, die Überlassung eines Betriebsmittelfonds an die Hafenverwaltung und die Übernahme der im Betrieb der Hafenverwaltung entstehenden Verluste. Da wir nach dem Grundgesetz zu verfahren haben, werden wir uns in Angelegenheiten, die nach der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern eindeutig zur Kompetenz des Landes Baden gehören, nicht einmischen wollen und nicht einmischen dürfen.
Aus demselben Grunde möchte ich bitten, eine andere Frage, die in der Diskussion für oder gegen den Vertrag eine nicht unerhebliche Rolle zu spielen scheint, außer Betracht zu lassen. Die Gemeindeverwaltung Kehl steht in dieser Angelegenheit auf einem andern Standpunkt als die Landes-regierung. Sie hat ihren Standpunkt hier in Bonn im Parlament und bei den Bundesministerien durch ihre Beauftragten mit großem Eifer zur Geltung zu bringen versucht. Sie beklagt sich darüber, daß die Landesregierung die Gemeinde Kehl bei den Verhandlungen über den Vertrag nicht beteiligt, ihr von dem Vertrag nicht einmal Kenntnis gegeben habe. Sie meint auch, daß die Zukunft der Stadt so sehr von der Industrialisierung des Hafengebietes abhänge, daß das entscheidende Wort in. diesen Fragen nicht von der Landesregierung, sondern von der Gemeindeverwaltung zu sprechen sei. Auch diese offenbar mit Stimmungselementen geladenen Meinungsverschiedenheiten zwischen der Landesregierung und der Gemeindeverwaltung gehören nach meiner Ansicht nicht vor das Forum von Bundesinstanzen.
Schließlich haben sich die Kritiker des Vertrages an dem Art. 7 gestoßen, in dem gesagt ist, daß das Gebiet des Kehler Hafens mit dem Inkrafttreten des Vertrages dem bereits der badischen Verwaltung wieder unterstellten Teil des Gebiets von Kehl angeschlossen wird, das heißt mit anderen Worten, daß die deutsche Hoheitsgewalt im Hafengebiet von Kehl wiederhergestellt werden soll. Es liegt auf der Hand, daß die Verwaltung des Straßburger Hafens als französischer Vertragspartner nicht in der Lage ist, bindende Erklärungen über die Freigabe des Kehler Hafens aus der französischen Verwaltungshoheit abzugeben. Daß andererseits die Bundesregierung ohne die Erfüllung dieser Voraussetzung den Vertrag nicht genehmigen konnte, ist selbstverständlich. Hierüber ist kein
Wort zu verlieren; hierüber waren aber — das möchte ich unterstreichen — auch mit der badischen Regierung keinerlei Meinungsverschiedenheiten entstanden. Über diesen Punkt, der demnach nicht so sehr ein Teil des Vertrages selbst als vielmehr eine Bedingung für seinen Abschluß bildete, wurde durch ein Schreiben des französischen Hohen Kommissars vom 28. Juli Klarheit geschaffen, ein Schreiben, in dem die Rückgabe des Hafengebiets an die deutsche Verwaltung gleichzeitig mit dem Inkrafttreten des Vertrages verbindlich zugesagt wurde. Also ist wohl auch in diesem Punkte kein Zweifel mehr am Platze. Die französische Regierung wird mit dem Inkrafttreten des Vertrages das Hafengebiet von Kehl in die deutsche Hoheitsgewalt durch einen ebenso einseitigen Akt zurückgeben, wie sie im Jahre 1946 Stadt und Hafen Kehl durch einen einseitigen Akt der deutschen Verfügungsgewalt entzogen hat. Damit wird unter einen Abschnitt der Nachkriegspolitik ein Schlußstrich gezogen. Wir brauchen über Vergangenes hier nicht mehr zu rechten. Ich glaube, wir sollen zufrieden sein, daß diese Angelegenheit damit der Vergangenheit angehört.
Halten wir also fest, daß das Land Baden sich bei den Verhandlungen im Rahmen der Landesgesetzgebung gehalten hat. Andererseits sind Bundesregierung und Landesregierung darüber einig, daß der Vertrag zu den Verträgen gehört, die nach Art. 32 Abs. 2 des Grundgesetzes zwar von den Ländern geschlossen werden können, aber der Zustimmung des Bundes bedürfen. Deshalb hat das Land Baden den Vertrag der Bundesregierung zur Genehmigung vorgelegt, und damit sind die beiden anderen vorhin gestellten Fragen veranlaßt.
Die Beteiligung der Bundesregierung hat sich indessen nicht auf diesen formalen Schlußakt beschränkt, der sich in einem Ja oder Nein zu dem Vertrage ausdrücken muß. Die Landesregierung hat über die Frage des Kehler Hafens bereits zu einem Zeitpunkt mit den französischen Besatzungsbehörden verhandelt, als die Bundesregierung noch nicht gebildet war. Sie hat nach diesem Zeitpunkt mit der Bundesregierung, d. h. mit den an der Frage ressortmäßig interessierten Bundesministerien, die im Zuge der Verhandlungen aufgetretenen Fragen eingehend erörtert. Insofern war die Bundesregierung an den Verhandlungen zwar nicht direkt, wohl aber indirekt beteiligt. Sie hat jede Möglichkeit gehabt und benutzt, um ihren Standpunkt in den wesentlichen sachlichen Fragen der Landesregierung darzulegen. Ich glaube, daß sich diese Art der Zusammenarbeit zwischen Bund und Land bewährt hat, daß sie sich jedenfalls nicht zum Schaden der Bundesinteressen ausgewirkt hat.
Die zweite Frage, ob das Hafenabkommen mit den von der Bundesregierung übernommenen internationalen Verpflichtungen in Einklang steht, ist gleichfalls zu bejahen. Denn in der Präambel des Abkommens ist ausdrücklich festgestellt, daß durch das Abkommen die Bestimmungen der Rheinschifffahrtsakte, der die Bundesrepublik und nicht das Land Baden als Signatarstaat angehört, unberührt bleiben.
Die dritte Frage, ob außenpolitische Bedenken gegen das Abkommen bestehen, beantwortet sich eigentlich von selbst. Wir erhalten gleichzeitig mit dem Abkommen einen deutschen Gebietsteil, der unserer Verfügungsgewalt entzogen war, in unsere Hoheitsgewalt zurück,
allerdings mit einer Auflage, die bei den Kritikern des Abkommens Bedenken erweckt. Man sagt, das Abkommen verstoße gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung und Gegenseitigkeit, indem es der französischen Seite ein Mitspracherecht bei der Verwaltung des Kehler Hafens zugestehe, ohne daß damit der deutschen Seite ein entsprechendes Mitspracherecht etwa in der Verwaltung des Hafens von Straßburg gegeben werde. Nun, sicher ist das Bessere des Guten Feind. Soll man aber — und das ist hier die Frage — das Gute ausschlagen, weil das Bessere nicht erlangbar ist? Hätten wir die Möglichkeit, das Hafengebiet zurückzuerhalten, ausschlagen sollen, weil wir als Preis hierfür den französischen Einfluß in der Hafenverwaltung hinnehmen mußten? Ich glaube, das wäre nicht zu verantworten gewesen. Wir haben also ein Kompromiß geschlossen. Wir hätten dieses Kompromiß nicht schließen dürfen, wenn, wie die Interpellanten befürchten, die im Hinblick auf den Hafen von Kehl zu treffenden wirtschafts- und verkehrspolitischen Maßnahmen weitgehend der Verfügung deutscher Stellen und der Kontrolle durch deutsche parlamentarische Institutionen entzogen würden. Dies ist aber nicht der Fall. Wenn hier nach dem Wortlaut des Vertrages Zweifel obwalten konnten, so sind diese durch einen Briefwechsel zwischen den Vertragspartnern, der einen integrierenden Bestandteil des Vertragswerkes bildet, endgültig und eindeutig ausgeräumt worden. In diesem Briefwechsel ist festgestellt, daß der Stichentscheid des französischen Vorsitzenden des Verwaltungsrates ausschließlich in den Fragen zum Zuge kommt, die den internationalen Durchgangsverkehr betreffen. In allen anderen Fragen, also vor allem in den Fragen, die den Binnenverkehr nach dem deutschen Hinterland betreffen, entscheidet die deutsche Stimme.
Als der Hafen von Kehl gebaut wurde, mit Anlagen, die weit über das Bedürfnis des Verkehrs nach dem süddeutschen Hinterland hinausgingen, bestand in der Tat ein scharfer Konkurrenzkampf zwischen Kehl und Straßburg, bei dem Kehl dank der Tarifpolitik der damaligen großherzoglichbadischen Eisenbahn und später der Reichsbahn einen großen Teil des Transitverkehrs nach der Schweiz und nach Italien an sich zu ziehen vermochte. Damals war Kehl ein großer Umschlagplatz für Kohlentransporte. Diese Erinnerung war für die französische Seite das Hauptmotiv für den vorliegenden Vertrag. Heute spielt dieser Transitverkehr keine Rolle mehr; denn die schweizerischen Binnenschiffe, die jeden Tag hier auf dem Rhein in großer Zahl vorüberziehen, gehen, ohne in Kehl oder in Straßburg ihre Güter umzuschlagen, über den Rheinseitenkanal bis Basel. Insofern mag das Mitspracherecht, das der französischen Seite durch den Vertrag in der Hafenbehörde gegeben wird, eine Beruhigung für ein altes französisches Mißtrauen sein, wir brauchen uns deshalb nicht zu beunruhigen.
Zudem ist der Vertrag keineswegs auf blindes Vertrauen gegründet. Alle Streitfragen, auch diejenigen, die sich aus der Satzung der Hafenverwaltung ergeben, können einem Schiedsgericht unterworfen werden. Dieses Schiedsgericht besteht aus einem deutschen und einem französischen Schiedsrichter, die sich auf einen Obmann einigen müssen. Gelingt ihnen das nicht, so soll der Obmann durch den Generalsekretär des Europarates benannt werden. Ich muß es lebhaft bedauern, daß in einigen Äußerungen unserer Presse die Ansicht
vertreten wurde, der Generalsekretär des Europarates, der zur Zeit ein französischer Staatsangehöriger ist, könnte diese Aufgabe anders erfüllen als in dem Geiste vollkommener Objektivität, die das Kennzeichen internationaler Beamter ist.
Gerade hat Deutschland selber begonnen, seine Staatsangehörigen in internationale Gremien zu entsenden; und bald wird das in erheblich größerem Umfang der Fall sein. Wir erwarten und verlangen, dad diesen Deutschen das Vertrauen entgegengebracht wird, auf das internationale Beamte Anspruch haben. Wir können aber nur erwarten und verlangen, was wir in gleicher Weise zu gewähren bereit sind. Es gibt auch eine Gegenseitigkeit in Fragen des politischen Taktes.
Schließlich zur Geltungsdauer des Vertrages. In allen menschlichen Beziehungen kann man irren.
Auch dieser Vertrag kann in der Praxis zu Meinungsverschiedenheiten führen.
Aber er gilt nicht für Zeit und Ewigkeit, sondern er gilt nur bis zum Abschluß einer Friedensregelung. Erfüllt er die Erwartungen nicht, die die Landesregierung auf ihn setzt, so wird man ihn bei der Friedensregelung fallen lassen. Man sagt, die Friedensregelung liege in weiter Ferne. Das mag sein. Auch diese Möglichkeit ist in Art. 8 des Abkommens berücksichtigt, in dem es heißt, daß das Abkommen auch in der Zeit bis zur Friedensregelung den sich neu ergebenden Verhältnissen angepaßt werden kann.
Aus allen diesen Gründen hat sich die Bundesregierung nicht für berechtigt gehalten, dem Abkommen die gemäß Art. 32 des Grundgesetzes erforderliche Zustimmung zu versagen.
Ich möchte zum Schluß noch auf einen grundsätzlichen Punkt hinweisen. Stadt und Hafen Kehl sind leider nicht die einzigen Gebiete an der deutschen Westgrenze, die infolge des Krieges der Verfügungsgewalt der Bundesrepublik vorbehaltlich einer endgültigen Lösung im Friedensvertrag entzogen wurden. Diese Beschneidungen unseres Territoriums wurden nicht nur im Falle von Kehl, sondern auch sonstwo mit wirtschaftlichen Gesichtspunkten begründet, sei es, weil solche Gesichtspunkte in der Tat eine Rolle spielten, sei es, weil sie den Vorwand zu einer kamouflierten Annexion oder jedenfalls zu einer Abtrennung der Gebiete von Deutschland geben sollten. Im Falle Kehl haben wir den Nachweis erbracht, daß es bei einem vernünftigen Eingehen auf die wirtschaftlichen Gesichtspunkte der Gegenseite möglich ist, das zu retten, worauf es uns für den Augenblick ankommt: die politische Unversehrtheit unseres deutschen Territoriums.
Aus diesem Grunde glaube ich, daß der Vertrag in dem Punkt, der für die Bundesregierung entscheidend ist, gut und vernünftig ist, und ich möchte hoffen, daß sich das Hohe Haus dieser Auffassung anschließt.
Ich möchte noch ein Wort zu dem Vorwurf sagen, daß durch eine übereilte Zustimmung der Erörterung dieser Interpellation vorgegriffen worden sei. Das war nicht die Absicht der Bundesregierung.
Dem Bundeskabinett lagen die Vorschläge der Landesregierung zu einer Beseitigung der vorher bestehenden Bedenken bereits vor, als die Interpellation eingebracht wurde. Die Bundesregierung hat dann, um diese Interpellation heute hier so vollständig wie nur möglich beantworten zu können, auf eine Klärung der Bereitschaft der französischen Seite zum Eingehen auf unsere Bedenken gedrungen. Bei dieser Gelegenheit hat die französische Gegenseite ihrerseits ihr Eingehen auf unsere Bedenken davon abhängig gemacht, daß die Bundesregierung sich auf diese Bedenken beschränkt. Wir haben, nachdem dieses Ergebnis der Landesregierung mitgeteilt worden war, diese auch gebeten, den Abschluß der Sache nicht vor der Erörterung dieser Interpellation herbeizuführen.
Den Unterzeichnungstermin selbst mußten wir der Landesregierung überlassen. Wenn die Landesregierung unserem Wunsch nicht entsprochen hat, so liegt es vermutlich daran, daß sie das Bedürfnis empfand, in der möglicherweise letzten Sitzung des badischen Landtags die Mitteilung über diesen Vertrag zu machen; und das war die Sitzung vom letzten Montag.