Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Rede des Herrn Abgeordneten Luetkens wird von der Bundesregierung einer sehr genauen Nachprüfung unterzogen werden. Diese Rede war derart rabulistisch — ich habe keinen anderen Ausdruck —
und widersprach nach meiner Auffassung der Dinge so völlig der bisherigen Haltung der Sozialdemokratischen Partei,
daß man nur sein größtes Bedauern darüber ausdrücken kann, daß die Sozialdemokratische Partei, wenn sie ihren Sprecher Luetkens billigt, in einem entscheidenden Augenblick für die Geschicke des deutschen Volkes eine derartige Politik proklamiert.
Ich kann mir jetzt, nachdem ich diese Rede des
Herrn Abgeordneten Luetkens gehört habe, auch
vorstellen, wie unangenehm es ihm und seinen
Freunden gewesen ist, daß ich gerade heute die
Note der drei Westmächte hier mitteilen konnte,
in der diese ausdrücklich erklären, daß sie für Wiederherstellung der Einheit Deutschlands auf demokratischer Grundlage eintreten werden, auch in Zukunft, und in der sie ferner zum ersten Male überhaupt seit Bestehen der sowjetrussischen Besatzung erklären, daß sie die Zustände in der Sowjetzone durch eine internationale Kommission der UNO untersuchen lassen wollen.
In diesem Augenblick, an diesem Tag erklärt Herr Abgeordneter Luetkens derartige Dinge wie die folgenden: Es handle sich nicht darum, die Souveränität Deutschlands wiederherzustellen,
sondern nur eine innere Autonomie.
Ich bin, meine Damen und Herren, aufs tiefste erschüttert
durch diese Erklärung, die hier im Deutschen Bundestag abgegeben worden ist.
Am Schluß meiner Ausführungen darf ich auf die allgemeinen Erklärungen des Herrn Abgeordneten Luetkens zurückkommen. Ich möchte nur zunächst zu einigen Einzelheiten, die er ausgeführt hat, etwas sagen. Gegen die Zusammensetzung des bisherigen Auswärtigen Amts — ich muß mich korrigieren: des Auswärtigen Amts in seinem jetzigen Zustand, denn es ist noch lange nicht vollständig — waren erhebliche Vorwürfe erhoben worden nach zwei Richtungen hin. Einerseits wurde behauptet, daß das Auswärtige Amt zum großen Teil aus früheren Pgs bestehe, und zweitens, daß es einseitig konfessionell zusammengesetzt sei.
— Verzeihung, die letztere Ausführung hat Herr Reismann hier von diesem Pult aus gemacht.
Daraufhin ist vom Auswärtigen Ausschuß ein Unterausschuß eingesetzt worden, der sich mit diesen Fragen sehr ausführlich beschäftigt hat. Damals hat derselbe Abgeordnete Luetkens keine Bedenken auf Grund des Grundgesetzes getragen, sich um die Konfession der Beamten zu bekümmern.
Ich will Ihnen aber die Ziffern jetzt doch sagen, meine Damen und Herren. Im Auswärtigen Amt sind zur Zeit 383 Beamte und Angestellte des höheren Dienstes beschäftigt. Davon waren im früheren Auswärtigen Amt tätig 138, neu sind 245. Mitglied der NSDAP waren 134,
nicht betroffen sind 249,
Katholiken 125, Evangelische 241,
sonstige, ohne Konfession 17. Das sind die Ziffern.
Nun komme ich zu den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Luetkens, der darüber sprach, daß keine oder nicht genügend Beamte im Auswärtigen Amt seien, die seiner Partei angehörten oder ihr nahestünden.
Darüber haben Verhandlungen stattgefunden. Ich habe seinerzeit dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion einen Brief geschrieben, in dem ich ihn gebeten habe, er möge mir doch geeignete Herren vorschlagen.
Auf diesen Brief habe ich lange Monate überhaupt keine Antwort bekommen.
Es hat dann eine Besprechung mit Herrn Luetkens stattgefunden. Ich habe meine Bitte wiederholt, und es haben zwischen dem Herrn Luetkens und den Herren Blankenhorn und Hallstein Besprechungen stattgefunden. Bei diesen Besprechungen hat sich Herr Luetkens geweigert, Herren vorzuschlagen, bis ihm eine gewisse Quote zugebilligt sei.
Darum hat es sich gedreht. Herr Luetkens hat verlangt, daß der Sozialdemokratischen Partei bestimmte Quoten zugebilligt würden. Das, meine Damen und Herren, haben wir abgelehnt.
Herr Luetkens hat diese Zuteilung zur Bedingung dafür gemacht, daß er Namen benenne. Er hat dann keine weiteren Namen benannt.
Herr Luetkens hat dann weiter behauptet, daß zahlreiche Stellen nicht besetzt seien. Ich möchte Ihnen allgemein folgendes sagen. Das frühere Auswärtige Amt hatte, ehe es unter nationalsozialistischer Herrschaft aufgebläht wurde, im Innen- und Außendienst 1200 Beamte. Wir schätzen, daß, wenn der auswärtige Dienst völlig ausgebaut ist, wir etwa 1000 nötig haben. Wir haben nicht so viel nötig wie das frühere Auswärtige Amt, weil wir eben verkleinert sind.
Auf der anderen Seite stellen aber die zahlreichen internationalen Konferenzen und Pakte dem Auswärtigen Amt ganz neue Aufgaben.
Nun ist mein Wunsch — und ich weiß, daß ich mich darin mit der überwiegenden Mehrheit dieses Hauses im Einklang befinde —, daß das neue Auswärtige Amt nicht einfach eine Restaurierung des alten Auswärtigen Amtes sein soll.
Man kann aber bei dem Aufbau eines so wichtigen Ministeriums nicht von vornherein auf die Mitarbeit von erfahrenen Leuten verzichten, sondern man muß — —
— Ach, das „Aha"! Wenn ich Ihnen einmal aufzähle, wieviele frühere Pgs Sie in der Partei beschäftigen, dann werden Sie staunen!
Verlassen Sie sich darauf, daß wir auch darüber Material haben!
— Meine Herren, noch sind Sie nicht mit dem Auswärtigen Amt identisch! Sie mögen ein Nebenamt
führen, aber das Hauptamt haben Sie noch nicht!
Ich fahre fort und sage: man kann nicht einfach bei dem Aufbau eines so wichtigen Ministeriums auf erfahrene Leute der früheren Zeit rundweg verzichten.
Ich stehe weiter auf dem Standpunkt, daß wir jetzt im Jahre 1951 endlich einmal auch einen Strich darunter machen sollen, daß früher Leute der NSDAP angehört haben, ohne irgendwie da etwas pecciert zu haben.
Der auswärtige Dienst verlangt doch auch gewisse
Fähigkeiten. Man kann nicht jeden dazu brauchen.
Ich will Ihnen folgendes sagen: von 27 im Haushaltsplan 1950 vorgesehenen Generalkonsulaten erster Klasse sind 18 besetzt, 4 sind auch schon besetzt, aber die Herren sind noch nicht abgereist, und nur die Generalkonsulate in Mexiko, Lissabon und Madrid, ich muß mich verbessern — in Tokio, Wien, Mexiko, Lissabon und Madrid, sind noch nicht besetzt. Ob Sie großen Wert darauf legen, daß wir so schnell wie möglich einen Generalkonsul nach Madrid schicken, sagen Sie mir freundlichst, Herr Luetkens, dann kann es ja geschehen!
Von den 16 einfachen Generalkonsulaten sind 9 besetzt, für 6 sind die Herren ebenfalls schon benannt und nur eines — das ist das in .Teheran — ist noch nicht besetzt, weil wir da kein Agrément haben. Aber wenn Sie einen geeigneten Bewerber für Teheran haben, Herr Luetkens, können wir auch darüber sprechen.
Herr Luetkens hat mit großer Emphase und mit der ganzen Überzeugungskraft, die eine langjährige Tätigkeit im Auswärtigen Amt verleiht,
erklärt, die amerikanische Konstitution lasse nicht das Eingehen eines Paktes zu, wie ich es verlangt habe. Herr Luetkens ist diesmal im Irrtum. Die amerikanische Konstitution läßt den Abschluß eines derartigen Paktes wohl zu; aber seit Bestehen der Vereinigten Staaten ist niemals ein solcher Vertrag abgeschlossen worden.
Meine Damen und Herren, aber viel mehr als alles das, was Herr Luetkens an tausendundeiner Einzelheit hier erzählt hat — ich gebrauche mit Absicht den Ausdruck tausendundeins —,
müßten uns die allgemeinen Ausführungen, die er gemacht hat, beschäftigen und mit der größten Sorge erfüllen.
Herr Luetkens hat zweimal gesagt, daß ich als Bundeskanzler den Hohen Kommissaren verantwortlich sei und daß ich deswegen nicht die Geschäfte als Außenminister führen könne. Er hat ausdrücklich erklärt, daß ich nicht der deutschen Demokratie verantwortlich sei. Zunächst stelle ich fest, daß ich vom Deutschen Bundestag und von niemand anderem dem Bundespräsidenten vorgeschlagen worden bin.
Und zum zweiten: Ich muß es dem Herrn Luetkens überlassen, wie er es einem Menschen klarmachen will, wie unter dem Bundeskanzler, der nach seiner Auffassung von den Hohen Kommissaren abhängig ist und der doch die Richtlinien der Politik angibt, ein Minister des Auswärtigen bestehen kann, der vollständig frei und unabhängig ist.
Gerade aus diesem Beispiel sehen Sie, was Herr Luetkens in seiner Rede aus allen Ecken und Enden zusammengekratzt hat.
Das mag Herr Luetkens mit sich selbst abmachen; aber das deutsche Volk muß darüber aufgeklärt werden
und darf das niemals vergessen,
daß in einem Augenblick, in dem wir mit den drei Westalliierten über die Wiederherstellung der Souveränität der Bundesrepublik verhandeln,
Herr Luetkens hier erklärt: wir wollen keine Souveränität, wir wollen nur die innere Autonomie.
Das ist ungefähr das Schlimmste, was in diesem Augenblick ein Deutscher sagen kann.
Lassen Sie mich nun zum Schluß noch ein Wort
über die Richtlinien meiner Außenpolitik sagen.
Diese Außenpolitik ist nicht die des Herrn Luetkens, der anscheinend zwischen Sowjetrußland und
— Ja, ich glaube allerdings, die Rede des Herrn Luetkens wird Ihnen noch manchmal sauer aufstoßen.
man doch nur lachen!)
— Ja, lachen Sie nur! Wer zuletzt lacht, lacht am besten.
Meine Damen und Herren, meine Politik ist die folgende.
Ich will, und zwar mit Ihnen zusammen, die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, aber nicht die Wiederherstellung eines Deutschlands in sowjetrussischer Einflußsphäre,
sondern ich will
die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands in Freiheit.
Ich bin fest davon überzeugt, daß wir diese Einheit in der Freiheit niemals erringen werden, wenn wir Sowjetrußland irgendwie die Hoffnung lassen, daß es uns eines Tages doch schlucken wird.
Ich bin auch wirklich darin optimistisch, daß wir dieses Ziel erreichen werden.
Wir werden es erreichen, wenn wir zielbewußt und konsequent
diesen Weg gehen.
Dieser Weg — das wiederhole ich nochmals — kann nur der sein,
daß wir in der Zusammengehörigkeit mit dem freien Westen das deutsche Volk wieder in Freiheit vereinigen werden.