Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns zur Beratung vorliegende Haushaltsplan für das Jahr 1951 bringt hinsichtlich des organisatorischen Aufbaus der Behörde keine wesentlichen Änderungen gegenüber dem, was hier schon vor einigen Monaten beraten und beschlossen worden ist.
Ich möchte nach den bisherigen Erfahrungen nur eine kurze Bemerkung zu diesem Plan, zu den dort vorgesehenen Arrangements, machen. Das ist die, daß wie mir scheint, genau das eingetreten ist, was wir damals voraussagten, als wir uns dagegen wandten, daß im Auswärtigen Amt zwei politische Abteilungen nebeneinander eingerichtet wurden. Der Leiter der einen dieser politischen Abteilungen befindet sich in einer Art von Adjutantur zu dem Herrn Bundeskanzler und Außenminister, und die zweite politische Abteilung, die Länderabteilung, ist in die sachliche Arbeit des Ministeriums, soviel man sehen kann, nur in einem sehr geringen Maße eingebaut. Sie scheint sich im wesentlichen damit zu beschäftigen, die Fauna und Flora fremder Länder zu studieren und zu beobachten.
Das eigentliche Problem, vor das uns der jetzige Haushaltsplan stellt, ist ein anderes, wie mir scheint. Von den Auslandsvertretungen, die der Haushaltsausschuß, der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und dieses Hohe Haus gebilligt haben, ist bisher anscheinend nur etwa die Hälfte tatsächlich errichtet worden. In den letzten fünf Monaten scheint auf diesem Wege so gut wie gar nichts mehr geschehen zu sein. Ich glaube, man muß sich der Kritik, die kürzlich von einer der Regierungsparteien öffentlich geäußert worden ist, anschließen, daß dem Außenhandel und ebenfalls dem politischen Ansehen der Bundesrepublik schwerer Schaden durch die Verzögerungen zugefügt sei, die durch sachliche Gesichtspunkte wohl kaum gerechtfertigt werden können.
Ebensowenig scheint der Aufbau der Zentrale wesentlich vorangekommen zu sein. Die bewilligte Wirtschaftsabteilung z. B. schwebt noch immer irgendwo herum; jedenfalls ist sie nicht im Auswärtigen Amt errichtet worden. Es fehlt also dem Auswärtigen Amt noch immer das Organ, ohne das eine sachgemäße internationale Politik gar nicht gemacht werden kann, ein Organ nämlich, das die handels- und wirtschaftspolitischen Beziehungen und Verhältnisse im Ausland beobachtet, verfolgt und bearbeitet. Ich weiß eigentlich keinen Grund dafür zu finden, daß man dieses Organ nicht
schafft, es sei denn der, daß man wieder von dem schon bewilligten und von diesem Bundestag gebilligten Stellenplan abzuweichen gedenkt, weil man sich vielleicht in der Lage sehen könnte, für einen stellungslos werdenden Minister ein neues Ministerium zusammenflicken zu müssen, und zwar auf Kosten einer systematischen Politik im internationalen Felde, die doch nur im Auswärtigen Amt geführt werden könnte.
Es gibt noch ein anderes solches Beispiel, das zu denken gibt. Seitdem wir diese sonderbare Erscheinung einer Opposition in der Koalition haben, werden, soviel man versteht, in der Regierung auch Pläne erörtert, ob es nicht der beste Weg zum Aufbau Europas sei, die Europarat-Angelegenheiten als Bundesratsangelegenheiten aufzuziehen. Es gibt, soviel ich gehört habe, eine Denkschrift eines Beamten, der früher in der Wirtschaftsabteilung des Ribbentropschen Außenministeriums war und der also diesen Vorschlag macht, die Europa-Referate, deren Platz im Etat des Auswärtigen Amtes der Bundestag auch schon bewilligt hat, herauszunehmen und sie irgendwo anders Unterkunft finden zu lassen. Ich kann mir freilich nicht denken, daß der Herr Bundeskanzler und Außenminister solchen Plänen zustimmen könnte, da doch die Europareferate schließlich vom Standpunkt seiner Politik das Herzstück seines Ministeriums sein müßten.
Außer in der Personalabteilung und außer in der Protokollabteilung scheinen, soviel man sehen kann — wir haben trotz monatelangen Drängens noch immer keinen Stellenplan des Außenministeriums in die Hand bekommen —, noch sehr viele der etatmäßig bewilligten Stellen nicht besetzt worden zu sein. Infolgedessen gibt es im Auswärtigen Amt bis heute einen wirklich leistungsfähigen Arbeitsstab, der die internationale Politik verfolgen, beobachten und den Boden für die Entscheidungen der Regierung vorbereiten könnte, wohl noch immer nicht. Etatbeschlüsse dieses Hohen Hauses sind, wie ich glaube, eine Weisung an die Bundesregierung, gemäß den bewilligten und gebilligten Organisation- und Stellenplänen zu verfahren. Die Zurückhaltung des Herrn Außenministers, mit der er diese Beschlüsse nicht ausführt, ist kein Beweis einer besonderen Schätzung dieses Hohen Hauses, seiner Ausschüsse und dessen, was man eine parlamentarische Regierungsform nennt.
Ich darf in diesem Zusammenhang noch ein anderes und recht trauriges Kapitel kurz erwähnen, das auch diese Art von geringer Schätzung dessen zeigt, was der Bundestag zu tun versucht. In seiner Sitzung vom 21. Februar dieses Jahres hat der Bundestag auf Grund eines von meiner Fraktion eingebrachten Antrages beschlossen, die Regierung möge eine umfassende Aktion zur Feststellung und Ermittlung des Schicksals der verschleppten Zivilpersonen und der noch immer nicht zurückgekehrten Kriegsgefangenen einleiten. Als federführende Behörde wurde damals das Auswärtige Amt bestimmt, dem alle Mittel und auch alle erforderlichen Vollmachten zur Verfügung gestellt werden sollten. Soweit man sieht, hat das Auswärtige Amt unter der Verantwortung des Herrn Außenministers in dieser Angelegenheit bisher nichts getan.
Ich möchte den Herrn Bundeskanzler und Außenminister fragen, was die Hinterbliebenen oder die
Angehörigen der verschleppten Zivilpersonen und der nicht zurückgekehrten Kriegsgefangenen über diese Inaktivität des Außenministers eigentlich denken sollen.
Das Auswärtige Amt ist und bleibt im Zustand weitgehender Arbeitsunfähigkeit und Desorganisation. Die Vertretungen im Ausland empfangen, soviel man hört, so gut wie keine Instruktionen. Leitende Verhandlungsführer in internationalen Konferenzen von Wichtigkeit erhalten nicht immer Weisungen, die sie benötigen, um die Verhandlungen zu führen. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes ist in partibus infidelium dauernd abwesend; die Gebäude des Auswärtigen Amtes sehen ihn nur selten, und die meisten seiner Beamten kennen ihn nicht. Dort, wo vernünftige Beschlüsse über unsere internationale Politik vorbereitet werden sollten, befindet sich ein Tummelplatz von Adjutanten, Karrieristen und, wie wir von anderer Seite in diesem Hause auch kürzlich gehört haben, von demokratisch nicht zu kontrollierenden Kommissaren. Es fehlt dem Herrn Außenminister jedenfalls an sachlicher, an erfahrener und an nüchterner Beratung; das sieht man an seiner Politik, und das sieht man auch an der Technik seiner Politik; und es ist seine Verantwortung, daß dem so ist.
Ich darf Ihnen, meine Damen und Herren, nur ein einziges Beispiel aus der jüngsten Zeit vorführen. Man muß sich doch wundern, daß den westlichen Alliierten anläßlich der neueren Verhandlungen über den Abschluß eines Sicherheitspaktes von der Bundesregierung die Forderung oder das Ansinnen gestellt worden ist, sie möchten einen solchen Pakt auf vertraglicher, bindender Grundlage schließen. Es müßte doch allgemein bekannt sein, daß z. B. die amerikanische Konstitution das Eingehen solcher Verträge von vornherein unmöglich macht.
Es ist doch in internationalen Verhandlungen sinnlos, Forderungen aufzustellen, die schon allein aus sozusagen technischen Gründen nicht erfüllbar sind. Man setzt sich dadurch völlig sinnloser- und überflüssigerweise einer Ablehnung, ja vielleicht sogar einem Fehlschlag aus. Wenn die Sachberater den Herrn Außenminister vor solchen technischen und taktischen Fehlern nicht bewahren können, so muß doch mit dieser Behörde irgend etwas nicht in Ordnung sein.
Ich muß nun zu meinem großen Bedauern auf eine Frage kommen, die, wenn die Bestimmungen des Grundgesetzes gewahrt würden, hier als in einem politischen staatlichen Gremium überhaupt nicht Erwähnung finden könnten. Aber wie bekannt, hat der Herr Bundeskanzler angeordnet, daß im Auswärtigen Amt Erhebungen über die konfessionelle Zugehörigkeit der verschiedenen Beamten angestellt werden;
und infolgedessen sind wir auch in der Lage, hier
Aussagen über Dinge zu machen, die nach dem
Grundgesetz hier und überhaupt vor staatlichen
Instanzen nicht erörtert werden sollten und nicht
bekannt sein sollten. Soviel ich weiß, ist mit Ausnahme eines Beamten, der noch kurz vor dieser
Etatsberatung nach Bonn gezogen worden ist, der
ganze Stab der Personalabteilung, soweit er sich
mit Personal- und Ausbildungsfragen beschäftigt,
katholischer Konfession, d. h. von acht Beamten im ganzen sieben.
Soviel man hört, gehört einer sogar zur Ersten Legion.
Ich glaube nun, Herr Bundeskanzler und Außenminister, daß Sie mir zu dieser Feststellung, sofern Sie sie nicht berichtigen können, nicht, wie in der 145. Sitzung, sagen werden, ausländische Staatsmänner, auf deren Interessen man Rücksicht nehmen müsse, hätten Sie veranlaßt, auch die Personalabteilung in dieser etwas sonderbaren Weise zusammenzusetzen. Ich nehme an, es muß andere Gründe haben, warum das geschehen ist; es kann ja kein Zufall sein. Ich spreche die Vermutung aus, daß es das Werk einer der personellen Cliquen ist, die sich um Anstellungen in den Bonner Ministerien bewerben, nämlich der Clique, von der viel zu wenig die Rede ist, die von dem unaussprechlichen Herrn Globke gesteuert wird, von dem wir in diesem Hohen Hause schon wiederholt gesprochen haben, dem sogenannten Reichssicherungshauptamt.
Bei solchen Zuständen nun wundern wir uns nicht, daß sich der Herr Außenminister so gut wie völlig über das Anliegen hinweggesetzt hat, das von meiner Fraktion als der Opposition und als der alternativen Regierung in diesem Hohen Haus und im 7. Ausschuß dieses Hohen Hauses zu wiederholten Malen vorgebracht worden ist, daß es nämlich wegen der Stabilität dieses Staatswesens erforderlich sei, beim Aufbau der Ministerialbürokratie Kräfte aus allen demokratischen Lagern heranzuziehen. Ich muß feststellen, daß die Regierung keinerlei ernst gemeinte Schritte unternommen hat, um in dieser Sache zu einer Lösung zu kommen. Insbesondere gilt das von allen solchen Stellen, die als politische Beamtenstellen klassifiziert werden. Der Herr Außenminister hat keinerlei Vorkehrungen getroffen, um einen Weg zu finden, damit auch solche Kräfte berücksichtigt werden könnten, die meiner Fraktion in der allgemeinen politischen Tendenz nahestehen.
Die Angelegenheit ist in diesem Hohen Hause zuletzt in der 145. Sitzung behandelt worden. In dem gedruckten Protokoll dieser Sitzung finden sich einige Streichungen. Es liegt mir deshalb daran, festzustellen, daß jener Brief, in dem der Herr Bundeskanzler beiläufig davon sprach, er sei bereit, von meiner Fraktion Vorschläge zwecks personeller Verwendung in seinem ministeriellen Bereich entgegenzunehmen, mehrfach von uns beantwortet worden ist. Ich selber habe im 7. Ausschuß die Angelegenheit mindestens dreimal aufgegriffen. Ich bin allerdings der Meinung, daß das eine der Formen ist — vielleicht sogar die zweckmäßigste Form —, in denen Verhandlungen zwischen verschiedenen Fraktionen erfolgen sollten. Erst als ich die Angelegenheit zum dritten Mal — wenn ich mich recht erinnere, im Ausschuß — aufgriff, hat der Herr Außenminister Veranlassung genommen, auf meine Anfrage zu reagieren. Aber weder in dem Ausschuß noch bei einem Besuch, den ich am 16. Mai dieses Jahres dem Herrn Außenminister und Bundeskanzler in Rhöndorf machen durfte, ist es dazu gekommen, daß der Opposition eine ernsthafte Grundlage für Verhandlungen an die Hand gegeben worden ist. Die Opposition kann sich nicht, wie das vielleicht die Regierungsparteien tun können, damit abfinden lassen, daß ihr der eine oder der andere Posten angeboten wird. Für sie kann es sich nicht um die individuelle Patronage von Personen handeln, sondern nur um die Schaffung eines staatspolitischen Tatbestandes.
Wir haben in dieser Sache das Unsere getan. Es wäre an der Regierung gewesen, eine konkrete und eine genügend weite Basis vorzuschlagen, auf der eine Verständigung möglich gewesen wäre. Die Opposition aber kann, darf und wird sich in solcher Sache gegenüber der Regierung nicht in die Position des Petenten begeben. Nur die Regierung kann politische Tatbestände schaffen, weil sie die Regierung ist, die zur Zeit an der Macht ist. Von ihrer Initiative und ihrer Einsicht allein hängt ab, was geschieht.
Mir scheint es völlig deutlich geworden zu sein, daß der Herr Bundeskanzler und das Kabinett nicht ernsthaft gewillt sind, alle demokratischen Kräfte dieses Landes bei der Besetzung und dem Aufbau der Ministerialbürokratie zu berücksichtigen. Das wird durch die Tatsache erhärtet, daß der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, wie mir der Herr Fraktionsvorsitzende der CDU, wenn es nötig wäre, sicher bestätigen wird, mich vor etwa einem halben Jahr hat fragen lassen, ob ich zu einem Gespräch mit ihm über diese Angelegenheit bereit sei, daß ich aber von dieser Angegelegenheit niemals mehr ein Wort gehört habe. Eben derselbe Herr Staatssekretär hat dann am 30. Juli dieses Jahres auf einer Pressekonferenz in Berlin die Dreistigkeit gehabt, auf Befragen zu erklären, die SPD habe bisher keine geeigneten Bewerber genannt.
Herr Bundeskanzler, diese Methoden dienen nicht einer pfleglichen Behandlung der Beziehungen zwischen den beiden Seiten dieses Hauses, wie sie schließlich doch zu einem Minimum bestehen sollten. Es ist — um das Bild abzurunden — derselbe Herr Staatssekretär, der sich häufig dahin äußert, daß die Presse eine wirkliche Aufgabe nicht zu erfüllen habe und nur dazu da sei, .die Neugier der Menge und die Neugier der Öffentlichkeit zu befriedigen.
Der Vorschlag, der heute hier in einem früheren Stadium gemacht wurde, der Herr Staatssekretär im Auswärtigen Amt würde vielleicht besser die Leitung des Bundespresseamtes übernehmen, scheint, wenn man diese Philosophie berücksichtigt, in der Tat äußerst zweckmäßig. Dann würde vielleicht eine bessere Information der Öffentlichkeit Platz greifen, als wir sie bisher zu unserem Bedauern in diesem Lande haben erleben müssen. Nur wenn es einem mit der Festigkeit und der Bewahrung der Demokratie ernst ist, kann man ja überhaupt den Gedanken fassen, daß es geboten ist, die demokratischen Kräfte meiner Partei beim Aufbau unserer Verwaltung heranzuziehen.
Die Entwicklung in den Spitzen der Bürokratie des Auswärtigen Amtes scheint einen anderen Weg einzuschlagen. Denn was hat dieser Herr Staatssekretär auf Befragen im 7. Ausschuß neulich erklärt? Bei der Einsetzung eines neuen Leiters der Personalabteilung des Auswärtigen Amtes werde es erforderlich sein, von dem Kabinettsbeschluß abzuweichen, der vorsehe, daß ehemalige Pgs nicht in solchen Stellungen in den Ministerien der Bundesrepublik verwandt werden dürften.
Ich wäre dem Herrn Außenminister für eine Erklärung dankbar, wie er sich zu dieser Tendenz stellt, die auch in dieser Antwort seines Staatssekretärs wieder unverkennbar zum Ausdruck kommt. Macht er sich diese Erklärung zu eigen, und meint er, daß es für dieses junge Staatswesen politisch tragbar sei, wenn an den repräsentativsten Stellen der Verwaltung im In- und Ausland immer neue Beamte in maßgebenden Stellen erscheinen, die sich in der Vergangenheit dem Gewalthaufen der NSDAP angeschlossen haben?
Meine Damen und Herren, seit der letzten Etatsdebatte sind mehrfach, zuletzt unter dem Nom de plume Mansfeld in der „Frankfurter Rundschau" heftige Angriffe auf bestimmte Aspekte der Personalpolitik des Herrn Außenministers gemacht worden. Wie ich glaube, hat sich die „Frankfurter Rundschau" ein Verdienst erworben, durch diese Veröffentlichungen aufzudecken, daß in der Öffentlichkeit ein weit verbreitetes Mißtrauen und die Sorge besteht, ob die personelle Zusammensetzung des Auswärtigen Amtes für unsere Demokratie politisch tragbar sei. Dieser Malaise unseres öffentlichen Lebens müßte mit allen Mitteln ein Ende gemacht werden. Es muß Klarheit in einer Weise geschaffen werden, die allseitig Vertrauen findet, und es muß dann im Lichte der zu schaffenden Aufklärung so oder so gehandelt werden.
Es scheint wir nun weder nötig noch angebracht, hier auf einzelne Fälle, die in jener Artikelserie genannt worden sind, einzugehen. Man würde dadurch in ein schwebendes Verfahren eingreifen. Meine Fraktion hat, wie Sie wissen, gemäß Art. 44 des Grundgesetzes die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses verlangt. Er wird hoffentlich seine Arbeiten bald aufnehmen können. Wir sehen nach dem völligen Versagen der Exekutive aus Anlaß des Erscheinens dieser Artikelserie keinen anderen Weg mehr, das Erforderliche zu erreichen. Es ist, wie wir glauben, der Weg, der den ganzen Komplex möglichst schnell, gerecht und endgültig in einer solchen Weise zur Erledigung bringen könnte, daß die Bevölkerung und die öffentliche Meinung in die dann erarbeiteten Befunde Vertrauen haben können. Das eingeleitete Dienststrafverfahren, wie es der Herr Außenminister schließlich angeordnet hat, kann die Fragen keinesfalls in befriedigender Weise klären. Es kann die behaupteten Tatbestände prozeßrechtlich überhaupt nicht erfassen. Es vollzieht sich unter Ausschluß der Öffentlichkeit, und es entbehrt jeglicher Garantie für die dem Verfahren unterzogenen Beamten.
Ich habe also nur über das Verhalten an der Spitze des Auswärtigen Amtes aus Anlaß des Erscheinens dieser Artikelreihe zu sprechen. Die früheren Beamten des Auswärtigen Amtes, die als Beamte oder als Angestellte Wiederverwendung gefunden haben, wurden von Ihnen und unter Ihrer Verantwortung eingestellt, Herr Bundeskanzler. Für einen großen Teil der namentlich Genannten gilt das sogar in dem Sinne, daß Sie selbst allein, beraten durch einen Ihnen persönlich attachierten Adjutanten, die Wiederverwendung veranlaßt haben. Insbesondere ist das bei allen Beamten der Fall, die durch die sogenannte Verbindungsstelle gegangen sind. Als sie eingestellt wurden, gab es noch keinen technischen Behördenapparat, der als eine Art von Personalstelle bei diesen Berufungen hätte mitwirken können. Als nun diese Einstellungen jeweils erfolgten, war es die Verantwortung des zuständigen Ministers, zu sehen, daß die Fälle unter politischen und moralischen Gesichtspunkten geprüft wurden.
Es gibt nun nur zwei Möglichkeiten: Entweder der zuständige Minister tat das damals nicht — das möchte ich nicht annehmen —; dann hätte er der gesunden Entwicklung der Behörde großen Schaden getan und auch der Entwicklung eines Staatsbewußtseins in unserem Volke. Oder Sie, Herr Bundeskanzler, verschafften sich damals Gewißheit — und man möchte glauben, daß Sie das taten —; dann wäre festzustellen, daß der jetzt von Ihnen zu tragenden Verantwortung nicht Genüge geschehen ist. Anstatt für Ihre Beamten einzustehen und sich vor sie zu stellen, haben Sie zugelassen, daß Ihr Ministerium die Flucht ergriff. Und wenn das Beamtenverhältnis richtig als ein Treueverhältnis charakterisiert ist, so hat Ihr Ministerium es jedenfalls in beunruhigender Weise daran fehlen lassen.
Meine Damen und Herren! An seinen Früchten erkennt man den Apfelbaum, und an der Art und Weise, in der unter der Verantwortung des Herrn Außenministers in dieser Angelegenheit verfahren worden ist, erkennt man auch, was für ein Geist an den Spitzen unserer Verwaltung vorzuherrschen sich anschickt. Ich denke da an den Teil der Erklärung des Auswärtigen Amtes vom 7. September, in dem es heißt:
Der angegriffene Personenkreis ist nicht nur vom Auswärtigen Amt, sondern in der Mehrzahl der Fälle auch von einem Unterausschuß des Bundestages eingehend geprüft worden.
Als eins der Mitglieder dieses Unterausschusses habe ich hier nun zu sagen, daß die Erklärung des Auswärtigen Amtes nicht nur
an der Wahrheit vorbeigeht, sie ist auch unziemlich gegenüber diesem Hohen Haus.
Der Unterausschuß hatte eine Anzahl von Fragen zur Methode der Personenauswahl für das in Entwicklung begriffene Auswärtige Amt zu behandeln. Die Untersuchungen galten der Tätigkeit der Personalabteilung und nicht der des Herrn Bundeskanzlers zu einer früheren Zeit.
Dazu gehörte auch die Frage, ob überhaupt und wenn, in welcher Weise ehemalige Pgs eingesetzt werden dürften. Die Auffassung, daß ehemalige Pgs wohl eingestellt, aber nicht in exponierten Stellungen verwendet werden sollten, fand im Unterausschuß nur die Unterstützung der Vertreter des Zentrums und meiner eigenen Fraktion.
In diesem Zusammenhang sind auch hinsichtlich einiger weniger Personen, die jetzt in der „Frankfurter Rundschau" erwähnt worden sind, solche Fragen zur Sprache gekommen, wie sie jetzt wieder an die Öffentlichkeit treten. Auf keinen Fall aber hatte der Unterausschuß die Vorgeschichte der von der Personalabteilung oder gar sonstwie Eingestellten zu prüfen. Solche Prüfungen sind offenbar Pflicht und Verantwortung der Verwaltung.
Aus dieser konstitutionellen Erwägung heraus hat der damalige Unterausschuß erklärt — und diese Erklärung ist vom 7. Ausschuß in seiner 37. Sitzung am 4. Januar 1951 einstimmig gebilligt worden —, es sei Pflicht und Sache des Justizministeriums, die Nürnberger Protokolle in Hinsicht auf
wiederverwendete oder wiederzuverwendende Beamte des früheren Auswärtigen Amtes zu prüfen und so dem Auswärtigen Amt und dem Außenminister eine vernünftige Grundlage für die von ihm allein zu verantwortenden personellen Entscheidungen an die Hand zu geben. Ich möchte wissen, ob in dieser Richtung seitens der Verwaltung und seitens des Herrn Außenministers irgend etwas geschehen ist und ob der Herr Außenminister sich des so gezeigten Weges bedient hat, um Mißgriffen vorzubeugen oder schon begangene zu korrigieren.
Die Erklärung des Auswärtigen Amts vom 7. September ist aber zudem unziemlich. Es kommt der Verwaltung nicht zu, sich hinter die Volksvertretung zu verstecken und dadurch den Versuch zu machen, die von der Verwaltung zu tragende Verantwortung zu verwischen und den Bundestag in jene Diskreditierung mit hineinzuziehen, der sich auf Grund seines ungeschickten Verhaltens das von dem Herrn Außenminister geleitete Amt in den Augen der Öffentlichkeit ausgesetzt sieht.
So kann man in einer Demokratie nicht vorgehen. Wir müssen erwarten, daß der Außenminister gegen die an dieser Verunglimpfung des Bundestages beteiligten Beamten mit aller Entschiedenheit vorgeht, und der Bundestag kann hoffentlich noch heute eine entsprechende Zusage des Herrn Bundeskanzlers und Außenministers erwarten.
Meine Damen und Herren, bevor ich die Stellungnahme meiner Fraktion zu dem vorliegenden Antrag des Haushaltsausschusses Drucksache Nr. 2604 begründe, kurz einige Worte zu einem Antrag, dessen Beratung mit der Etatdebatte verbunden ist. Es handelt sich um den Antrag der FDP Drucksache Nr. 2468 betreffend Wegnahme der bundeseigenen Dienstgebäude des ehemaligen Auswärtigen Dienstes. Wir haben zu diesem Antrag einen Ergänzungsantrag eingebracht, der, wie wir hoffen, zur Abrundung des FDP-Antrages dient und den mit ihm verfolgten Zweck zu fördern geeignet ist. Wir sind der Meinung, daß der FDP-Antrag mit der von uns vorgeschlagenen Ergänzung noch hier im Plenum angenommen werden könnte und einer Überweisung an den Ausschuß nicht bedürfte, so daß nach Vorlegung der Denkschrift dann auf gesicherter Grundlage eine Debatte über diese etwas peinliche Angelegenheit hier erfolgen könnte.
Was nun den Antrag des Haushaltsausschusses zum Etat des Auswärtigen Amts anlangt, so werden wir diesen ablehnen wie schon das letzte Mal. Damals hat der Herr Außenminister unsere Stellungnahme zu ironisieren versucht, und vielleicht wird er es auch diesmal zu tun versuchen. Aber wie damals würde das auch jetzt nur beweisen, daß der Herr Bundeskanzler bei aller Doppelseitigkeit seiner Natur, die er sich so gerne zuschreibt — schon zu wiederholten Malen hier in den Sitzungen —, offenbar nicht einsehen kann, wie unvereinbar die politischen Standpunkte sind, die er auf der einen und die sozialdemokratische Fraktion auf der anderen Seite einnehmen. Wir halten seine internationale Politik für von der Wurzel aus falsch, und die Ablehnung des fr tats des Auswärtigen Amts, für das der Herr Bundeskanzler und Außenminister dank seiner Doppelfunktion die volle Verantwortung trägt, ist für uns ein Ausdruck der Mißbilligung seiner Politik als Außenminister. Mit dieser Ablehnung seines Etats bringen wir unmißverständlich unsere Ablehnung seiner politischen Methoden und Ziele zum Ausdruck, auch derer aus der letzten Phase der Entwicklung.
Mit dieser Personalunion geht es so, meine Damen und Herren, wie es im Reich des Doppeladlers dem Kaiser Franz dem Gutmütigen ging, als er auf der Jagd in Tirol war.
Er schoß einen Adler, dort lag er vor ihm, und was
er sagte, war: Aber gehn's, der Adler hat ja nur einen Kopf!
Wir schießen auf die Politik des Außenministers, wir treffen, und vor uns liegt der Herr Bundeskanzler.
Er ist als Minister diesem Bundestag in demokratischer Weise verantwortlich. Aber er ist es nicht, insofern er durch seine pflichtmäßige Zusammenarbeit mit der sogenannten obersten Gewalt in der Bundesrepublik mit einem nicht aus dem demokratischen Volkswillen ableitbaren Gremium in einer Viererkombination auftritt, die versucht, in diesem Lande durch Machtspruch niederzulegen, was aus dem Willen des Volkes kommen sollte. Dies ist — damit kein Mißverständnis aufkommen könne — eine objektive Situation, in die sich der Herr Bundeskanzler als Bundeskanzler gestellt sieht. Der Außenminister dieser Bundesrepublik aber muß ein Mann sein, der politisch Verantwortung nur vor diesem Parlament zu tragen hat.
Das Amt des Herrn Bundeskanzlers und das des Außenministers können nicht in einer Hand liegen; sie müssen voneinander getrennt werden, und zwar nicht erst dann, wenn, wie der Herr Bundeskanzler vielleicht sagen wird, die gegenwärtigen Verhandlungen auf Grund der Washingtoner Beschlüsse zu einem Ende gekommen sein werden. Der Herr Bundeskanzler hat sich im Laufe der beiden Jahre in eine solche Position hineinmanövriert, daß er als Außenminister heute nicht mehr so handeln kann, wie die Lage es nach unserer Ansicht gebietet und wie es die Mehrheit des Volkes erwartet. Die Grundlage, auf der er das Gebäude seiner Außenpolitik errichtet hat, war falsch von Anfang an; aber nun kann er nicht mehr von dieser Grundlage herunter, weil er sich selbst in den Schlingen seiner früheren Entschlüsse verstrickt hat.
Zur Begründung will ich mich ausschließlich auf das Memorandum beziehen, das der Herr Bundeskanzler am 29. August 1950 den Außenministern der westlichen Alliierten hat zugehen lassen. Der Herr Außenminister hat sich in der 145. Sitzung auf dieses Dokument bezogen und es auch früher schon auf Pressekonferenzen erwähnt. In diesem Memorandum haben Sie, Herr Bundeskanzler, sich für die Entwicklung Ihrer internationalen Politik Hindernisse aufgerichtet, die letzten Endes der Bundesrepublik den Weg ins Freie erschweren, wenn nicht verbauen. Trotz allem, was Sie sagen mögen, haben Sie nach meiner Ansicht damals den deutschen Verteidigungsbeitrag angeboten, und damals haben Sie auch die schlechte Idee vorgebracht, die Beziehungen zwischen den Besatzungsmächten im Westen und der Bundesrepublik sollten durch ein System vertraglicher Abmachungen geregelt werden. Diese beiden Initiativen drohen uns nunmehr in die fatalsten Schwierigkeiten zu bringen.
Auf diese Weise nämlich sind Sie bei der Forderung nach Souveränität für die Bundesrepublik angelangt, und damit haben Sie sofort alle möglichen Komplikationen heraufbeschworen.
Wegen der ganzen internationalen Lage ist eine Souveränität der Bundesrepublik zur Zeit politisch nicht möglich
noch vor der Wiedervereinigung mit der Sowjetzone wünschbar.
Das ist ein Standpunkt, Herr Bundeskanzler, den Sie selbst und im übrigen die Vertreter aller Parteien im Auswärtigen Ausschuß immer und immer wieder betont und sich zu eigen gemacht haben.
Worauf es ankam, worauf es ankommt und worauf es der Bundesregierung von Anfang an hätte ankommen müssen, war, für die Bundesrepublik die volle innere Autonomie zu erreichen,
die unabdingbare Autonomie,
das demokratische Recht jeder staatlichen Gemeinschaft, über ihre eigenen inneren Angelegenheiten selbst zu bestimmen.
Sie wollten, Herr Bundeskanzler, die Souveränität für die Bundesrepublik, die ihr schon nach dem Grundgesetz nicht zukommen kann,
und Sie werden jetzt nach den Washingtoner Beschlüssen nicht einmal die innere Autonomie erreichen.
Sie werden die innere Autonomie, die wir vielleicht hätten bekommen können, durch diese Art Verhandlungen zu vernichten in Gefahr kommen.
Worauf es nach meiner Ansicht angekommen wäre, wäre eine Erklärung der alliierten Mächte gewesen, daß sie die vier großen Ds für den Bereich ihrer Besatzungszonen für erfüllt ansehen. Damit meine ich die in den internationalen Dokumenten des Jahres 1945 genannten vier Ds: die Dekartellisierung, die Demokratisierung, die Denazifizierung und die Demilitarisierung. Das waren die Ziele der Besatzungsmächte, mit denen sie moralisch und rechtlich damals die Besetzung deutschen Territoriums und die besondere Form der Okkupation begründet haben. Auf solchem Wege möchte es möglich gewesen sein, eine feste Basis für eine gesicherte innere Autonomie der Bundesrepublik zu gewinnen, ohne die Frage der Souveränität in diesem Stadium überhaupt aufzuwerfen.
Nun stellt sich heraus, daß die von Bonn auf den Weg gebrachten Pläne zu Konsequenzen führen, welche mit dem Hauptziel politischer Strategie nicht in Einklang zu bringen sind, das uns allen gemeinsam sein sollte. So hat der Bundestag kürzlich beschlossen: Die vordringlichste politische Forderung des deutschen Volkes und seiner frei gewählten Vertretung, des Deutschen Bundestags, ist es, die Einheit Deutschlands in Freiheit mit friedlichen Mitteln wiederherzustellen.
Die Politik meiner Fraktion ist immer davon ausgegangen, daß die Wiederherstellung der deutschen Einheit nicht nur für die Existenz unseres Volkes geboten sei, sondern auch die Voraussetzung bleibt für die erfolgreiche Integrierung eines freien Europas. In dieser Erkenntnis haben wir immer bei allen politischen Überlegungen Priorität für die Wiedervereinigung gefordert und uns solchen Plänen widersetzt, welche die Erreichung dieses Ziels gefährden könnten.
Wir haben die enge Zusammenarbeit mit den westlichen Völkern Europas immer begrüßt. Aber gerade auch im Interesse dieser anderen Völker und Europas haben wir uns widersetzt, wenn die Integration nach Westen über den Punkt hinausgetrieben werden sollte, wo sie automatisch die Wiedervereinigung mit der sowjetischen Besatzungszone gefährden muß.
Die Politik, die die Regierung zwei Jahre lang verfolgt hat, hat in diese Sackgasse geführt.
Alle Verträge, die der Herr Bundeskanzler abzuschließen plant, werden Barrieren aufrichten, die
die deutsche Wiedervereinigung hemmen, erschweren, wenn nicht noch schwerere Wirkungen und
Konsequenzen für die Wiedervereinigung haben.
Es ist notwendig, daß die westlichen Mächte überzeugt werden, daß sie um Europas willen, um der ganzen weltpolitischen Lage willen einen anderen Weg beschreiten als den bisherigen, auf den sie auch durch die Initiative des Herrn Bundeskanzlers vom 29. August 1950 gelenkt worden sind.
Die Frage ist nicht, ob die Einheit Deutschlands das höchste Ziel der Politik und Ihrer Politik, Herr Bundeskanzler, ist, sondern die Frage ist, ob Sie um dieses Zieles willen fähig sind, Verzicht zu leisten auf das, was Sie bisher angestrebt haben, nämlich eine Form der westlichen Integration, welche die Integration Deutschlands zu blockieren droht. Das ist Ihr Dilemma und das ist nunmehr unser aller Dilemma.
Weil Sie, Herr Außenminister, entgegen den Wünschen und Weisungen dieses Hohen Hauses das Auswärtige Amt nicht zu einem Sachverständigeninstrument aufgebaut haben, weil Sie, Herr Bundeskanzler, nicht als ein Außenminister sprechen können, der nur der deutschen Demokratie verantwortlich wäre, weil Sie den Bundestag und seine Ausschüsse von der Mitwirkung an den für uns alle lebenswichtigen internationalen Fragen auszuschließen suchen, weil, wie es in der „Ketteler-Wacht" geheißen hat, ein rheinisch-abendländischer Gesichtswinkel verkennt, daß das deutsch-französische Problem nicht das Kernproblem der europäischen Frage ist, weil Sie, mit anderen Worten, das Problem der Einheit Europas reduziert haben auf die Frage der deutsch-französischen Verständigung, von wo aus es keinen Zugang zur Schaffung eines freien Europas gibt, weil Sie die Bundesrepublik in das Dilemma manövriert haben, wo durch Ihre Außen-
politik die Einheit Deutschlands auf Jahrzehnte hinausgeschoben zu werden droht, wenn Sie nicht Ihre Politik noch ändern, — aus diesen Gründen lehnen wir den Etat des Auswärtigen Amts ab.