Rede von
Karl
Kahn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Beratung des Antrages Drucksache Nr. 2597. Meine politischen Freunde und ich bitten durch den Ihnen vorliegenden Antrag die Bundesregierung, durch Verhandlungen mit den zuständigen amerikanischen Besatzungsbehörden zu erreichen, daß die endgültige Räumung des für militärische Zwecke beschlagnahmten Raumes Hohenfels und Umgebung bis zu einem Schlußtermin vom 1. Februar 1952 verschoben wird. Zugleich bitten die Antragsteller, eine sofortige Bereitstellung von 20 Millionen DM für die durch die Räumung entstandene Besitzablösung seitens des Bundes zu gewährleisten. Die Antragsteller sind der Meinung, daß die Bundesregierung durch die Bereitstellung dieser angeforderten Summe erst die Möglichkeit schafft, eine reibungslose Abwicklung und Räumung des genannten Gebietes zu gewährleisten. Es ist vielleicht nicht unangebracht, darauf hinzuweisen, daß die Gemeinden Geroldsee, Griffenwang, Lutzmannstein, Pielenhofen sowie noch eine Anzahl kleiner Orte in den Bereich des von der amerikanischen Besatzungsbehörde beschlagnahmten Raumes fallen.
Aus einer Unsumme von an mich persönlich gerichteten Briefen, aus behördlichen Darlegungen, verbunden mit amtlichen Statistiken, habe ich den Eindruck bekommen, daß die endgültige Räumung des gesamten Gebietes Hohenfels und Umgebung bis zum 15. November unmöglich ist. Es darf darauf hingewiesen werden, daß Bayern bereits mit den Besatzungsbehörden Rücksprachen gepflogen hat, mit dem Ziel, die Räumungstermine, die äußerst kurz gesetzt wurden, auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Wer die Verhältnisse im Landkreis Parsberg, in dem das genannte Räumungsgebiet liegt, persönlich kennt, wird mir beipflichten, wenn ich dem Hause erkläre, daß bereits die allergrößten Schwierigkeiten entstanden sind und daß es unmöglich ist, das gesamte Gebiet bis zum 15. November zu räumen. Die Gesamtzahl der von der Beschlagnahme betroffenen Personen beträgt annähernd 4000; davon sind fast ein Drittel Heimatvertriebene.
Ich darf mir für die heimatvertriebenen Siedler ein Wort erlauben, die in Nainhof, 15 km von Pars-berg und etwa 2 km von der Gemeinde Hohenfels entfernt, in einem Ausweichdurchgangslager leben. Diese Siedler, von denen der größte Teil früher selbst Höfe und Bauerngüter innehatte, haben sich in sauberen, freundlichen Baracken und unter größtem persönlichen Fleiß in jahrelanger, unvorstellbar harter Arbeit eine neue Heimat geschaffen. Keine der Siedlungen in dieser Gegend hatte Wasser und Licht. Trotzdem haben es diese Siedlerbauern in den letzten beiden Jahren vermocht, dem Boden eine gute Ernte abzuringen. Mir gegenüber hat man in Briefen verbittert erklärt, daß manche Flüchtlingsbauern nun zum dritten und zum vierten Male die Heimat verlieren und irgendwo anders wieder von vorne anfangen müssen.
Ich verhehle nicht, daß die Stimmung unter den zur Absiedlung kommenden Familien sehr gedrückt und sehr gespannt ist, zumal sich herausgestellt hat, daß Versprechen gegeben wurden, die einfach nicht eingelöst wurden. Meines Erachtens hätte man sofort nach der Beschlagnahme des Gebietes Hohenfels die Arbeiten der einzelnen zuständigen Behörden und Ministerien koordinieren sollen, um klare Rechtsverhältnisse zu schaffen. Es soll nicht verkannt werden, unter welch schwierigen Verhältnissen bayerische Ministerien und das Bundesfinanzministerium die drängenden Probleme zu lösen versuchen. Ich kann aber nicht verschweigen, daß sich die aus den Kreisen der Umsiedler vorgebrachten Klagen und Beschwerden als berechtigt erwiesen haben.
Im bayerischen Landtag wurde vor kurzem durch eine Interpellation des Kollegen Dr. Schedl der gesamte Fragenkomplex behandelt, den ich Ihnen hier, meine Damen und Herren, vortrage. Meines Erachtens liegen die Schwierigkeiten darin, daß viele Planungen vor lauter bürokratischen Rückfragen nicht zur Durchführung kommen können. So hat man z. B. den bayerischen Landesbehörden die weniger wichtigen Fragen der Umsiedlung aufgebürdet, während über das wichtigste und das schwierigste Problem, nämlich über das der Bereitstellung der notwendigen Gelder, ausschließlich in Bonn entschieden werden soll.
Der bayerische Bauernverband für denRegierungsbezirk Oberpfalz hat sich als Berufsorganisation für die bäuerlichen Umsiedler eingeschaltet; ebenso hat es die Handwerkskammer Oberpfalz für die Fragen der geschädigten Gewerbetreibenden getan. Die Schwierigkeiten, die sich der Räumung entgegenstellen, sind teilweise aus dem Umstand zu erklären, daß der Großteil der umzusiedelnden Bauern kleine Landwirte sind und daß der oberpfälzische Bauer und Landwirt aus seiner angestamm-
ten Treue zur Heimat und zu seinem kargen Besitz eben dieses Stück Heimat nicht eher verlassen will, bevor er eine neue Bauernstelle oder ein neues Bauernanwesen erhalten hat. Diese Einstellung, diese Mentalität, die dem guten Sinn unseres Bauernstandes entspringt, kann man nur restlos bejahen und billigen.
Zu alledem kommt noch, daß in dem 183 qkm großen beschlagnahmten Raum seit Wochen die gesamten Leichenfledderer von Holzgroßhändlern am Werke sind. Schätzungsweise — ich muß dies hier auch anführen — kommen 80 000 Festmeter schlagbares Holz aus diesem Gebiet. Eine ganz ungesunde Hochkonjunktur für Holzaufkäufer und Holzmakler ist die Begleiterscheinung der Räumung. Es sind aber nur 4 % der Bauern, die in den Besitz eines übermäßigen Gewinnes aus dieser Holzinflation gelangen. Man darf Einzelfälle eines ungesunden, raschen Reichwerdens nicht auf die Vielzahl der übrigen Angehörigen der betroffenen Bevölkerung übertragen.
Über all den Vorgängen lagert die geheime Propaganda der Kommunistischen Partei,
die von Haus zu Haus geht, um sogenannte Volksbefragungen zu veranstalten. Ihre hetzerischen Flugblätter tragen als Verantwortungsvermerk die Unterschriften des Bundestagsabgeordneten Fisch
und des Herrn Scheringer von der bayerischen KPD.
Ich mache die Bundesregierung und das Hohe Haus besonders auf diese Vorgänge aufmerksam. Leider muß festgestellt werden, daß sich durch kommunistische Einflüsse und Propaganda die Unzufriedenheit bei der betroffenen Bevölkerung verstärkt.
Und nun zur wichtigsten Frage, der finanziellen Abfindung. Der von mir und meinen politischen Freunden gestellte Antrag sieht vor, daß die Bundesregierung zunächst durch eine Sofortbevorschussung für das betroffene Gebiet in Höhe von 20 Millionen DM die Durchführung und die Abwicklung ermöglicht. Die Bauern erhalten zunächst den Einheitswert ihres Anwesens in Form eines Vorschusses. Es ist aber fast unmöglich, namentlich bei den kleineren Besitzern, heute um den Einheitswert irgendein Anwesen zu erwerben, da alle Angebote diese Einheitssummen wesentlich überschreiten. Der Großteil der Bauern sieht sich daher gezwungen, Winternotquartiere zu beziehen. Nach der Statistik des bayerischen Bauernverbandes müssen mindestens 220 Betriebe mit Vieh und totem Inventar in Notquartiere. Das gleiche gilt für den Ankauf von Anwesen zur Durchführung geschlossener Umsiedlungen. Diese geschlossene Umsiedlung wird bei den vorher geschilderten Zuständen der Zurückdrängung der Privatinitiative die Hauptaufgabe des Staates bilden. Es müssen daher größere Gutsbetriebe zu diesem Zwecke aufgekauft werden. Derartige Großbetriebe stünden zur Verfügung, wenn neben der Beseitigung der auf Grund der Bodenreformgesetze entgegenstehenden Schwierigkeiten die finanzielle Frage gelöst wäre. Daß diese großen Güter nicht zum Einheitswert oder zum Bodenreformgesetzwert zu kaufen sind, bedarf keines Beweises. Es müssen auch hier entsprechende Geldmittel bereitstehen, damit nach der Verbriefung und der
Eintragung im Grundbuch die Bezahlung sofort erfolgen kann. Außerdem muß nach dem Guts-kauf — und möglichst schon vorher — mit dem Ankauf von Baumaterial für neu zu errichtende Bauernhöfe mit Scheunen und Stallungen begonnen werden; denn erst nach dem Neubau von Höfen kann der Umsiedler mit der Bewirtschaftung seiner Neubauernstelle beginnen.
Ich darf wohl annehmen, daß der Herr Bundesfinanzminister Schäffer den bayerischen Behörden die in unserem Antrag geforderte Summe zur Verfügung stellt und daß sich nach der Bereitstellung dieser Summe die volle Räumung dieses Gebietes trotz vieler und großer Schwierigkeiten, die noch auftauchen werden, ermöglichen läßt. Der bäuerlichen Bevölkerung im Landkreis Parsberg würde dadurch eine Unsumme von Angst und Sorge erspart werden. Diese Menschen sehen den Winter vor der Tür und hören nur das harte Wort: die Räumung muß bis zum 15. November vollzogen sein. Alle Versuche, diesen Schlußtermin hinauszuschieben, sind bis jetzt leider gescheitert.
Meine Damen und Herren, die Beratung dieses Punktes der Tagesordnung gibt Ihnen einen Überblick über die Räumung eines Stückes bayerischer Heimaterde und deutschen Landes. Das ostbayerische Gebiet der Oberpfalz, in seinen weitesten Teilen wirtschaftliches Notstandsgebiet, hat neben dem Raum für den großen Truppenübungsplatz Grafenwöhr nun nochmals erhebliche
Gebietsteile abgeben müssen. Es wird wohl niemand hier in diesem Hause sein, der nicht mit aufrichtigem Ernst und mit berechtigter Sorge diesen Verlust deutschen Landes hinnimmt.