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ID0116816500

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 168. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 16. Oktober 1951 6871 168. Sitzung Bonn, Dienstag, den 16. Oktober 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 6872C, 6898D Zustimmung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz betr. Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 6872D Anfrage Nr. 208 der Fraktion der SPD betr Behebung der durch den Bau der Autobahn zwischen Grünstadt und Frankenthal entstandenen Schäden (Nrn. 2623, 2673 der Drucksachen) 6872D Anfrage Nr. 214 der Zentrumsfraktion betr Steuererklärungen zur Einkommensteuer und Heranziehung zur Körperschaftsteuer (Nm. 2641, 2688 der Drucksachen) . . . . 6873A Bericht des Bundesministers der Finanzen betr. Geschäftsbericht sowie Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung der Überleitungsstelle für das Branntweinmonopol für das Rumpfgeschäftsjahr vom 1. April bis zum 30. September 1950 (Nr. 2682 der Drucksachen) 6873A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Fernmeldevertrag Atlantic City 1947 (Nr. 2595 der Drucksachen) 6873A Ausschußüberweisung 6873A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts (Nr. 2504 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) (Nr. 2660 der Drucksachen; Anträge Umdrucke Nrn. 330, 331, 332) 6873A Miessner (FPD): als Berichterstatter 6873B als Abgeordneter 6877C Mellies (SPD): zur Geschäftsordnung 6875B zur Sache 6877A, 6887B, 6889A Dr. Kather (CDU) 6875C, 6877B Tichi (BHE-DG) (zur Geschäftsordnung) 6876C Gundelach (KPD) . . . . 6878A, D, 6881C, 6882C, 6887D Böhm (SPD) 6878A, 6881A Dr. Kleindinst (CSU) 6878B Farke (DP) 6879A Dr. Wuermeling (CDU): zur Sache 6879B, 6884B, 6888D zur Geschäftsordnung . . . . 6887A, D Pannenbecker (Z) 6882B Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 6882D 6888C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 6883C Bausch (CDU) 6884A, 6886A von Thadden (Fraktionslos) 6885B Fisch (KPD) 6885C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . 6886C Euler (FDP): 6887C Abstimmungen 6878A, B, 6881B, 6882A, 6888A, C, 6889A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Handelsabkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Königlich Ägyptischen Regierung (Nr. 2410 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr. 2661 der Drucksachen; Umdruck Nr. 302) 6889B Freudenberg (FDP-Hosp.), Berichterstatter 6889B Beschlußfassung 6889C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Handelsvertrag vom 2. Februar 1951 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Chile (Nr. 2534 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr. 2662 der Drucksachen): Beratung abgesetzt 6889B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über internationale Vereinbarungen auf dem Gebiete des Zollwesens (Nr. 2519 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr 2663 der Drucksachen) 6889D Freudenberg (FDP-Hosp.), Bericht- erstatter 6890A Beschlußfassung 6390A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 (Nr. 2500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan IV — Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts (Nr. 2603 der Drucksachen) in Verbindung mit Einzelplan IVa — Haushalt des Auswärtigen Amts (Nr. 2604 der Drucksachen) ferner in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Wegnahme der bundeseigenen, im Auslande gelegenen Dienstgebäude des ehemaligen Auswärtigen Dienstes (Nr. 2468 der Drucksachen; Umdruck Nr. 329), der Beratung des Antrags der Fraktion der BP betr. Beschlagnahme deutschen Auslandsvermögens (Nr. 2549 der Drucksachen), der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Ungehinderter Verkehr mit den politischen Gefangenen der Besatzungsmächte (Nr. 2563 der Drucksachen), der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten (Nr. 2577 der Drucksachen), sowie der Beratung des Antrags der Abg. Kahn, Dr. Solleder, Dr. Schatz u. Gen. betr. Räumung des von der amerikanischen Besatzungsbehörde beschlagnahmten Raumes Hohenfels und Umgebung (Oberpfalz) (Nr. 2597 der Drucksachen, Umdrucke Nrn. 333, 334); im Zusammenhang damit: Erklärung der Bundesregierung (Ergebnis der von der Bundesregierung bei den Alliierten unternommenen Schritte betr. Wiederherstellung der deutschen Einheit und gesamtdeutsche Wahlen) . . 6890B, 6915D zur Sache: Dr. Blank (Oberhausen) (FDP), Berichterstatter 6890D Dr. Adenauer, Bundeskanzler 6892B, 6894B, 6905B, 6931A, 6946A zur Geschäftsordnung bzw. zur Abstimmung: Mellies (SPD) . . . . 6893D, 6896A, 6898C Renner (KPD) 6894C Euler (FDP) 6895B, 6896D Dr. Tillmanns (CDU) 6895D Kunze (CDU) 6896C von Thadden (Fraktionslos) 6897A Dr. Hasemann (FDP) 6897B Dr. von Merkatz (DP) 6897C Dr. Richter (Niedersachsen) (Fraktionslos) 6897D Dr. von Brentano (CDU; 6898A Ewers (DP) . . . . . . . . . . . 6898B Dr. Ehlers (CDU) 6898D zur Sache: Fisch (KPD) 6899A Ollenhauer (SPD) . . 6901B, 6945C, 6952A Dr. Reismann (Z) 6905C, 6940C Ewers (DP) 6907A Dr. Wuermeling (CDU) 6909A Dr. Schäfer (FDP) 6911C von Thadden (Fraktionslos) 6913C Dr. Richter (Niedersachsen) (Fraktionslos) 6914D Dr. von Merkatz (DP), Antragsteller 6916A, 6953D Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Antragsteller 6916B Erler (SPD), Antragsteller 691'7D Kahn (CDU), Antragsteller 6921B Dr. Meitinger (BP), Antragsteller . 6923A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 6923D Dr. Luetkens (SPD) 6925C Euler (FDP) 6933C Dr. Pfleiderer (FDP) 6934C Dr. von Brentano (CDU) . . 6943C, 6953B Fürst zu Oettingen-Wallerstein (BP) 6944C Renner (KPD) 6946C von Thadden (Fraktionslos) 6950A Kohl (Stuttgart) (KPD) 6951D Abstimmungen 6815C, 6954A Nächste Sitzung 6954C Die Sitzung wird um 13 Uhr 30 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Fritz Erler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist heute das zweite Mal, daß das Hohe Haus in voller Öffentlichkeit zu dem Problem der sogenannten Deutschen Dienstgruppen bei den Besatzungsmächten Stellung nimmt. Einen kleinen Fortschritt können wir begrüßen. Als wir uns das letzte Mal anläßlich einer sozialdemokratischen Interpellation über dieses Thema hier unterhielten, wurde die Interpellation von dem Herrn Staatssekretär des Bundesministers der Finanzen beantwortet, und im übrigen war die Ministerbank leer. Heute behandeln wir dieses Thema dort, wo es hingehört. Wir behandeln es bei dem Haushalt eines politischen Ministeriums, beim Haushalt des Außenministeriums. Der Herr Bundeskanzler ist anwesend und kann endlich einmal von der politischen Bedeutung Kenntnis nehmen, die jedenfalls wir — ich hoffe aber auch, Sie alle miteinander — dieser Frage zumessen. Insofern begrüße ich den Fortschritt, der darin liegt, daß wir die Frage jetzt auf die politische Ebene gebracht haben.
    Niemand von uns leugnet, daß die Anwesenheit der Besatzungstruppen in Deutschland zwangsläufig einen erheblichen Bedarf an Arbeitskräften mit sich bringt. Niemand von uns leugnet, daß es billiger ist, wenn diese Arbeitskräfte Deutsche sind und nicht auch noch fremde Staatsangehörige, die vielleicht noch mit ihren Familien nach Deutschland kommen und hier aus dem Konto der Besatzungskosten unterhalten werden müssen. Das alles wird nicht bestritten. Wenn wir schon einmal


    (Erler)

    davon hören, daß die Besatzungstruppen in Deutschland keine reinen Besatzungstruppen mehr seien, sondern auch einen Sicherheitsfaktor für die Bundesrepublik darstellten, dann müssen wir auch zugeben, daß es selbstverständlich besser ist, wenn bei diesen Besatzungstruppen möglichst viel Kombattanten und möglichst wenig Hilfskräfte anderer, untergeordneter Art sind. Es ist also durchaus verständlich, daß sich die Besatzungstruppen für einfache Hilfsleistungen Deutscher bedienen.

    (Abg. Renner: „Kombattanten" ist gut!)

    Aber in welcher Form? Warum muß der Chauffeur, warum muß der Mann, der in einem Lebensmittellager Mehl abwiegt, warum muß derjenige, der Transporte ausführt, nun unbedingt in die Form einer echten militärischen Hilfstruppe gekleidet werden? Es hat doch bisher bei den Besatzungsmächten Dienstleistungen in einem zivilen Arbeitsverhältnis gegeben. Warum hat man das, beginnend in der amerikanischen Zone, übergreifend auf die englische Zone und neuerdings auch in der französischen Zone, von Grund auf geändert?
    Es handelt sich bei dem Dienstpersonal der Besatzungsmächte — ich spreche hier nicht von den Köchen und von den Stubenmädchen, sondern es handelt sich um ganz andere Formationen — in Wahrheit nicht um eine echte Freiwilligkeit. Es handelt sich um die Ausbeutung der sozialen Notlage von Heimatvertriebenen, von Menschen in zahlreichen deutschen Gebieten, die sonst der Arbeitslosigkeit anheimfallen würden. Dann gibt es ja noch kluge deutsche Behörden, die demjenigen, der zu einer solchen Truppe vermittelt wird, die Arbeitslosenunterstützung entziehen, wenn er diesen Arbeitsplatz nicht annimmt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Dann gibt es noch Behörden, die der Meinung sind, daß man die Zahlung der Arbeitslosenunterstützung verweigern kann, wenn jemand nach Aufklärung über den echten Charakter der Dienstgruppe, der er jetzt angehört, sagt: Unter diesen Umständen bin ich kein ziviler Arbeiter mehr; zu einer militärischen Dienstleistung fühle ich mich weder verpflichtet noch berechtigt; ich quittiere den Dienst. Dann heißt es: Nach § 93 AVAVG steht unter diesen Umständen dem Mann kein Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung zu.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Herr Bundeskanzler, das ist die Meinung, die der zuständige Sachbearbeiter des Bundesarbeitsministeriums vertritt,

    (erneute Rufe: Hört! Hört! bei der SPD) ganz im Gegensatz etwa zu den ausgezeichneten Darlegungen des Sozialministers in Niedersachsen, der schon längst zu der Erkenntnis gekommen ist und sie durch die Arbeitsämter praktizieren läßt, daß es in diesen Fällen keine Sperrfrist gibt und der Betreffende den Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung wahrt. Ich darf daran erinnern, daß die Dinge auch in der französischen Zone jetzt sehr aktuell werden. Der Rechtspflegeausschuß des Landtags des Landes Baden, eines Landes, von dem der Herr Bundeskanzler nicht behaupten kann, daß es etwa von den Freunden der Sozialdemokratischen Partei regiert würde, hat einen Beschluß gefaßt, der sehr interessant ist. In diesem Beschluß wird die Regierung ersucht, dafür zu sorgen, daß die Arbeitsämter künftig keine Arbeitsuchenden als kasernierte Arbeitskräfte für den Einsatz im ahmen militärischer Maßnahmen vermitteln.

    Die soziale Stellung der in Frage kommenden Deutschen ist völlig ungeklärt. Es gibt keinen ausreichenden Schutz bei einem Unfall, bei einem Todesfall; es gibt keinen Schutz gegen Ansprüche, die aus Haftpflicht entstehen können. Schließlich handelt es sich eben entgegen der Darstellung, die manchmal gegeben wird, bei diesen Einheiten nicht um eine reine Wach- und Schließgesellschaft.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Ich gebe zu, es ist örtlich verschieden, und nicht nur örtlich, sondern auch innerhalb der Besatzungszonen. Es handelt sich hier um Einheiten, die nach den verschiedensten Grundsätzen regiert und verwaltet werden. Aber im allgemeinen handelt es sich um kasernierte Formationen unter deutschen Offizieren mit nach Zonen sehr stark wechselndem Drill, mit Unterstellung unter die Militärgerichtsbarkeit der betreffenden Besatzungsmacht und sogar mit Teilnahme an Manövern.

    (Hört! Hört! links.)

    Wir haben schon einmal über die Manöverfrage gesprochen. Inzwischen ist aber noch etwas mehr passiert als damals jenes entzückende Intermezzo, als die Amerikaner die Deutschen Dienstgruppen so lobten, weil sie als Teilnehmer an einem solchen Manöver das feindliche Hauptquartier gefangengenommen hatten.
    Viel ernster ist die Frage der völkerrechtlichen Stellung der Angehörigen dieser Dienstgruppen. Der englische Kriegsminister Strachey hat am 17. Juni im Unterhaus ausdrücklich versichert, daß die Angehörigen dieser Dienstgruppen im Kriegsfall Teil der englischen Armee sein würden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Vielleicht ist es für das Haus nicht uninteressant, wenn ich einige Teile einer anläßlich der letzten alliierten Manöver in Deutschland erschienenen AP-Meldung — AP ist bekanntlich keine rein deutsche Agentur — aus Bonn vom 18. August zitiere. Sie wirft ein sehr deutliches Schlaglicht auf die Verhältnisse, von denen wir sprechen. Es heißt darin:
    1. Mitte September werden 20 000 uniformierte deutsche „Zivilsoldaten" zusammen mit Truppenkontingenten der Besatzungsmacht 'und anderer europäischer Länder zu den größten auf deutschem Boden abgehaltenen Nachkriegsmanövern ins Feld ziehen. Die deutschen „Zivilsoldaten" sind Angehörige der bei der englischen Besatzungsmacht beschäftigten
    Deutschen Dienstgruppen (German Labour Units), die nach Mitteilung britischer Stabsoffiziere zum erstenmal eine entscheidende operative Rolle in den kommenden Manövern übernehmen werden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    — Das alles ist nicht von mir; es steht alles in der AP-Meldung! —Die deutschen Diensteinheiten werden nicht unmittelbar an den eigentlichen Manöverkämpfen teilnehmen, aber für den gesamten Nachschub der britischen Streitkräfte verantwortlich sein. Sie werden ferner in Form von Pioniereinheiten für das Übersetzen von Truppen und Fahrzeugen über Flüsse und für die rechtzeitige Bereitstellung und Versorgung der Truppen mit Munition Sorge tragen müssen. Diese Tätigkeit wird die deutschen


    (Erler)

    Einheiten zuweilen „ in direkte Berührung mit dem Feind" bringen, wurde von britischer Seite erklärt.
    Was heute in einem Manöver gespielt wird, kann unter Umständen später einmal blutiger Ernst sein. Man muß sich also beizeiten über die rechtlichen Konsequenzen eines solchen Einbaues, eines solchen Anhängens an bestimmte kämpfende Einheiten im klaren sein.
    Nun zurück zu der Meldung. Ich würde mich freuen, wenn der Herr Bundeskanzler bei diesem Thema trotz seiner dringlichen Abhaltungen anwesend bleiben könnte.

    (Beifall bei der SPD.)

    In der Meldung heißt es weiter:
    Es wird in Kreisen des britischen Oberkommandos angenommen, daß die deutschen Dienstgruppen im Fall eines Kriegsausbruchs bei den britischen Truppen weiter dienen sollen. Sie würden in diesem Falle wahrscheinlich durch eine Proklamation des englischen Königs zu Angehörigen der britischen Streitkräfte erklärt werden.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das deckt sich wörtlich mit dem, was der englische Kriegsminister im Unterhaus versichert hat.
    Natürlich kam prompt auf diese Meldung ein Dementi, ein Dementi der dpa vom 20. August. Aber dieses Dementi ist keines. Man muß es genau lesen. Es bestreitet nur die Zahl von 20 000 Beteiligten. Alles übrige wird in diesem Dementi nicht bestritten. Alles übrige ist also nach der Praxis der Dementiermaschine — die wir alle zu gut kennen, gelegentlich auch einmal bedienen —

    (lebhafte Rufe in der Mitte: Aha! Aha!)

    in Wirklichkeit wahr. — Sagen Sie doch nicht
    „aha"! Wir sind doch alle vom Metier und wissen,
    wie es dabei aussieht; wollen wir doch nicht so tun!

    (Zurufe von der KPD: Sie dementieren aber sehr oft! — Kochel haben Sie vergessen!)

    — Zu Kochel kann ich Ihnen bei der Gelegenheit auch etwas sagen, weil es gerade sehr aktuell ist. Ich möchte ein ganz offenes Wort mit Ihnen reden. Ihr Kommunisten behandelt Besprechungen mit früheren deutschen Offizieren, wenn sie nicht von Kommunisten geführt werden — wie etwa mit den Generalen Lattmann und Vinzenz Müller —, als eine Art Monopolbruch. Daß Ihnen das wehtut, kann ich verstehen. Im übrigen ist der restliche Teil Ihrer Meldung völlig frei erfunden.

    (Zurufe von der KPD.)

    Entweder hat also der Beteiligte, der Ihnen diese Dinge aufgebunden hat, nicht richtig begriffen, was dort gesagt wurde — ich habe nämlich den sozialdemokratischen Standpunkt, der sich völlig mit dem deckt, was ich jetzt sage, dort dargelegt —; dann müssen Sie sich nächstes Mal einen Intelligenteren suchen. Oder aber — die Anwesenden sahen mir gar nicht so dumm aus — er hat doch begriffen, und hat einen richtigen Bericht gemacht — das ist wahrscheinlicher —, und den haben Sie dann in der bei Ihnen bekannten Art von A bis Z völlig verlogen.

    (Lebhafte Zurufe von der KPD.)

    Ein Beispiel: Hier unten pflegt sonst der Abgeordnete Dr. Schumacher zu sitzen. In diesem Bericht der kommunistischen Zeitung wird geschildert, daß
    der Abgeordnete Schumacher in einem bestimmten Zusammenhang zornbebend aufgesprungen sei. Das soll uns mal mein Kollege Dr. Schumacher hier vorführen! Das nur zur Wahrheit des Inhalts Ihrer Meldung.

    (Abg. Rische: Also geben Sie den wesentlichen Inhalt zu?! — Abg. Dr. Schumacher: Ich war übrigens gar nicht da!)

    — Nein, das kommt noch dazu. Aber wir würden uns alle freuen, lieber Freund Schumacher, wenn Sie aufspringen könnten.
    Doch nun zurück zu dem eigentlichen Thema. Ich habe bei dieser Gelegenheit einmal eine Ente abschießen müssen. Wir sind der Meinung, nach dem Sachverhalt ist es mindestens erforderlich, daß den Angehörigen der Dienstgruppen für irgendwelche Notfälle ein außerordentliches Kündigungsrecht gewährt wird. Das steht in den Verträgen nicht drin. In einer Antwort vom 6. März 1951, die die Unterschrift des Herrn Bundeskanzlers selbst trägt, auf eine Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion, ob die Angehörigen der Dienstgruppen auch Befehle gegen deutsche Gesetze ausführen müßten, heißt es wörtlich:
    Es sind ganz allgemein und nicht nur beschränkt auf die Angehörigen der GSO Fälle denkbar, in denen ein Befehl der Besatzungsmächte im Gegensatz zu einem deutschen Gesetz steht oder bei einem deutschen Staatsangehörigen zu Gewissenskonflikten führen könnte. Würde die Ausführung eines solchen Befehls verweigert,
    — und das bezieht sich nun eindeutig auf die Angehörigen der Dienstgruppen —
    so könnten die Besatzungsgerichte auf Grund von Art. 3 Ziffer 13 des Gesetzes Nr. 14 der Alliierten Hohen Kommission die Beschäftigten zur strafrechtlichen Verantwortung ziehen.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das bedeutet, sie müssen die Befehle der Alliierten auch dann ausführen, wenn sie im Widerspruch zum deutschen Gesetz und zum deutschen Grundgesetz stehen.

    (Erneute Rufe: Hört! Hört! bei der SPD.)

    All das, was ich Ihnen eben gesagt habe, beweist doch nur, daß es sich hierbei um eine hochpolitische Frage handelt, um eine Frage, die in Gegenwart des Herrn Kanzlers erörtert werden muß — ich freue mich, daß er meiner freundlichen Einladung Folge geleistet hat —, daß auf keinen Fall der Bundesfinanzminister und noch weniger sein Staatssekretär vom Standpunkt der Besatzungskostenersparnis aus diese Dinge weiterbehandeln darf. Es handelt sich in Wahrheit um nicht mehr und nicht weniger als einen stillschweigend von den Alliierten hinter dem Rücken des Bundestags in Deutschland vorexerzierten Vorgriff auf einen Verteidigungsbeitrag ohne deutsche Mitwirkung.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Dem muß man ein Ende setzen. Wenn die Alliierten der Meinung sind, die Deutschen hätten ais Folge des verlorenen und vielleicht nicht ganz unschuldig begonnenen Krieges Reparationen in Menschen zu leisten, dann sollen sie uns das ehrlich sagen, aber nicht in einer anderen Sprache ganz andere Dinge mit uns hier bereden und in Wirklichkeit das Gegenteil tun. Wir können es nicht zulassen, daß es hier auf deutschem Boden wider den Willen der Betreffenden eine Art Fremdenlegionäre gibt. Die Menschen selbst wollen das nicht sein. Sie sind sich der Zwie-


    (Erler)

    spältigkeit und Zwielichtigkeit ihrer Lage wohl bewußt. Sie hoffen darauf, daß der Bundestag in dieser Frage endlich Klarheit schafft und dafür sorgt, daß sie in ein normales Arbeitsverhältnis übergeführt werden.
    Vielleicht gibt uns der Herr Bundeskanzler freundlicherweise einmal Aufklärung darüber, ob es zutrifft, daß die Alliierten als Vorbedingung für die Erleichterung des Besatzungsstatuts die Einräumung des Rechtes auf Aufstellung und Unterhaltung deutscher Dienstgruppen verlangt haben. Das ist — ich stelle es mit Befriedigung fest — nach Auskunft des Herrn Bundeskanzlers nicht wahr. Aber in Besprechungen mit Persönlichkeiten, die ihm nicht sehr ferne stehen, wurde diese Version jedenfalls bisher gegeben. Ich glaube, daß man hier von Anfang an durch ein Wort in voller Öffentlichkeit

    (Sehr gut! bei der SPD)

    allen derartigen Bemühungen einen Riegel vorschieben muß.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Es geht nicht an, die Frage der Dienstgruppen und
    ihrer Tolerierung als Voraussetzung für etwaige
    Erleichterungen des Besatzungsstatuts hinzustellen.
    Hier muß die Bundesregierung politisch handeln, und nicht nur bei den Fragen der Besatzungskosten. Dort ist ein ganz anderer Komplex zu klären. In der „Welt" vom 22. September 1951 stand eine schöne Meldung. Da hieß es u. a., daß Überweisungsscheine für die französische Fremdenlegion den Briefkopf der Hochkommission tragen, daß die Fahrscheine in das betreffende Lager und das Werbelager selbst auf Besatzungsrechnung gingen. Vielleicht interessiert sich so nebenher einmal der Herr Bundesfinanzminister für diese merkwürdige Belastung seines Besatzungskostenhaushalts zugunsten der dann noch dazu im Ausland eingesetzten französischen Fremdenlegion.
    Aber zurück zu den Dienstgruppen! Ich habe also gesagt, es ist eine politische Frage, nicht nur eine Frage — so notwendig das auch ist — der sozialen Verteidigung der dort tätigen deutschen Menschen. Die Gewerkschaften, die ja doch immerhin in der Wahrnehmung der sozialen Interessen außerordentlich rührig sind, sind der gleichen Meinung, daß die Frage der Dienstgruppen zunächst politisch geklärt werden muß. Sie halten alle Arbeiten zur Einzelrevision der Arbeitsverträge für vollkommen sinnlos, weil die jetzigen Verträge im Prinzip falsch sind, weil sie keine echten Arbeitsverträge, sondern praktisch Einberufungen in den Dienst einer fremden Armee sind. Erst müssen die politischen Fragen geklärt werden. Die deutschen Länder sind zur Überraschung des Herrn Bundesfinanzministers der gleichen Meinung. In Königswinter hat am 25. September 1951 mit den beteiligten Ländern eine Konferenz stattgefunden. Dort haben die Länder erklärt, daß sie hinsichtlich der politischen Klärung des Sachverhalts und der rechtlichen Stellung der Dienstgruppen eine gemeinsame Erklärung mit dem Bundesfinanzminister wünschten. Zu meinem Bedauern habe ich bisher nicht erfahren, daß der Herr Bundesfinanzminister überhaupt auf diese Anregung der Gewerkschaften und der Länder eingegangen ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Die Gewerkschaften jedenfalls haben bisher keine Antwort auf die dort vorgebrachten Anregungen erhalten. Im Sinne unseres Antrags wäre die natürliche Lösung der Einbeziehung der für echte
    zivile Hilfsdienste verwendeten Angehörigen der Dienstgruppen in Kollektivverträge richtig, die es j a auch für die sonstigen Beschäftigten bei den Besatzungstruppen gibt. Warum zweierlei Art von Verträgen? Maßgebend hätte das deutsche Arbeitsrecht zu sein. Keine alliierte Militärdienststrafgewalt dürfte hier Ausnahmen von der deutschen Rechtsprechung im Falle des Vorkommens von irgendwelchen Delikten vorsehen. Die militärischen Formationen, in denen die Dienstgruppen heute zusammengefaßt sind, hätten aufgelöst zu werden, damit ein normales ziviles Arbeitsverhältnis daraus wird. Der Bundesregierung ist vielleicht eine solche Auflösung der militärischen Formationen nicht ganz erwünscht. Ich kann mir das vorstellen. Es gibt nämlich dort auch wieder merkwürdige Anregungen an einige der jetzigen Befehlshaber der Dienstgruppen, bei denen man durchblicken ließ, daß vielleicht bei künftigen deutschen Verbänden eine Übernahme der Männer in diese Dienste erwogen werden könnte.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Gerade um all dieser Fragen willen fordern wir unter Punkt 3 unseres Antrags, dem Sie durch die Art der Behandlung erfreulicherweise praktisch ja schon zugestimmt haben, daß die politischen Fragen aus dem Finanzministerium herausgelöst werden. Aber dabei habe ich eine Bitte: übertragen Sie diese Fragen nun um Gottes willen nicht Herrn Matzky im Innenministerium. Dann kommen wir nämlich vom Regen in die Traufe. Diese personelle Verflechtung mit dem Bundesgrenzschutz, die sich jetzt dadurch zeigt, daß der bisherige Befehlshaber der Dienstgruppen in der amerikanischen Zone nun ausgerechnet noch Grenzschutzinspekteur geworden ist, ist höchst unerwünscht, weil das beide Organisationen erneut ins Zwielicht oder vielleicht sogar ins Dunkel bringt. Die deutschen Führungskräfte in der amerikanischen Besatzungszone sind in das US-Kommando ziemlich eindeutig eingebaut. Sie befinden sich dort in einer ziemlich starken Abhängigkeit. Aber diese Abhängigkeit darf uns nicht hindern, frei zu entscheiden, was wir für richtig halten. Die politischen Fragen müssen bei einer deutschen politischen Stelle in einem deutschen Ministerium frei von einer jeden derartigen früheren Bindung auch des betreffenden Sachbearbeiters entschieden werden.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Weil das Interesse der Öffentlichkeit an dem Wortlaut unseres Antrags sicher ziemlich groß ist, möchte ich Sie daher bitten, dem Antrag in unserer Fassung zuzustimmen, wonach die Bundesregierung ersucht wird,
    1. bei den Hohen Kommissaren darauf hinzuwirken, daß
    a) Deutsche bei den Besatzungsmächten nicht zum Dienst mit der Waffe herangezogen werden,
    b) Deutsche bei den Besatzungsmächten nur in einem normalen Arbeitsverhältnis tätig sein können,
    c) die deutschen Arbeitskräfte bei den Besatzungsmächten nicht zu militärähnlichen Formationen zusammengefaßt werden;
    2. den Hohen Kommissaren zu eröffnen, daß eine Aufstellung bewaffneter deutscher Einheiten nur auf dem Wege der ordentlichen deutschen Gesetzgebung möglich ist

    (Sehr richtig! bei der SPD)



    (Erler)

    und ein Abweichen der Hohen Kommissare von diesem Rechtsstandpunkt nicht hingenommen wird;
    3. dafür zu sorgen,
    — was Sie praktisch schon getan haben —
    daß die politischen Fragen der Dienstgruppen aus der Zuständigkeit des Bundesministeriums der Finanzen herausgelöst werden,
    4. dem Bundestag über die ergriffenen Maßnah- men und ihre Auswirkungen bis zum 1. Dezember 1951 zu berichten.
    Wir hoffen alle miteinander, daß die Bundesregierung auf diesem wichtigen Gebiet endlich ihre mir vollkommen unverständliche Passivität aufgibt und nun nach der Annahme dieses Antrags h a n d e 1 t. Das liegt nicht nur im Interesse der Männer bei den Dienstgruppen, sondern auch im Interesse einer sauberen Haltung gegenüber den Alliierten. Man muß, wenn man über A verhandelt, wissen, daß man A meint und nicht B. Man muß, wenn man zivile Dinge bespricht, auch wirklich zivile Dinge entscheiden und nicht den Verteidigungsbeitrag. Und wenn man den Verteidigungsbeitrag diskutiert, dann muß man wissen, daß es darum geht, und darf nicht etwa über die Hintertür, über den Besatzungskostenhaushalt, aus einer Armee von Köchinnen und Chauffeuren, wie sich der Laie das vorstellt, in Wahrheit eine bewaffnete Streitmacht machen. Das dürfen wir nicht zulassen.
    Ich bitte Sie daher um die Annahme unseres Antrags.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, ich komme zur Drucksache Nr. 2597, Antrag der Abgeordneten Kahn, Dr. Solleder, Dr. Schatz und Genossen. Der Herr Abgeordnete Kahn wünscht, den Antrag zu begründen.
Ich darf an Sie appellieren, die Begründung der Anträge möglichst abzukürzen. Ich fürchte sonst für diesen Abend.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Karl Kahn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Beratung des Antrages Drucksache Nr. 2597. Meine politischen Freunde und ich bitten durch den Ihnen vorliegenden Antrag die Bundesregierung, durch Verhandlungen mit den zuständigen amerikanischen Besatzungsbehörden zu erreichen, daß die endgültige Räumung des für militärische Zwecke beschlagnahmten Raumes Hohenfels und Umgebung bis zu einem Schlußtermin vom 1. Februar 1952 verschoben wird. Zugleich bitten die Antragsteller, eine sofortige Bereitstellung von 20 Millionen DM für die durch die Räumung entstandene Besitzablösung seitens des Bundes zu gewährleisten. Die Antragsteller sind der Meinung, daß die Bundesregierung durch die Bereitstellung dieser angeforderten Summe erst die Möglichkeit schafft, eine reibungslose Abwicklung und Räumung des genannten Gebietes zu gewährleisten. Es ist vielleicht nicht unangebracht, darauf hinzuweisen, daß die Gemeinden Geroldsee, Griffenwang, Lutzmannstein, Pielenhofen sowie noch eine Anzahl kleiner Orte in den Bereich des von der amerikanischen Besatzungsbehörde beschlagnahmten Raumes fallen.
    Aus einer Unsumme von an mich persönlich gerichteten Briefen, aus behördlichen Darlegungen, verbunden mit amtlichen Statistiken, habe ich den Eindruck bekommen, daß die endgültige Räumung des gesamten Gebietes Hohenfels und Umgebung bis zum 15. November unmöglich ist. Es darf darauf hingewiesen werden, daß Bayern bereits mit den Besatzungsbehörden Rücksprachen gepflogen hat, mit dem Ziel, die Räumungstermine, die äußerst kurz gesetzt wurden, auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. Wer die Verhältnisse im Landkreis Parsberg, in dem das genannte Räumungsgebiet liegt, persönlich kennt, wird mir beipflichten, wenn ich dem Hause erkläre, daß bereits die allergrößten Schwierigkeiten entstanden sind und daß es unmöglich ist, das gesamte Gebiet bis zum 15. November zu räumen. Die Gesamtzahl der von der Beschlagnahme betroffenen Personen beträgt annähernd 4000; davon sind fast ein Drittel Heimatvertriebene.
    Ich darf mir für die heimatvertriebenen Siedler ein Wort erlauben, die in Nainhof, 15 km von Pars-berg und etwa 2 km von der Gemeinde Hohenfels entfernt, in einem Ausweichdurchgangslager leben. Diese Siedler, von denen der größte Teil früher selbst Höfe und Bauerngüter innehatte, haben sich in sauberen, freundlichen Baracken und unter größtem persönlichen Fleiß in jahrelanger, unvorstellbar harter Arbeit eine neue Heimat geschaffen. Keine der Siedlungen in dieser Gegend hatte Wasser und Licht. Trotzdem haben es diese Siedlerbauern in den letzten beiden Jahren vermocht, dem Boden eine gute Ernte abzuringen. Mir gegenüber hat man in Briefen verbittert erklärt, daß manche Flüchtlingsbauern nun zum dritten und zum vierten Male die Heimat verlieren und irgendwo anders wieder von vorne anfangen müssen.
    Ich verhehle nicht, daß die Stimmung unter den zur Absiedlung kommenden Familien sehr gedrückt und sehr gespannt ist, zumal sich herausgestellt hat, daß Versprechen gegeben wurden, die einfach nicht eingelöst wurden. Meines Erachtens hätte man sofort nach der Beschlagnahme des Gebietes Hohenfels die Arbeiten der einzelnen zuständigen Behörden und Ministerien koordinieren sollen, um klare Rechtsverhältnisse zu schaffen. Es soll nicht verkannt werden, unter welch schwierigen Verhältnissen bayerische Ministerien und das Bundesfinanzministerium die drängenden Probleme zu lösen versuchen. Ich kann aber nicht verschweigen, daß sich die aus den Kreisen der Umsiedler vorgebrachten Klagen und Beschwerden als berechtigt erwiesen haben.
    Im bayerischen Landtag wurde vor kurzem durch eine Interpellation des Kollegen Dr. Schedl der gesamte Fragenkomplex behandelt, den ich Ihnen hier, meine Damen und Herren, vortrage. Meines Erachtens liegen die Schwierigkeiten darin, daß viele Planungen vor lauter bürokratischen Rückfragen nicht zur Durchführung kommen können. So hat man z. B. den bayerischen Landesbehörden die weniger wichtigen Fragen der Umsiedlung aufgebürdet, während über das wichtigste und das schwierigste Problem, nämlich über das der Bereitstellung der notwendigen Gelder, ausschließlich in Bonn entschieden werden soll.
    Der bayerische Bauernverband für denRegierungsbezirk Oberpfalz hat sich als Berufsorganisation für die bäuerlichen Umsiedler eingeschaltet; ebenso hat es die Handwerkskammer Oberpfalz für die Fragen der geschädigten Gewerbetreibenden getan. Die Schwierigkeiten, die sich der Räumung entgegenstellen, sind teilweise aus dem Umstand zu erklären, daß der Großteil der umzusiedelnden Bauern kleine Landwirte sind und daß der oberpfälzische Bauer und Landwirt aus seiner angestamm-


    (Kahn)

    ten Treue zur Heimat und zu seinem kargen Besitz eben dieses Stück Heimat nicht eher verlassen will, bevor er eine neue Bauernstelle oder ein neues Bauernanwesen erhalten hat. Diese Einstellung, diese Mentalität, die dem guten Sinn unseres Bauernstandes entspringt, kann man nur restlos bejahen und billigen.
    Zu alledem kommt noch, daß in dem 183 qkm großen beschlagnahmten Raum seit Wochen die gesamten Leichenfledderer von Holzgroßhändlern am Werke sind. Schätzungsweise — ich muß dies hier auch anführen — kommen 80 000 Festmeter schlagbares Holz aus diesem Gebiet. Eine ganz ungesunde Hochkonjunktur für Holzaufkäufer und Holzmakler ist die Begleiterscheinung der Räumung. Es sind aber nur 4 % der Bauern, die in den Besitz eines übermäßigen Gewinnes aus dieser Holzinflation gelangen. Man darf Einzelfälle eines ungesunden, raschen Reichwerdens nicht auf die Vielzahl der übrigen Angehörigen der betroffenen Bevölkerung übertragen.
    Über all den Vorgängen lagert die geheime Propaganda der Kommunistischen Partei,

    (Zuruf von der KPD: Ach nee!)

    die von Haus zu Haus geht, um sogenannte Volksbefragungen zu veranstalten. Ihre hetzerischen Flugblätter tragen als Verantwortungsvermerk die Unterschriften des Bundestagsabgeordneten Fisch

    (lebhafte Zurufe von der KPD)

    und des Herrn Scheringer von der bayerischen KPD.

    (Lachen und Zurufe bei der KPD.)

    Ich mache die Bundesregierung und das Hohe Haus besonders auf diese Vorgänge aufmerksam. Leider muß festgestellt werden, daß sich durch kommunistische Einflüsse und Propaganda die Unzufriedenheit bei der betroffenen Bevölkerung verstärkt.
    Und nun zur wichtigsten Frage, der finanziellen Abfindung. Der von mir und meinen politischen Freunden gestellte Antrag sieht vor, daß die Bundesregierung zunächst durch eine Sofortbevorschussung für das betroffene Gebiet in Höhe von 20 Millionen DM die Durchführung und die Abwicklung ermöglicht. Die Bauern erhalten zunächst den Einheitswert ihres Anwesens in Form eines Vorschusses. Es ist aber fast unmöglich, namentlich bei den kleineren Besitzern, heute um den Einheitswert irgendein Anwesen zu erwerben, da alle Angebote diese Einheitssummen wesentlich überschreiten. Der Großteil der Bauern sieht sich daher gezwungen, Winternotquartiere zu beziehen. Nach der Statistik des bayerischen Bauernverbandes müssen mindestens 220 Betriebe mit Vieh und totem Inventar in Notquartiere. Das gleiche gilt für den Ankauf von Anwesen zur Durchführung geschlossener Umsiedlungen. Diese geschlossene Umsiedlung wird bei den vorher geschilderten Zuständen der Zurückdrängung der Privatinitiative die Hauptaufgabe des Staates bilden. Es müssen daher größere Gutsbetriebe zu diesem Zwecke aufgekauft werden. Derartige Großbetriebe stünden zur Verfügung, wenn neben der Beseitigung der auf Grund der Bodenreformgesetze entgegenstehenden Schwierigkeiten die finanzielle Frage gelöst wäre. Daß diese großen Güter nicht zum Einheitswert oder zum Bodenreformgesetzwert zu kaufen sind, bedarf keines Beweises. Es müssen auch hier entsprechende Geldmittel bereitstehen, damit nach der Verbriefung und der
    Eintragung im Grundbuch die Bezahlung sofort erfolgen kann. Außerdem muß nach dem Guts-kauf — und möglichst schon vorher — mit dem Ankauf von Baumaterial für neu zu errichtende Bauernhöfe mit Scheunen und Stallungen begonnen werden; denn erst nach dem Neubau von Höfen kann der Umsiedler mit der Bewirtschaftung seiner Neubauernstelle beginnen.
    Ich darf wohl annehmen, daß der Herr Bundesfinanzminister Schäffer den bayerischen Behörden die in unserem Antrag geforderte Summe zur Verfügung stellt und daß sich nach der Bereitstellung dieser Summe die volle Räumung dieses Gebietes trotz vieler und großer Schwierigkeiten, die noch auftauchen werden, ermöglichen läßt. Der bäuerlichen Bevölkerung im Landkreis Parsberg würde dadurch eine Unsumme von Angst und Sorge erspart werden. Diese Menschen sehen den Winter vor der Tür und hören nur das harte Wort: die Räumung muß bis zum 15. November vollzogen sein. Alle Versuche, diesen Schlußtermin hinauszuschieben, sind bis jetzt leider gescheitert.

    (Unruhe.)

    Meine Damen und Herren, die Beratung dieses Punktes der Tagesordnung gibt Ihnen einen Überblick über die Räumung eines Stückes bayerischer Heimaterde und deutschen Landes. Das ostbayerische Gebiet der Oberpfalz, in seinen weitesten Teilen wirtschaftliches Notstandsgebiet, hat neben dem Raum für den großen Truppenübungsplatz Grafenwöhr nun nochmals erhebliche

    (Andauernde große Unruhe.)

    Gebietsteile abgeben müssen. Es wird wohl niemand hier in diesem Hause sein, der nicht mit aufrichtigem Ernst und mit berechtigter Sorge diesen Verlust deutschen Landes hinnimmt.

    (Glocke des Präsidenten.)