Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist heute das zweite Mal, daß das Hohe Haus in voller Öffentlichkeit zu dem Problem der sogenannten Deutschen Dienstgruppen bei den Besatzungsmächten Stellung nimmt. Einen kleinen Fortschritt können wir begrüßen. Als wir uns das letzte Mal anläßlich einer sozialdemokratischen Interpellation über dieses Thema hier unterhielten, wurde die Interpellation von dem Herrn Staatssekretär des Bundesministers der Finanzen beantwortet, und im übrigen war die Ministerbank leer. Heute behandeln wir dieses Thema dort, wo es hingehört. Wir behandeln es bei dem Haushalt eines politischen Ministeriums, beim Haushalt des Außenministeriums. Der Herr Bundeskanzler ist anwesend und kann endlich einmal von der politischen Bedeutung Kenntnis nehmen, die jedenfalls wir — ich hoffe aber auch, Sie alle miteinander — dieser Frage zumessen. Insofern begrüße ich den Fortschritt, der darin liegt, daß wir die Frage jetzt auf die politische Ebene gebracht haben.
Niemand von uns leugnet, daß die Anwesenheit der Besatzungstruppen in Deutschland zwangsläufig einen erheblichen Bedarf an Arbeitskräften mit sich bringt. Niemand von uns leugnet, daß es billiger ist, wenn diese Arbeitskräfte Deutsche sind und nicht auch noch fremde Staatsangehörige, die vielleicht noch mit ihren Familien nach Deutschland kommen und hier aus dem Konto der Besatzungskosten unterhalten werden müssen. Das alles wird nicht bestritten. Wenn wir schon einmal
davon hören, daß die Besatzungstruppen in Deutschland keine reinen Besatzungstruppen mehr seien, sondern auch einen Sicherheitsfaktor für die Bundesrepublik darstellten, dann müssen wir auch zugeben, daß es selbstverständlich besser ist, wenn bei diesen Besatzungstruppen möglichst viel Kombattanten und möglichst wenig Hilfskräfte anderer, untergeordneter Art sind. Es ist also durchaus verständlich, daß sich die Besatzungstruppen für einfache Hilfsleistungen Deutscher bedienen.
Aber in welcher Form? Warum muß der Chauffeur, warum muß der Mann, der in einem Lebensmittellager Mehl abwiegt, warum muß derjenige, der Transporte ausführt, nun unbedingt in die Form einer echten militärischen Hilfstruppe gekleidet werden? Es hat doch bisher bei den Besatzungsmächten Dienstleistungen in einem zivilen Arbeitsverhältnis gegeben. Warum hat man das, beginnend in der amerikanischen Zone, übergreifend auf die englische Zone und neuerdings auch in der französischen Zone, von Grund auf geändert?
Es handelt sich bei dem Dienstpersonal der Besatzungsmächte — ich spreche hier nicht von den Köchen und von den Stubenmädchen, sondern es handelt sich um ganz andere Formationen — in Wahrheit nicht um eine echte Freiwilligkeit. Es handelt sich um die Ausbeutung der sozialen Notlage von Heimatvertriebenen, von Menschen in zahlreichen deutschen Gebieten, die sonst der Arbeitslosigkeit anheimfallen würden. Dann gibt es ja noch kluge deutsche Behörden, die demjenigen, der zu einer solchen Truppe vermittelt wird, die Arbeitslosenunterstützung entziehen, wenn er diesen Arbeitsplatz nicht annimmt.
Dann gibt es noch Behörden, die der Meinung sind, daß man die Zahlung der Arbeitslosenunterstützung verweigern kann, wenn jemand nach Aufklärung über den echten Charakter der Dienstgruppe, der er jetzt angehört, sagt: Unter diesen Umständen bin ich kein ziviler Arbeiter mehr; zu einer militärischen Dienstleistung fühle ich mich weder verpflichtet noch berechtigt; ich quittiere den Dienst. Dann heißt es: Nach § 93 AVAVG steht unter diesen Umständen dem Mann kein Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung zu.
Herr Bundeskanzler, das ist die Meinung, die der zuständige Sachbearbeiter des Bundesarbeitsministeriums vertritt,
ganz im Gegensatz etwa zu den ausgezeichneten Darlegungen des Sozialministers in Niedersachsen, der schon längst zu der Erkenntnis gekommen ist und sie durch die Arbeitsämter praktizieren läßt, daß es in diesen Fällen keine Sperrfrist gibt und der Betreffende den Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung wahrt. Ich darf daran erinnern, daß die Dinge auch in der französischen Zone jetzt sehr aktuell werden. Der Rechtspflegeausschuß des Landtags des Landes Baden, eines Landes, von dem der Herr Bundeskanzler nicht behaupten kann, daß es etwa von den Freunden der Sozialdemokratischen Partei regiert würde, hat einen Beschluß gefaßt, der sehr interessant ist. In diesem Beschluß wird die Regierung ersucht, dafür zu sorgen, daß die Arbeitsämter künftig keine Arbeitsuchenden als kasernierte Arbeitskräfte für den Einsatz im ahmen militärischer Maßnahmen vermitteln.
Die soziale Stellung der in Frage kommenden Deutschen ist völlig ungeklärt. Es gibt keinen ausreichenden Schutz bei einem Unfall, bei einem Todesfall; es gibt keinen Schutz gegen Ansprüche, die aus Haftpflicht entstehen können. Schließlich handelt es sich eben entgegen der Darstellung, die manchmal gegeben wird, bei diesen Einheiten nicht um eine reine Wach- und Schließgesellschaft.
Ich gebe zu, es ist örtlich verschieden, und nicht nur örtlich, sondern auch innerhalb der Besatzungszonen. Es handelt sich hier um Einheiten, die nach den verschiedensten Grundsätzen regiert und verwaltet werden. Aber im allgemeinen handelt es sich um kasernierte Formationen unter deutschen Offizieren mit nach Zonen sehr stark wechselndem Drill, mit Unterstellung unter die Militärgerichtsbarkeit der betreffenden Besatzungsmacht und sogar mit Teilnahme an Manövern.
Wir haben schon einmal über die Manöverfrage gesprochen. Inzwischen ist aber noch etwas mehr passiert als damals jenes entzückende Intermezzo, als die Amerikaner die Deutschen Dienstgruppen so lobten, weil sie als Teilnehmer an einem solchen Manöver das feindliche Hauptquartier gefangengenommen hatten.
Viel ernster ist die Frage der völkerrechtlichen Stellung der Angehörigen dieser Dienstgruppen. Der englische Kriegsminister Strachey hat am 17. Juni im Unterhaus ausdrücklich versichert, daß die Angehörigen dieser Dienstgruppen im Kriegsfall Teil der englischen Armee sein würden.
Vielleicht ist es für das Haus nicht uninteressant, wenn ich einige Teile einer anläßlich der letzten alliierten Manöver in Deutschland erschienenen AP-Meldung — AP ist bekanntlich keine rein deutsche Agentur — aus Bonn vom 18. August zitiere. Sie wirft ein sehr deutliches Schlaglicht auf die Verhältnisse, von denen wir sprechen. Es heißt darin:
1. Mitte September werden 20 000 uniformierte deutsche „Zivilsoldaten" zusammen mit Truppenkontingenten der Besatzungsmacht 'und anderer europäischer Länder zu den größten auf deutschem Boden abgehaltenen Nachkriegsmanövern ins Feld ziehen. Die deutschen „Zivilsoldaten" sind Angehörige der bei der englischen Besatzungsmacht beschäftigten
Deutschen Dienstgruppen , die nach Mitteilung britischer Stabsoffiziere zum erstenmal eine entscheidende operative Rolle in den kommenden Manövern übernehmen werden.
— Das alles ist nicht von mir; es steht alles in der AP-Meldung! —Die deutschen Diensteinheiten werden nicht unmittelbar an den eigentlichen Manöverkämpfen teilnehmen, aber für den gesamten Nachschub der britischen Streitkräfte verantwortlich sein. Sie werden ferner in Form von Pioniereinheiten für das Übersetzen von Truppen und Fahrzeugen über Flüsse und für die rechtzeitige Bereitstellung und Versorgung der Truppen mit Munition Sorge tragen müssen. Diese Tätigkeit wird die deutschen
Einheiten zuweilen „ in direkte Berührung mit dem Feind" bringen, wurde von britischer Seite erklärt.
Was heute in einem Manöver gespielt wird, kann unter Umständen später einmal blutiger Ernst sein. Man muß sich also beizeiten über die rechtlichen Konsequenzen eines solchen Einbaues, eines solchen Anhängens an bestimmte kämpfende Einheiten im klaren sein.
Nun zurück zu der Meldung. Ich würde mich freuen, wenn der Herr Bundeskanzler bei diesem Thema trotz seiner dringlichen Abhaltungen anwesend bleiben könnte.
In der Meldung heißt es weiter:
Es wird in Kreisen des britischen Oberkommandos angenommen, daß die deutschen Dienstgruppen im Fall eines Kriegsausbruchs bei den britischen Truppen weiter dienen sollen. Sie würden in diesem Falle wahrscheinlich durch eine Proklamation des englischen Königs zu Angehörigen der britischen Streitkräfte erklärt werden.
Das deckt sich wörtlich mit dem, was der englische Kriegsminister im Unterhaus versichert hat.
Natürlich kam prompt auf diese Meldung ein Dementi, ein Dementi der dpa vom 20. August. Aber dieses Dementi ist keines. Man muß es genau lesen. Es bestreitet nur die Zahl von 20 000 Beteiligten. Alles übrige wird in diesem Dementi nicht bestritten. Alles übrige ist also nach der Praxis der Dementiermaschine — die wir alle zu gut kennen, gelegentlich auch einmal bedienen —
in Wirklichkeit wahr. — Sagen Sie doch nicht
„aha"! Wir sind doch alle vom Metier und wissen,
wie es dabei aussieht; wollen wir doch nicht so tun!
— Zu Kochel kann ich Ihnen bei der Gelegenheit auch etwas sagen, weil es gerade sehr aktuell ist. Ich möchte ein ganz offenes Wort mit Ihnen reden. Ihr Kommunisten behandelt Besprechungen mit früheren deutschen Offizieren, wenn sie nicht von Kommunisten geführt werden — wie etwa mit den Generalen Lattmann und Vinzenz Müller —, als eine Art Monopolbruch. Daß Ihnen das wehtut, kann ich verstehen. Im übrigen ist der restliche Teil Ihrer Meldung völlig frei erfunden.
Entweder hat also der Beteiligte, der Ihnen diese Dinge aufgebunden hat, nicht richtig begriffen, was dort gesagt wurde — ich habe nämlich den sozialdemokratischen Standpunkt, der sich völlig mit dem deckt, was ich jetzt sage, dort dargelegt —; dann müssen Sie sich nächstes Mal einen Intelligenteren suchen. Oder aber — die Anwesenden sahen mir gar nicht so dumm aus — er hat doch begriffen, und hat einen richtigen Bericht gemacht — das ist wahrscheinlicher —, und den haben Sie dann in der bei Ihnen bekannten Art von A bis Z völlig verlogen.
Ein Beispiel: Hier unten pflegt sonst der Abgeordnete Dr. Schumacher zu sitzen. In diesem Bericht der kommunistischen Zeitung wird geschildert, daß
der Abgeordnete Schumacher in einem bestimmten Zusammenhang zornbebend aufgesprungen sei. Das soll uns mal mein Kollege Dr. Schumacher hier vorführen! Das nur zur Wahrheit des Inhalts Ihrer Meldung.
— Nein, das kommt noch dazu. Aber wir würden uns alle freuen, lieber Freund Schumacher, wenn Sie aufspringen könnten.
Doch nun zurück zu dem eigentlichen Thema. Ich habe bei dieser Gelegenheit einmal eine Ente abschießen müssen. Wir sind der Meinung, nach dem Sachverhalt ist es mindestens erforderlich, daß den Angehörigen der Dienstgruppen für irgendwelche Notfälle ein außerordentliches Kündigungsrecht gewährt wird. Das steht in den Verträgen nicht drin. In einer Antwort vom 6. März 1951, die die Unterschrift des Herrn Bundeskanzlers selbst trägt, auf eine Anfrage der sozialdemokratischen Fraktion, ob die Angehörigen der Dienstgruppen auch Befehle gegen deutsche Gesetze ausführen müßten, heißt es wörtlich:
Es sind ganz allgemein und nicht nur beschränkt auf die Angehörigen der GSO Fälle denkbar, in denen ein Befehl der Besatzungsmächte im Gegensatz zu einem deutschen Gesetz steht oder bei einem deutschen Staatsangehörigen zu Gewissenskonflikten führen könnte. Würde die Ausführung eines solchen Befehls verweigert,
— und das bezieht sich nun eindeutig auf die Angehörigen der Dienstgruppen —
so könnten die Besatzungsgerichte auf Grund von Art. 3 Ziffer 13 des Gesetzes Nr. 14 der Alliierten Hohen Kommission die Beschäftigten zur strafrechtlichen Verantwortung ziehen.
Das bedeutet, sie müssen die Befehle der Alliierten auch dann ausführen, wenn sie im Widerspruch zum deutschen Gesetz und zum deutschen Grundgesetz stehen.
All das, was ich Ihnen eben gesagt habe, beweist doch nur, daß es sich hierbei um eine hochpolitische Frage handelt, um eine Frage, die in Gegenwart des Herrn Kanzlers erörtert werden muß — ich freue mich, daß er meiner freundlichen Einladung Folge geleistet hat —, daß auf keinen Fall der Bundesfinanzminister und noch weniger sein Staatssekretär vom Standpunkt der Besatzungskostenersparnis aus diese Dinge weiterbehandeln darf. Es handelt sich in Wahrheit um nicht mehr und nicht weniger als einen stillschweigend von den Alliierten hinter dem Rücken des Bundestags in Deutschland vorexerzierten Vorgriff auf einen Verteidigungsbeitrag ohne deutsche Mitwirkung.
Dem muß man ein Ende setzen. Wenn die Alliierten der Meinung sind, die Deutschen hätten ais Folge des verlorenen und vielleicht nicht ganz unschuldig begonnenen Krieges Reparationen in Menschen zu leisten, dann sollen sie uns das ehrlich sagen, aber nicht in einer anderen Sprache ganz andere Dinge mit uns hier bereden und in Wirklichkeit das Gegenteil tun. Wir können es nicht zulassen, daß es hier auf deutschem Boden wider den Willen der Betreffenden eine Art Fremdenlegionäre gibt. Die Menschen selbst wollen das nicht sein. Sie sind sich der Zwie-
spältigkeit und Zwielichtigkeit ihrer Lage wohl bewußt. Sie hoffen darauf, daß der Bundestag in dieser Frage endlich Klarheit schafft und dafür sorgt, daß sie in ein normales Arbeitsverhältnis übergeführt werden.
Vielleicht gibt uns der Herr Bundeskanzler freundlicherweise einmal Aufklärung darüber, ob es zutrifft, daß die Alliierten als Vorbedingung für die Erleichterung des Besatzungsstatuts die Einräumung des Rechtes auf Aufstellung und Unterhaltung deutscher Dienstgruppen verlangt haben. Das ist — ich stelle es mit Befriedigung fest — nach Auskunft des Herrn Bundeskanzlers nicht wahr. Aber in Besprechungen mit Persönlichkeiten, die ihm nicht sehr ferne stehen, wurde diese Version jedenfalls bisher gegeben. Ich glaube, daß man hier von Anfang an durch ein Wort in voller Öffentlichkeit
allen derartigen Bemühungen einen Riegel vorschieben muß.
Es geht nicht an, die Frage der Dienstgruppen und
ihrer Tolerierung als Voraussetzung für etwaige
Erleichterungen des Besatzungsstatuts hinzustellen.
Hier muß die Bundesregierung politisch handeln, und nicht nur bei den Fragen der Besatzungskosten. Dort ist ein ganz anderer Komplex zu klären. In der „Welt" vom 22. September 1951 stand eine schöne Meldung. Da hieß es u. a., daß Überweisungsscheine für die französische Fremdenlegion den Briefkopf der Hochkommission tragen, daß die Fahrscheine in das betreffende Lager und das Werbelager selbst auf Besatzungsrechnung gingen. Vielleicht interessiert sich so nebenher einmal der Herr Bundesfinanzminister für diese merkwürdige Belastung seines Besatzungskostenhaushalts zugunsten der dann noch dazu im Ausland eingesetzten französischen Fremdenlegion.
Aber zurück zu den Dienstgruppen! Ich habe also gesagt, es ist eine politische Frage, nicht nur eine Frage — so notwendig das auch ist — der sozialen Verteidigung der dort tätigen deutschen Menschen. Die Gewerkschaften, die ja doch immerhin in der Wahrnehmung der sozialen Interessen außerordentlich rührig sind, sind der gleichen Meinung, daß die Frage der Dienstgruppen zunächst politisch geklärt werden muß. Sie halten alle Arbeiten zur Einzelrevision der Arbeitsverträge für vollkommen sinnlos, weil die jetzigen Verträge im Prinzip falsch sind, weil sie keine echten Arbeitsverträge, sondern praktisch Einberufungen in den Dienst einer fremden Armee sind. Erst müssen die politischen Fragen geklärt werden. Die deutschen Länder sind zur Überraschung des Herrn Bundesfinanzministers der gleichen Meinung. In Königswinter hat am 25. September 1951 mit den beteiligten Ländern eine Konferenz stattgefunden. Dort haben die Länder erklärt, daß sie hinsichtlich der politischen Klärung des Sachverhalts und der rechtlichen Stellung der Dienstgruppen eine gemeinsame Erklärung mit dem Bundesfinanzminister wünschten. Zu meinem Bedauern habe ich bisher nicht erfahren, daß der Herr Bundesfinanzminister überhaupt auf diese Anregung der Gewerkschaften und der Länder eingegangen ist.
Die Gewerkschaften jedenfalls haben bisher keine Antwort auf die dort vorgebrachten Anregungen erhalten. Im Sinne unseres Antrags wäre die natürliche Lösung der Einbeziehung der für echte
zivile Hilfsdienste verwendeten Angehörigen der Dienstgruppen in Kollektivverträge richtig, die es j a auch für die sonstigen Beschäftigten bei den Besatzungstruppen gibt. Warum zweierlei Art von Verträgen? Maßgebend hätte das deutsche Arbeitsrecht zu sein. Keine alliierte Militärdienststrafgewalt dürfte hier Ausnahmen von der deutschen Rechtsprechung im Falle des Vorkommens von irgendwelchen Delikten vorsehen. Die militärischen Formationen, in denen die Dienstgruppen heute zusammengefaßt sind, hätten aufgelöst zu werden, damit ein normales ziviles Arbeitsverhältnis daraus wird. Der Bundesregierung ist vielleicht eine solche Auflösung der militärischen Formationen nicht ganz erwünscht. Ich kann mir das vorstellen. Es gibt nämlich dort auch wieder merkwürdige Anregungen an einige der jetzigen Befehlshaber der Dienstgruppen, bei denen man durchblicken ließ, daß vielleicht bei künftigen deutschen Verbänden eine Übernahme der Männer in diese Dienste erwogen werden könnte.
Gerade um all dieser Fragen willen fordern wir unter Punkt 3 unseres Antrags, dem Sie durch die Art der Behandlung erfreulicherweise praktisch ja schon zugestimmt haben, daß die politischen Fragen aus dem Finanzministerium herausgelöst werden. Aber dabei habe ich eine Bitte: übertragen Sie diese Fragen nun um Gottes willen nicht Herrn Matzky im Innenministerium. Dann kommen wir nämlich vom Regen in die Traufe. Diese personelle Verflechtung mit dem Bundesgrenzschutz, die sich jetzt dadurch zeigt, daß der bisherige Befehlshaber der Dienstgruppen in der amerikanischen Zone nun ausgerechnet noch Grenzschutzinspekteur geworden ist, ist höchst unerwünscht, weil das beide Organisationen erneut ins Zwielicht oder vielleicht sogar ins Dunkel bringt. Die deutschen Führungskräfte in der amerikanischen Besatzungszone sind in das US-Kommando ziemlich eindeutig eingebaut. Sie befinden sich dort in einer ziemlich starken Abhängigkeit. Aber diese Abhängigkeit darf uns nicht hindern, frei zu entscheiden, was wir für richtig halten. Die politischen Fragen müssen bei einer deutschen politischen Stelle in einem deutschen Ministerium frei von einer jeden derartigen früheren Bindung auch des betreffenden Sachbearbeiters entschieden werden.
Weil das Interesse der Öffentlichkeit an dem Wortlaut unseres Antrags sicher ziemlich groß ist, möchte ich Sie daher bitten, dem Antrag in unserer Fassung zuzustimmen, wonach die Bundesregierung ersucht wird,
1. bei den Hohen Kommissaren darauf hinzuwirken, daß
a) Deutsche bei den Besatzungsmächten nicht zum Dienst mit der Waffe herangezogen werden,
b) Deutsche bei den Besatzungsmächten nur in einem normalen Arbeitsverhältnis tätig sein können,
c) die deutschen Arbeitskräfte bei den Besatzungsmächten nicht zu militärähnlichen Formationen zusammengefaßt werden;
2. den Hohen Kommissaren zu eröffnen, daß eine Aufstellung bewaffneter deutscher Einheiten nur auf dem Wege der ordentlichen deutschen Gesetzgebung möglich ist
und ein Abweichen der Hohen Kommissare von diesem Rechtsstandpunkt nicht hingenommen wird;
3. dafür zu sorgen,
— was Sie praktisch schon getan haben —
daß die politischen Fragen der Dienstgruppen aus der Zuständigkeit des Bundesministeriums der Finanzen herausgelöst werden,
4. dem Bundestag über die ergriffenen Maßnah- men und ihre Auswirkungen bis zum 1. Dezember 1951 zu berichten.
Wir hoffen alle miteinander, daß die Bundesregierung auf diesem wichtigen Gebiet endlich ihre mir vollkommen unverständliche Passivität aufgibt und nun nach der Annahme dieses Antrags h a n d e 1 t. Das liegt nicht nur im Interesse der Männer bei den Dienstgruppen, sondern auch im Interesse einer sauberen Haltung gegenüber den Alliierten. Man muß, wenn man über A verhandelt, wissen, daß man A meint und nicht B. Man muß, wenn man zivile Dinge bespricht, auch wirklich zivile Dinge entscheiden und nicht den Verteidigungsbeitrag. Und wenn man den Verteidigungsbeitrag diskutiert, dann muß man wissen, daß es darum geht, und darf nicht etwa über die Hintertür, über den Besatzungskostenhaushalt, aus einer Armee von Köchinnen und Chauffeuren, wie sich der Laie das vorstellt, in Wahrheit eine bewaffnete Streitmacht machen. Das dürfen wir nicht zulassen.
Ich bitte Sie daher um die Annahme unseres Antrags.