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    Deutscher Bundestag — 168. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 16. Oktober 1951 6871 168. Sitzung Bonn, Dienstag, den 16. Oktober 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 6872C, 6898D Zustimmung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz betr. Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 6872D Anfrage Nr. 208 der Fraktion der SPD betr Behebung der durch den Bau der Autobahn zwischen Grünstadt und Frankenthal entstandenen Schäden (Nrn. 2623, 2673 der Drucksachen) 6872D Anfrage Nr. 214 der Zentrumsfraktion betr Steuererklärungen zur Einkommensteuer und Heranziehung zur Körperschaftsteuer (Nm. 2641, 2688 der Drucksachen) . . . . 6873A Bericht des Bundesministers der Finanzen betr. Geschäftsbericht sowie Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung der Überleitungsstelle für das Branntweinmonopol für das Rumpfgeschäftsjahr vom 1. April bis zum 30. September 1950 (Nr. 2682 der Drucksachen) 6873A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Fernmeldevertrag Atlantic City 1947 (Nr. 2595 der Drucksachen) 6873A Ausschußüberweisung 6873A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts (Nr. 2504 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) (Nr. 2660 der Drucksachen; Anträge Umdrucke Nrn. 330, 331, 332) 6873A Miessner (FPD): als Berichterstatter 6873B als Abgeordneter 6877C Mellies (SPD): zur Geschäftsordnung 6875B zur Sache 6877A, 6887B, 6889A Dr. Kather (CDU) 6875C, 6877B Tichi (BHE-DG) (zur Geschäftsordnung) 6876C Gundelach (KPD) . . . . 6878A, D, 6881C, 6882C, 6887D Böhm (SPD) 6878A, 6881A Dr. Kleindinst (CSU) 6878B Farke (DP) 6879A Dr. Wuermeling (CDU): zur Sache 6879B, 6884B, 6888D zur Geschäftsordnung . . . . 6887A, D Pannenbecker (Z) 6882B Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 6882D 6888C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 6883C Bausch (CDU) 6884A, 6886A von Thadden (Fraktionslos) 6885B Fisch (KPD) 6885C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . 6886C Euler (FDP): 6887C Abstimmungen 6878A, B, 6881B, 6882A, 6888A, C, 6889A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Handelsabkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Königlich Ägyptischen Regierung (Nr. 2410 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr. 2661 der Drucksachen; Umdruck Nr. 302) 6889B Freudenberg (FDP-Hosp.), Berichterstatter 6889B Beschlußfassung 6889C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Handelsvertrag vom 2. Februar 1951 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Chile (Nr. 2534 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr. 2662 der Drucksachen): Beratung abgesetzt 6889B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über internationale Vereinbarungen auf dem Gebiete des Zollwesens (Nr. 2519 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr 2663 der Drucksachen) 6889D Freudenberg (FDP-Hosp.), Bericht- erstatter 6890A Beschlußfassung 6390A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 (Nr. 2500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan IV — Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts (Nr. 2603 der Drucksachen) in Verbindung mit Einzelplan IVa — Haushalt des Auswärtigen Amts (Nr. 2604 der Drucksachen) ferner in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Wegnahme der bundeseigenen, im Auslande gelegenen Dienstgebäude des ehemaligen Auswärtigen Dienstes (Nr. 2468 der Drucksachen; Umdruck Nr. 329), der Beratung des Antrags der Fraktion der BP betr. Beschlagnahme deutschen Auslandsvermögens (Nr. 2549 der Drucksachen), der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Ungehinderter Verkehr mit den politischen Gefangenen der Besatzungsmächte (Nr. 2563 der Drucksachen), der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten (Nr. 2577 der Drucksachen), sowie der Beratung des Antrags der Abg. Kahn, Dr. Solleder, Dr. Schatz u. Gen. betr. Räumung des von der amerikanischen Besatzungsbehörde beschlagnahmten Raumes Hohenfels und Umgebung (Oberpfalz) (Nr. 2597 der Drucksachen, Umdrucke Nrn. 333, 334); im Zusammenhang damit: Erklärung der Bundesregierung (Ergebnis der von der Bundesregierung bei den Alliierten unternommenen Schritte betr. Wiederherstellung der deutschen Einheit und gesamtdeutsche Wahlen) . . 6890B, 6915D zur Sache: Dr. Blank (Oberhausen) (FDP), Berichterstatter 6890D Dr. Adenauer, Bundeskanzler 6892B, 6894B, 6905B, 6931A, 6946A zur Geschäftsordnung bzw. zur Abstimmung: Mellies (SPD) . . . . 6893D, 6896A, 6898C Renner (KPD) 6894C Euler (FDP) 6895B, 6896D Dr. Tillmanns (CDU) 6895D Kunze (CDU) 6896C von Thadden (Fraktionslos) 6897A Dr. Hasemann (FDP) 6897B Dr. von Merkatz (DP) 6897C Dr. Richter (Niedersachsen) (Fraktionslos) 6897D Dr. von Brentano (CDU; 6898A Ewers (DP) . . . . . . . . . . . 6898B Dr. Ehlers (CDU) 6898D zur Sache: Fisch (KPD) 6899A Ollenhauer (SPD) . . 6901B, 6945C, 6952A Dr. Reismann (Z) 6905C, 6940C Ewers (DP) 6907A Dr. Wuermeling (CDU) 6909A Dr. Schäfer (FDP) 6911C von Thadden (Fraktionslos) 6913C Dr. Richter (Niedersachsen) (Fraktionslos) 6914D Dr. von Merkatz (DP), Antragsteller 6916A, 6953D Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Antragsteller 6916B Erler (SPD), Antragsteller 691'7D Kahn (CDU), Antragsteller 6921B Dr. Meitinger (BP), Antragsteller . 6923A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 6923D Dr. Luetkens (SPD) 6925C Euler (FDP) 6933C Dr. Pfleiderer (FDP) 6934C Dr. von Brentano (CDU) . . 6943C, 6953B Fürst zu Oettingen-Wallerstein (BP) 6944C Renner (KPD) 6946C von Thadden (Fraktionslos) 6950A Kohl (Stuttgart) (KPD) 6951D Abstimmungen 6815C, 6954A Nächste Sitzung 6954C Die Sitzung wird um 13 Uhr 30 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Hermann Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt, haben wir heute abend schon mehrfach vernommen. Ich unterliege trotzdem nicht der Versuchung, sämtliche denkbaren Richtlinien einer langen Erörterung zu unterziehen, sondern beschränke mich darauf, einige Bemerkungen über gewisse Grundzüge der Politik, die diesen Richtlinien zugrunde liegen, zu machen. Ich muß mich in diesem Zusammenhang mit den Dingen beschäftigen, die zunächst einmal von denen hier vorgetragen worden sind, die mit den Richtlinien nicht einverstanden waren oder die ihnen eine Deutung gegeben haben, die mir mit den Absichten der Koalition — insbesondere nicht mit den Ansichten und Absichten meiner Freunde — übereinstimmend scheinen.
    Meine Damen und Herren, neidlos stelle ich fest: Es ist wesentlich angenehmer, oppositionell zu sprechen; denn man hat ja die Möglichkeit, sich über alle Dinge auszulassen und selbstgefällig immer wieder festzustellen, daß dies oder jenes nicht geschehen ist. Man kann dabei wundervoll auf das etwas flüchtige Gedächtnis der Menschen speku- lieren. Viele haben heute vergessen, daß die Weltgeschichte nicht etwa 1945 oder gar mit der Gründung der Bundesrepublik angefangen hat und daß eben diese Bundesrepublik aus einer von vielen offenbar nicht mehr als aktuell empfundenen Vergangenheit Dinge hat übernehmen müssen und mit sich schleppen muß, die das Regierungsgeschäft weiß Gott sehr mühsam und sehr schwer machen. Ich glaube, das ist einmal in den Vordergrund zu rücken; j a, einige schlechte Gedächtnisse wieder an diese Tatsachen zu erinnern, scheint mir notwendig zu sein. Vor allen Dingen ist hervorzuheben, daß es im allgemeinen doch nicht zur wirtschaftlichen Einsicht gehört, den Konkursverwalter für Schäden und Mängel verantwortlich zu machen, die einstige Bankerotteure angerichtet haben,

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sehr richtig!)

    also für die Dinge verantwortlich zu machen, die wir heute in Form von Nöten breiter Volkskreise mit uns herumschleppen, aber auch in der Form von Bindungen innerhalb einer gespaltenen Welt, zwischen großen Machtkomplexen im Osten und Westen, die sich in bedrohlicher Weise entzweien und gegeneinanderstellen. Wir stehen als Bundesrepublik dazwischen und müssen mühsam versuchen, für dieses deutsche Volk, das nach dem Zusammenbruch nun gespalten und geschwächt dasteht, allmählich wieder Leben zu gewinnen, ge-


    (Dr. Schäfer)

    wissermaßen Wiederbelebungsversuche zu machen, die Kräfte zu steigern und zu bewirken, daß es wieder schreiten kann.
    Ich will keine konkreten Maßnahmen und Erfolge im einzelnen hier erörtern; aber ist es nicht so, meine Damen und Herren, daß diese Schritte des Staates doch recht kräftig geworden sind, daß dieser Patient doch schon ganz tüchtige Atemzüge macht? Ich verzichte auf Details, aber man sollte dies nicht vergessen!

    (Abg. Renner: Und schon wieder Uniformen und Gewehre bekommen soll!)

    — Nein, nein, Herr Renner, das ist ein völliger Irrtum! Aber ich möchte mich mit Ihnen nicht unterhalten, nachdem der Sprecher, der von Ihrer Fraktion zu diesem Punkte gesprochen hat, mit einer solchen Serie von Auszügen aus dem Schimpfwörterlexikon operierte, daß mir allerdings der Geschmack insbesondere an der aus Ihrer Richtung kommenden Beratungsbereitschaft sehr weitgehend vergangen ist.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Neben der Spekulation auf das schlechte Gedächtnis gibt es nun noch die weitere Methode, Polemik zu machen, indem man die Sachverhalte vereinfacht. Das ist auch so eine schreckliche Sache, die wir übernommen haben: Wir hängen in einer unglaublich komplizierten Situation, in der ungeheuer verflochtene und verzweigte innere und äußere Bedingtheiten zu berücksichtigen sind, ehe man zu einer Entscheidung und zu einem Entschluß kommen kann. Es ist natürlich wundervoll, sich sein Urteil dadurch bequem zu machen, daß man die Flucht in die Vereinfachung antritt, daß man einige Ereignisse oder Erscheinungen des Vordergrundes isoliert betrachtet, sie gleichsam zum archimedischen Punkt befördert, an dem man seine ganze, ach so weltgeschichtliche Oppositionsentscheidung aufhängt. Eine solche Darstellungsweise ist verwerflich; denn sie ist im Grunde unrealistisch. Die Wirklichkeit, meine Damen und Herren, ist kompliziert. Nur wer die Verwickeltheit der Dinge in seine Betrachtungen hineinbezieht und nicht an einzelnen Symptomen herumkuriert, macht eine realistische Politik und stellt auch die Dinge wahrheitsgemäß dar. Eine Erscheinung, die wirklich sein mag, ist, aus dem Zusammenhang gelöst, noch nicht die Wahrheit; sondern die Wahrheit ist immer das Ganze einer Vielgestaltigkeit von Verwicklungen und Erscheinungen.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Eine andere Art der agitatorischen Auseinandersetzung ist eine Polemik in der Weise, daß man gegen Dinge polemisiert, die eigentlich gar nicht vorhanden sind, indem man dem politischen Gegner, in diesem Falle der Bundesregierung, Absichten unterstellt, die gar nicht vorhanden sind. Umso kräftiger zieht man gegen sie vom Leder. Dazu gehörte heute die Geschichte von der Politik der Vorleistungen, obwohl sie nie ausgesprochen, nie gefordert, nie getan worden sind. Dazu gehört die Geschichte *von der Saarerklärung, bei der man aus einer bestimmten Form der Behandlung einer bestimmten Note eine Zustimmung zu einer Auffassung erdichtet, die in einer bestimmten Erklärung der franzöischen Regierung enthalten gewesen ist. Nichts davon ist klar. Darüber aber herrscht doch wohl Klarheit, daß die Außenpolitik etwas Komplizierteres ist als einfach ein spontanes Reagieren auf irgendwelche Äußerungen. Auch in solchen Fragen wie die der Saar ist — ich glaube, in diesem Hause besteht über die Frage der Ansprüche, die , wir zu stellen haben, über die Forderungen und Erwartungen, die immer der Hintergrund unserer Haltung sind, überhaupt keine Meinungsverschiedenheit — der Blick sehr sorgfältig auf die verwickelten Zusammenhänge zu richten, die diese auch an sich einfach erscheinende Angelegenheit verwickelt machen.
    Ferner ist über die mangelnde Koordinierung des Kabinetts, über die mangelnde Koordinierung der Koalitionsparteien gespöttelt worden. Ich habe schon einmal früher an dieser Stelle erklärt, daß ja eine Regierungskoalition schließlich kein gleichgeschalteter Verein ist. In Wirklichkeit ist eine Koalition eine Summe von Individuen, oder man kann — nachdem das Wort von der Opposition in der Koalition gefallen ist — es auch eine Addition von Individualoppositionen nennen. Sie ist zugleich eine Integration, indem nämlich aus einer Reihe von Auseinandersetzungen sich eine bestimmte Einheitlichkeit der Grundauffassungen und der Entscheidungen im Einzelfall herausbildet. Und das ist in fast allen wesentlichen Dingen bisher der Fall gewesen. Und von ihr, meine Damen und Herren, ist doch im Grunde genommen die eigentliche staatliche Entwicklung der Bundesrepublik getragen worden.
    Denn was ist denn unsere Pflicht gewesen, seitdem wir hier zusammengekommen sind? Wir hatten eine ungeheure Fülle von Gesetzen zu machen. Der Staat war ja nicht mit dem Grundgesetz da. Im Grundgesetz waren nur ein paar Aufrisse, nach denen das staatliche Leben sich entwickeln soll. Davon ausgehend mußte die Fülle der konkreten Dinge gemacht werden. Es war nicht an eine Entwicklung der Vergangenheit anzuknüpfen. Es war ganz anders als in Weimar. Da machte man eine Verfassung, fuhr nach Berlin, und im Grunde genommen konnte man sich auf einen vorhandenen Apparat stützen, der weiterging. Hier war das nicht möglich, sondern die Apparatur mußte überhaupt erst errichtet werden. Es mußte eine Fülle von Gesetzen gemacht werden, die die auseinandergelaufene Rechtsentwicklung umkehrte oder anhielt. Es mußte die finanzielle Grundlage und aus ihr die Möglichkeit geschaffen werden, nun mit der Behebung der ungeheuer vielen Nöte und Mängel, die aus der Vergangenheit überkommen waren, zu beginnen. Wenn man die Dinge so sieht und in den geschichtlichen Zusammenhang rückt und dann die weltpolitische Situation würdigt, dann, glaube ich, hat man erst die richtigen Maßstäbe, um zu sagen, ob richtig, ob schlecht oder falsch gehandelt worden ist.
    Es ist hier eben von der Opposition ein Klagelied angestimmt worden, als man sagte: das wäre so schrecklich, daß man sich gar nicht bemühe, die Opposition zu verstehen. — Doch, meine Damen und Herren, wir haben sehr oft versucht, Sie zu verstehen; denn uns lag an diesem Verstehen. Wir waren der Meinung, daß zumindest in den Dingen der Außenpolitik eine gemeinsame Linie sein müßte und daß außenpolitische Maßnahmen und Geschehnisse niemals Gegenstand einer innerpolitischen Rivalität werden dürften. Das ist uns aber nicht möglich gewesen. Sehen Sie einmal: ich habe relativ früh mit politischer Betätigung angefangen und bemühe mich nun jetzt an die 40 Jahre im Sinne einer Demokratisierung des deutschen Lebens. Da haben wir sehr oft diesen Weg auch an der Seite der Sozialdemokraten beschritten. Ich muß Ihnen sagen, meine Damen und Herren, das ist heute in diesem Hause nicht mehr verständlich. Wir haben im Gegenteil das Gefühl, daß viel wichtiger als die


    (Dr. Schäfer)

    Idee der Demokratie bei ihnen der Wille geworden sei, alle Dinge irgendwie machtpolitisch zu sehen,

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien)

    und daß hier aus einem Mißverstehen des Wesens der Macht in der Demokratie Haltungen und Handlungen entstehen, die letzten Endes von einer verhängnisvollen Wirkung für unser gesamtes staatliches Leben sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir sehen j a schon die ersten Wirkungen, indem sich nämlich anknüpfend an dieses Unmaß oppositioneller Kritik nun Bewegungen und Strömungen hervorwagen, die unzweideutig das Zeichen restaurativer Tendenzen an der Stirn tragen. Ich weiß nicht, ob das gut und klug ist, eine Form der innerpolitischen Auseinandersetzung zu betreiben, bei der letzten Endes die Republik in Gefahr gerät. Es kommt nicht nur auf die republikanischen Bekenntnisse an, sondern es kommt auf eine republikanische Haltung an, die aus dem Willen geboren sein muß, den Staatsgedanken höher zu stellen als die parteipolitische Macht.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, das sollte uns auch immer wieder veranlassen, alles zu vermeiden, was letzten Endes unsere Auseinandersetzung unnötig kompliziert. Ich habe eben gesagt: die Gefahr ist, daß man ein paar Details herausgreift und sein Urteil über die ganze Gegenwart an ein paar Äußerlichkeiten orientiert. Aber eine andere Gefahr liegt auch darin, daß man nämlich über unnötige Details redet. Ich glaube, wenn eben noch einmal die Frage angeschnitten worden ist, ob die republikanische oder die monarchistische Staatsform zur Debatte stehe, dann sind wir uns doch alle darüber klar, daß das nur ein Spiel mit Reminiszenzen ist, was bestenfalls dabei herauskommen könnte, aber niemals eine Erkenntnis, die für das deutsche Volk einen aussichtsreichen Weg in die Zukunft darstellt. Darauf kommt es letzten Endes an und nicht auf rückwärtige Orientierung, also auf eine verschiedenartige Vorstellung von dem, was in der Vergangenheit war.
    Es ist überhaupt immer wieder die Gefahr, sich auseinanderzureden, wenn man auf historische Betrachtungen kommt. Nichts ist umstrittener als eine wahrheitsgemäße geschichtliche Darstellung. Man kann nämlich die Ereignisse so wundervoll je nach Bedarf aneinanderreihen und deuten und dann zu diesem oder jenem Ergebnis kommen. Die Historie ist für die praktische Politik ein sehr, sehr fragwürdiges Instrument. Man kann gewisse negative Erfahrungen gelten lassen. Man kann sagen: man wiederholt bestimmte Dummheiten der Vergangenheit nicht. — Schön, meine Damen und Herren; einverstanden! Aber sind wir nicht im Begriff, bestimmte Dummheiten zu wiederholen,

    (Zurufe von der KPD.)

    — ja doch! —, gewisse Töne wieder zu erleben? Da weiß ich nicht, meine Damen und Herren auf der Linken, ob nicht manchmal bei Ihnen die Töne, namentlich wenn sie allmählich einen geradezu chauvinistischen Charakter anzunehmen drohen, auf einem falschen Geschichtsbild, oder wie Sie das nennen wollen, beruhen. Ich habe bisher nicht an die Seelenwanderung geglaubt; aber wenn ich manchmal gewisse Töne aus Ihren Reihen höre, dann habe ich das Gefühl, als wenn etwa der
    unselige Helfferich wieder lebendig geworden sein könnte.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich möchte nur nicht, daß diese Töne und die Zuspitzung der Leidenschaften im innerpolitischen Leben dann wieder zu Ergebnissen führten, die wir schon einmal durchgemacht haben.
    So ergibt sich bei all diesen Betrachtungen hier immer wieder nicht nur die Bewertung der konkreten Details, sondern wir müssen zu gleicher Zeit die Grundzüge der Entwicklung sehen. Wir stehen alle in der Gefahr, uns hier fortgesetzt in Einzelheiten zu verlieren, weil wir täglich zu einer solchen Fülle von praktischen Entscheidungen Stellung nehmen müssen. Aber wir dürfen doch den Blick auf die großen Zusammenhänge nicht verlieren. Meine Freunde und ich sind der Überzeugung, daß wir dann, wenn wir in einer ebenso eigenwüchsigen wie kritischen Beteiligung an dieser Koalition mitwirken, einer Aufwärtsentwicklung des deutschen Volkes dienen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete von Thadden als letzter zu diesem Punkt der Tagesordnung gemeldeter Redner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Adolf von Thadden


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (Fraktionslos)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DRP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es wurde hier mehrfach die Art der Regierung durch den Herrn Bundeskanzler kritisiert. Ich stelle zu meiner Freude fest, daß der Herr Bundeskanzler in seiner ganzen Art, wie er die Dinge macht, absolut konservativ geblieben ist. Als Oberbürgermeister von Köln

    (Zuruf von der Mitte: Da haben Sie ihn noch nicht gekannt!)

    hatte der Herr Bundeskanzler einen Magistrat, der immer das machte, was er wollte, und er hatte außerdem eine absolut sichere Zentrumsmehrheit; in diesem Falle hat er die Regierungskoalition, die letzten Endes trotz gewisser Scheingefechte doch immer noch das macht, was er angibt.

    (Abg. Hilbert: Haben Sie eine Ahnung!)

    Die Art, wie der Herr Bundeskanzler diese Regierungsform „betreibt", nötigt mir schlechthin Hochachtung und Bewunderung ab.

    (Heiterkeit.)

    Dies ändert aber nichts daran, daß manches, was er macht, nun weder meine Hochachtung noch meine Bewunderung finden kann.

    (Zuruf von der Mitte: Das ist schlimm!)

    Meine Damen und Herren! Durch den Herrn Bundeskanzler ist auf die Zeitung als Orientierungsmittel hingewiesen worden. Die Sozialdemokratie wird wenigstens gelegentlich noch durch Herrn McCloy orientiert; ich kann mich nur auf Zeitungen, Kommuniques und ähnliches stützen, wenn ich die Politik des Herrn Bundeskanzlers irgendwie, sei es kritisch oder zustimmend, betrachen will.
    Das Ziel, das der Bundeskanzler zu verfolgen scheint und das zu erreichen er offenbar gewillt ist, sämtliche Rückschläge, die auf ihn zukommen, in Kauf zu nehmen, ist die Eingliederung der Bundesrepublik in die westlichen Gemeinschaften. Mit anderen Worten: Eingliederung der Bundesrepublik in die amerikanische Konzeption der globalen Aufrüstung und Strategie gegenüber Sowjetrußland. Das ist wohl der entscheidende Faktor. Frankreich und England sind da von untergeordneterer Bedeutung.


    (von Thadden)

    Nun, meine Damen und Herren, wenn die Bundesrepublik in diese klare Konzeption Amerikas eingebaut werden soll, dann hat der andere Teil außerdem das Bestreben, uns seinen Zielen nutzbar zu machen. Die Ziele, für die man uns einsetzen möchte, scheinen mir allerdings nicht das unbedingt Richtige für uns zu sein. Der Herr Bundeskanzler hat meines Erachtens im vorigen Jahre, und zwar in den ersten Septembertagen, recht falsch gehandelt, als er — das hatte eine recht erhebliche Kabinettskrise im Gefolge; Herr Kunze, auch wenn Sie sich vor die Brust schlagen, ich muß es sagen! — unseren größten Trumpf, nämlich unser Menschenpotential, vorzeitig ausgespielt hat. Die anderen haben es ihm meines Erachtens auch sehr schlecht gedankt.
    Der Herr Bundeskanzler möchte die deutsche Souveränität haben. Schön; ich habe volles Verständnis auch dafür, daß er aus der Rolle, die er als Bundeskanzler gegenüber den Hohen Kommissaren spielen muß, herauskommen will. Trotzdem aber scheint es mir im Augenblick so zu sein, — —

    (Abg. Euler: Das ist etwas anderes!)

    — gewiß, es ist etwas anderes, aber es sind nur graduelle Unterschiede! —, daß die Souveränität uns nicht gegeben wird; vielleicht eine Scheinsouveränität, bei der wir, anstatt Diktate entgegenzunehmen diktatähnliche Verträge unterschreiben dürfen. Die augenblickliche Linie des Westens scheint zu sein, daß man uns einerseits benutzen, sich aber andererseits auch gegen uns sichern möchte. Beides ist nicht vereinbar.
    Ich habe hier drei Meldungen ernsthafter, ernst zu nehmender Zeitungen von einem Tage vor mir. Hier wird geschrieben, Herr Bundeskanzler,

    (Zuruf von der Mitte: Wo?)

    daß Briten und Amerikaner sagen, die Forderungen in der Frage der deutschen Souveränität hätten die Grenze möglicher alliierter Zugeständnisse überschritten. Weiter wird gesagt, es gebe eben in diesem Handeln um die Souveränität gegenüber den Forderungen der Bundesrepublik gewisse Grenzen, wo nach Auffassung der britischen, französischen und amerikanischen Regierung das Handeln aufhöre.

    (Abg. Stücklen: Sie müssen Ihr eigenes Produkt produzieren, nicht Druckerschwärze!)

    — Ich nehme ja nur zu den Dingen Stellung, wie sie sich hier von amerikanischer Seite zeigen, und meine Auffassung dazu ist die, daß es in der Frage der Souveränität kein Handeln geben kann.

    (Anhaltende Unruhe und Zurufe.)

    — Hören Sie mir doch bitte zu! (Zuruf: Das ist eine Zumutung!)

    — Was ist eine Zumutung? Es ist absolut lächerlich, hier mit Zurufen zu operieren, wenn man dem Redner nicht zuhört. Ich höre Ihnen ja auch zu!

    (Heiterkeit.)

    Ich glaube, daß die augenblickliche Linie des Herrn Bundeskanzlers nur einen Effekt, den aber ganz sicher, haben wird: daß nämlich die Reste Deutschlands, die westlich der Oder-Neiße-Linie liegen, in der nächsten Zeit ad infinitum geteilt werden, und zwar auf der Linie des Eisernen Vorhanges. Ich bin der Überzeugung, daß, wenn wir den Kurs, den der Herr Bundeskanzler fahren möchte, mitfahren, wir uns mitschuldig daran machen,

    (Zuruf: Bleib' doch zu Haus!)

    daß eine Wiederherstellung einer deutschen Einheit in Freiheit, wie es immer so schön heißt, auf absehbare Zeit, nein auf unabsehbare Zeit absolut unmöglich gemacht wird, indem wir nämlich dem westlichen Block unter der Regie Washingtons eingegliedert werden und das, was östlich von Helmstedt liegt, der Regie des Kreml ad infinitum untergeordnet wird.

    (Zurufe von der Mitte: Haben Sie das auch in der Zeitung gelesen? — Wie willst du es machen?)

    — Wie. ich es machen will?

    (Glocke des Präsidenten.)

    — Eine Minute habe ich noch!

    (Zuruf von der Mitte: Mach Schluß!)

    Ich will Ihnen nur noch folgendes sagen, und ich bin der Auffassung, daß wir uns über diesen Punkt morgen zu unterhalten haben werden. Die Bundesregierung hat sich bisher zu sehr von den Westmächten ziehen lassen, anstatt den Westmächten plausibel zu machen, daß die Chancen des Westens in seiner Gesamtheit

    (Glocke des Präsidenten)

    — ich möchte nur den Nebensatz zu Ende bringen —

    (Zuruf von der Mitte: Das ist aber der Hauptsatz!)

    absolut gekoppelt sind mit der Frage, ob wir es hier erreichen, die Gegensätze nicht mehr zu verschärfen, sondern in unserem und im Weltinteresse auszugleichen. Morgen werden wir das näher begründen und erläutern.

    (Heiterkeit und Zurufe bei den Regierungsparteien. — Abg. Stücklen: Ein neuer. Stresemann!)