Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir möchten von der CDU aus zu den außenpolitischen Fragen, die in der Debatte zum Etat des Bundeskanzleramtes behandelt wurden, erst bei der Behandlung des Haushaltsplanes des Außenministeriums Stellung nehmen, wohin diese Fragen eigentlich auch gehören; sonst werden sie dort nur nochmals behandelt.
Ich habe aber Veranlassung, zu einigen Bemerkungen des Herrn Kollegen Ollenhauer hier kurz Stellung zu nehmen. Wir waren eigentlich darauf gefaßt, daß in der Kritik am Herrn Bundeskanzler, seinen politischen Richtlinien und seiner politischen Arbeit die Kritik an der Gestaltung des Schicksals unseres Volkes im Innnern auch eine Rolle gespielt hätte. Wir sind etwas überrascht darüber, daß — vielleicht unter dem Eindruck der Debatte, die wir in der vergangenen Woche hier gehabt haben — in dieser Hinsicht heute vollkommenes Schweigen im sozialistischen Walde geherrscht hat.
Es ist manche Kritik an der Methode der Bundesregierung und des Herrn Bundeskanzlers, an mangelnder Information und an derartigen Dingen geübt worden. Diese Kritik endete in dem etwas überraschenden Satz, daß man die „Unfähigkeit, die Sozialdemokratie zu verstehen", nicht begreifen könne.
Meine Damen und Herren, woran liegt es denn, daß die Regierungsparteien und auch die Bundesregierung oft nicht in der Lage sind, die Opposition zu verstehen?
Weil sie vielfach auch in gemeinsamen Anliegen eine solch einseitige unsachliche Opposition macht, daß es uns wirklich unverständlich ist, daß das heute in Deutschland möglich ist.
Und dann ein anderer Punkt. Es wurde zur Frage der Monarchie hier von der linken wie von der rechten Seite des Hauses manches gesagt. Von einigen Kollegen aus der Koalition wurde in diesen Tagen und auch heute wieder Anlaß genommen, hier ein freudiges Bekenntnis zu monarchischen Gedanken abzulegen. Meine Damen und Herren, ich meine, man sollte solche Dinge, die wirklich so unaktuell sind wie nur irgend etwas in Deutschland, heute nicht wichtiger nehmen, als sie sind, und sollte keine großen politischen Aktionen aus derartigen Erörterungen machen.
Aus diesem Grunde haben wir auch bei der Erörterung in der vergangenen Woche die Herbeirufung des Bundeskanzlers zu dieser Frage abgelehnt, weil wir es für überflüssig halten, daß man sich über Fragen unterhält, die für die praktische Gestaltung der Dinge überhaupt keine Rolle spielen.
Dann wurde auch über die Saarfrage gesprochen. Der Herr Bundeskanzler hat hierzu schon kurz geantwortet.
Wir sind der Meinung, daß gerade die Saarfrage nicht durch Reden nach draußen, sondern durch außerordentliche politische Klugheit in internen Verhandlungen gelöst werden kann und gelöst werden muß. Deswegen haben wir unsererseits keine Veranlassung, uns hier an einer erneuten Saardebatte zu beteiligen.
Meine Damen und Herren, ich habe eingangs gesagt, daß Herr Kollege Ollenhauer zur sozialen und wirtschaftspolitischen Situation, die sich unter der vom Herrn Bundeskanzler geführten Regierung entwickelt hat, nichts ausgeführt habe. Ich möchte meinerseits diese Frage in einigen kurzen Streiflichtern zu behandeln,
Streiflichter übrigens auch in folgendem Zusammenhang: Wir bedauern es in der CDU/CSU außerordentlich, daß das Bundespresseamt bisher seiner Aufgabe zur Unterrichtung der Öffentlichkeit noch in keiner Weise gerecht wurde.
Wir haben den dringenden Wunsch, daß hier —
insbesondere durch einen Wechsel in der Leitung
— in kürzester Frist eine Änderung herbeigeführt wird, nicht in dem Sinne, daß etwa das Bundespresseamt Parteipolitik macht und parteipolitische Auffassungen vertritt, wohl aber in dem Sinne, daß das Bundespresseamt die Bevölkerung über die tatsächlichen Verhältnisse und über die Entwicklung in der Bundesrepublik wahrheitsgemäß aufklärt und unterrichtet. Davon haben wir bisher
— abgesehen von einzelnen größeren Denkschriften, die die meisten Leute nicht lesen können
— leider nichts zu spüren bekommen.
Wenn ich nun auf die wirtschaftspolitische und soziale Entwicklung unter der Leitung unseres Bundeskanzlers im Rahmen der Richtlinien der Politik zu sprechen komme, so darf ich folgenden Gedanken voranstellen. Unsere Wirtschaftspolitik verfolgt das Ziel, den sozialen Standard der breiten Massen unserer Bevölkerung zu heben. Daß wir hier im letzten Jahre in verschiedener Hinsicht Rückschläge erlitten haben, ist nicht unsere Schuld und vor allem nicht Schuld der sozialen Marktwirtschaft, sondern die Folge davon, daß, wenn Sie es auch nicht wahrhaben wollen, seit der Koreakrise eine grundstürzende Änderung in der gesamten wirtschaftspolitischen Situation der ganzen Welt eingetreten ist.
Meine Damen und Herren, wenn wir trotz dei Schwierigkeiten, die sich nach dieser Richtung hin immer wieder auftürmten, z. B. in der Entwicklung
unseres Außenhandels Zahlen zu verzeichnen
haben wie die, daß wir im August 1948 für 223 Milliqnen DM exportierten, im August 1949 für
303 Millionen DM, im August 1950 für 751 Millionen DM und im August 1951 für 1 Milliarde
320 Millionen DM, dann scheint mir das ein Aufschwung in unserer wirtschaftspolitischen Situation
zu sein, wie auch wir in den Regierungsparteien ihn
uns vor zwei Jahren nicht hätten träumen lassen.
Wenn wir aus den Zahlen weiterhin entnehmen können, daß die Einfuhrziffern in der gleichen Zeit prozentual bei weitem nicht in gleicher Weise gestiegen sind und daß wir im zweiten Halbjahr 1948 nur 37 % unserer Importe durch Eigenfinanzierung bezahlen konnten, während wir im ersten Halbjahr 1951 bereits 83 % unserer Importe durch Eigenleistung finanzieren konnten, so scheint mir das ebenfalls eine Entwicklung zu sein, an der auch unsere Opposition nicht vorbeigehen sollte.
Wenn man dann sagt: Ja, das ist auf die Marshallplan-Hilfe zurückzuführen und nicht auf Eure politische Arbeit!, meine Damen und Herren, dann müssen wir darauf antworten: Selbstverständlich ist uns die Marshallplan-Hilfe eine wichtige Hilfe bei unserer Arbeit gewesen. Aber wenn Sie hören, daß die Marshallplan-Hilfe im Marshallplan-Jahr 1948/49 nur 2,8 % und im Jahre 1949 nur 1,9 % des Sozialproduktes der Bundesrepublik finanziert hat, dann ergibt sich doch daraus, daß das Entscheidende durch die eigene Leistung der Arbeitnehmerschaft und der Wirtschaft des deutschen Volkes geschaffen worden ist. Demgegenüber haben England, Frankreich und Italien 1948/49 mit der Marshallplan-Hilfe 3,1 %, 4,9 % und sogar 5,5 % des Sozialproduktes finanzieren können.
Ich hätte auch sehr gern einmal die Stellungnahme der Opposition zu der Tatsache der Erhöhung unseres Sozialproduktes in den letzten drei Jahren überhaupt gehört. Unser Sozialprodukt betrug 1949 83 Milliarden DM, 1950 92 Milliarden,
und wir kommen im Jahre 1951 auf über 100 Milliarden DM Sozialprodukt, also auf eine etwa 20 %ige Erhöhung des Sozialproduktes seit 1949.
Nun haben wir ja dieses vergrößerte Sozialprodukt wahrlich nicht etwa nur bestimmten Schichten des Volkes zugute kommen lassen, sondern wir haben dafür Sorge getragen, daß gerade die breiten Massen des Volkes an dieser Erhöhung des Sozialproduktes entscheidend beteiligt werden.
Ich hatte bereits heute nachmittag bei der Beratung des Besoldungsgesetzes Gelegenheit, Ihnen darzulegen, daß der Wochenverdienst der Industriearbeiterschaft von Juni 1948 bis Juni 1951 von 100 % auf 181 % gestiegen ist, daß also infolge der Steigerung des Sozialproduktes eine 80 %ige Erhöhung der Löhne möglich war. Ich hatte heute mittag weiter dargelegt, daß wir, wenn Sie die Ziffern für die Stundenlöhne nehmen, sogar auf eine Ziffer von 186 %, also eine noch höhere Zahl kommen. Das ist das, was für die schaffende Arbeitnehmerschaft, für die Industriearbeiterschaft geschehen ist und Gott sei Dank dank der Gestaltung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse geschehen konnte.
Aber auch die notleidenden Schichten unseres Volkes, vor allem die 10 bis 11 Millionen Rentenempfänger, die wir auf den verschiedenen sozialen Sparten haben, sind an der Erhöhung des Sozialproduktes beteiligt worden, und zwar im Rahmen dessen, was überhaupt möglich war. Denn wenn wir im Jahre 1948/49 noch 4 Milliarden DM Sozialausgaben — damals in Bund, Ländern und Gemeinden — hatten, wenn diese Ausgaben im Jahre 1949/50 auf 6,9 Milliarden, im Jahre 1950/51 auf 8,3 Milliarden und im Jahre 1951/52 mit dem kommenden Nachtragsetat jetzt auf 9,2 Milliarden DM gestiegen sind, die Ausgaben für die notleidenden Schichten unseres Volkes sich also innerhalb von drei Jahren von 4 auf 9,2 Milliarden erhöht haben — dazu kommt noch die Soforthilfe mit 1,6 Milliarden! —, dann kann man wirklich nicht behaupten, daß wir das Schicksal der von der Kriegsfolgenot am härtesten Betroffenen etwa außer acht gelassen hätten. Wir bleiben bei der Forderung, daß eine weitere Erhöhung des Sozialprodukts in der Zukunft in erster Linie diesen Kreisen zugute kommen muß.
Nun weisen Sie, meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang in der Propaganda draußen immer wieder auf die Preissteigerungen hin. Ich möchte noch einmal betonen, was bereits wiederholt von dieser Stelle ausgeführt wurde, daß es sich bei diesen Preissteigerungen um Preiserhöhungen handelt, die in der ganzen Welt viel stärker als bei uns — ich sage es noch einmal: in der übrigen Welt viel stärker als bei uns! — eingetreten sind, so daß gerade die geringere Preiserhöhung bei uns im Vergleich zu anderen Ländern der beste Beweis für die Richtigkeit unserer Politik der sozialen Marktwirtschaft sein dürfte.
Im übrigen, meine Damen und Herren, bitte ich, mir zu gestatten, Ihnen mit Genehmigung des Herrn Präsidenten hier einmal eine Äußerung zur Kenntnis zu bringen, die der englische sozialistische Schatzkanzler Gaitskell vor einigen Wochen vor dem Gewerkschaftskongreß in England getan hat.
Das ist eine Rede, von der ich sagen möchte, daß sie wörtlich auch von unserem Wirtschaftsminister Erhard hätte gehalten werden können. Sie ist uns deswegen besonders interessant und wichtig, weil sie in einem Land mit sozialistischer Planwirtschaft mit genau demselben Wortlaut gehalten werden mußte. Schatzkanzler Gaitskell hat damals folgendes ausgeführt — zitiert nach der „Englischen Rundschau", einer offiziellen englischen Veröffentlichung, vom 8. 6. 1951 —:
Die internationale Situation und die Aufrüstung in aller Welt brachten Preissteigerungen für Lebensmittel und Rohstoffe in einem Maß, daß Großbritanniens Einfuhr heute 40 % teurer ist als vor Jahresfrist.
Ich glaube, die 40 % sind genau dieselbe Zahl, die der Herr Bundeswirtschaftsminister hier in diesen Tagen bezüglich unserer Nahrungsmittelimporte auch angeführt hat.
Weder sei es für Großbritannien möglich, von einer Aufrüstung abzusehen noch die Bevölkerung vor einem Steigen der Lebenskosten völlig zu bewahren. Keinerlei einschneidende politische Maßnahmen, sondern vielmehr erhöhte Produktionsleistung und gesteigerter Export
könnten verstärkte inflationistische Erscheinungen verhindern und die Harmonie zwischen Löhnen und Preisen erhalten.
Ich glaube, das haben ungefähr wörtlich die Herren Minister Erhard und Schäffer auch hier im Hause unter lebhaftem Widerspruch der Opposition erklärt.
Er
— Herr Gaitskell —
setzte den Gewerkschaften in aller Deutlichkeit auseinander, daß weder die „Abschröpfung" der Reichen noch generelle Lohnerhöhungen eine Patentlösung bringen würden. Die Grenzen der wirtschaftlichen Tragfähigkeit direkter Steuern sei erreicht,
— dort sind sie niedriger als bei uns! —
und durchgreifende Lohnerhöhungen würden nur zu weiteren Preissteigerungen führen, weil dem Inlandsmarkt im Zeichen der Notwendigkeit höheren Exports viele Waren nicht in größeren Mengen als gegenwärtig zugeführt werden könnten. Auch höhere Preissubventionen als gegenwärtig könne er nicht befürworten, weil dadurch der gesamte Etat aus dem Gleichgewicht gehoben werden würde.
— Ich höre wörtlich wieder den Herrn Finanzminister Schäffer! —
Der Schatzkanzler empfahl den Gewerkschaften, sich bei Lohnforderungen zumindest zu mäßigen, scheute aber nicht davor zurück, gleichzeitig anzudeuten, daß sich eine weitere Verteuerung der Lebenshaltungskosten in den kommenden Monaten selbst dann nicht vermeiden lassen werde, wenn die Weltmarktpreise nicht weiter anziehen.
Und das, meine Damen und Herren, wie gesagt im sozialistisch-planwirtschaftlich regierten England! Und dann soll hier bei uns in der Bundesrepublik unsere Wirtschaftspolitik die Schuld daran tragen, daß die Verhältnisse hier ähnlich liegen.
Meine Damen und Herren, ich darf mich auf diese wenigen Randbemerkungen zur wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Situation beschränken und mir nur noch den einen Hinweis erlauben, daß gerade bei der Beurteilung dieser Dinge immer wieder, wenn die Arbeitslosigkeitsfrage behandelt wird, die gewaltige Erhöhung des Arbeitskräftepotentials vergessen wird, die bei uns in Deutschland eingetreten ist. Das weiß ja leider kaum jemand draußen, daß wir im Juni 1948 13,9 Millionen Erwerbsfähige hatten — das sind also die Beschäftigten und die Arbeitslosen — und daß wir Ende Juni 1951 16 Millionen Erwerbsfähige hatten, also über 2 Millionen mehr als im Jahre 1948, ohne daß eine Steigerung der Erwerbslosenziffer inzwischen eingetreten wäre. Bekanntlich haben wir diesen ganzen Zugang an Arbeitskräften innerhalb unserer Wirtschaft dank unserer Wirtschaftspolitik verkraften und die Arbeitslosenziffer auf 1,23 Millionen senken können.
Ich glaube, meine Damen und Herren, daß es ganz nützlich ist, wenn man sich bei der Beratung des Haushaltsplanes des Bundeskanzlers, der die Richtlinien auch der Wirtschaftspolitik bestimmt, auch dieser Dinge einmal erinnert. Ich würde es wirklich ehrlich und herzlich begrüßen, wenn die Opposition bei nächster Gelegenheit endlich einmal den
Mut fände, zu solchen sachlichen Tatsachen, wie ich sie Ihnen hier vortragen durfte, sachlich und nicht agitatorisch Stellung zu nehmen.
Zum Abschluß ist es mir namens meiner Fraktion noch ein Herzensbedürfnis, unserem allverehrten Bundeskanzler,
der sich in seinem hohen Alter von früh bis spät
für das ganze deutsche Volk plagt und müht, den