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ID0116815200

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    Deutscher Bundestag — 168. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 16. Oktober 1951 6871 168. Sitzung Bonn, Dienstag, den 16. Oktober 1951. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 6872C, 6898D Zustimmung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz betr. Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1951 6872D Anfrage Nr. 208 der Fraktion der SPD betr Behebung der durch den Bau der Autobahn zwischen Grünstadt und Frankenthal entstandenen Schäden (Nrn. 2623, 2673 der Drucksachen) 6872D Anfrage Nr. 214 der Zentrumsfraktion betr Steuererklärungen zur Einkommensteuer und Heranziehung zur Körperschaftsteuer (Nm. 2641, 2688 der Drucksachen) . . . . 6873A Bericht des Bundesministers der Finanzen betr. Geschäftsbericht sowie Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung der Überleitungsstelle für das Branntweinmonopol für das Rumpfgeschäftsjahr vom 1. April bis zum 30. September 1950 (Nr. 2682 der Drucksachen) 6873A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum Internationalen Fernmeldevertrag Atlantic City 1947 (Nr. 2595 der Drucksachen) 6873A Ausschußüberweisung 6873A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts (Nr. 2504 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht (25. Ausschuß) (Nr. 2660 der Drucksachen; Anträge Umdrucke Nrn. 330, 331, 332) 6873A Miessner (FPD): als Berichterstatter 6873B als Abgeordneter 6877C Mellies (SPD): zur Geschäftsordnung 6875B zur Sache 6877A, 6887B, 6889A Dr. Kather (CDU) 6875C, 6877B Tichi (BHE-DG) (zur Geschäftsordnung) 6876C Gundelach (KPD) . . . . 6878A, D, 6881C, 6882C, 6887D Böhm (SPD) 6878A, 6881A Dr. Kleindinst (CSU) 6878B Farke (DP) 6879A Dr. Wuermeling (CDU): zur Sache 6879B, 6884B, 6888D zur Geschäftsordnung . . . . 6887A, D Pannenbecker (Z) 6882B Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 6882D 6888C Dr. Etzel (Bamberg) (BP) 6883C Bausch (CDU) 6884A, 6886A von Thadden (Fraktionslos) 6885B Fisch (KPD) 6885C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . 6886C Euler (FDP): 6887C Abstimmungen 6878A, B, 6881B, 6882A, 6888A, C, 6889A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Handelsabkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Königlich Ägyptischen Regierung (Nr. 2410 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr. 2661 der Drucksachen; Umdruck Nr. 302) 6889B Freudenberg (FDP-Hosp.), Berichterstatter 6889B Beschlußfassung 6889C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Handelsvertrag vom 2. Februar 1951 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Chile (Nr. 2534 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr. 2662 der Drucksachen): Beratung abgesetzt 6889B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über internationale Vereinbarungen auf dem Gebiete des Zollwesens (Nr. 2519 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Außenhandelsfragen (14. Ausschuß) (Nr 2663 der Drucksachen) 6889D Freudenberg (FDP-Hosp.), Bericht- erstatter 6890A Beschlußfassung 6390A Zweite Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1951 (Nr. 2500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß): Einzelplan IV — Haushalt des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts (Nr. 2603 der Drucksachen) in Verbindung mit Einzelplan IVa — Haushalt des Auswärtigen Amts (Nr. 2604 der Drucksachen) ferner in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FDP betr. Wegnahme der bundeseigenen, im Auslande gelegenen Dienstgebäude des ehemaligen Auswärtigen Dienstes (Nr. 2468 der Drucksachen; Umdruck Nr. 329), der Beratung des Antrags der Fraktion der BP betr. Beschlagnahme deutschen Auslandsvermögens (Nr. 2549 der Drucksachen), der Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Ungehinderter Verkehr mit den politischen Gefangenen der Besatzungsmächte (Nr. 2563 der Drucksachen), der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten (Nr. 2577 der Drucksachen), sowie der Beratung des Antrags der Abg. Kahn, Dr. Solleder, Dr. Schatz u. Gen. betr. Räumung des von der amerikanischen Besatzungsbehörde beschlagnahmten Raumes Hohenfels und Umgebung (Oberpfalz) (Nr. 2597 der Drucksachen, Umdrucke Nrn. 333, 334); im Zusammenhang damit: Erklärung der Bundesregierung (Ergebnis der von der Bundesregierung bei den Alliierten unternommenen Schritte betr. Wiederherstellung der deutschen Einheit und gesamtdeutsche Wahlen) . . 6890B, 6915D zur Sache: Dr. Blank (Oberhausen) (FDP), Berichterstatter 6890D Dr. Adenauer, Bundeskanzler 6892B, 6894B, 6905B, 6931A, 6946A zur Geschäftsordnung bzw. zur Abstimmung: Mellies (SPD) . . . . 6893D, 6896A, 6898C Renner (KPD) 6894C Euler (FDP) 6895B, 6896D Dr. Tillmanns (CDU) 6895D Kunze (CDU) 6896C von Thadden (Fraktionslos) 6897A Dr. Hasemann (FDP) 6897B Dr. von Merkatz (DP) 6897C Dr. Richter (Niedersachsen) (Fraktionslos) 6897D Dr. von Brentano (CDU; 6898A Ewers (DP) . . . . . . . . . . . 6898B Dr. Ehlers (CDU) 6898D zur Sache: Fisch (KPD) 6899A Ollenhauer (SPD) . . 6901B, 6945C, 6952A Dr. Reismann (Z) 6905C, 6940C Ewers (DP) 6907A Dr. Wuermeling (CDU) 6909A Dr. Schäfer (FDP) 6911C von Thadden (Fraktionslos) 6913C Dr. Richter (Niedersachsen) (Fraktionslos) 6914D Dr. von Merkatz (DP), Antragsteller 6916A, 6953D Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Antragsteller 6916B Erler (SPD), Antragsteller 691'7D Kahn (CDU), Antragsteller 6921B Dr. Meitinger (BP), Antragsteller . 6923A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 6923D Dr. Luetkens (SPD) 6925C Euler (FDP) 6933C Dr. Pfleiderer (FDP) 6934C Dr. von Brentano (CDU) . . 6943C, 6953B Fürst zu Oettingen-Wallerstein (BP) 6944C Renner (KPD) 6946C von Thadden (Fraktionslos) 6950A Kohl (Stuttgart) (KPD) 6951D Abstimmungen 6815C, 6954A Nächste Sitzung 6954C Die Sitzung wird um 13 Uhr 30 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Franz-Josef Wuermeling


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir möchten von der CDU aus zu den außenpolitischen Fragen, die in der Debatte zum Etat des Bundeskanzleramtes behandelt wurden, erst bei der Behandlung des Haushaltsplanes des Außenministeriums Stellung nehmen, wohin diese Fragen eigentlich auch gehören; sonst werden sie dort nur nochmals behandelt.
    Ich habe aber Veranlassung, zu einigen Bemerkungen des Herrn Kollegen Ollenhauer hier kurz Stellung zu nehmen. Wir waren eigentlich darauf gefaßt, daß in der Kritik am Herrn Bundeskanzler, seinen politischen Richtlinien und seiner politischen Arbeit die Kritik an der Gestaltung des Schicksals unseres Volkes im Innnern auch eine Rolle gespielt hätte. Wir sind etwas überrascht darüber, daß — vielleicht unter dem Eindruck der Debatte, die wir in der vergangenen Woche hier gehabt haben — in dieser Hinsicht heute vollkommenes Schweigen im sozialistischen Walde geherrscht hat.

    (Lachen und Zurufe bei der SPD.)

    Es ist manche Kritik an der Methode der Bundesregierung und des Herrn Bundeskanzlers, an mangelnder Information und an derartigen Dingen geübt worden. Diese Kritik endete in dem etwas überraschenden Satz, daß man die „Unfähigkeit, die Sozialdemokratie zu verstehen", nicht begreifen könne.
    Meine Damen und Herren, woran liegt es denn, daß die Regierungsparteien und auch die Bundesregierung oft nicht in der Lage sind, die Opposition zu verstehen?

    (Zurufe von der SPD.)

    Weil sie vielfach auch in gemeinsamen Anliegen eine solch einseitige unsachliche Opposition macht, daß es uns wirklich unverständlich ist, daß das heute in Deutschland möglich ist.

    (Zustimmung in der Mitte. — Lebhafte Zurufe von der SPD.)

    Und dann ein anderer Punkt. Es wurde zur Frage der Monarchie hier von der linken wie von der rechten Seite des Hauses manches gesagt. Von einigen Kollegen aus der Koalition wurde in diesen Tagen und auch heute wieder Anlaß genommen, hier ein freudiges Bekenntnis zu monarchischen Gedanken abzulegen. Meine Damen und Herren, ich meine, man sollte solche Dinge, die wirklich so unaktuell sind wie nur irgend etwas in Deutschland, heute nicht wichtiger nehmen, als sie sind, und sollte keine großen politischen Aktionen aus derartigen Erörterungen machen.

    (Sehr richtig! bei der FDP.)

    Aus diesem Grunde haben wir auch bei der Erörterung in der vergangenen Woche die Herbeirufung des Bundeskanzlers zu dieser Frage abgelehnt, weil wir es für überflüssig halten, daß man sich über Fragen unterhält, die für die praktische Gestaltung der Dinge überhaupt keine Rolle spielen.
    Dann wurde auch über die Saarfrage gesprochen. Der Herr Bundeskanzler hat hierzu schon kurz geantwortet.

    (Abg. Arnholz: Er ist ihr aus dem Wege gegangen!)

    Wir sind der Meinung, daß gerade die Saarfrage nicht durch Reden nach draußen, sondern durch außerordentliche politische Klugheit in internen Verhandlungen gelöst werden kann und gelöst werden muß. Deswegen haben wir unsererseits keine Veranlassung, uns hier an einer erneuten Saardebatte zu beteiligen.

    (Abg. Wehner: Sagen Sie das Herrn Hallstein!)

    Meine Damen und Herren, ich habe eingangs gesagt, daß Herr Kollege Ollenhauer zur sozialen und wirtschaftspolitischen Situation, die sich unter der vom Herrn Bundeskanzler geführten Regierung entwickelt hat, nichts ausgeführt habe. Ich möchte meinerseits diese Frage in einigen kurzen Streiflichtern zu behandeln,

    (Zuruf von der SPD)

    Streiflichter übrigens auch in folgendem Zusammenhang: Wir bedauern es in der CDU/CSU außerordentlich, daß das Bundespresseamt bisher seiner Aufgabe zur Unterrichtung der Öffentlichkeit noch in keiner Weise gerecht wurde.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Wir haben den dringenden Wunsch, daß hier —
    insbesondere durch einen Wechsel in der Leitung
    — in kürzester Frist eine Änderung herbeigeführt wird, nicht in dem Sinne, daß etwa das Bundespresseamt Parteipolitik macht und parteipolitische Auffassungen vertritt, wohl aber in dem Sinne, daß das Bundespresseamt die Bevölkerung über die tatsächlichen Verhältnisse und über die Entwicklung in der Bundesrepublik wahrheitsgemäß aufklärt und unterrichtet. Davon haben wir bisher
    — abgesehen von einzelnen größeren Denkschriften, die die meisten Leute nicht lesen können
    — leider nichts zu spüren bekommen.
    Wenn ich nun auf die wirtschaftspolitische und soziale Entwicklung unter der Leitung unseres Bundeskanzlers im Rahmen der Richtlinien der Politik zu sprechen komme, so darf ich folgenden Gedanken voranstellen. Unsere Wirtschaftspolitik verfolgt das Ziel, den sozialen Standard der breiten Massen unserer Bevölkerung zu heben. Daß wir hier im letzten Jahre in verschiedener Hinsicht Rückschläge erlitten haben, ist nicht unsere Schuld und vor allem nicht Schuld der sozialen Marktwirtschaft, sondern die Folge davon, daß, wenn Sie (nach links) es auch nicht wahrhaben wollen, seit der Koreakrise eine grundstürzende Änderung in der gesamten wirtschaftspolitischen Situation der ganzen Welt eingetreten ist.
    Meine Damen und Herren, wenn wir trotz dei Schwierigkeiten, die sich nach dieser Richtung hin immer wieder auftürmten, z. B. in der Entwicklung


    (Dr. Wuermeling)

    unseres Außenhandels Zahlen zu verzeichnen
    haben wie die, daß wir im August 1948 für 223 Milliqnen DM exportierten, im August 1949 für
    303 Millionen DM, im August 1950 für 751 Millionen DM und im August 1951 für 1 Milliarde
    320 Millionen DM, dann scheint mir das ein Aufschwung in unserer wirtschaftspolitischen Situation
    zu sein, wie auch wir in den Regierungsparteien ihn
    uns vor zwei Jahren nicht hätten träumen lassen.

    (Abg. Bausch: Sehr richtig!)

    Wenn wir aus den Zahlen weiterhin entnehmen können, daß die Einfuhrziffern in der gleichen Zeit prozentual bei weitem nicht in gleicher Weise gestiegen sind und daß wir im zweiten Halbjahr 1948 nur 37 % unserer Importe durch Eigenfinanzierung bezahlen konnten, während wir im ersten Halbjahr 1951 bereits 83 % unserer Importe durch Eigenleistung finanzieren konnten, so scheint mir das ebenfalls eine Entwicklung zu sein, an der auch unsere Opposition nicht vorbeigehen sollte.
    Wenn man dann sagt: Ja, das ist auf die Marshallplan-Hilfe zurückzuführen und nicht auf Eure politische Arbeit!, meine Damen und Herren, dann müssen wir darauf antworten: Selbstverständlich ist uns die Marshallplan-Hilfe eine wichtige Hilfe bei unserer Arbeit gewesen. Aber wenn Sie hören, daß die Marshallplan-Hilfe im Marshallplan-Jahr 1948/49 nur 2,8 % und im Jahre 1949 nur 1,9 % des Sozialproduktes der Bundesrepublik finanziert hat, dann ergibt sich doch daraus, daß das Entscheidende durch die eigene Leistung der Arbeitnehmerschaft und der Wirtschaft des deutschen Volkes geschaffen worden ist. Demgegenüber haben England, Frankreich und Italien 1948/49 mit der Marshallplan-Hilfe 3,1 %, 4,9 % und sogar 5,5 % des Sozialproduktes finanzieren können.
    Ich hätte auch sehr gern einmal die Stellungnahme der Opposition zu der Tatsache der Erhöhung unseres Sozialproduktes in den letzten drei Jahren überhaupt gehört. Unser Sozialprodukt betrug 1949 83 Milliarden DM, 1950 92 Milliarden,

    (Zurufe von der SPD)

    und wir kommen im Jahre 1951 auf über 100 Milliarden DM Sozialprodukt, also auf eine etwa 20 %ige Erhöhung des Sozialproduktes seit 1949.

    (Abg. Renner: Und verhungern dabei! — Zuruf rechts: Wirtschaftsministerium!)

    Nun haben wir ja dieses vergrößerte Sozialprodukt wahrlich nicht etwa nur bestimmten Schichten des Volkes zugute kommen lassen, sondern wir haben dafür Sorge getragen, daß gerade die breiten Massen des Volkes an dieser Erhöhung des Sozialproduktes entscheidend beteiligt werden.

    (Zuruf von der SPD: Das ist doch eine Frechheit!)

    Ich hatte bereits heute nachmittag bei der Beratung des Besoldungsgesetzes Gelegenheit, Ihnen darzulegen, daß der Wochenverdienst der Industriearbeiterschaft von Juni 1948 bis Juni 1951 von 100 % auf 181 % gestiegen ist, daß also infolge der Steigerung des Sozialproduktes eine 80 %ige Erhöhung der Löhne möglich war. Ich hatte heute mittag weiter dargelegt, daß wir, wenn Sie die Ziffern für die Stundenlöhne nehmen, sogar auf eine Ziffer von 186 %, also eine noch höhere Zahl kommen. Das ist das, was für die schaffende Arbeitnehmerschaft, für die Industriearbeiterschaft geschehen ist und Gott sei Dank dank der Gestaltung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse geschehen konnte.
    Aber auch die notleidenden Schichten unseres Volkes, vor allem die 10 bis 11 Millionen Rentenempfänger, die wir auf den verschiedenen sozialen Sparten haben, sind an der Erhöhung des Sozialproduktes beteiligt worden, und zwar im Rahmen dessen, was überhaupt möglich war. Denn wenn wir im Jahre 1948/49 noch 4 Milliarden DM Sozialausgaben — damals in Bund, Ländern und Gemeinden — hatten, wenn diese Ausgaben im Jahre 1949/50 auf 6,9 Milliarden, im Jahre 1950/51 auf 8,3 Milliarden und im Jahre 1951/52 mit dem kommenden Nachtragsetat jetzt auf 9,2 Milliarden DM gestiegen sind, die Ausgaben für die notleidenden Schichten unseres Volkes sich also innerhalb von drei Jahren von 4 auf 9,2 Milliarden erhöht haben — dazu kommt noch die Soforthilfe mit 1,6 Milliarden! —, dann kann man wirklich nicht behaupten, daß wir das Schicksal der von der Kriegsfolgenot am härtesten Betroffenen etwa außer acht gelassen hätten. Wir bleiben bei der Forderung, daß eine weitere Erhöhung des Sozialprodukts in der Zukunft in erster Linie diesen Kreisen zugute kommen muß.

    (Bravo! in der Mitte.)

    Nun weisen Sie, meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang in der Propaganda draußen immer wieder auf die Preissteigerungen hin. Ich möchte noch einmal betonen, was bereits wiederholt von dieser Stelle ausgeführt wurde, daß es sich bei diesen Preissteigerungen um Preiserhöhungen handelt, die in der ganzen Welt viel stärker als bei uns — ich sage es noch einmal: in der übrigen Welt viel stärker als bei uns! — eingetreten sind, so daß gerade die geringere Preiserhöhung bei uns im Vergleich zu anderen Ländern der beste Beweis für die Richtigkeit unserer Politik der sozialen Marktwirtschaft sein dürfte.

    (Zurufe von der SPD.)

    Im übrigen, meine Damen und Herren, bitte ich, mir zu gestatten, Ihnen mit Genehmigung des Herrn Präsidenten hier einmal eine Äußerung zur Kenntnis zu bringen, die der englische sozialistische Schatzkanzler Gaitskell vor einigen Wochen vor dem Gewerkschaftskongreß in England getan hat.

    (Präsident Dr. Ehlers übernimmt wieder den Vorsitz.)

    Das ist eine Rede, von der ich sagen möchte, daß sie wörtlich auch von unserem Wirtschaftsminister Erhard hätte gehalten werden können. Sie ist uns deswegen besonders interessant und wichtig, weil sie in einem Land mit sozialistischer Planwirtschaft mit genau demselben Wortlaut gehalten werden mußte. Schatzkanzler Gaitskell hat damals folgendes ausgeführt — zitiert nach der „Englischen Rundschau", einer offiziellen englischen Veröffentlichung, vom 8. 6. 1951 —:
    Die internationale Situation und die Aufrüstung in aller Welt brachten Preissteigerungen für Lebensmittel und Rohstoffe in einem Maß, daß Großbritanniens Einfuhr heute 40 % teurer ist als vor Jahresfrist.
    Ich glaube, die 40 % sind genau dieselbe Zahl, die der Herr Bundeswirtschaftsminister hier in diesen Tagen bezüglich unserer Nahrungsmittelimporte auch angeführt hat.
    Weder sei es für Großbritannien möglich, von einer Aufrüstung abzusehen noch die Bevölkerung vor einem Steigen der Lebenskosten völlig zu bewahren. Keinerlei einschneidende politische Maßnahmen, sondern vielmehr erhöhte Produktionsleistung und gesteigerter Export


    (Dr. Wuermeling)

    könnten verstärkte inflationistische Erscheinungen verhindern und die Harmonie zwischen Löhnen und Preisen erhalten.
    Ich glaube, das haben ungefähr wörtlich die Herren Minister Erhard und Schäffer auch hier im Hause unter lebhaftem Widerspruch der Opposition erklärt.

    (Abg. Renner: Paßt wirklich in die CDU!) Er

    — Herr Gaitskell —
    setzte den Gewerkschaften in aller Deutlichkeit auseinander, daß weder die „Abschröpfung" der Reichen noch generelle Lohnerhöhungen eine Patentlösung bringen würden. Die Grenzen der wirtschaftlichen Tragfähigkeit direkter Steuern sei erreicht,
    — dort sind sie niedriger als bei uns! —
    und durchgreifende Lohnerhöhungen würden nur zu weiteren Preissteigerungen führen, weil dem Inlandsmarkt im Zeichen der Notwendigkeit höheren Exports viele Waren nicht in größeren Mengen als gegenwärtig zugeführt werden könnten. Auch höhere Preissubventionen als gegenwärtig könne er nicht befürworten, weil dadurch der gesamte Etat aus dem Gleichgewicht gehoben werden würde.
    — Ich höre wörtlich wieder den Herrn Finanzminister Schäffer! —
    Der Schatzkanzler empfahl den Gewerkschaften, sich bei Lohnforderungen zumindest zu mäßigen, scheute aber nicht davor zurück, gleichzeitig anzudeuten, daß sich eine weitere Verteuerung der Lebenshaltungskosten in den kommenden Monaten selbst dann nicht vermeiden lassen werde, wenn die Weltmarktpreise nicht weiter anziehen.

    (Zurufe von der SPD.)

    Und das, meine Damen und Herren, wie gesagt im sozialistisch-planwirtschaftlich regierten England! Und dann soll hier bei uns in der Bundesrepublik unsere Wirtschaftspolitik die Schuld daran tragen, daß die Verhältnisse hier ähnlich liegen.
    Meine Damen und Herren, ich darf mich auf diese wenigen Randbemerkungen zur wirtschaftspolitischen und sozialpolitischen Situation beschränken und mir nur noch den einen Hinweis erlauben, daß gerade bei der Beurteilung dieser Dinge immer wieder, wenn die Arbeitslosigkeitsfrage behandelt wird, die gewaltige Erhöhung des Arbeitskräftepotentials vergessen wird, die bei uns in Deutschland eingetreten ist. Das weiß ja leider kaum jemand draußen, daß wir im Juni 1948 13,9 Millionen Erwerbsfähige hatten — das sind also die Beschäftigten und die Arbeitslosen — und daß wir Ende Juni 1951 16 Millionen Erwerbsfähige hatten, also über 2 Millionen mehr als im Jahre 1948, ohne daß eine Steigerung der Erwerbslosenziffer inzwischen eingetreten wäre. Bekanntlich haben wir diesen ganzen Zugang an Arbeitskräften innerhalb unserer Wirtschaft dank unserer Wirtschaftspolitik verkraften und die Arbeitslosenziffer auf 1,23 Millionen (Ende September) senken können.
    Ich glaube, meine Damen und Herren, daß es ganz nützlich ist, wenn man sich bei der Beratung des Haushaltsplanes des Bundeskanzlers, der die Richtlinien auch der Wirtschaftspolitik bestimmt, auch dieser Dinge einmal erinnert. Ich würde es wirklich ehrlich und herzlich begrüßen, wenn die Opposition bei nächster Gelegenheit endlich einmal den
    Mut fände, zu solchen sachlichen Tatsachen, wie ich sie Ihnen hier vortragen durfte, sachlich und nicht agitatorisch Stellung zu nehmen.
    Zum Abschluß ist es mir namens meiner Fraktion noch ein Herzensbedürfnis, unserem allverehrten Bundeskanzler,

    (Abg. Renner: Na! Na! Vorsichtig!)

    der sich in seinem hohen Alter von früh bis spät
    für das ganze deutsche Volk plagt und müht, den

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Kreyssig: Sie sind mit Ihrem Manuskript eine Woche zu spät fertig geworden, Herr Wuermeling! —Gegenruf des Abg. Dr. Wuermeling: Ich hatte gar kein Manuskript!)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer.

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    Rede von Dr. Hermann Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik bestimmt, haben wir heute abend schon mehrfach vernommen. Ich unterliege trotzdem nicht der Versuchung, sämtliche denkbaren Richtlinien einer langen Erörterung zu unterziehen, sondern beschränke mich darauf, einige Bemerkungen über gewisse Grundzüge der Politik, die diesen Richtlinien zugrunde liegen, zu machen. Ich muß mich in diesem Zusammenhang mit den Dingen beschäftigen, die zunächst einmal von denen hier vorgetragen worden sind, die mit den Richtlinien nicht einverstanden waren oder die ihnen eine Deutung gegeben haben, die mir mit den Absichten der Koalition — insbesondere nicht mit den Ansichten und Absichten meiner Freunde — übereinstimmend scheinen.
    Meine Damen und Herren, neidlos stelle ich fest: Es ist wesentlich angenehmer, oppositionell zu sprechen; denn man hat ja die Möglichkeit, sich über alle Dinge auszulassen und selbstgefällig immer wieder festzustellen, daß dies oder jenes nicht geschehen ist. Man kann dabei wundervoll auf das etwas flüchtige Gedächtnis der Menschen speku- lieren. Viele haben heute vergessen, daß die Weltgeschichte nicht etwa 1945 oder gar mit der Gründung der Bundesrepublik angefangen hat und daß eben diese Bundesrepublik aus einer von vielen offenbar nicht mehr als aktuell empfundenen Vergangenheit Dinge hat übernehmen müssen und mit sich schleppen muß, die das Regierungsgeschäft weiß Gott sehr mühsam und sehr schwer machen. Ich glaube, das ist einmal in den Vordergrund zu rücken; j a, einige schlechte Gedächtnisse wieder an diese Tatsachen zu erinnern, scheint mir notwendig zu sein. Vor allen Dingen ist hervorzuheben, daß es im allgemeinen doch nicht zur wirtschaftlichen Einsicht gehört, den Konkursverwalter für Schäden und Mängel verantwortlich zu machen, die einstige Bankerotteure angerichtet haben,

    (Abg. Dr. Wuermeling: Sehr richtig!)

    also für die Dinge verantwortlich zu machen, die wir heute in Form von Nöten breiter Volkskreise mit uns herumschleppen, aber auch in der Form von Bindungen innerhalb einer gespaltenen Welt, zwischen großen Machtkomplexen im Osten und Westen, die sich in bedrohlicher Weise entzweien und gegeneinanderstellen. Wir stehen als Bundesrepublik dazwischen und müssen mühsam versuchen, für dieses deutsche Volk, das nach dem Zusammenbruch nun gespalten und geschwächt dasteht, allmählich wieder Leben zu gewinnen, ge-


    (Dr. Schäfer)

    wissermaßen Wiederbelebungsversuche zu machen, die Kräfte zu steigern und zu bewirken, daß es wieder schreiten kann.
    Ich will keine konkreten Maßnahmen und Erfolge im einzelnen hier erörtern; aber ist es nicht so, meine Damen und Herren, daß diese Schritte des Staates doch recht kräftig geworden sind, daß dieser Patient doch schon ganz tüchtige Atemzüge macht? Ich verzichte auf Details, aber man sollte dies nicht vergessen!

    (Abg. Renner: Und schon wieder Uniformen und Gewehre bekommen soll!)

    — Nein, nein, Herr Renner, das ist ein völliger Irrtum! Aber ich möchte mich mit Ihnen nicht unterhalten, nachdem der Sprecher, der von Ihrer Fraktion zu diesem Punkte gesprochen hat, mit einer solchen Serie von Auszügen aus dem Schimpfwörterlexikon operierte, daß mir allerdings der Geschmack insbesondere an der aus Ihrer Richtung kommenden Beratungsbereitschaft sehr weitgehend vergangen ist.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.)

    Neben der Spekulation auf das schlechte Gedächtnis gibt es nun noch die weitere Methode, Polemik zu machen, indem man die Sachverhalte vereinfacht. Das ist auch so eine schreckliche Sache, die wir übernommen haben: Wir hängen in einer unglaublich komplizierten Situation, in der ungeheuer verflochtene und verzweigte innere und äußere Bedingtheiten zu berücksichtigen sind, ehe man zu einer Entscheidung und zu einem Entschluß kommen kann. Es ist natürlich wundervoll, sich sein Urteil dadurch bequem zu machen, daß man die Flucht in die Vereinfachung antritt, daß man einige Ereignisse oder Erscheinungen des Vordergrundes isoliert betrachtet, sie gleichsam zum archimedischen Punkt befördert, an dem man seine ganze, ach so weltgeschichtliche Oppositionsentscheidung aufhängt. Eine solche Darstellungsweise ist verwerflich; denn sie ist im Grunde unrealistisch. Die Wirklichkeit, meine Damen und Herren, ist kompliziert. Nur wer die Verwickeltheit der Dinge in seine Betrachtungen hineinbezieht und nicht an einzelnen Symptomen herumkuriert, macht eine realistische Politik und stellt auch die Dinge wahrheitsgemäß dar. Eine Erscheinung, die wirklich sein mag, ist, aus dem Zusammenhang gelöst, noch nicht die Wahrheit; sondern die Wahrheit ist immer das Ganze einer Vielgestaltigkeit von Verwicklungen und Erscheinungen.

    (Zustimmung bei den Regierungsparteien.)

    Eine andere Art der agitatorischen Auseinandersetzung ist eine Polemik in der Weise, daß man gegen Dinge polemisiert, die eigentlich gar nicht vorhanden sind, indem man dem politischen Gegner, in diesem Falle der Bundesregierung, Absichten unterstellt, die gar nicht vorhanden sind. Umso kräftiger zieht man gegen sie vom Leder. Dazu gehörte heute die Geschichte von der Politik der Vorleistungen, obwohl sie nie ausgesprochen, nie gefordert, nie getan worden sind. Dazu gehört die Geschichte *von der Saarerklärung, bei der man aus einer bestimmten Form der Behandlung einer bestimmten Note eine Zustimmung zu einer Auffassung erdichtet, die in einer bestimmten Erklärung der franzöischen Regierung enthalten gewesen ist. Nichts davon ist klar. Darüber aber herrscht doch wohl Klarheit, daß die Außenpolitik etwas Komplizierteres ist als einfach ein spontanes Reagieren auf irgendwelche Äußerungen. Auch in solchen Fragen wie die der Saar ist — ich glaube, in diesem Hause besteht über die Frage der Ansprüche, die , wir zu stellen haben, über die Forderungen und Erwartungen, die immer der Hintergrund unserer Haltung sind, überhaupt keine Meinungsverschiedenheit — der Blick sehr sorgfältig auf die verwickelten Zusammenhänge zu richten, die diese auch an sich einfach erscheinende Angelegenheit verwickelt machen.
    Ferner ist über die mangelnde Koordinierung des Kabinetts, über die mangelnde Koordinierung der Koalitionsparteien gespöttelt worden. Ich habe schon einmal früher an dieser Stelle erklärt, daß ja eine Regierungskoalition schließlich kein gleichgeschalteter Verein ist. In Wirklichkeit ist eine Koalition eine Summe von Individuen, oder man kann — nachdem das Wort von der Opposition in der Koalition gefallen ist — es auch eine Addition von Individualoppositionen nennen. Sie ist zugleich eine Integration, indem nämlich aus einer Reihe von Auseinandersetzungen sich eine bestimmte Einheitlichkeit der Grundauffassungen und der Entscheidungen im Einzelfall herausbildet. Und das ist in fast allen wesentlichen Dingen bisher der Fall gewesen. Und von ihr, meine Damen und Herren, ist doch im Grunde genommen die eigentliche staatliche Entwicklung der Bundesrepublik getragen worden.
    Denn was ist denn unsere Pflicht gewesen, seitdem wir hier zusammengekommen sind? Wir hatten eine ungeheure Fülle von Gesetzen zu machen. Der Staat war ja nicht mit dem Grundgesetz da. Im Grundgesetz waren nur ein paar Aufrisse, nach denen das staatliche Leben sich entwickeln soll. Davon ausgehend mußte die Fülle der konkreten Dinge gemacht werden. Es war nicht an eine Entwicklung der Vergangenheit anzuknüpfen. Es war ganz anders als in Weimar. Da machte man eine Verfassung, fuhr nach Berlin, und im Grunde genommen konnte man sich auf einen vorhandenen Apparat stützen, der weiterging. Hier war das nicht möglich, sondern die Apparatur mußte überhaupt erst errichtet werden. Es mußte eine Fülle von Gesetzen gemacht werden, die die auseinandergelaufene Rechtsentwicklung umkehrte oder anhielt. Es mußte die finanzielle Grundlage und aus ihr die Möglichkeit geschaffen werden, nun mit der Behebung der ungeheuer vielen Nöte und Mängel, die aus der Vergangenheit überkommen waren, zu beginnen. Wenn man die Dinge so sieht und in den geschichtlichen Zusammenhang rückt und dann die weltpolitische Situation würdigt, dann, glaube ich, hat man erst die richtigen Maßstäbe, um zu sagen, ob richtig, ob schlecht oder falsch gehandelt worden ist.
    Es ist hier eben von der Opposition ein Klagelied angestimmt worden, als man sagte: das wäre so schrecklich, daß man sich gar nicht bemühe, die Opposition zu verstehen. — Doch, meine Damen und Herren, wir haben sehr oft versucht, Sie zu verstehen; denn uns lag an diesem Verstehen. Wir waren der Meinung, daß zumindest in den Dingen der Außenpolitik eine gemeinsame Linie sein müßte und daß außenpolitische Maßnahmen und Geschehnisse niemals Gegenstand einer innerpolitischen Rivalität werden dürften. Das ist uns aber nicht möglich gewesen. Sehen Sie einmal: ich habe relativ früh mit politischer Betätigung angefangen und bemühe mich nun jetzt an die 40 Jahre im Sinne einer Demokratisierung des deutschen Lebens. Da haben wir sehr oft diesen Weg auch an der Seite der Sozialdemokraten beschritten. Ich muß Ihnen sagen, meine Damen und Herren, das ist heute in diesem Hause nicht mehr verständlich. Wir haben im Gegenteil das Gefühl, daß viel wichtiger als die


    (Dr. Schäfer)

    Idee der Demokratie bei ihnen der Wille geworden sei, alle Dinge irgendwie machtpolitisch zu sehen,

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien)

    und daß hier aus einem Mißverstehen des Wesens der Macht in der Demokratie Haltungen und Handlungen entstehen, die letzten Endes von einer verhängnisvollen Wirkung für unser gesamtes staatliches Leben sind.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Wir sehen j a schon die ersten Wirkungen, indem sich nämlich anknüpfend an dieses Unmaß oppositioneller Kritik nun Bewegungen und Strömungen hervorwagen, die unzweideutig das Zeichen restaurativer Tendenzen an der Stirn tragen. Ich weiß nicht, ob das gut und klug ist, eine Form der innerpolitischen Auseinandersetzung zu betreiben, bei der letzten Endes die Republik in Gefahr gerät. Es kommt nicht nur auf die republikanischen Bekenntnisse an, sondern es kommt auf eine republikanische Haltung an, die aus dem Willen geboren sein muß, den Staatsgedanken höher zu stellen als die parteipolitische Macht.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Meine Damen und Herren, das sollte uns auch immer wieder veranlassen, alles zu vermeiden, was letzten Endes unsere Auseinandersetzung unnötig kompliziert. Ich habe eben gesagt: die Gefahr ist, daß man ein paar Details herausgreift und sein Urteil über die ganze Gegenwart an ein paar Äußerlichkeiten orientiert. Aber eine andere Gefahr liegt auch darin, daß man nämlich über unnötige Details redet. Ich glaube, wenn eben noch einmal die Frage angeschnitten worden ist, ob die republikanische oder die monarchistische Staatsform zur Debatte stehe, dann sind wir uns doch alle darüber klar, daß das nur ein Spiel mit Reminiszenzen ist, was bestenfalls dabei herauskommen könnte, aber niemals eine Erkenntnis, die für das deutsche Volk einen aussichtsreichen Weg in die Zukunft darstellt. Darauf kommt es letzten Endes an und nicht auf rückwärtige Orientierung, also auf eine verschiedenartige Vorstellung von dem, was in der Vergangenheit war.
    Es ist überhaupt immer wieder die Gefahr, sich auseinanderzureden, wenn man auf historische Betrachtungen kommt. Nichts ist umstrittener als eine wahrheitsgemäße geschichtliche Darstellung. Man kann nämlich die Ereignisse so wundervoll je nach Bedarf aneinanderreihen und deuten und dann zu diesem oder jenem Ergebnis kommen. Die Historie ist für die praktische Politik ein sehr, sehr fragwürdiges Instrument. Man kann gewisse negative Erfahrungen gelten lassen. Man kann sagen: man wiederholt bestimmte Dummheiten der Vergangenheit nicht. — Schön, meine Damen und Herren; einverstanden! Aber sind wir nicht im Begriff, bestimmte Dummheiten zu wiederholen,

    (Zurufe von der KPD.)

    — ja doch! —, gewisse Töne wieder zu erleben? Da weiß ich nicht, meine Damen und Herren auf der Linken, ob nicht manchmal bei Ihnen die Töne, namentlich wenn sie allmählich einen geradezu chauvinistischen Charakter anzunehmen drohen, auf einem falschen Geschichtsbild, oder wie Sie das nennen wollen, beruhen. Ich habe bisher nicht an die Seelenwanderung geglaubt; aber wenn ich manchmal gewisse Töne aus Ihren Reihen höre, dann habe ich das Gefühl, als wenn etwa der
    unselige Helfferich wieder lebendig geworden sein könnte.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Ich möchte nur nicht, daß diese Töne und die Zuspitzung der Leidenschaften im innerpolitischen Leben dann wieder zu Ergebnissen führten, die wir schon einmal durchgemacht haben.
    So ergibt sich bei all diesen Betrachtungen hier immer wieder nicht nur die Bewertung der konkreten Details, sondern wir müssen zu gleicher Zeit die Grundzüge der Entwicklung sehen. Wir stehen alle in der Gefahr, uns hier fortgesetzt in Einzelheiten zu verlieren, weil wir täglich zu einer solchen Fülle von praktischen Entscheidungen Stellung nehmen müssen. Aber wir dürfen doch den Blick auf die großen Zusammenhänge nicht verlieren. Meine Freunde und ich sind der Überzeugung, daß wir dann, wenn wir in einer ebenso eigenwüchsigen wie kritischen Beteiligung an dieser Koalition mitwirken, einer Aufwärtsentwicklung des deutschen Volkes dienen.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)