Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Am 4. Oktober 1951 wurde Frau Lilly Wächter aus Rastatt, eine deutsche Frau, nach dem Gesetz 14 der Hohen Kommission zu 8 Monaten Gefängnis und 15 000 Mark Geldstrafe verurteilt, weil sie auf Grund ihrer eigenen Erlebnisse vom Grauen des Krieges in Korea und von den unendlichen Leiden des koreanischen Volkes berichtet hat, die durch die amerikanischen Interventionspolitik in Korea entstanden sind.
— Herr Kollege Zwischenrufer, ich denke, Sie dürften andere Sorgen haben, wenn Sie sich an die Vorbehalte erinnern, die in Washington beschlossen worden sind und unsere Souveränität betreffen!
Frau Lilly Wächter ist eine alte Sozialdemokratin und als solche ein ganzes Leben lang gegen Krieg und Kriegshetze aufgetreten. Im „Dritten Reich" wurde sie verfolgt und hat durch die Maßnahmen der Hitlerregierung allein 20 Angehörige verloren. Ihre Liebe zum Frieden, ihre Sorge, daß Deutschland nicht ein gleiches Schicksal erleide wie Korea, hat sie veranlaßt, mit einer Delegation der Internationalen Demokratischen Frauenföderation aus
18 Ländern der verschiedenen Erdteile nach Korea zu reisen, um dort zu untersuchen, welche Greueltaten an dem koreanischen Volk geschehen sind. Ihre Tatsachenberichte darüber wurden aber vom amerikanischen Gericht als strafbare Handlung gegen die Interessen der Besatzungsmacht bezeichnet.
In der Urteilsbegründung heißt es wörtlich: Der Kernpunkt der Anklage ist, daß die Behauptungen über die Grausamkeiten, Brutalitäten
und Torturen an hilflosen Frauen und Kindern in Nordkorea seitens amerikanischer Soldaten feindselige und respektwidrige Handlungen gegenüber den alliierten Streitkräften darstellen. Dies sind die strittigen Punkte, die in diesem Fall zur Debatte stehen, und nicht die Wahrheit oder Unwahrheit der Behauptungen der Angeklagten
bezüglich der angegebenen Grausamkeiten und Brutalitäten seitens der amerikanischen Soldaten in Korea.
So in der Urteilsbegründung.
Dieses amerikanische Besatzungsgericht stützt sich bei der Anklage und bei der Urteilsbegründung fast ausschließlich auf solche Personen, die im Dienst der amerikanischen Besatzung stehen und mit der Überwachung der Versammlungen beauftragt waren, oder auf solche Personen, die jeder anständige Deutsche nur als Agenten und Spitzel bezeichnen kann. Die Anträge der Verteidigung aber, durch welche zum Wahrheitsbeweis diejenigen geladen werden sollten, die mit in Korea gewesen sind, oder die Koreaner, die das Dokument an die UNO unterschrieben haben, wurden mit der Begründung abgelehnt, daß die Anklagebehörde nicht den Wahrheitsgehalt der Rede von Frau Wächter zum Gegenstand der Verhandlung mache.
Das kann uns allerdings nicht verwundern, denn die Wahrheit über Korea ist gleichzeitig auch die Wahrheit über die Amerika-Politik in Deutschland. Und diese Wahrheit können diejenigen nicht vertragen, die deutsche Menschen als Kanonenfutter gebrauchen wollen, denn diese Wahrheit über Korea rüttelt alle friedliebenden Menschen in Westdeutschland auf, die Kriegspläne abzulehnen und für die Verständigung zwischen Ost und West einzutreten. Diese Wahrheit über Korea zeigt allen Menschen in Westdeutschland auf, was Mr. McCloy gemeint hat, als er vor ungefähr fünf Vierteljahren sagte: Die Aufgaben, die die amerikanischen Besatzungstruppen in Deutschland haben, sind die gleichen Aufgaben, wie sie die Truppen in Korea haben.
Sehen Sie, darum allein wurde Frau Wächter mit einer so hohen Strafe bedacht.
Darum allein erhielt sie 8 Monate Gefängnis und 15 000 Mark Geldstrafe. Darum allein wurde dieses Schandurteil gesprochen. Ja, in der Urteilsbegründung heißt es sogar, daß, wenn das Geld nicht sofort eingezahlt wird, Frau Wächter unverzüglich eingesperrt und die Strafe auf ein Jahr Gefängnis verlängert wird.
Wie zynisch die Einstellung der Richter dieser Kolonialjustiz gegenüber dem deutschen Volk ist, möchte ich Ihnen an einem weiteren Absatz aus dem Urteil beweisen. Hier heißt es:
Es war nicht notwendig, daß sie
— nämlich Frau Wächter —
nach Korea ging, um die Furchtbarkeiten und Schrecken des Krieges kennenzulernen und sie den Deutschen mitzuteilen. Es gibt wohl kaum ein Volk in der Welt, das mit den Furchtbarkeiten und Schrecken eines Krieges vertrauter ist als das deutsche Volk, und man kann mit Recht annehmen, daß das deutsche Volk diese Erlebnisse nicht vergessen hat, so daß es nicht notwendig gewesen wäre, eine besondere Reise zu machen, um Informationen über die Schrecken eines Krieges einzuholen.
Aber sehen Sie, dieses gleiche deutsche Volk soll durch die amerikanische Politik in einen neuen Krieg getrieben werden.
Davor zu warnen, daß Deutschland nicht ein zweites Korea werde, hat sich Frau Wächter zur Aufgabe gesetzt.
Im deutschen Volk hat sich Frau Wächter dadurch eine große Sympathie errungen. Der Richter mußte selbst zugeben, daß eine Flut von Telegrammen und Protestschriften eingegangen sei.
Diese Sympathien, diese Solidarität und diese Achtung aus allen Kreisen der Bevölkerung gilt der Frau, die aus ihrer ehrlichen, alten sozialdemokratischen Tradition heraus so mutig für die Erhaltung des Friedens eingetreten ist. Ich richte darum an Sie, meine Herren und Damen, als die gewählten Vertreter des Volkes die Bitte und Aufforderung, sich für Frau Wächter einzusetzen, sich für diese deutsche Frau einzusetzen, die sich für Sie, für alle Frauen und Mütter, für den Frieden eingesetzt hat, und gegen dieses Besatzungsurteil Protest einzulegen. Ich richte an Sie die Aufforderung, sich an die Hohe Kommission zu wenden und Aufhebung des Urteils der Militärbehörde gegen Frau Wächter zu fordern.
Der Ihnen vorliegende Antrag ist infolge des bereits vollzogenen Urteilsspruchs von uns entsprechend abgeändert worden, und ich gestatte mir daher, Ihnen einen Zusatzantrag mit der Bitte um Zustimmung vorzulegen. Hier heißt es:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird beauftragt, unverzüglich von dem USA-Vertreter bei der Alliierten Hohen Kommission, Herrn McCloy, zu fordern, daß das gegen Frau Lilly Wächter ergangene, auf acht Monate Gefängnis und auf Zahlung von 15 000 DM Geldstrafe lautende Urteil des Militärgerichts der USA-Besatzungsmacht in Stuttgart aufgehoben wird.
Meine Herren und Damen! Sie haben Gelegenheit, mit Ihrer Zustimmung zu . unserem Antrag der Bevölkerung draußen zu zeigen, daß Sie für deutsche Menschen gegenüber der Militärgerichtsbehörde eintreten. Ich gestatte mir, dem Herrn Präsidenten diesen Antrag zur Beschlußfassung vorzulegen.