Rede von
Dr.
Joachim
Schöne
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf mich, im Gegensatz zu meinem Herrn Vorredner, mit etwas mehr Liebe dem Antrag Drucksache Nr. 2570 zuwenden. Auf den ersten Blick scheint der Antrag der kommunistischen Fraktion überholt zu sein, insbesondere durch die Drucksache Nr. 2424, die sich bereits zur Beratung im Ausschuß gemäß Art. 15 des Grundgesetzes und im Ausschuß für Wirtschaftspolitik befindet.
— Ich kann nichts dafür, wenn es Ihnen so scheint; dann müssen Sie besser aufpassen.
Es kann aber nützlich sein, im Anschluß an diesen Antrag der KPD einmal eine kurze Betrachtung der Tatsachen und der Zusammenhänge auf dem Gebiet der Montanwirtschaft anzustellen.
Zunächst scheint es mir notwendig zu sein, daß man sich noch einmal die verschiedenen Willenserklärungen des Hohen Hauses zur Frage der Neuordnung der Montanwirtschaft vor Augen führt. Die allgemeine Grundlinie wird ja wohl durch die Regierungserklärung bestimmt. So sagte am 20. September 1949 der Herr Bundeskanzler wörtlich:
Die soziale und gesellschaftspolitische Anerkennung der Arbeitnehmerschaft macht eine Neuordnung der Besitzverhältnisse in den Grundindustrien notwendig.
Herr Kollege von Brentano kommentierte diese Worte am Tage darauf, indem er sagte:
Aus dieser Erklärung glaubte Herr Dr. Schumacher schließen zu können, daß die Regierung etwa bestrebt sei, Besitzverhältnisse früherer Besitzer wiederherzustellen. Ich glaube, wer das liest, kann es gar nicht mißverstehen, wenn er es nicht mißverstehen will.
Nun, meine Damen und Herren, ich glaube, aus dieser Grundlinie, der allgemeinen Tendenz, wie ich sie Ihnen an diesen beiden Zitaten eben zeigte, entsprangen die Drucksachen Nr. 109 und 472, d. h. jene Drucksachen, die sich mit der Vorlage eines Gesetzes über die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse in der Kohlenindustrie beschäftigten. Ich darf hierzu feststellen, daß bis zum heutigen Tag von diesem Neuordnungsgesetz für Kohle bisher noch nicht einmal die Umrisse zu erkennen sind.
Eine besonders markante Linie erhielt nun die Frage der Neuordnung der Eisen- und Kohiewirtschaft im Oktober und November des vergangenen Jahres. Seinerzeit brachte meine Fraktion unter Nr. 1549 einen Antrag ein, der im wesentlichen folgende Punkte beinhaltete: Erstens erinnerte er an die Vorlage eines Eigentums-Neuordnungsgesetzes Kohle, zweitens verlangte er die Vorlage eines entsprechenden Gesetzes für die Eisenwirtschaft, und drittens forderte er die Bundesregierung auf, bis zur Vorlage dieser beiden Gesetze jegliche Präjudizierung zu vermeiden.
Um diesen Antrag richtig werten zu können, ist
es vielleicht notwendig, das — ich möchte sagen —
Klima zu rekonstruieren, aus dem heraus der Antrag seinerzeit im November geboren wurde. Herr
Kollege Henßler sagte damals zur Begründung:
Auf Grund verschiedener Veröffentlichungen
ist anzunehmen, daß in den Durchführungsbestimmungen zum Gesetz 27 auch Aktienangelegenheiten — sei es Austausch von Aktien
oder Neuausgabe oder Entschädigung — eine
Regelung finden sollen. Darüber aber müßte
doch eigentlich Einmütigkeit bestehen, daß
diese Frage nur im Zusammenhang mit der
Regelung der Eigentumsfrage gelöst werden
kann.
Als einziger Sprecher gegen den Antrag erklärte seinerzeit der Kollege von Rechenberg wörtlich folgendes:
Daher würde die Bundesregierung . . . ihre Pflicht nicht erfüllen, wenn sie ... jetzt nicht alles täte, um die Neuordnung auf einen Weg zu führen, der das Privateigentum nach Möglichkeit schützt. Das sind die Gründe, aus denen heraus die FDP ... den Antrag der SPD ablehnen muß.
Nun, meine Damen und Herren, der Antrag wurde damals vom Hohen Hause angenommen, und die Annahme dieses Antrages Nr. 1549 verpflichtete die Bundesregierung, die Neuregelung des Eigentums nicht im Sinne einer Privatisierung zu präjudizieren.
Es ist nicht ganz uninteressant, diesen Betrachtungen über die deutsche Willensbildung hinsichtlich der Eigentumsneuordnung in der Montanindustrie die Auffassung der alliierten Gesetzgeber an die Seite zu stellen, die ja für die Abfassung des Gesetzes 75 und später 27 verantwortlich sind. So sagt der General Clay — ich darf aus seinem Buch einen Satz zitieren —:
Die Unternehmen,
— der Eisen- und der Kohlenwirtschaft —
die bei dem Umbau gebildet werden, sind so lange treuhänderisch zu verwalten, bis eine freigewählte westdeutsche Regierung über die Eigentumsverhältnisse dieser Industrien entschieden hat.
Und in einer Sitzung des britischen Unterhauses am 27. Juli 1951 erklärte der Sprecher der Regierung wörtlich:
Der britische Hohe Kommissar war beauftragt, den Standpunkt zu vertreten, daß die deutsche Bundesregierung nach Gesetz 27 verpflichtet sei, eine allgemeine Entscheidung über die Art des Eigentums dieser Industrien zu treffen, bevor irgendwelche Aktien an den neuen Gesellschaften ... an Aktionäre verteilt wurden.
Es ist ganz interessant, festzustellen, daß sich sowohl die alliierten Gesetzgeber wie auch das Hohe
Haus in völliger Übereinstimmung befanden.
Nun kam es im März dieses Jahres zu einer Überlegung bei der Alliierten Hohen Kommission, wie man es denn im Hinblick auf diesen Beschluß des Deutschen Bundestages vom 7. Dezember des vergangenen Jahres mit dem Aktientausch für die neu zu gründenden Eisenkerngesellschaften handhaben solle. Die Hohe Kommission bat einen Vertreter der deutschen Bundesregierung zu einer Rücksprache. Diese Rücksprache hat am 5. April 1951 stattgefunden, und wenn wir richtig unterrichtet sind, ist der Vertreter der Regierung der Herr Bundeskanzler selber gewesen. Nach alliierten Berichten soll der Vorsitzende der Alliierten Hohen Kommission den Herrn Bundeskanzler befragt haben, wie denn die Auffassung der Bundesregierung im Hinblick auf die vom Bundestag im Dezember angenommene Entschließung vom November sei; das ist diese Entschließung, deren wesentlichste Punkte ich vorhin dargelegt habe. Nach alliierten Berichten soll der Herr Bundeskanzler darauf geantwortet haben — ich zitiere —:
Ein Vorschlag zur Nationalisierung könnte nur
von der SPD kommen. Seine Meinung sei:
wenn die Bundesregierung eine Vorlage über
eine Nationalisierung einbringen würde, präjudiziere dies und stände im Gegensatz zu der
Bundestagsentschließung gemäß Vorlage vom
2. November 1950.
Nun, meine Damen und Herren, diese Interpretation scheint mir sehr merkwürdig zu sein, und ich glaube, es besteht Veranlassung, die Bundesregierung von diesem Platz aus erneut darum zu bitten, uns doch endlich einmal den genauen Wortlaut der Besprechung vom 5. April bei der Hohen Kommission zu geben.
Diese Aussprache bei den Hohen Kommissaren überzeugte den britischen Hohen Kommissar immer noch nicht, und die beiden anderen Kommissare beschlossen dann mit Mehrheit das Schreiben, das am 24. Mai herausging und in dem stand, daß die Alliierte Hohe Kommission beschlossen hat, daß Aktien der neuen Gesellschaften an Privatpersonen herausgegeben werden sollen, sobald die neuen Gesellschaften gebildet werden.
Das, meine Damen und Herren, als historisch und sachlich völlig einwandfreien Beitrag zu der Frage des Aktientausches! Ich glaube, daß diese Worte anläßlich des vorliegenden KP-Antrages gesprochen werden sollten, weil sie deutlich machen, daß manche Darstellungen in dem Antrag Nr. 2570 nicht ganz den Tatsachen entsprechen, und weil ich der Meinung bin, daß man hier aussprechen soll, der Ausschuß gemäß Art. 15 und der Wirtschaftsausschuß sollten sich mit diesem Antrag Nr. 2570 in Verbindung mit den von mir geschilderten Tatsachen beschäftigen. Ich darf namens meiner Freunde Überweisung dieses Antrages an den Ausschuß gemäß Art. 15 und an den Wirtschaftsausschuß beantragen.
Zu der Drucksache Nr. 2571 darf ich ganz kurz folgendes erklären. Die Sozialisierung der Grundindustrien ist eine Sache, ich möchte sagen, des Herzens und des klaren Willens der SPD. Mit einer Sozialisierung allerdings, wie meine Freunde sie sich vorstellen und wie meine Freunde sie in absehbarer Zeit dem Hohen Hause in einem Gesetzentwurf vorschlagen werden, — mit einer solchen Sozialisierung hat der Antrag Nr. 2571 der KP überhaupt nichts zu tun. Wenn der Kollege Agatz vorhin sagte, daß die SPD wohl ein „ähnliches Gesetz" in Vorbereitung habe, dann möchte ich darauf erwidern: zu einem solchen Produkt der Unvoll-
kommenheit, der Oberflächlichkeit und der Komposition von Oberflächlichkeit und Agitation wird
sich im allgemeinen kein Sozialdemokrat hergeben!
Mit Sozialisierung hat also dieser Antrag gar nichts zu tun.
Nur ein paar Worte dazu. Es ist eigentlich nur eine Sammlung von ein paar Paragraphen. In § 1 hat man alles addiert, was an irgendwie interessanten Komplexen vorhanden ist. In § 2 ist man zu einer Zwischenlösung gekommen, indem man einen Ausschuß einsetzen will, der eine Mischung zwischen Legislative und Exekutive darstellt. In § 3 drückt man sich um die Bestimmung des Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes herum, nämlich um die Bestimmung der Entschädigung, obwohl sich die Kommunisten selber im Landtag von NordrheinWestfalen so besonders warm für eine Entschädigung bei der Montanindustrie an die sogenannten Kleinaktionäre eingesetzt hatten.
Zu dem Antrag Drucksache Nr. 2571 ist hiernach nichts weiter zu sagen. Auch der Begründung der KPD zu diesem Antrag ist meines Erachtens nichts weiter hinzuzufügen.