Meine Damen und Herren! Die Beschwerden, die in der Interpellation zum Ausdruck kommen und durch die Ausführungen verschiedener Fraktionsredner bereits untermauert worden sind, berühren eine Frage, die nicht erst seit heute aktuell geworden ist, sondern seit Jahren besteht, berühren Dinge, gegen die wir uns immer gewendet haben.
Es ist kein Zufall, daß seitens der Regierung des Petersberges Methoden angewendet werden, die als Symbol amerikanischer Demokratie bereits seit längerer Zeit Praxis in den Vereinigten Staaten selbst sind. Ich möchte nur an das „Federal Bureau of Investigation" erinnern, jenes berüchtigte Amt für Gesinnungsschnüffelei.
Daß aber die Regierung des Petersberges mit der fadenscheinigen Behauptung „aus Gründen der Sicherheit" solche Methoden gegenüber Deutschland anwenden zu müssen glaubt, das, meine Damen und Herren, ist ja nur eine Folgeerscheinung der Tatsache, daß diese Herren des Petersberges mit Ihrer Zustimmung Maßnahmen treffen, um im Interesse ihrer Politik zu verhindern, daß im deutschen Volk eine Bewegung gegen diese Politik des Petersberges zur Entwicklung kommt. Sie selbst also tragen durch Ihre eigene Haltung mit Schuld daran, daß es überhaupt so weit gekommen ist. Aber das ist nur die eine Seite der Frage.
Die andere Seite ist die: Herr Minister, Sie haben bei der Vereidigung der Regierung auf das Grundgesetz — also auch den Art. 10 des Grundgesetzes — durch Ihren Eid beschworen, daß Sie
das Grundgesetz durchführen und schützen werden.
Ich möchte nun, nachdem die Herren der Bonner Regierung bereits wiederholt bewiesen haben, wie sie dieses Grundgesetz achten bzw. mißachten, noch einmal auf den Art. 10 zurückkommen, dessen zweiter Satz lautet: „Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden". Herr Minister, ich frage Sie: Besteht ein solches Gesetz? Sie werden mir bestätigen müssen, daß es nicht besteht. Wie kommen Sie dazu, am 26. Juni dieses Jahres unter der Überschrift „An die Postdirektionen; betrifft staatsfeindliche Propaganda" eine vertrauliche Verfügung herauszugeben — ohne Gesetzesgrundlage! —, wonach geschlossene Sendungen, bei denen der dringende Verdacht besteht, daß sie staatsfeindliches Propagandamaterial enthalten, den Zolldienststellen zuzuführen sind und, wie wir aus der Praxis wissen, die beschlagnahmten Ladungen an die Papierfabrik nach Alfeld zu bringen sind.
Sie haben in dieser vertraulichen Verfügung, zu der Sie keinerlei Rechtsgrundlage haben, darauf hingewiesen, daß insbesondere dann, wenn sich der Inhalt der Pakete infolge beschädigter Verpackung als staatsfeindlich erweise, die Beschlagnahme zu erfolgen habe. Und was bezeichnen Sie als „staatsfeindlich"? Vorschläge über die Bildung des Gesamtdeutschen Konstituierenden Rates, die Forderung auf Abzug der Besatzungstruppen, Freundschaft mit der Sowjetunion und die Volksbefragung! Herr Minister, Sie haben hier darauf zu antworten, wie Sie dazu kommen, eine solche Verfügung herauszugeben!
Meine Damen und Herren, wohin das führt, welches die Folgeerscheinungen solcher Maßnahmen sind, sollte Ihnen als Abgeordneten bekannt sein.
Anläßlich der Weltjugendfestspiele wurden bei Helmstedt 4- bis 5 000 Festspielteilnehmer von der Polizei festgenommen.
Der Bundestagsabgeordnete Otto Niebergall hat von Helmstedt aus ein Telegramm an die Landtagsfraktion in Hannover, an die Bundestagsfraktion in Bonn und an die Bürgerschaftsfraktion in Hamburg gerichtet
mit der Aufforderung, Einspruch zu erheben und
die Freilassung der Festgenommenen zu fordern.
Der Postbeamte in Helmstedt hat es gewagt, dieses Telegramm eines Bundestagsabgeordneten festzuhalten und nicht weiterzubefördern. Herr Minister, wir verlangen von Ihnen,
daß diese Verfügung unverzüglich aufgehoben wird und daß gegen die Beamten vorgegangen wird, die sich unter Bruch des Grundgesetzes anmaßen, eine politische Zensur zu üben.