Rede von
Georg
Kohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist tief bedauerlich, daß wir uns zur Zeit mit einem Gegenstand beschäftigen müssen, wie er in der Interpellation Drucksache Nr. 2551 aufgegriffen ist. Vor hundert Jahren hat sich unser Volk über die Zensurvorschriften heiß geredet, und heute wissen wir, daß geheime Stellen der Besatzungsmächte hier eine Methode eingeführt haben, die unserem ganzen Zeitgeist radikal widerspricht.
Der Interpellant Herr Dr. Mommer hat in ruhiger und sachlicher Form und auch mein Herr Vorredner hat in gleicher Weise auf diese Mißstände hingewiesen. Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß aus einem großen Teil der Bundesrepublik Klagen dieser Art nicht laut geworden sind, wenigstens soweit ich unterrichtet bin. Es sind nur gewisse Provinzen in unserem Bundesgebiet, in denen die Art, die Methode und die Durchführung einfach untragbar sind.
Die Interpellanten fragen, was die Bundesregierung zu tun gedenke, und der Herr Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen hat gesagt, er verhandele und er hoffe auf eine gütliche und verständnisvolle Erledigung. Ich möchte deshalb nicht auf weitere Fälle eingehen, von denen manche viel peinlicher sind als die, die hier angegeben wurden, sondern möchte die Verhandlungen in diesem Punkte nicht stören. Ich hoffe und wünsche aber, daß die Verhandlungen einen für unseren Standpunkt günstigen Verlauf nehmen.
Der Herr Bundesminister hat gesagt, er werde dem Hohen Hause unverzüglich Bescheid geben. Dieses „unverzüglich" haben wir ja schon verschiedentlich gehört. Wir wissen nicht, wie lange dieses „unverzüglich" reicht. Ich bin aber der Meinung, daß eine Verzögerung hier nicht tragbar ist. Deshalb haben wir in unserem Antrag auf Umdruck Nr. 327 in einem zweiten Satz erklärt, daß wir, wenn die Verhandlungen bis zum 1. Dezember nicht zum Abschluß gekommen sind, von der Bundesregierung die Vorlage des ganzen Materials verlangen. Dann haben wir eine amtliche Unterlage, um klar und deutlich der Welt zu verkünden, in welcher Form ein Teil der Besatzungsmächte hier Methoden übt, die untragbar sind, wenn man schon will, daß wir in eine europäische Gemeinschaft hineinwachsen sollen. Wir sind ein Rechtsstaat und wollen ein Rechtsstaat an der Seite aller freiheitlichen Völker bleiben. Mit der Freiheit sind diese Art und diese Methode einfach unvereinbar.
Ich möchte dem Hause vorschlagen, daß wir den Antrag der Sozialdemokratie und von unserem Antrag auf Umdruck Nr. 327 den zweiten Teil annehmen, in dem es heißt:
Sollten die Verhandlungen bis zum 1. Dezember 1951 nicht zum Abschluß gekommen sein, so wird die Bundesregierung weiterhin gebeten, dem Bundestag unter Vorlage des Materials umfassend zu berichten.
Ich kann mir nicht denken, daß ein Kulturvolk es noch ertragen kann, wenn Fälle vorkommen, wie sie uns bekanntgeworden und der breiten Öffentlichkeit unterbreitet worden sind.