Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich würde es begrüßen, wenn der Herr Bundesfinanzminister im Augenblick im Saale wäre,
weil die Frage, ob die Entsperrung der 100 Millionen erfolgen kann, ja in erster Linie von ihm entschieden werden muß.
— Es ist also bejaht, daß die 100 Milionen nicht zur Verfügung stehen.
— Ja, diese Frage, Herr Kollege, ist vorhin im Vermittlungsausschuß entschieden worden, und ich darf für uns, ich glaube, für alle Fraktionen des Wiederaufbauausschusses des Bundestags, feststellen, daß wir zu diesen Verhandlungen und auch unser Ministerium nicht hinzugezogen worden sind. Wir sind nicht der Meinung, daß es richtig ist, etwa nun die 100 Millionen aus dem Soforthilfefonds an die Stelle der 100 Millionen Bundesmittel zu setzen, weil ja die Soforthilfemittel zum Teil sowieso dem Wohnungsbau zugefallen wären. Ich darf hier den Herrn Bundeswohnungsbauminister bitten, zu dieser Frage speziell gleich noch Stellung zu nehmen.
Für meine Fraktion möchte ich sagen, daß wir den sozialen Wohnungsbau mit allem Ernst nach wie vor als das Sozialproblem Nr. 1 betrachten und daß wir weiter an dem damals interfraktionell eingebrachten Antrag festhalten, daß für das Baujahr 1951/52, also für das laufende Baujahr, 500 Millionen DM Bundesmittel bereitgestellt werden müssen. Es ist im Augenblick nur eine Verwirrung eingetreten; ich hoffe, daß die Diskussion sie klären kann.
Wir haben vor Weihnachten mit dem Bundesfinanzminister um das Problem gerungen, und es ist von einem Kollegen im Ausschuß gesagt worden, diese Bundesmittel müßten gewissermaßen als ein Fixum in den nächsten Jahren im Bundesetat aufgenommen werden, ähnlich den Geldern für Beamtenbesoldung usw.
Wenn wir in diesem Jahr vor den Schwierigkeiten stehen, die vorhin in der Wirtschaftsdebatte angeklungen sind, Korea und Folgen seit Korea, so ist zu sagen, daß der Baumarkt hiervon nicht verschont blieb. Jeder von uns, der in der Bauwirtschaft steht, weiß, daß Preissteigerungen von 15 bis 25 % zu verzeichnen sind. Das war uns schon vor Weihnachten bekannt, und wir haben darum 100 Millionen DM mehr als im Vorjahr eingesetzt, um die Preissteigerungen aufzufangen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte in diesem Zusammenhang ein Wort zu den Aufgaben des Bundeswohnungsbauministeriums sagen. Es scheint uns notwendig zu sein, Herr Bundesminister, daß Sie Ihr Personal verstärken, um das anstehende Bundesbaugesetz fristgerecht fertigzustellen. Wir erleben bei den Beratungen des Baulandenteignungs- und Baulandbeschaffungsgesetzes in steigendem Maße, daß wir hier ein Stückwerk machen müssen, eine provisorische Übergangslösung, und daß wir an der sehr schwierigen Aufgabe nicht vorbeikommen, ein Bundesbaugesetz zu erlassen, das vor allem auch die Frage der Bewertung des Baubodens endgültig klären soll. Hierzu ist Personal notwendig, und was sein muß, Herr Bundesminister, sollte geschehen. Wir haben wenig Zeit zu verlieren. Darum wünschen wir, daß wir tatsächlich bis zum 1. April die Vorlage des Entwurfs haben können und daß auch Ihr Ministerium entsprechend personell verstärkt wird. Ich darf sagen, daß sich das Bundeswohnungsbauministerium vielleicht vor allen unseren Ministerien dadurch auszeichnet, daß es personell wirklich auf das Äußerste beschränkt ist. Aber Wohnungsbau ist Notprogramm Nr. 1 und erfordert entschiedene Maßnahmen auch personeller Art, die getroffen werden müssen.
Herr Kollege Kalbfell sagte vorhin, daß der Herr Bundeskanzler erklärt habe, 10 000 Wohnungen im Eigenheim seien ihm lieber als 20 000 Mietwohnungen. Ich bin bei dieser Kundgebung dabei gewesen, und es wäre gut — ich habe die Rede leider im Moment nicht dabei —, die Rede im Zusammenhang zu sehen. Ich darf hier vielleicht kurz etwas vorausschicken. Unsere Auffassung zum Wohnungsbau ist die, daß möglichst viele entwurzelte Menschen über den Wohnungsbau wieder zu einem Eigentum kommen sollen. Das gilt vor allem für unsere Vertriebenen. Wir möchten nicht, daß über den Wohnungsbau, der doch alljährlich mit rund 350 000 Wohnungen ein erhebliches Kapital investiert, nicht ausreichend von der Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, Einzeleigentum zu schaffen. So hat der Herr Bundeskanzler im Zusammenhang seiner Rede, die sich mit den ethischen Grundlagen der Familie usw. befaßte, gesagt, daß auf die Dauer gesehen für den Bestand der Familie 10 000 Eigenheime mit Garten und Feld besser seien als 20 000 Wohnungen in Miethäusern usw.
Ich glaube, daß man dem zustimmen kann, wenn hier ein Ideal herausgestellt wird. Wir müssen im sozialen Wohnungsbau wirklich davon abkommen, daß Herr Maier oder Herr Müller, oder Schütze X, wie es unter den Soldaten hieß, nicht selbständig
bauen können. Ich bin der Meinung, daß wir gerade bei der steigenden Geldknappheit in stärkerem Maße dazu übergehen müßten, die Selbsthilfe und Eigenverantwortung im Wohnungsbau zu fördern, so daß der einzelne sein Geld und seine Arbeitskraft in dieses zu erwartende künftige Eigentum steckt und sich ein Einzeleigentum schafft. Ich glaube, so sind die Worte des Kanzlers zu verstehen gewesen.
Wir sind der Meinung, daß in der großen Diskussion, die gestern auf dem Bauvereinstag in Düsseldorf stattfand — wo viele Mißverständnisse bestanden —, bei keiner Frage und auch bei meinem Referat in Hannover über die Funktion des Eigenheims in der Sozialordnung unserer Zeit mit keinem Gedanken daran gedacht war, die Aufgabe der gemeinnützigen Wohnungsunternehmen oder der Genossenschaften geringzuschätzen. Ich habe dort erklärt und möchte es auch hier sagen, daß nur diejenigen das Prädikat „gemeinnützig" verdienen, die im echten Sinne des Wortes gemeinnützig handeln. Damit will ich zum Ausdruck bringen, daß die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen sich in steigendem Maße bemühen müssen, Trägerfunktionen zu übernehmen und für den einzelnen Bürger zu bauen, um ihm die Lauferei zu den Behörden abzunehmen, soweit es irgendwie geht. Ich glaube, das ist bei den Genossenschaften sowieso der Fall. Der alte Genossenschaftsgrundsatz sollte hier ganz klar herausgestellt werden, daß auch der Genosse irgendwann einmal zu einem persönlichen Eigentum kommt.
Das bisherige Ergebnis ist zahlenmäßig mit 15 bis vielleicht 20 % Eigenheimen, die gebaut worden sind, nicht erfreulich. Darum möchte ich hoffen, daß im kommenden Baujahr hier wirklich der Gedanke des individuellen Eigentums ganz stark herausgestellt und verwirklicht werde.
Meine Damen und Herren! Wir haben vor kurzer Zeit ein großes Gesetz verabschiedet; das war das Bergarbeiter-Wohnungsbaugesetz. Wenn man nun hier und da hört, daß dieses Parlament gewisse Dinge nicht zu tun vermöge und daß sich die Demokratie sehr schwer entwickle, so dürfen wir doch einmal feststellen, daß es bisher möglich gewesen ist, das erste Wohnungsbaugesetz, das Gesetz über das Wohnungseigentum und auch das Bergarbeiter-Wohnungsbaugesetz einmütig zu verabschieden. Das Bergarbeiter-Wohnungsbaugesetz hat schließlich nicht mehr und nicht weniger zum Ziele, als in zwei bis drei Jahren immerhin etwa 92 000 Wohnungen für den Bergbau zu erstellen. Eine gewisse Anzahl ist bereits im Bau. Das ist eine große Leistung gewesen, auf die wir stolz sein können.
Die Schwierigkeiten auf dem Baumaterialmarkt, Herr Kollege Kalbfell, machen uns sehr große Sorge. — Herr Bundesminister, ich möchte hier nicht die zahllosen Briefe erwähnen; aber da sind im Zusammenhang mit den Verhandlungen um die
Bereitstellung von Baueisen, Moniereisen Dinge geschehen, die nicht mehr vertretbar sind. Ich meine, hier müßte energisch eingegriffen werden. Vielleicht wird der Herr Kollege Wirths nachher noch darauf eingehen; er kennt die Zusammenhänge noch etwas besser. Es ist aber einfach unerträglich, daß Baueisen heute auf dem schwarzen Markt gehandelt wird und für den sozialen Wohnungsbau nicht mehr greifbar ist und so für den Wohnungsbau hier tatsächlich eine ernste Gefahr besteht.
Meine Damen und Herren! Zum Schluß möchte ich die Hauptsorge, die wir im Ausschuß haben, zusammenfassen und dem Hohen Hause mit auf den Weg geben. Damit komme ich noch einmal auf die Finanzierung zu sprechen. Es ist einfach unmöglich, die Wohnungsbaufinanzierung schleifen zu lassen und etwa zu sagen: Ach Gott, ihr seid ja auch mit 100 Millionen weniger zufrieden! — Das ist jetzt, trotz der großen Leistungen, die im Wohnungsbau erzielt werden konnten, unmöglich, da noch Millionen Deutscher in Bunkern und Erdlöchern und schlechten Wohnungen hausen müssen. Es ist unsere unabänderliche Meinung, daß dieses Bauvolumen in den kommenden Jahren nicht gesenkt werden darf.
Die 1,8 Millionen Wohnungen des sozialen Wohnungsbaues — des sozialen Wohnungsbaues, nicht die steuerbegünstigten oder frei finanzierten Wohnungsbauten —, die im ersten Wohnungsbaugesetz für 6 Jahre gefordert worden sind, verlangen wir entschlossen und entschieden. Wir sind der Meinung, daß unter keinen Umständen weniger gebaut werden darf.
Auch hier darf ich vielleicht etwas richtigstellen, was falsch klingen könnte. Herr Kollege Kalbfell, der Herr Bundeskanzler hat nicht, wie es die Presse geschrieben hat, gesagt: „Kasernen statt Wohnungen", sondern der Herr Bundeskanzler hat erklärt, es könne irgendwann eine Möglichkeit eintreten, wo Sicherheitsaufgaben vorübergehend die Ausgaben für den Wohnungsbau beschränken könnten. Ich darf hierzu sagen, daß meine Freunde und auch ich der Meinung sind, daß diese Form des Wohnungsbaues — insbesondere die Form, die Eigentum schafft, die unsere Menschen wieder mit dem Boden verwurzelt, die die Eigentumslosigkeit beseitigt —, mit der notwendigen Beschleunigung vorangetrieben, ein echter Sicherheitsbeitrag ist. Es ist ein so echter Sicherheitsbeitrag, daß man ihn nicht gegenüber anderen Aufgaben, etwa gegenüber einem direkten Sicherheitsbeitrag hintanrangieren lassen kann. Das ist unsere Meinung, und ich glaube, nichts anderes hat der Bundeskanzler gesagt.
Darum bitte ich, Herr Bundesminister: beachten Sie bei dieser Frage vor allem das finanzielle Moment. Wir möchten Klarheit haben, ob jetzt die finanziellen Möglichkeiten gegeben sind. Ich darf bitten, bei dieser Generaldebatte auch etwas über die Finanzierung im kommenden Jahr auszusagen. Wir haben große Sorge, ob es im kommenden Jahre gelingen wird, daß das von uns allen gewünschte Programm, jährlich 300 000 Wohnungen des sozialen Wohnungsbaus zu bauen, finanziert werden kann.