Meine Damen und Herren! Ich sehe leider im Augenblick den Kollegen Dr. Kreyssig nicht im Saal, dem ich eine Äußerung versprochen hatte. Lassen Sie mich eines vorweg sagen. Wenn hier davon gesprochen worden ist, daß die Politik, die mit dem Übergang zur Marktwirtschaft begonnen hat, zum völligen Zusammenbruch geführt habe, so will ich demgegenüber gar nicht einmal primär auf die wirtschaftlichen Erfolge eingehen, die ja eindeutig genug vom Herrn Bundeswirtschaftsminister dargestellt worden sind. Ich möchte nur einmal auf die politischen Zusammenhänge eingehen. Glaubt denn irgend jemand, daß einem Deutschland, das wirtschaftlich noch so aussehen würde, wie es im Augenblick der Währungsreform aussah, mit einem Produktionsvolumen von 47 % des Volumens von 1936, mit Normalverbraucherrationen und Schwarzen Märkten auf der ganzen Linie, mit einer völlig zerrütteten Währung, einem solchen Deutschland irgendwelche Zugeständnisse in der Richtung der Aufhebung seiner wirtschaftlichen Fesseln auf dem Gebiet des Schiffbaues, der Buna- und sonstigen synthetischen Erzeugung, des Maschinenbaues, der Stahlerzeugung gemacht worden wären? Glaubt denn jemand, daß ihm auf dem politischen Gebiet mit der Einrichtung eigener Konsulate, eigener Gesandtschaften, einer eigenen Außenpolitik
und schließlich jetzt auf der Schwelle zu einer völligen Wiedererlangung gleicher Rechte und Pflichten in einem freien Europa
entgegengekommen worden wäre? Das haben wir uns doch gerade mit Hilfe dieser angeblich so erfolglosen Wirtschaftspolitik und mit dem deutschen Volke erst erarbeitet. Hier liegen die allergrößten Erfolge dieser Politik, die wir jetzt auch dringend brauchen. Nur darauf gestützt, daß wir wieder ein Faktor für die übrige Welt geworden sind und nicht mehr einseitig ihr Elendsquartier sind, können wir jetzt die Einbeziehung in die westeuropäische Gemeinschaft beanspruchen und diesen Anspruch mit einigem Recht untermauern.
Wenn Herr Kollege Kreyssig gerade daran Anstoß nahm, daß der Herr Wirtschaftsminister sagte, man solle die Weiche nicht auf eine sogenannte Austerity, auf eine Politik stellen, die darauf abziele, daß in Deutschland weniger Autos, weniger
Kühlschränke, weniger Erzeugnisse unserer hochverarbeitenden Industrien hergestellt würden, so möchte ich Herrn Kollegen Kreyssig erwidern, daß eine Politik der Austerity wirklich eine falsche Politik wäre. Wir können doch die ungeheuren Lasten, die wir zu tragen haben, nur dadurch tragbar machen, daß wir stets und ständig den Kuchen, von dem alles zehren will, vergrößern. Wir hätten niemals in den vergangenen Jahren die inzwischen bewilligten 3 1/2 Milliarden DM für die Kriegsopferversorgung, die dazu bewilligten 750 Millionen DM für die Regelung der Ansprüche der unter Art. 131 fallenden Personen aufbringen, wir hätten jetzt ebenfalls nicht die Erhöhung der Beamtengehälter und Pensionen durchführen können, wenn wir nicht zuerst die Plattform dafür durch eine ständige Ausweitung der Produktion gelegt hätten. Und glauben Sie mir auch, Herr Dr. Kreyssig: die nicht zu bestreitende Erhöhung der Löhne — und zwar nicht nur der nominellen, sondern vor allen Dingen der realen, die Sie zum Teil noch unter ungünstigsten volkswirtschaftlichen Voraussetzungen erzwungen haben; man hätte sie in geeigneteren Momenten viel reibungsloser für unsere Volkswirtschaft durchführen können — hätte niemals etwa unter den Verhältnissen der Zeit vor dem 21. Juni 1948 bewilligt werden können; auch sie haben ihre Basis nur in der von Ihnen so bekämpften Wirtschaftspolitik. Deshalb ist auch jetzt — das wird von unserer Fraktion voll unterschrieben - die richtige Politik die einer weiteren Ausweitung der Produktion und nicht einer versuchten Schrumpfung auf irgendeinem Gebiet. Auch damit wir die Möglichkeit zu einer größeren Wettbewerbsfähigkeit in der Ausfuhr haben, bedarf es einer ständigen Ausweitung der Produktion. Wir sind gegen alle Maßnahmen, die diese Ausweitung beeinträchtigen könnten.
Sie haben weiter von dem „Fiasko unseres Außenhandels" gesprochen. Gerade auf diesem Gebiet ist doch wohl der erstaunlichste Beweis der gewachsenen deutschen Leistungsfähigkeit vor der ganzen Welt erfolgt: im Juni 1948 50 Millionen Mark Ausfuhr, und zwar im wesentlichen bestehend aus einem Zwangsexport von Holz und Kohle; im Juni 1950, dem Beginn der von Ihnen behaupteten Wendung, noch eine Ausfuhr von nur 600 Millionen DM im Monat; und jetzt um die Mitte dieses Jahres konstant 1,3 Milliarden DM pro Monat,
wobei allein die Fertigwarenausfuhr weit über die 600 Millionen DM Gesamtausfuhr vom Juni vorigen Jahres hinausgegangen ist.
Die weiteren Einzelergebnisse brauche ich gar nicht anzuführen. Ich darf nur noch darauf hinweisen, daß wir im Jahre 1949 noch 1,1 Milliarden Dollar an Marshallplan- und GARIOA-Krediten brauchten, um die für unsere Bevölkerung notwendigen Nahrungsmittel und Rohstoffe einzuführen. Im Jahre 1950 waren es bei ständig gewachsenen Umsätzen nur noch 700 Millionen Dollar. Im Jahre 1951 haben wir bereits bis zum August die gesamten 2 Milliarden Dollar Ausfuhr des Jahres 1950 erreicht, werden also bis zum Ende des Jahres noch wesentlich über das Vorjahrsergebnis hinauskommen. Wir stehen dabei bis auf einen derartigen Saldo von unter 100 Millionen Dollar bereits völlig auf eigenen Füßen.
Ich darf nun auf die leider vorhandenen Engpässe bei der Kohle, beim Eisen und Stahl eingehen. Sicher würden uns die 6 Millionen t, die uns vierteljährlich durch das Diktat der Ruhrbehörde, die ich kürzlich schon als einen Anachronismus bezeichnete, entzogen werden, wesentlich helfen, unsere Situation zu erleichtern. Wir haben aber, glaube ich, nur dann die Aussicht, daß dieser Anachronismus der Ruhrbehörde verschwindet, wenn wir die bisherige Politik der wirtschaftlichen Stärkung fortführen.
Wir werden auf dem Gebiet der eigenen Fördersteigerung alles tun müssen, um diesen entscheidenden Engpaß noch mehr zu erweitern. Es ist ja nicht so, daß die Kohlenförderung insgesamt zurückgegangen ist. Im Gegenteil, sie hat sich gegenüber dem Vorjahr noch um 7 % gesteigert. Leider reicht das nicht aus. Ich bin der Meinung, daß die Bundesregierung die Investitionsförderung bei Kohle, Eisen und Stahl noch mit etwas größerem Elan, mit erheblich mehr Tempo in der Richtung vorantreiben muß, wie sie der Herr Bundeswirtschaftsminister schon seit über einem Jahr auch vorantreiben will. Ich freue mich, daß es kürzlich in diesem Hause möglich war, das Bergarbeiterwohnungsgesetz anzunehmen, das den Engpaß der 100 000 fehlenden Bergarbeiterwohnungen beseitigen soll. Ich muß nach wie vor fordern, daß man den Mut aufbringt, mit den Zwangsbindungen zu brechen, die uns bei Kohle, Eisen und Stahl eine ähnliche Fortentwicklung, wie sie auf den anderen Sektoren der Wirtschaft erfolgt ist, zum Teil vorenthalten haben. Wenn man diesen Mut hat, wird für die deutsche Produktion der Durchschnittskostenpreis von Kohle, Eisen und Stahl sicherlich nicht höher liegen als das, was sie gegenwärtig unter dieser aufrechterhaltenen Zwangswirtschaft noch zu zahlen hat. Bei Kohle, Eisen und Stahl wird sich genau dasselbe vollziehen, was wir im Frühjahr auf dem Sektor der Treibstoffe erlebt haben, wo man noch am Tage vor der Aufhebung der Preisbindungen und der Bewirtschaftung gesagt hat: Wenn Sie diese Bewirtschaftung aufheben, entsteht ab morgen ein Chaos. Gegenwärtig gibt es keinen Schwarzen Markt mehr. Im Gegenteil, Sie können sogar wieder Benzin bekommen, mit dem man auch Berge herauffahren kann, ohne daß man sich wie ein Wecker vorkommt. Der Finanzminister konnte sogar noch erheblich mehr an Mineralölsteuern für seine Kassen herausziehen, ohne daß eine Verteuerung eingetreten ist.
Zu der wirtschaftspolitischen Linie, die Sie so angreifen, ist noch folgendes nachzutragen. Sie fragten, was der Wirtschaftsminister wohl von der Vollbeschäftigung hält. Ich bin der Meinung, daß die eindeutige Steigerung der Beschäftigtenzahlen um immerhin über 700 000 Menschen in dem letzten Jahr deutlich genug dafür spricht, wo eine echte Vollbeschäftigung angestrebt wird. Eine Vollbeschäftigung, die sich mit irgendwelchen unproduktiven Notstandsarbeiten zu Lasten des Steuerzahlers und damit letztlich wieder zu Lasten der breiten Schichten des Volkes selber etwas vorlügt, macht ein Volk nur arm. Aber die Politik der produktiven Leistungssteigerung, die trotz aller Erschwernisse des Koreakrieges durchgehalten worden ist, macht uns auf die Dauer unabhängig und frei.
So sind wir mit der großen Linie der Wirtschaftspolitik des Bundeswirtschaftsministers voll einverstanden. Wir wünschen nur, daß sie noch etwas mutiger und konsequenter durchgeführt wird.
Aus diesem Anlaß möchten wir noch einige Anmerkungen zu dem Haushaltsplan machen. Wir haben den dringenden Wunsch, dab das Wirtschaftsministerium selber als ein Instrument, das dem Wirtschaftsminister zur Verfügung steht, um seine Politik durchzuführen, noch schlagkräftiger gemacht wird, indem die zum Teil schon seit Jahren verwaisten Referate nun endlich besetzt werden, indem man sich bemüht, in dem so ungeheuer wichtig gewordenen Ministerium eigens einen Mann zu finden, der die gesamte Verwaltung in eine straffe Hand nimmt.
Wir möchten gleichzeitig folgende Frage aufwerfen: wozu brauchen wir, wenn wir schon ein Wirtschaftsministerium und einen Wirtschaftsminister haben, dessen Politik sich als so erfolgreich für das deutsche Volk erwiesen hat, noch irgendwelche Berater oder ähnliche Funktionäre, von denen man überhaupt nicht weiß, welche Funktion sie haben, die irgendwo im Zwielicht der Bundesregierung stehen? Wir wünschen, daß auf diesem Gebiet wieder vollkommen klare Verhältnisse und klare Verantwortlichkeiten hergestellt werden.
Da wir diese klaren Verhältnisse und klaren Verantwortlichkeiten durch die Leistungen gerechtfertigt sehen, sind wir auch der Meinung, daß nun endlich dem Wunsch und Willen des Hauses, daß die Verantwortung für Geld und Kredit in die Hände des Wirtschaftsministers gelegt wird, wie wir das auf unserem Umdruck Nr. 324 beantragt haben, Rechnung getragen wird. Es geht nicht an, daß wir — nachdem dieses Hohe Haus nun immerhin schon vor einigen Monaten ein Gesetz über das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen beschlossen hat, in dem ausdrücklich festgestellt wird, daß die Zuständigkeit beim Bundeswirtschaftsminister liegt — in dem uns vorgelegten Haushalt lesen, daß dieser Titel nach wie vor beim Finanzminister eingeplant ist. Das ist eine Mißachtung der Beschlüsse dieses Hauses, die wir in keiner Weise billigen können. Wir bestehen deshalb um so mehr auf dem von uns vorgetragenen Antrag.
Wir haben dann noch den besonderen Wunsch an den Herrn Wirtschaftsminister, daß er in seinem Ministerium den Fragen der mittelständischen Wirtschaft einen noch breiteren Raum gibt als bisher. Denn wir sind uns klar darüber, daß die Schwierigkeiten, die durch die Koreakrise infolge der Verknappung von Kohle, Eisen und Stahl entstanden sind, von einzelnen großen Unternehmen immer leichter überwunden werden können als von einer großen Vielzahl von kleineren Unternehmen, auf deren gesunde Fortentwicklung wir aber ganz besonderen Wert legen müssen.
Das sind unsere Wünsche, die wir hier noch anzumelden haben. Wir sind nach den Ausführungen, die der Wirtschaftsminister heute hier gemacht hat, davon überzeugt, daß unsere Wünsche mit unserer Unterstützung, die wir ihm für die Durchsetzung dieser Forderungen, wenn er sie akzeptiert, jederzeit zur Verfügung stellen, auch in vollem Umfang erfüllt werden können.