Rede von
Otto
Niebergall
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Entschuldigen Sie, ich spreche nach einer Vorlage und nicht nach einem ausgearbeiteten Manuskript.
— Das kann Sie gar nicht interessieren; bei mir wird sie nicht von der Großindustrie geschrieben, sondern kommt aus meinem Kopf.
Die Zeitung „Handelsblatt" betont dazu: „Auf amerikanischer Seite wurde die große Bedeutung der Bundesrepublik als Vorfeld des Westens vor dem Eisernen Vorhang anerkannt." Da liegt der Hase im Pfeffer! Das ist der Inhalt der Wirtschaftspolitik des Herrn Erhard. Das kam auch in den Gesprächen des Herrn Berg mit den Politikern in den USA zum Ausdruck und wurde ganz deutlich umrissen, als sie sagten, daß Westdeutschland eine Schlüsselposition im Westen gegen den Osten darstelle. Was ist denn das für eine Schlüsselposition? Ist das eine Friedensposition, eine Position der Kultur, von der hier diese Amerikaner gesprochen haben? Nein, es ist ein Vorfeld des neuen kommenden Krieges — des Krieges, der dann kommt, wenn ihn die Völker nicht verhüten. Nach Ansicht des Herrn Berg ist die deutsche Industrie noch nicht genügend mit Rüstungsaufträgen bedacht.
Diesem abzuhelfen, war die Aufgabe seiner Reise nach Amerika. In der „Frankfurter Allgemeinen" vom 8. 8. 1951 wird darüber wie folgt berichtet: „Als erstes konkretes Ergebnis der Amerika-Reise der Industriellen nannte Berg die jetzt geschaffene Möglichkeit, Unterlieferungsverträge von amerikanischen Firmen zu erhalten, die mit Rüstungsaufträgen versehen sind." Was heißt Unterlieferungsverträge? Die Unterlieferungsverträge für die amerikanische Rüstung sind nichts anderes als deutsche Rüstungsbeiträge.
Man will das dem Volk gegenüber nur verschleiern, man will den wahren Tatbestand zudecken, und zwar die Wiederaufrüstung Westdeutschlands. Der Drang nach Rüstungsprofiten kommt in folgenden Worten des Herrn Berg klar zum Ausdruck: „Die Industrie wird von sich aus spätestens im Herbst eine Delegation nach drüben schicken, die dann dort die begonnenen Verhandlungen weiterführt und zu einem erfolgreichen Abschluß bringt."
Meine Damen und Herren, das ist nach unserer Auffassung ein sehr gefährlicher Weg. Diesen Weg hat man im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und unter Hitler beschritten, und dieser Weg hat schnurgerade zum Krieg, zur Katastrophe geführt. Dieser Politik dient die Wirtschaftspolitik des Herrn Erhard. Sie steht im Gegensatz zu den nationalen und sozialen Interessen unseres Volkes. Dabei ist mehr als interessant, an welche Bedingungen das amerikanische Rüstungsgeschäft in Westdeutschland geknüpft ist. Was für Bedingungen sind das? „Die Welt" vom 8. 8. 1951 berichtet darüber:
Die Schwierigkeiten für eine erweiterte Hilfe an die Bundesrepublik würden, so betonte Berg, trotz der Teilnahme an der Verteidigungsarbeit weiter bestehen, wenn deutscherseits in der Frage des Ost-West-Handels den amerikanischen Wünschen nicht nachgegeben werde. Präsident Berg sieht erhebliche Beschwernisse für die Bundesrepublik, weil ein Ausgleich durch den Westhandel nur schwer möglich ist und weil die deutsche Wirtschaft nicht in dem gleichen Maße neue Märkte zu suchen imstande ist wie die amerikanische z. B. im Fernen Osten.
Dahin führt eben die amerikanische Politik. Sie ist ein Gewinn für die Konzernherren und für ihre Helfershelfer, aber ein Schaden für die deutsche Friedenswirtschaft. Soweit die Reise des Herrn Berg.
Und was war das Ziel der Reise des Herrn Bundeswirtschaftsministers? Über das Ziel der Reise des Herrn Erhard berichtet die „New Yorker Staatszeitung": „Diesmal kommt er nicht mit leeren Händen. Sein Ziel ist, der Regierung und dem Volk der Vereinigten Staaten vermehrte Leistungen für die Sicherung der atlantischen Welt anzubieten." Die Zeitung schreibt weiter: „In seinem Musterkoffer des Reisenden für die alte Firma, die wieder ins Geschäft kommen will, führt er Beweise guten Willens, neuen Mutes und wiedererwachter Leistungsfähigkeit."
Ich frage Sie: Was für eine alte Firma ist das, die wieder ins Geschäft kommen will und deren Reisender Herr Professor Dr. Erhard war? Das sind doch die Herren der deutschen Schwerindustrie, die Hitler an die Macht gebracht haben, die seinen Krieg vorbereitet haben, die an seinem Krieg, die an der Katastrophe und an der Wäh rungsreform verdient haben und die jetzt wiederum an einem neuen Krieg verdienen wollen! Das sind doch die Herren, für die Herr Professor Dr. Erhard gereist ist.
Aber nicht nur das. Weiter erklärte der Herr Bundeswirtschaftsminister nach derselben Zeitung: „Wir können und wollen nicht beiseite stehen, wenn überall in der Welt erhöhte Opfer gefordert werden." „Einstweilen aber" — so betonte er —„handelt es sich darum, die deutsche Industrie für die Aufrüstung unserer westlichen Streitkräfte einzuspannen." Und hier hat er das gesagt, um was es geht. Ja, Herr Erhard: für das Volk die Opfer, — für Ihre Freunde aus der Schwerindustrie die Profite! Das ist die Politik des Herrn Bundeswirtschaftsministers, aber nicht die unseres Volkes.
An einer andern Stelle erklärte der Herr Bundeswirtschaftsminister: „Den Schlüssel bildet die Beschaffung von genug Kohle und die volle Ausnutzung der Leistungsfähigkeit unserer Stahlindustrie." Aber wie sieht es denn mit unserer Kohle aus? Unsere Kohle geht ins Ausland und dient der Rüstung. Wir erhalten für die Ausfuhrkohle pro Tonne 10,5 Dollar, während wir für die Einfuhrkohle 24 Dollar zahlen müssen.
— Entschuldigen Sie, schon heute sind die Verluste, die wir auf diese Weise bei der Ausfuhr der Kohle erleiden, größer als Ihre ganze Marshallplanhilfe.
Während unsere Friedensindustrie gedrosselt wird, große Teile unseres Volkes in diesem Winter frieren werden, wird unsere Kohle der Rüstung und dem Krieg geopfert. Und dazu hat uns Professor Erhard nur folgendes Sprüchlein zu sagen: „Besser teure Kohlen als gar keine!" Das sagt derselbe Bundesminister, der nach einer Mitteilung der „Welt" vom 28. Mai 1951 auf der Mitgliederversammlung der Wirtschaftsvereinigung Eisen und Stahl in Düsseldorf gegen die Festsetzung der Kohlenexportquote von 6,2 Millionen t für das dritte Quartal erklärte, dieser Beschluß sei ein Diktat, zu dem noch deutliche Worte gesprochen werden müßten. Noch heute wartet das deutsche Volk auf diese deutlichen Worte. Im Gegenteil, Herr Professor Erhard hat ganz schön geschluckt, was vom Petersberg befohlen wurde. Wir erinnern uns dessen, was Herr Erhard vor kurzem und auch heute von dieser Stelle aus gesagt hat, daß die
Kohlenversorgung gesichert ist, und wir werden ihn bei diesem Wort packen, denn das ist doch ein Märchen. Die Politik des Herrn Bundeswirtschaftsministers ist die Politik des Marshaliplans, des Schumanplans, des Atlantikpaktes. Dieser Politik werden die Interessen unserer Wirtschaft unterstellt. Sie bedroht die nationalen Interessen unseres Volkes. Diese Politik entzieht für die Rüstung und den Profit unserem Volke Kohle, Eisen, Stahl und Schrott. Diese Politik erfüllt die Wünsche des amerikanischen Imperialismus und untergräbt zum Frommen der Wallstreet unsere eigenen nationalen Interessen, unseren Handel mit dem Osten. Deshalb sagen wir Kommunisten: Für eine solche Wirtschaft, für einen solchen Bundesminister keinen Pfennig, keinen Groschen!