Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem der Herr Kollege Dr. Jaeger in so freundlicher Weise auf die „Süddeutsche Zeitung" vom 6. Oktober Bezug genommen hat, in der ich zu einem Gegner des Föderalismus gestempelt werde, möchte ich doch ein kurzes Wort dazu sagen. Ich möchte mich nach allem, was vorhin geschehen ist, nicht darauf berufen, daß ich von Blut und Boden her eigentlich Welfe bin, denn das könnte wieder mißverstanden werden.
Etwas habe ich ja vielleicht für meinen föderalistischen Ruf getan, als ich in der Frage des Südweststaates hier gesprochen habe, obwohl ich auch nicht den Eindruck hatte, daß mich das nun gerade in Freiburg besonders populär gemacht hat.
Aber ich darf nun doch einmal sagen, daß auch hier wieder einer der Fälle vorliegt, in denen eine Presseberichterstattung ein erstaunlich schiefes Bild über das gibt, was geschieht. Das soll allerdings öfter vorkommen. Aber das hier einmal festzustellen, scheint mir wichtig zu sein.
Ich habe mich gewundert, daß über einen Vortrag, den ich auf Einladung in einer geschlossenen Gesellschaft von Politikern, Wirtschaftlern und Wissenschaftlern in Frankfurt gehalten habe, nicht nur deutsche Stellen, sondern auch andere Stellen am nächsten Morgen bereits sehr genaue Informationen hatten.
Ich habe dort das Thema behandelt: „Die Funktion des Parlaments im öffentlichen Leben Deutschlands". Ich bin der Auffassung, daß das ein Thema ist, das zu behandeln mir ja immerhin nicht ganz untersagt werden kann.
Ich habe geglaubt, in diesem Vortrag zum Ausdruck bringen zu sollen, daß der Deutsche Bundestag nach dem Grundgesetz neben anderen Funktionen die Funktion der Repräsentation der deutschen Einheit hat, und habe das an Einzelheiten aus der gegenwärtigen Situation und auch in einem Vergleich mit dem Deutschen Reichstag dargelegt und mir dabei gestattet, darauf hinzuweisen, daß das gegenwärtige Wahlgesetz, insbesondere in der Form der Landesergänzungslisten, weit mehr als das frühere Reichstagswahlgesetz eine Vertretung auch der Interessen der Länder durch die Abgeordneten des Bundestages zur Folge hat. Das kann ernsthaft nicht bestritten werden, und das, was Herr Kollege Dr. Jaeger hier eben gesagt hat, ist ja ein lebendiger Beweis dafür.
Ich habe darüber hinaus — und ich meine, daß das einem Präsidenten des Deutschen Bundestages auch nicht untersagt sein kann — in diesem geschlossenen, interessierten Kreise die Frage erörtert, wie sich nun das Grundgesetz mit seinen Einrichtungen im Blick auf das parlamentarische Leben bisher bewährt habe, insbesondere welche Bedeutung der Bundesrat gewonnen habe und wie diese Konstruktion des Bundesrates sich im Blick auf die Gesamtverantwortung der Bundesrepublik bewährt habe. Ich habe mir dabei unter anderem gestattet, auf die Ausführungen Bezug zu nehmen, die Herr Kollege Dr. Horlacher am 16. März 1951 hier zum Thema Bundesrat gemacht hat. Herrn Dr. Horlacher habe ich zitiert, um auf keinen Fall in Verdacht zu kommen, daß ich eine kritische Stimme nun gerade von einem Zentralisten oder einem Norddeutschen zitiere. Ich möchte ausdrücklich sagen, daß ich damit offenbar keinen Angriff auf die föderalistische Staatsform geführt habe, sondern nur Fragen aufgeworfen habe, die — wenn ich recht sehe — uns alle bewegen und uns alle bewegen müssen. Ich vermag allerdings auch nicht einzusehen, daß es nun in diesem Staate als einziges eine Größe geben könnte, die außerhalb der politischen, sachlichen Debatte stände, nämlich den Bundesrat. Die Frage, wie seine Gestaltung und Arbeit sich bewährt hat oder ob man darüber reden müßte, ob andere Konstruktionen für den föderalistischen Aufbau und die Förderung des Föderalismus vorzuziehen seien, ist durchaus aktuell. Ich verstehe nicht ganz die Empfindlichkeit, die sich dort gezeigt hat.
Meine Damen und Herren, wenn ich nicht die Möglichkeit habe, in geschlossenen Kreisen sachliche Gespräche über Fragen, die uns um unserer Verantwortung willen bewegen, zu führen, würde ich zwar nicht für den Föderalismus, aber für die von Herrn Dr. Jaeger auch zitierte Demokratie sehr schwarz sehen.