Rede von
Arno
Hennig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Bundesministerium des Innern hat ein Stiefkind, von dem manche sogar meinen, es müsse gänzlich verstoßen werden. Zugunsten dieser Abteilung III, der Abteilung für Kulturpolitik im Bundesinnenministerium, möchte ich ein Wort einlegen und möchte deshalb den Herrn Präsidenten bitten, bezüglich der Redezeit — von der ich weiß, daß sie knapp geworden ist — großzügig oder mindestens nachsichtig zu verfahren. Ich hoffe, Sie werden darüber nicht böse sein, da ich sicherlich nicht nur im Interesse der Opposition spreche, wenn ich dieses Thema anrühre.
Der Etat sieht für die Abteilung III 300 000 DM für ein Gebiet mit nahezu 50 Millionen Menschen vor, bei einem Gesamtetat, von dem man — man weiß es noch nicht — vermuten kann, daß er demnächst 20 Milliarden betragen wird. Meine Damen und Herren, wir sagen ganz frei heraus: das ist ein unmöglicher und auch unwürdiger Zustand.
Wir verzichten heute bewußt darauf, konkrete Anträge zu stellen, weil wir die Behandlung des Überrollungsetats nicht aufhalten und nicht komplizieren wollen. Wir behalten uns aber ausdrücklich konkrete Anträge in dieser Richtung vor.
Ich muß aber heute wenigstens an einen Brief erinnern, den ich als Vorsitzender des Unterausschusses „Kunst" im einmütigen Auftrag aller Parteien an den Herrn Finanzminister richten mußte. Deshalb bedauere ich, — — Verzeihung, der Herr Finanzminister ist doch anwesend, so daß er jetzt Kenntnis davon nehmen kann —, ich sage also, daß wir uns dieses Briefes noch immer erinnern und der Meinung sind, daß er ernst genommen werden muß. Das Bundesministerium des Innern hat nämlich gewisse moralische Verpflichtungen. Erstens einmal die Verpflichtung, wenigstens die geringen Zuständigkeiten des Bundesministeriums auf kulturpolitischem Gebiet auch auszuschöpfen.
— Bitte, ich habe Sie nicht verstanden!
— Hoffentlich!
— Nein! Verzeihen Sie! Ich meine: hoffentlich werden wir uns auf einen Weg einigen, diese Zuständigkeit zu erweitern. So hatte ich Sie verstanden. Aber der Vorwurf: „das ist Ihre Verfassungstreue!", geht doch ein bißchen zu weit. Sie werden das wohl selbst einsehen!
Nun, meine Damen und Herren, die Zuständigkeiten müssen ausgeschöpft werden. Laut Grundgesetz obliegt dem Bunde die Förderung von Forschung und Wissenschaft, um nur ein Beispiel zu nennen. Durch einen gewissen Vertrag oder ein vertragsähnliches Instrument mit den Ländern hat man sich darauf geeinigt, den Ländern die Grundlagenforschung, dem Bunde die Zweckforschung zu übertragen. Praktisch sieht es nun so aus, daß die naturwissenschaftlichen Disziplinen dabei einigermaßen erträglich wegkommen, obwohl auch da eine heillose Verzettelung herrscht, die durch eine Koordinierung durch den Bund beseitigt werden müßte. Aber die geisteswissenschaftlichen Institutionen sind in einem geradezu jammervollen Zustand. Ein deutscher Kultusminister hat neulich einmal mit Recht festgestellt, daß viele dieser Einrichtungen so beschaffen seien, daß sie in der Privatindustrie polizeilich geschlossen würden, weil sie einfach nicht die Voraussetzungen für gedeihliche Arbeit bieten. Das ist die eine Verpflichtung des Bundes gegenüber dem Geistesleben.
Um das andere Konkrete näher zu bezeichnen, komme ich auf den Brief zu sprechen, den ich damals schreiben durfte. Der Bund hat gewisse Ehrenpflichten. Der Bund hat aus dem Erbe des alten Reiches Verbindlichkeiten zu erfüllen. Solche Verbindlichkeiten sind z. B. das Germanische Museum in Nürnberg, das zu sechs Neunteln vom Reich, zu zwei Neunteln von Bayern und zu einem Neuntel von Nürnberg getragen wurde, weiter das Hochstift-Goethemuseum — die Schiller-Stiftung Marbach wurde schon erwähnt und soll auch, wie ich. mit Genugtuung gehört habe, künftig besonders etatisiert werden —, weiter die Deutsche Bibliothek in Frankfurt, besonders wichtig, weil Leipzig praktisch weitgehend ausfällt. Für die Marienkirche in Lübeck muß etwas getan werden, weil dort wundervolle Fresken des Mittelalters entdeckt worden sind, deren Freilegung 150 000 DM kostet. Bei einer Verzögerung dieser Freilegung könnten Wetterschäden diese kostbaren Funde gefährden. In der gleichen Situation wie das Germanische Museum befindet sich das Römisch-Germanische Zentralmuseum in Mainz. Das alles haben wir zusammengerechnet und haben gefunden, daß etwa 670 000 DM erforderlich sind. Wir haben damals dem Herrn Bundesfinanzminister mitgeteilt, daß wir es für nötig halten, diese Summe gesondert einzusetzen und der kulturpolitischen Abteilung des Innenministeriums nicht zuzumuten, diese 670 000 DM im Rahmen der 300 000 DM, die für die gesamte kulturpolitische Repräsentanz des Bundes dem Innenministerium zur Verfügung stehen, als abgegolten zu betrachten.
Ich möchte das Haus bitten, dieses Monitum —denn mehr soll und kann es heute nicht sein! — zu unterstreichen. Wir erwarten, daß bei nächster Gelegenheit — Ergänzungsetat oder neuer Etat — diese Mittel gesondert eingesetzt werden. Ich freue mich, ein Argument durch den Herrn Bundeskanzler bekommen zu haben, der laut „Evangelischem Pressedienst" vom 3. September 1951 in Lübeck gesagt hat — gestatten Sie, daß ich das vortrage, Herr Präsident — —